OGH 1Ob12/05d

OGH1Ob12/05d25.1.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Michael *****, vertreten durch Reinisch & Wisiak Rechtsanwälte OEG in Leibnitz, und des Nebenintervenienten auf Seiten der klagenden Partei S*****, vertreten durch Dr. Kurt Berger ua, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei Dr. Bernhard S*****, vertreten durch Dr. Harold Schmid, Mag. Helmut Schmid und Dr. Helmut Horn, Rechtsanwälte in Graz, und den Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei Reinhard *****, vertreten durch Dr. Marin Piaty, Mag. Michael Müller-Mezin und Dr. Stefan Schoeller, Rechtsanwälte in Graz, wegen Leistung und Feststellung (Gesamtstreitwert EUR 85.384,99), infolge ordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 18. Oktober 2004, GZ 5 R 111/04i-27, mit dem das Zwischen- und Teilurteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 26. April 2004, GZ 39 Cg 50/03g-22, abgeändert wurde, in nicht öffentlicher Sitzung, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei sowie den Nebenintervenienten deren mit jeweils EUR 1.887,30 (darin EUR 314,55 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortungen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Kläger erwarb im Erbweg durch Einantwortungsbeschluss vom 23. 12. 1994 einen Miteigentumsanteil an einer Liegenschaft, die vom Beklagten verwaltet wurde. Dieser reichte auch für das Jahr 1994 die Einkommensteuererklärung für die Miteigentümergemeinschaft beim zuständigen Finanzamt ein, machte dabei jedoch von der auf Grund des Erwerbs im Erbweg für den Kläger gemäß § 16 Abs 1 Z 8 lit b EStG bestehenden Möglichkeit, die Absetzung für Abnutzung von fiktiven Anschaffungskosten zu berechnen, nicht Gebrauch, da ihm diese Möglichkeit nicht bekannt war. Nachdem dem Kläger im Jahre 1996 bewusst geworden war, dass ein derartiges Wahlrecht besteht - dass der Beklagte es bereits (für das Jahr 1994) ausgeübt hatte, wusste er jedoch nicht -, wies er den Beklagten an, die beim Finanzamt für das Jahr 1995 abgegebene Gemeinschaftserklärung insofern zu korrigieren, als die Abschreibung nach (bestimmten) fiktiven Anschaffungskosten berücksichtigt werden sollte. Im Bescheid des Finanzamtes für das Jahr 1995 vom 9. 2. 1999 wurde diese Art der Abschreibung mit der Begründung abgelehnt, das einmalige Wahlrecht sei bereits verbraucht worden, da im Zuge der Veranlagung für das Jahr 1994 kein Antrag gestellt worden sei, die Absetzung von fiktiven Anschaffungskosten vorzunehmen. Die vom Kläger dagegen am 12. 3. 1999 erhobene Berufung blieb letztlich erfolglos, weil auch die Berufungsbehörde die Auffassung vertrat, der Kläger hätte bereits für das Jahr 1994 die nun gewünschte Absetzungsvariante wählen müssen; diese Entscheidung wurde vom Kläger nicht mehr bekämpft.

Mit Schreiben vom 9. 3. 1999 teilte der Kläger dem Beklagten mit, dass seine Befürchtungen eingetroffen seien: Wie bereits in Schreiben aus dem Jahr 1996 angedeutet, sei bei der Abgabe der Steuererklärung durch die nicht steueroptimale Ermittlung des Überschusses ein wahrscheinlich irreparabler Fehler unterlaufen, der einen jährlichen Vermögensschaden von ATS 145.000 für den Kläger bzw eine weitere Miteigentümerin bedeute. Die „einzige Möglichkeit", diesen Fehler zu reparieren, bestehe darin, dass das Finanzamt einer Wiederaufnahme des Verfahrens für das Jahr 1994 zustimme, wozu er im Laufe der nächsten Wochen einen Antrag einbringen lassen werde. (Tatsächlich wurde ein solcher Antrag nie gestellt). Der Kläger behalte sich vor, sich gegenüber der Hausverwaltung aufgrund dieses Fehlers und den damit verbundenen Folgekosten schadlos zu halten.

Der Kläger hatte sein Betriebswirtschaftsstudium im Jahre 1992 abgeschlossen und im Mai 1995 als Berufsanwärter in einer Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft begonnen. Nach dem Ablegen der erforderlichen Prüfungen in den Jahren 1997 bis 1999 erwarb er im April 1999 die Berufsbefugnis zum Steuerberater.

