OGH 1Ob180/23m

OGH1Ob180/23m9.2.2024

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Wessely‑Kristöfel und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Familienrechtssache der Antragstellerin Mag. I* J*, vertreten durch Mag. Bettina Baar‑Baarenfels, Rechtsanwältin in Wien, gegen den Antragsgegner Dr. O* J*, vertreten durch die Hornek Hubacek Lichtenstrasser Epler Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 27. September 2023, GZ 43 R 259/23s‑10, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Hietzing vom 26. April 2023, GZ 10 Fam 3/23f‑4, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0010OB00180.23M.0209.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiete: Familienrecht (ohne Unterhalt), Unternehmens-, Gesellschafts- und Wertpapierrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden hinsichtlich der Abweisung des Manifestationsbegehrens aufgehoben. Dem Erstgericht wird die neuerliche Beschlussfassung über dieses Begehren nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens wird dem Erstgericht vorbehalten.

 

Begründung:

[1] Die Ehe der Parteien wurde (in Stattgebung des Widerklagebegehrens der Frau) mit Urteil des Erstgerichts gemäß § 49 EheG unter Ausspruch des (alleinigen) Verschuldens des Mannes geschieden; dieses Urteil wurde den Parteien am 20. 9. 2021 zugestellt. Der dagegen nur wegen des Verschuldensausspruchs und der Abweisung seines Klagebegehrens erhobenen Berufung des Mannes wurde teilweise Folge gegeben und ausgesprochen, dass ihn (nur) das überwiegende Verschulden treffe. Seine dagegen erhobene außerordentliche Revision wies der Oberste Gerichtshof zu 1 Ob 84/22t zurück.

[2] Der Mann begehrte am 14. 10. 2022 beim Erstgericht die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse.

[3] Die Frau begehrte mit ihrem am 15. 3. 2023 beim Erstgericht eingelangten Antrag ebenfalls die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse in bestimmter Weise. Weiters beantragte sie, dem Mann aufzutragen, ihr „gemäß Art XLII EGZPO eine vollständige konkrete Aufstellung seiner und in seinem Besitz befindlichen Ersparnisse, wie sämtliche Wertpapiere, Bankguthaben, Bargeldbeträge, Edelmetalle, Bausparverträge, Lebensversicherungen, Cryptowährungsbestände und dergleichen, ebenso eine Aufstellung über jene, die er in die * Privatstiftung, FN […], eingebracht hat und/oder von dieser erhalten hat, sowie deren Stand zum Zeitpunkt der Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft Ende 2015 bekanntzugeben, sowie des Weiteren anzugeben, welche weiteren Vermögenswerte zum Zeitpunkt der Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft vorhanden waren“.

[4] Zum Begehren auf Auskunftserteilung brachte die Frau vor, der Mann habe während aufrechter ehelicher Lebensgemeinschaft eine Privatstiftung errichtet. Er habe sich „das weitreichende Änderungsrecht in der * Privatstiftung weiterhin vorbehalten“. Er habe somit „weiterhin sämtliche Verfügungsmöglichkeiten und Rechte, wem welche Gelder aus der Stiftung zufließen können und sollen“. Die ehelichen Ersparnisse des Mannes in der Privatstiftung sowie außerhalb „weisen vermutlich eine Größenordnung von rund 9 Millionen EUR bis 15 Millionen EUR auf“. Konkrete Angaben zu diesem Vermögen verschweige bzw verheimliche der Mann. Er habe bislang keine Auskunft erteilt, welches Vermögen und welche Ersparnisse er angespart habe, welche Vermögenswerte er in die Privatstiftung eingebracht habe, welche Vermögen und Ersparnisse dort hieraus angespart worden seien und welche Zuflüsse aus der Stiftung an ihn erfolgt seien, welche ehelichen Ersparnisse und Vermögenswerte in welcher Größenordnung er daraus wiederum bezogen habe und welche Zuflüsse er an andere ihm nahestehende und zurechenbare Begünstigten aufgrund seiner „vorbehaltenen weitreichenden Änderungsrechte“ in der Privatstiftung zufließen habe lassen, die ihm wiederum zuzurechnen seien. Sie behalte sich „die Bezifferung und Konkretisierung und Ausdehnung des Aufteilungsantrags“ nach der beantragten Auskunft des Mannes vor.

