European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0010OB00161.23T.1023.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Amtshaftung inkl. StEG
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Gegenstand des Amtshaftungsverfahrens sind Schäden des Klägers (eines österreichischen Berufssoldaten), die er daraus ableitet, dass er wegen eines seiner Ansicht nach unvertretbar rechtswidrigen Disziplinarerkenntnisses von einem Auslandseinsatz vorzeitig repatriiert und von weiteren solchen Einsätzen ausgeschlossen worden sei. Das Disziplinarerkenntnis sei zwar drei Jahre später vom Bundesverwaltungsgericht behoben worden. Dennoch sei ihm bis dahin ein Verdienst entgangen. Der Kläger begehrt den Ersatz dieses Verdienstentgangs sowie der ihm im verwaltungsgerichtlichen Verfahren entstandenen Kosten.
[2] Das Berufungsgericht bestätigte die klageabweisende Entscheidung des Erstgerichts, das die Ansprüche als verjährt ansah, und ließ die ordentliche Revision nicht zu.
Rechtliche Beurteilung
[3] Die dagegen erhobene außerordentliche Revision des Klägers zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf:
[4] 1. Die Vorinstanzen nahmen an, dass dem Kläger zwar die Ablaufhemmung nach § 6 Abs 1 Satz 1 AHG zugute komme (keine Verjährung vor Ablauf eines Jahres nach der Entscheidung des BVerwG), sodass er seinen – aufgrund des im Ausland gelegenen Orts der behaupteten Rechtsverletzung erforderlichen – Ordinationsantrag (gerade noch) rechtzeitig gestellt habe. Allerdings habe er die Klage erst fünfeinhalb Monate nach der Bestimmung des zuständigen Gerichts durch den Obersten Gerichtshof eingebracht, weswegen er das Verfahren nicht gehörig fortgesetzt habe.
[5] 2. Dagegen macht der Kläger zunächst geltend, dass die Verjährung erst mit dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts begonnen habe, sodass er die Klage jedenfalls innerhalb der dreijährigen Frist des § 6 Abs 1 AHG erhoben habe. Die gegenteilige Auffassung der Vorinstanzen ist allerdings durch ständige Rechtsprechung gedeckt:
[6] 2.1. Gemäß § 6 Abs 1 Satz 1 AHG verjähren Amtshaftungsansprüche in drei Jahren nach Ablauf des Tages, an dem dem Geschädigten der Schaden bekannt geworden ist, keinesfalls aber vor einem Jahr nach Rechtskraft der rechtsverletzenden Entscheidung. Für den Fristbeginn kommt es neben der Kenntnis vom Schaden darauf an, wann der Geschädigte ohne nennenswerte Mühe auf das Verschulden eines Organs schließen konnte (RS0050355). Der anspruchsbegründende Sachverhalt musste so weit bekannt sein, dass eine Klage mit Aussicht auf Erfolg erhoben werden hätte können (RS0034524). Dann beginnt die Verjährungsfrist unabhängig davon zu laufen, ob die Schadenshöhe bereits bezifferbar ist, alle Schadensfolgen bekannt oder diese schon zur Gänze eingetreten sind. Trifft dies nicht zu, muss der Verjährung mit einer Feststellungsklage begegnet werden (RS0050338). Keinesfalls darf der Geschädigte aber so lange warten, bis sein Prozessrisiko auf ein Minimum reduziert ist (RS0034524 [T6]) oder er im Rechtsstreit zu gewinnen glaubt (RS0050338 [T12]). Wann eine ausreichende Kenntnis der maßgeblichen Tatsachen anzunehmen ist, hängt jeweils vom konkreten Einzelfall ab (RS0034524 [T23, T41]).
[7] 2.2. Die rechtskräftige Beendigung eines Verwaltungsverfahrens ist keine Voraussetzung für eine Amtshaftungsklage, sofern aufgrund einer behördlichen Entscheidung bereits ein Schaden eintrat, der durch ein Rechtsmittel nicht mehr abgewendet werden konnte. Amtshaftungsansprüche können dann schon vor rechtskräftigem Abschluss des Anlassverfahrens erhoben werden (1 Ob 50/13d mwN). Ist nicht offensichtlich, dass der Geschädigte erst nach Beendigung dieses Verfahrens ausreichende Kenntnis vom Schaden haben konnte, hat er im Fall eines Verjährungseinwands darzulegen, warum er vorher über einen bereits erfolgten Schadenseintritt im Unklaren gewesen sei (1 Ob 12/05d; 1 Ob 221/05i).
[8] 2.3. Weshalb dem Kläger der Verdienstentgang, den er aus seiner vorzeitigen Repatriierung und der daraus resultierenden Auslandseinsatzsperre aufgrund des Disziplinarerkenntnisses ableitet, nicht schon vor Entscheidung des Verwaltungsgerichts bekannt gewesen sei, zeigt er nicht auf. Der Revision lässt sich auch nicht entnehmen, dass er erst durch diese Entscheidung Kenntnis von der – seiner Ansicht nach – unvertretbaren Unrichtigkeit des Disziplinarerkenntnisses und damit vom Organverschulden erlangt hätte. Dass die Vorinstanzen den Verjährungsbeginn hinsichtlich des Verdienstentgangs bereits mit der aufgrund des Disziplinarerkenntnisses erfolgten Repatriierung annahmen, ist daher jedenfalls vertretbar. Dass die Verjährungsfrist für den Anspruch auf Ersatz der Verfahrenskosten mit Beauftragung seiner Rechtsanwältin zu laufen begonnen habe, bestreitet der Kläger nicht mehr.