Mit seiner am 27. 2. 2003 eingebrachten Klage begehrte er ursprünglich die Zahlung von EUR 39.192,50 samt Zinsen (in der Folge wurde das Leistungsbegehren auf EUR 78.384,99 samt Zinsen ausgedehnt) sowie die Feststellung, dass der Beklagte für alle zukünftigen Schäden hafte, die dem Kläger aus der anlässlich der Abgabe der Erklärung der Einkünfte für das Jahr 1994 „unterlassenen Option zu den fiktiven Anschaffungskosten" entstehen. Der Beklagte habe im Rahmen eines Vertragsverhältnisses die Erstellung der Steuererklärungen übernommen und somit die Unkenntnis der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen zu vertreten. Eine Verjährung der Schadensansprüche sei nicht eingetreten, da der Schaden tatsächlich erst durch die Berufungsentscheidung der zuständigen Finanzlandesdirektion vom 14. 3. 2001 entstanden sei. Erst zu diesem Zeitpunkt habe die Verjährungsfrist zu laufen begonnen.

Der Beklagte wandte im Wesentlichen ein, er sei als Hausverwalter tätig gewesen und habe für das Fehlen von abgabenrechtlichen Spezialkenntnissen nicht zu haften. Zudem sei der Kläger bestens qualifiziert vertreten gewesen. Allfällige Schadenersatzansprüche seien verjährt, weil der Schadenseintritt für den Kläger ab 1995 objektiv vorhersehbar gewesen sei. Spätestens 1996 hätte dieser zur Vermeidung der Verjährung eine Feststellungsklage erheben können.

Das Erstgericht erkannte das Zahlungsbegehren dem Grunde nach und das Feststellungsbegehren insgesamt als berechtigt. Verjährung sei nicht eingetreten, weil der Kläger erst mit Zustellung der Berufungsentscheidung der Finanzlandesdirektion vom 14. 3. 2001 seinen Schaden für das Steuerjahr 1994 und die folgenden Jahre habe erkennen können. Sein Schaden für die folgenden Jahre sei erst „mit Kenntnis der abgeänderten Einkommensteuerbescheide vom 14. 5. 2001 entstanden".

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung im Sinne einer vollständigen Klageabweisung ab und erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil höchstgerichtliche Judikatur „zu einem auch nur ähnlich gelagerten Sachverhalt" fehle. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs stehe einem Abgabenpflichtigen, der das in § 16 Abs 1 Z 8 lit b EStG eingeräumte Wahlrecht einmal konsumiert habe, kein neuerliches Wahlrecht zu. Dem Kläger sei im Jahr 1996 bewusst geworden, dass ein Erbe ein derartiges Wahlrecht hat. Er habe durch den Bescheid des Finanzamts vom 9. 2. 1999 Kenntnis davon erlangt, dass das Wahlrecht bereits im Zuge der Veranlagung für 1994 ausgeübt worden war. Nach der Rechtsprechung dürfe zwar bei strittigen Tat- und Rechtsfragen der Prozessausgang, wenigstens aber das Vorliegen gesicherter Verfahrensergebnisse, abgewartet werden, ohne dass Verjährung eintritt; mit positiver Kenntnis des Geschädigten vom Eintritt eines Schadens werde die Verjährungsfrist aber auch dann in Gang gesetzt, wenn er die Höhe seines Schadens noch nicht beziffern könne. Dann habe er der drohenden Verjährung innerhalb der Verjährungsfrist mit einer Feststellungsklage zu begegnen. Dem Kläger habe auf Grund der Zustellung des Bescheids vom 9. 2. 1999 spätestens im März 1999 bewusst sein müssen, dass sich seine Vermögenslage verschlechtert habe und es unsicher sei, ob diese Vermögensverschlechterung durch eine spätere Aufhebung der Entscheidung wieder wegfalle. Dieses Bewusstsein ergebe sich aus seinem Schreiben vom 9. 3. 1999, in dem er seinen jährlichen Vermögensschaden mit S 145.000 beziffert und von einem wahrscheinlich irreparablen Fehler des Beklagten gesprochen habe. Dazu komme, dass der Kläger seit Mai 1995 als Anwärter für den Beruf des Steuerberaters tätig gewesen sei und im April 1999 die Berufsbefugnis als Steuerberater erlangt habe. Es habe ihm daher klar sein müssen, dass seine Rechtsmittel im Hinblick auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs aussichtslos seien. Somit habe der Lauf der Verjährungsfrist im März 1999 begonnen und sei bereits vor Klageerhebung abgelaufen gewesen. Auf den Zugang der Berufungsentscheidung der Finanzlandesdirektion vom 14. 3. 2001 komme es nicht an.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene Revision des Klägers ist unzulässig, weil das Prozessergebnis nicht von der Lösung einer im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO erheblichen Rechtsfrage abhängt. Das Berufungsgericht ist - auch wenn es sich dessen möglicherweise nicht ganz bewusst war - von den in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs entwickelten Grundsätzen zum Beginn der Verjährungsfrist nicht abgewichen. Der vorliegende Fall weist keine Besonderheiten auf, die es erforderlich machten, von diesen Grundsätzen abzuweichen. Wann der für eine erfolgreiche Klageführung ausreichende Kenntnisstand erlangt ist, hängt stets von den Umständen des Einzelfalls ab (RdW 1996, 470; 5 Ob 32/01v, ua).