[5] Der Mann hielt dem Vorbringen der Frau lediglich entgegen, dass ihr Anspruch infolge Fristablaufs gemäß § 95 EheG erloschen sei. Inhaltlich nahm er vor der Beschlussfassung des Erstgerichts nicht Stellung.

[6] Das Erstgericht wies den Antrag der Frau auf Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse ab. Sie habe ihren Antrag auf Aufteilung nicht gemäß § 95 EheG binnen eines Jahres nach Rechtskraft des Scheidungsausspruchs eingebracht, sodass ihr Anspruch erloschen sei. Ihr erst nach Ablauf der Jahresfrist gestellter Gegenantrag zum vorangegangenen Aufteilungsantrag des Mannes sei zufolge Verspätung nicht geeignet, die Aufteilungsmasse in quantitativer Hinsicht zu erweitern.

[7] Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Frau teilweise Folge, hob den erstinstanzlichen Beschluss hinsichtlich des Aufteilungsbegehrens „ersatzlos“ auf und bestätigte – für das Revisionsrekursverfahren von Relevanz – die Abweisung des Manifestationsbegehrens.

[8] Rechtlich führte es zum Aufteilungsantrag der Frau aus, dass sie auch nach Ablauf der Jahresfrist des § 95 EheG eine Ausgleichszahlung begehren könne. Zudem überschreite ihr Antrag in Teilen das rechtzeitig gestellte Aufteilungsbegehren des Mannes nicht und sei mit diesem teilweise identisch. Hinsichtlich des Manifestationsbegehrens liege jedoch Verfristung vor, „weil es über das bereits anhängige Aufteilungsverfahren hinausgeht und dieses ausdehnt“.

[9] Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der Revisionsrekurs nicht zulässig sei, weil „die Beurteilung des konkreten Sachverhalts im Vordergrund“ gestanden sei.

Rechtliche Beurteilung

[10] Der außerordentliche Revisionsrekurs der Frau, der nach Freistellung vom Mann beantwortet wurde, ist entgegen dem nach § 71 Abs 1 AußStrG nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts zulässig, weil die Beurteilung des Rekursgerichts zur Verfristung des Manifestationsbegehrens von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht. Er ist auch berechtigt.

[11] 1. Der Mann hat innerhalb der einjährigen Präklusivfrist des § 95 EheG einen Aufteilungsantrag gestellt. Im Falle eines rechtzeitigen, innerhalb dieser Frist gestellten Aufteilungsantrags kann das Begehren auf Auskunftserteilung analog zu Art XLII Abs 1 zweiter Fall EGZPO im Hinblick auf eine mögliche Ausgleichszahlung auch noch nach Ablauf dieser Frist erhoben werden (1 Ob 215/22g = RS0134259, EF‑Z 2023/54, 123 [zustimmend Gitschthaler], iFamZ 2023/72, 97 [zustimmend Deixler‑Hübner]). Das Begehren der Frau auf Auskunftserteilung, das sie außerhalb der Ein‑Jahres‑Frist des § 95 EheG gestellt hat, kann daher – entgegen der Ansicht des Rekursgerichts und des Mannes – nicht wegen Ablaufs dieser Frist abgewiesen werden.

[12] 2. Das Manifestationsbegehren ist im fortgesetzten Verfahren zu erörtern.

[13] 2.1. Im außerstreitigen Aufteilungsverfahren besteht nur ein Anspruch auf Auskunftserteilung in analoger Anwendung des Art XLII Abs 1 zweiter Fall EGZPO (RS0113334; 1 Ob 181/16y; 1 Ob 215/22g = RS0134258, jeweils mwN). Voraussetzung dafür ist, dass der Gegner von der Verschweigung oder Verheimlichung des anzugebenden Vermögens vermutlich Kenntnis hat (8 Ob 255/99d, SZ 73/45) und damit der konkrete Verdacht auf Verschweigen oder Verheimlichen von Vermögenswerten besteht (RS0034823; Garber in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 85 EheG Rz 94 mwN). Die (eigentliche) Auskunftspflicht (Offenlegung) kann sich im Aufteilungsverfahren nur auf jenes der Aufteilung unterliegende Vermögen beziehen, das im Aufteilungszeitpunkt – Zeitpunkt der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft – noch vorhanden ist oder dessen Wert gemäß § 91 Abs 1 EheG in die Aufteilung einzubeziehen ist (8 Ob 255/99d; 1 Ob 181/16y; 1 Ob 215/22g; Gitschthaler in Schwimann/Kodek, ABGB5 § 85 EheG Rz 9 mwN).