[9] 2.4. Was der Revisionswerber mit seiner Behauptung anstrebt, dem Disziplinarerkenntnis wäre für das Amtshaftungsverfahren „Bindungswirkung“ zugekommen, bleibt unklar. Eine Bindung an jenen Verwaltungsakt, aus dem Amtshaftungsansprüche abgeleitet werden, kann bei der Beurteilung seiner Richtigkeit (Vertretbarkeit) schon nach dem Wesen der Amtshaftung nicht bestehen (1 Ob 14/94; 1 Ob 204/05i). Auch aus § 11 Abs 1 AHG ist für den Kläger nichts zu gewinnen. Zwar darf das Amtshaftungsgericht die Rechtswidrigkeit eines Bescheids demnach nicht ohne Anrufung des Verwaltungsgerichtshofs bejahen (RS0050218). Die Erhebung einer Amtshaftungsklage hindert dies aber nicht.
[10] 2.5. Zwar wird es oft sinnvoll sein, die Klage erst nach Klärung der Rechtswidrigkeit in einem dafür vorgesehenen (verwaltungsgerichtlichen) Verfahren zu erheben. Gerade das ermöglicht aber die Ablaufhemmung nach § 6 Abs 1 Satz 1 AHG: Der Kläger hat nach der abschließenden Klärung der Rechtswidrigkeit jedenfalls noch ein volles Jahr Zeit, seine Ansprüche gerichtlich geltend zu machen, ohne Verjährung befürchten zu müssen (1 Ob 16/88; 1 Ob 103/07i).
[11] 3. Die Revision legt auch zur Frage, ob das Verfahren nach Bestimmung des zuständigen Prozessgerichts gemäß § 28 JN durch den Obersten Gerichtshof gehörig fortgesetzt wurde, keine erhebliche Rechtsfrage dar:
[12] 3.1. Eine gehörige Verfahrensfortsetzung ist nicht anzunehmen, wenn der Kläger eine ungewöhnliche Untätigkeit an den Tag legt, die zum Ausdruck bringt, dass ihm nicht an der Erreichung seines Prozessziels gelegen ist. Dabei ist neben der Dauer der Untätigkeit auch auf deren Grund Bedacht zu nehmen (RS0034849). Der Kläger muss – bei entsprechendem Einwand – beachtliche Gründe für seine Untätigkeit behaupten. Auf in der eigenen Sphäre gelegene Gründe kann er sich dabei nicht berufen (RS0034867). Ob ein Verfahren gehörig fortgesetzt wurde, ist jeweils im Einzelfall zu prüfen (RS0034805) und wirft typischerweise keine erhebliche Rechtsfrage auf.
[13] 3.2. Die Vorinstanzen gingen von einer nicht gehörigen Verfahrensfortsetzung aus, weil der Kläger zwischen Zustellung der Entscheidung über seinen Ordinationsantrag und Einbringung der Klage beim als zuständig bestimmten Gericht rund fünfeinhalb Monate verstreichen ließ. Eine im Einzelfall zu korrigierende Fehlbeurteilung kann darin nicht erblickt werden. Das Berufungsgericht hielt dem Kläger entgegen, dass sein Irrtum über das Erfordernis einer Einbringung der Klage beim ordinierten Gericht allein seine Sphäre betroffen habe und seine Untätigkeit daher nicht rechtfertigen konnte. Dem setzt die Revision nichts Stichhaltiges entgegen. Eine Pflicht zur amtswegigen „Weiterleitung“ einer dem Ordinationsantrag als Beilage angeschlossenen Klage an das ordinierte Gericht ergibt sich aus § 28 JN nicht. Dass bereits der Ordinationsantrag die Gerichtsanhängigkeit der Amtshaftungsklage bewirkt hätte, behauptet der Kläger in dritter Instanz nicht mehr.
[14] 3.3. Seinem Argument, er habe sich darauf verlassen können, dass die Klage vom Obersten Gerichtshof (entsprechend einer bisherigen „Gepflogenheit“) an das als zuständig bestimmte Gericht weitergeleitet werde, hielt das Berufungsgericht (jedenfalls vertretbar) entgegen, dass er sich innerhalb von fünfeinhalb Monaten – auch wenn er von einer solchen „Praxis“ ausgegangen wäre – zumindest erkundigen hätte müssen, ob tatsächlich eine Weiterleitung seiner Klage erfolgt sei. Da der Kläger auch dem nicht konkret entgegentritt, zeigt er auch insoweit keine Korrekturbedürftigkeit der angefochtenen Entscheidung auf.
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