Zu Unrecht meint der Revisionswerber, ein (erster) Schaden trete erst ein, wenn ein Abgabepflichtiger vorgeschriebene Einkommensteuer zu entrichten habe. Zutreffend ging das Berufungsgericht davon aus, dass es für die Frage des Schadenseintritts auf die Fälligkeit einer (Abgaben-)Forderung nicht ankommt. Vielmehr liegt ein Vermögensschaden bereits mit Begründung einer Verbindlichkeit vor (RIS-Justiz RS0022568; SZ 71/108, SZ 72/55, uva). Im vorliegenden Zusammenhang ist daher die (materielle) Begründung der Abgabenschulden maßgebend (1 Ob 516/89 = RdW 1989, 221). Wie der Kläger selbst darlegt, hat das behauptete Fehlverhalten des Beklagten dazu geführt, dass seine Einkommensteuerverbindlichkeiten jedenfalls für das Jahr 1995 und die Folgejahre höher waren, als dies bei pflichtgemäßem Vorgehen der Fall gewesen wäre. Nachdem es für die Steuerpflicht auf das im jeweiligen Kalenderjahr erzielte Einkommen ankommt, ist der Primärschaden spätestens am 31. 12. 1995 eingetreten. Zu diesem Zeitpunkt war jener Lebenssachverhalt abgeschlossen, der für die im Jahr 1995 entstehende Steuerpflicht ausschlaggebend ist; der Kläger geht selbst davon aus, dass die damit (materiell) begründete Steuerschuld nachträglich nicht mehr korrigiert werden konnte.

Zutreffend hat das Berufungsgericht weiter darauf hingewiesen, dass es für die Verjährung nicht von ausschlaggebender Bedeutung ist, ob der bereits eingetretene Schaden auch der Höhe nach feststellbar ist. Ist ein (wenn auch noch nicht bezifferbarer) Schaden eingetreten, so sind damit alle Voraussetzungen für den Ersatzanspruch gegeben, sodass dieser dem Grunde nach entstanden ist; der drohenden Verjährung hat der Geschädigte dann, wenn ihm in diesem Sinne schon ein Primärschaden entstanden ist, mit einer Feststellungsklage innerhalb der Verjährungsfrist zu begegnen (SZ 69/55; weitere Nachweise etwa bei M. Bydlinski in Rummel II3 § 1489 ABGB Rz 3).