[14] In einem Antrag auf Auskunftserteilung analog zu Art XLII Abs 1 zweiter Fall EGZPO muss jener Bestandteil der Aufteilungsmasse, den der andere Ehegatte vermutlich unrichtig, unvollständig oder gar nicht angegeben hat, soweit konkretisiert werden, dass in der beantragten Vermögensangabe nicht etwa ein bloßer Erkundungsbeweis zu erblicken ist (8 Ob 255/99d; 1 Ob 181/16y; 1 Ob 215/22g = RS0034823 [T7]). Die bloße Behauptung, der andere Ehegatte würde Vermögen verheimlichen, reicht demnach nicht aus, sondern sie muss konkretisiert werden (1 Ob 215/22g = RS0034823 [T8]; vgl RS0113334). Zu detaillierte Auskünfte dürfen vom auskunftsbegehrenden Ehegatten im Hinblick auf den Zweck des Auskunftsanspruchs aber nicht verlangt werden. Der Antragsteller hat so viele Tatsachen zu behaupten und zu bescheinigen, dass daraus die Wahrscheinlichkeit der Verschweigung oder Verheimlichung des für das Aufteilungsverfahren relevanten Vermögens durch den Antragsgegner abzuleiten ist (vgl RS0034823 [T5, T6]; Stabentheiner/Pierer in Rummel/Lukas 4 § 85 EheG Rz 31 mwN).

[15] 2.2. Der Anspruch auf Auskunftserteilung analog zu Art XLII Abs 1 zweiter Fall EGZPO setzt das Verschweigen oder Verheimlichen von Vermögen durch den Mann voraus. Solches behauptet die Frau nur ansatzweise, wenn sie vorbringt, der Mann habe ihr „jegliche Auskunft“ über seine Vermögensverhältnisse verweigert, und auch darüber, welche ehelichen Ersparnisse und welches Vermögen er besitze und was er in die Privatstiftung eingebracht habe sowie welche Ersparnisse in der Privatstiftung angewachsen seien. Die „Beweisführung [sei] für ihn leichter“.

[16] Die Frau erstattete kein Vorbringen, dass sie den Mann auf ein der ehelichen Aufteilung unterliegendes Vermögen angesprochen hätte und er ihr dieses verheimlicht oder verschwiegen hätte. Sie begehrt auch nicht allein zum Zeitpunkt der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft eine Aufstellung seiner ehelichen Ersparnisse (vgl 1 Ob 181/16y), sondern nur unpräzise eine Aufstellung „seiner und in seinem Besitz befindlichen Ersparnisse“. Der Aufteilung unterliegen aber nur eheliche Ersparnisse (vgl § 81 Abs 1 und 3 EheG), sodass das Auskunftsbegehren im Rahmen des Aufteilungsverfahrens auch nur auf solche Ersparnisse gerichtet sein kann. Die Frau strebt auch eine Aufstellung des Mannes über die von der Privatstiftung erhaltenen „Ersparnisse“ an. Sollte es sich dabei um eheliche Ersparnisse handeln und die Frau ein Verheimlichen oder Verschweigen behaupten, könnte sie auch nur die Auskunft darüber zum Zeitpunkt der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft verlangen.

[17] Ohne – bislang nicht erstattetes – Vorbringen der Frau läuft ihr Begehren, der Mann habe auch anzugeben, „welche weiteren Vermögenswerte“ zum Zeitpunkt der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft vorhanden gewesen seien, auf einen unzulässigen Erkundungsbeweis hinaus.