Wie sich schon aus dem Wortlaut des § 1489 ABGB ergibt, beginnt die Verjährung eines Schadenersatzanspruchs nicht bereits mit dem Zeitpunkt der Schadensentstehung, sondern vielmehr (erst), wenn der Geschädigte vom Schadenseintritt - die Kenntnis des Schädigers und des schädigenden Verhaltens ist hier nicht problematisch - Kenntnis erlangt hat. Dem Revisionswerber ist zwar zuzugestehen, dass von einer solchen Kenntnis im Regelfall erst nach Abschluss eines behördlichen Verfahrens ausgegangen werden kann, sofern erst mit dessen Ergebnis feststeht, ob dem Geschädigten überhaupt ein Schaden entstanden ist. Dies gilt jedoch nur, wenn bis zum Vorliegen des endgültigen Verfahrensergebnisses Ungewissheit über die Entstehung eines Schadens besteht (6 Ob 81/01g = ÖBA 2002, 829, 3 Ob 70/03w = EVBl 2004/82, ua). Eine ausreichende Kenntnis vom Schaden kann allerdings im Einzelfall auch gegeben sein, wenn bereits vorher gesicherte Verfahrensergebnisse vorliegen (5 Ob 32/01v) oder der Geschädigte erdrückende Beweise ignoriert (5 Ob 2101/96y = RdW 1996, 470). Ist nach den gegebenen Umständen nicht offensichtlich, dass ausreichende Kenntnis vom Schaden erst nach Beendigung eines anhängigen behördlichen Verfahrens vorliegen kann, hat der Geschädigte im Falle eines Verjährungseinwands darzulegen, aus welchen Gründen er vorher über einen bereits erfolgten Schadenseintritt noch im Unklaren sein konnte.

Im vorliegenden Fall steht fest, dass der Kläger spätestens im März 1999 Kenntnis davon hatte, dass der Beklagte die für ihn günstigere Art der Abschreibung nicht gewählt hatte und dass die Finanzbehörde - im Einklang mit der Judikatur des VwGH - die Auffassung vertrat, der Kläger könne sich später nicht mehr für eine andere Abschreibungsvariante entscheiden. Der Kläger legt in seiner Revision nicht einmal ansatzweise dar, aus welchem Grund er unter diesen Umständen vernünftigerweise die Auffassung vertreten konnte, er könne durch Rechtsmittel im Finanzverfahren den dem Grunde nach bereits eingetretenen Schaden noch abwenden. Der (unangebrachte) Vorwurf, den Mitgliedern des Berufungssenats fehle es an der fachlichen Kompetenz, derartig weitreichende Aussagen über steuerrechtliche Fragen zu treffen, die ihnen weitgehend fremd seien, vermag nachvollziehbare Ausführungen zur entscheidenden Frage, inwieweit das Ausschöpfen von Rechtsmitteln geeignet gewesen sein könnte, einen Schaden abzuwenden bzw den Kenntnisstand des Klägers über den bereits eingetretenen Schaden zu verbessern, nicht zu ersetzen.

Dass der Schaden unabwendbar ist, war dem Kläger aber ohnehin schon im Jahr 1999 bewusst, worauf das Berufungsgericht zu Recht hinweist. Er teilte dem Beklagten in seinem Schreiben vom 9. 3. 1999 mit, dass bei der Abgabe der Steuererklärung durch die nicht steueroptimale Ermittlung des Überschusses ein wahrscheinlich irreparabler Fehler unterlaufen sei, der ein jährlichen Vermögensschaden von S 145.000 bedeute; die einzige Möglichkeit, diesen Fehler zu reparieren, bestehe in einem Wiederaufnahmeantrag. Wenn der Kläger selbst nunmehr in der Revision erklärt, ein Wiederaufahmeantrag wäre mangels neuer Tatsachen von vornherein aussichtslos gewesen, kann dem Berufungsgericht kein Rechtsirrtum vorgeworfen werden, wenn es die Auffassung vertritt, dem Kläger sei bereits im März 1999 der (irreversible) Schadenseintritt bewusst gewesen. Davon, dass der Kläger im Rahmen seiner gesetzlichen Schadensminderungspflicht gehalten gewesen sei, eine „schadensstiftende" Entscheidung jedenfalls zu bekämpfen, kann bei leicht erkennbarer Aussichtslosigkeit einer solchen Maßnahme keine Rede sein.

Hat es der Kläger nun unterlassen, seinen Primärschaden innerhalb der Verjährungsfrist - gegebenenfalls mit Feststellungsklage - gegen den Beklagten geltend zu machen, so erfasst die eingetretene Verjährung auch erst später entstehende Teilschäden (SZ 69/55; RdW 2000, 148 ua), weshalb das Berufungsgericht auch das Feststellungsbegehren zu Recht abgewiesen hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50, 41 Abs 1 ZPO. Der Kläger hat die Kosten der Revisionsbeantwortungen zu ersetzen, die sich als zweckentsprechende Rechtsverteidigungsmaßnahmen darstellen, weil in ihnen auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen wurde.

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