[18] 2.3. Die Frau begehrt – unabhängig von der unterlassenen Darlegung des Verschweigens oder Verheimlichens von Vermögen durch den Mann im Zusammenhang mit der Privatstiftung (siehe 2.2.) – mit der unkonkreten Behauptung, der Mann habe sich „das weitreichende Änderungsrecht in der * Privatstiftung weiterhin vorbehalten“, eine Aufstellung über das von ihm in die Privatstiftung Eingebrachte sowie dessen „Stand zum Zeitpunkt der Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft Ende 2015“. Dabei legt sie nicht dar, was sie unter dem vorbehaltenen „weitreichenden Änderungsrecht“ versteht, und behauptet nicht, dass sich der Mann als Stifter das Recht vorbehalten hätte, die Privatstiftung zu widerrufen. Die Frau legt nicht dar, welche Relevanz allfällige eingebrachte „Ersparnisse“ für das Aufteilungsverfahren hätten und auf welcher rechtlichen Grundlage sie einen unbefristeten Anspruch auf Auskunftserteilung analog zu Art XLII Abs 1 zweiter Fall EGZPO in Bezug auf das in die Privatstiftung Eingebrachte hätte.

[19] 2.3.1. Die Zuwendung ehelichen Vermögens an eine Privatstiftung steht regelmäßig im Widerspruch zur bisherigen Gestaltung der Lebensverhältnisse der Ehepartner. Hat sich der Stifter das Recht der Änderung der Stiftungserklärung und auf Widerruf der Privatstiftung nicht vorbehalten und stehen ihm dadurch keine Einfluss‑ und Verfügungsrechte (mehr) zu, kommt es bei Einbringung von Ehevermögen in die Privatstiftung ohne Zustimmung des anderen Ehegatten zur Anwendung des § 91 Abs 1 EheG und ist dessen Zwei‑Jahres‑Frist zu beachten. Hat der Stifter innerhalb der Zwei‑Jahres‑Frist des § 91 Abs 1 EheG eine für den (früheren) Ehepartner benachteiligende Änderung vorgenommen, ist ihm zum Ausgleich der Vermögensverschiebung in die Privatstiftung eine Ausgleichszahlung aufzuerlegen (vgl Csoklich, Privatstiftung und Scheidung, RdW 2000, 402 [403 f]; B. Jud, Die Privatstiftung in der Vermögensaufteilung bei Scheidung des Stifters, GesRZ 2007, 289 [302]; Oberhumer, Unternehmen und Gesellschaftsanteile in der nachehelichen Vermögensaufteilung [2011] 585; Kalss/Probst, Familienunternehmen Kap. XIX Rz 19/63 ff [Stand April 2013, rdb.at]; Gitschthaler in Schwimann/Kodek, ABGB5 § 91 EheG Rz 5; Hopf/Kathrein, EheR3 § 91 EheG Rz 3; Eisner, Die Privatstiftung in der nachehelichen Aufteilung, JEV 2020, 4 [8]; Deixler‑Hübner in Gitschthaler/Höllwerth, EuPR2 § 91 EheG Rz 9; Garber in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 91 EheG Rz 11; N. Arnold, PSG4 [2022] Einl Rz 29).

[20] 2.3.2. Hat sich der Stifter demgegenüber das Recht der Änderung der Stiftungserklärung oder auf Widerruf der Privatstiftung vorbehalten und stehen ihm dadurch weiterhin Einfluss‑ und Verfügungsrechte zu, gelangt bei der Einbringung von Ehevermögen in die Privatstiftung ohne Zustimmung des anderen Ehegatten nach überwiegender Lehre § 91 Abs 1 EheG ohne dessen Zwei‑Jahres‑Frist zur Anwendung. Sollte sich der Stifter weitgehende Mitspracherechte vorbehalten haben, sodass er die Vermögenszuwendung rückgängig machen kann, kann von einer endgültigen Aufgabe des Verfügungsrechts über das gewidmete eheliche Vermögen nicht gesprochen werden. Die Zwei‑Jahres‑Frist kann damit erst zu dem Zeitpunkt zu laufen beginnen, zu dem er auf diese Rechte verzichtet (vgl Csoklich, Privatstiftung und Scheidung, RdW 2000, 403 f; Csoklich, Aufteilungsanspruch bei Scheidung des Stifters, in Eiselsberg, Stiftungsrecht Jahrbuch 2008, 139 [145 ff]; B. Jud, Die Privatstiftung in der Vermögensaufteilung bei Scheidung des Stifters, GesRZ 2007, 294 f; Kalss/Probst, Familienunternehmen Kap. XIX Rz 19/65 [Stand April 2013, rdb.at]; Gitschthaler in Schwimann/Kodek, ABGB5 § 91 EheG Rz 5, aber abweichend Rz 13 bei Privatstiftung als „reiner Geldanlage“: Zwei‑Jahres‑Frist soll zur Anwendung gelangen; Hopf/Kathrein, EheR3 § 91 EheG Rz 3; Deixler‑Hübner in Gitschthaler/Höllwerth, EuPR2 § 91 EheG Rz 9; Stabentheiner/Pierer in Rummel/Lukas 4 § 91 EheG Rz 9; Garber in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 91 EheG Rz 11; N. Arnold, PSG4 [2022] Einl Rz 29).

[21] Anderes vertritt im Grundsatz Oberhumer, Unternehmen und Gesellschaftsanteile in der nachehelichen Vermögensaufteilung (2011) 587 ff: Bei umfassenden Widerrufs‑ und Änderungsrechten des Stifters sei regelmäßig § 91 Abs 1 EheG nicht einschlägig, weil der stiftende Ehegatte das Vermögen nicht aufgegeben habe. Vermögenswerte Stifterrechte seien „unter die ehelichen Ersparnisse einzuordnen“. In bestimmten Konstellationen – zB wenn die Änderungs‑ und Widerrufsrechte nach Verlust des Vermögens der Privatstiftung oder dessen gesamter zweckgemäßer Verwendung „keinen großen Vermögensvorteil“ mehr hätten oder die Rechte des Stifters „keine wirtschaftlich nutzbare Position iSd § 81 Abs 3 EheG“ darstellten – sei aber dennoch § 91 Abs 1 EheG anzuwenden (Oberhumer aaO 594 f). Im Kern ähnlich argumentiert auch Eisner, Die Privatstiftung in der nachehelichen Aufteilung, JEV 2020, 8 ff: Der Vorbehalt umfassender Widerrufs‑ und Änderungsrechte des Stifters bewirke keine endgültige Vermögensverringerung, weil das Vermögen noch als vermögenswertes Recht beim Stifter vorhanden sei und „damit als eheliche Ersparnis nach den §§ 81 ff EheG unmittelbar unter die nacheheliche Aufteilung“ falle.

[22] Welche Auffassung zutrifft und welche Folgen die letztgenannte Auffassung gegebenenfalls hätte, kann hier offen bleiben. Denn in die Privatstiftung eingebrachtes eheliches Vermögen war vom Aufteilungsantrag des Mannes nicht erfasst. Da die Frau ihren Antrag erst nach Ablauf der Jahresfrist des § 95 EheG gestellt hat, könnte dieses Vermögen jedenfalls nur wertmäßig nach § 91 Abs 1 EheG für die Bemessung der Ausgleichszahlung herangezogen werden. Davon ist im Folgenden auszugehen.

[23] 2.3.3. Um Vermögensverschiebungen von Ehevermögen in die Privatstiftung entsprechend § 91 Abs 1 EheG auszugleichen, hat das Gericht dem Ehepartner des Stifters eine Ausgleichszahlung zuzusprechen. Gemäß § 91 Abs 1 EheG ist der Wert des Fehlenden in die Aufteilung einzubeziehen (RS0003990; RS0057940). Nach dieser Bestimmung muss sich der Ehegatte, der den anderen durch eine Verfügung benachteiligt hat, so behandeln lassen, als hätte er die Verfügung nicht getroffen (RS0057927). Der daraus entstehende Anspruch auf Einbeziehung des Fehlenden beruht auf der Fiktion, das Fehlende – und zwar nach dem Wert zur Zeit der Aufteilung – sei dem stiftenden Ehegatten schon durch Aufteilung zugekommen (RS0003990; RS0057915 [T2]; vgl RS0057940).

[24] Wie bereits zu 2.1. ausgeführt, kann sich die Auskunftspflicht (Offenlegung) im Aufteilungsverfahren nur auf jenes der Aufteilung unterliegende Vermögen beziehen, das im Aufteilungszeitpunkt – Zeitpunkt der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft – noch vorhanden ist oder dessen Wert gemäß § 91 Abs 1 EheG in die Aufteilung einzubeziehen ist.

[25] Der Anspruch auf Auskunftserteilung analog zu Art XLII Abs 1 zweiter Fall EGZPO in Bezug auf das in eine Privatstiftung eingebrachte Ehevermögen bezieht sich auf den nach § 91 Abs 1 EheG einzubeziehenden Wert dieses Vermögens. Der Ehepartner kann demnach bei Vorliegen der Voraussetzungen für diesen Auskunftsanspruch vom Stifter Auskunft über das in die Privatstiftung eingebrachte eheliche Gebrauchsvermögen und die ehelichen Ersparnisse verlangen.

[26] Die Frau hat im erstinstanzlichen Verfahren vorgebracht, dass der Mann Begünstigter der Privatstiftung ist. Als Begünstigter hat er nach § 30 Abs 1 PSG einen Auskunftsanspruch und ein Einsichtsrecht: Er kann von der Privatstiftung die Erteilung von Auskünften über die Erfüllung des Stiftungszwecks sowie die Einsichtnahme in den Jahresabschluss, den Lagebericht, den Prüfungsbericht, die Bücher, in die Stiftungsurkunde und in die Stiftungszusatzurkunde verlangen. Die Einsicht in die nach § 30 Abs 1 PSG genannten Unterlagen ist – vorbehaltlich eines allfälligen rechtsmissbräuchlichen Begehrens – zu gewähren. Gleiches gilt für die Auskunftserteilung über die Erfüllung des Stiftungszwecks (6 Ob 160/15w [Pkt 8.3.], SZ 2016/19). Da nach § 91 Abs 1 EheG der Wert zum Zeitpunkt der Aufteilung – also dem Zeitpunkt der gerichtlichen Aufteilungsentscheidung erster Instanz – maßgeblich ist (vgl Csoklich, Aufteilungsanspruch bei Scheidung des Stifters, in Eiselsberg, Stiftungsrecht Jahrbuch 2008, 150 zum Wert des in die Privatstiftung eingebrachten ehelichen Vermögens) und der Mann als Begünstigter gegenüber der Privatstiftung einen Auskunftsanspruch hat, kann sie von ihm verlangen, dass er ihr auf der Grundlage analoger Anwendung von Art XLII Abs 1 zweiter Fall EGZPO – bei Vorliegen dessen Voraussetzungen – Auskunft über den Wert des in die Stiftung eingebrachten Ehevermögens zu diesem Zeitpunkt gibt.

[27] 2.3.4. Die Behauptungs‑ und Bescheinigungslast für das Vorliegen der Voraussetzungen für die begehrte Auskunftserteilung trifft die Frau. Ohne konkrete Behauptungenvon ihr kann aber nicht beurteilt werden, ob sie einen Anspruch auf Auskunftserteilung entsprechend § 91 Abs 1 EheG auch in Bezug auf allfällige in die Privatstiftung eingebrachte eheliche Ersparnisse haben und für welchen Zeitraum sie dazu berechtigt sein könnte.

[28] Liegt weder ein Widerrufs‑ noch ein weitreichendes Änderungsrecht vor (siehe Punkt 2.3.1.), so wäre nur jenes eheliche Vermögen wertmäßig in die Aufteilung einzubeziehen, das innerhalb der Zwei‑Jahres‑Frist des § 91 Abs 1 EheG in die Privatstiftung eingebracht wurde.

[29] 2.4. Zur Vermeidung einer Überraschungs-entscheidung (vgl RS0037300; RS0108816) ist der Frau Gelegenheit zu geben, ausreichendes Vorbringen zur Schlüssigstellung des Anspruchs auf Auskunftserteilung analog zu Art XLII Abs 1 zweiter Fall EGZPO zu erstatten. Vom Erstgericht sind auf dieser Grundlage gegebenenfalls entsprechende Feststellungen zu treffen.

[30] 3. Aus den dargelegten Gründen sind die Entscheidungen der Vorinstanzen hinsichtlich des Manifestationsanspruchs der Frau aufzuheben und die Familienrechtssache ist auch insofern zur Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

[31] 4. Das Rekursgericht hat die Kostenentscheidung dem Erstgericht vorbehalten (vgl § 78 Abs 1 AußStrG), sodass dieses auch über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens zu entscheiden hat.

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