OGH 17Ob17/23h

OGH17Ob17/23h25.9.2023

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Präsidentin Hon.‑Prof. Dr. Lovrek als Vorsitzende und die Hofrätinnen Mag. Malesich und Dr. Kodek sowie die Hofräte Dr. Stefula und MMag. Sloboda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. C* B*, Rechtsanwalt, *, als Insolvenzverwalter über das Vermögen der H* Gesellschaft mbH, *, gegen die beklagten Parteien 1. B* L*, vertreten durch Mag. Johann Pauer, Rechtsanwalt in Wien, 2. L* M*, vertreten durch Mag. Harald Schuster, Rechtsanwalt in Wien, wegen 625.260,30 EUR sA, über die Revision der erstbeklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 25. April 2023, GZ 3 R 6/23h‑65, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 10. November 2022, GZ 26 Cg 6/16d‑61, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0170OB00017.23H.0925.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die erstbeklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 3.875,82 EUR (darin enthalten 645,97 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Gegen die Zweitbeklagte erging am 14. 12. 2016 ein rechtskräftiges Anerkenntnisurteil, in dem sie zur Zahlung des Klagsbetrags samt Zinsen und Kosten verpflichtet wurde.

[2] Die H* Gesellschaft mbH (in der Folge: Schuldnerin) betrieb ein Transportunternehmen. Im September 1991 übernahm die Zweitbeklagte die Geschäftsführung und alle Gesellschaftsanteile. Faktisch führte sie das Unternehmen zunächst mit ihrer Schwester M* N*, die für die Buchhaltung verantwortlich war. Nach deren Tod am 29. 7. 2012 übernahm W* S* diese Aufgabe. Die Erstbeklagte (in der Folge: Beklagte) ist die Adoptivtochter und Erbin von M* N*.

[3] Die Schuldnerin diente dem Zweck, der Zweitbeklagten, M* N* und der Beklagten, die durch ihr Zusammenwirken (auch mit W* S*) ein kriminelles Komplott bildeten, ein regelmäßiges Einkommen durch Abgabenhinterziehung und Abgabenbetrug zu verschaffen. Auf den Konten der Schuldnerin wurden fiktive Aufwendungen und Erlöse verbucht, die als Grundlage für die monatlichen Umsatzsteuervoranmeldungen beim zuständigen Finanzamt in Wien dienten. Das zuständige Finanzamt wurde dazu verleitet, der Schuldnerin monatliche Vorsteuergutschriften zu überweisen, die ihr nicht zustanden. Die Beklagte behob nach vorheriger gemeinsamer Verabredung mit der Zweitbeklagten und M* N* mittels von diesen ausgestellter Inhaberschecks der Schuldnerin jeweils unmittelbar nach Einlangen der monatlichen Vorsteuergutschriften Geldbeträge vom Konto der Schuldnerin. Diese Geldbeträge wurden zu Lebzeiten von M* N* unterder Zweitbeklagten, M* N* und der Beklagten, nach deren Tod zwischen der Zweitbeklagten und der Beklagten, aufgeteilt. Die Beklagte übertrug auf diese Weise im Zeitraum vom 16. 11. 2009 bis 29. 8. 2014 insgesamt 625.260,30 EUR rechtsgrundlos vom Konto der Schuldnerin auf ihre Privatkonten. Sie wusste, dass den von der Zweitbeklagten als Geschäftsführerin der Schuldnerin geltend gemachten Vorsteuerbeträgen keine Lieferungen oder Leistungen zugrunde lagen und ihr war die Unrichtigkeit der Umsatzsteuervoranmeldungen und ‑jahreserklärungen bewusst. Der Beklagten war seit zumindest August 2004 auch bewusst, dass die Schuldnerin durch diese Malversationen ständig insolvenzgefährdet war und bei „Auffliegen der Malversationen“ sofort ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt werden müsste.

[4] Die Zweitbeklagte teilte der Staatsanwaltschaft mit Selbstanzeige vom 9. 10. 2014 mit, dass über einen Zeitraum von zehn Jahren monatlich Scheineingangsrechnungen der Schuldnerin gelegt worden waren.

[5] Mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 22. 1. 2015, 2 S 2/15d, wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Am 4. 3. 2015 meldete das Finanzamt Wien 1/23 eine Forderung von 13.946.351,90 EUR an.

[6] Mit den Urteilen des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 29. 9. 2016 und 29. 1. 2019, 126 Hv 3/16h, wurden die Zweitbeklagte (ua) wegen Abgabenhinterziehung, Abgabenbetrug und betrügerischer Krida, die Beklagte wegen Abgabenhinterziehung und Abgabenbetrug sowie W* S* wegen Abgabenbetrug als Beteiligter jeweils zu Freiheits- und Geldstrafen verurteilt.

[7] Der Kläger begehrte, die von der Beklagten erwirkten Zahlungen von 625.260,30 EUR gegenüber den Gläubigern der Schuldnerin für unwirksam zu erklären und die Beklagte sowie die Zweitbeklagte zur ungeteilten Hand zur Zahlung der 625.260,30 EUR sA zu verpflichten. Die Beklagte habe vom 16. 11. 2009 bis 29. 8. 2014 durch zahlreiche rechtswidrige Vermögenstransfers vom Firmenkonto der Schuldnerin auf ihr Privatkonto mit Wissen und Wollen der einzigen Geschäftsführerin der Schuldnerin 625.260,30 EUR lukriert. Durch diese Handlungen sei der Befriedigungsfonds der Gläubiger geschmälert worden. Die Anfechtung sei befriedigungstauglich, weil sie geeignet sei, die Befriedigungsaussichten der Gläubiger zu verbessern. Das Klagebegehren werde auf §§ 27 ff IO, das Verbot der Einlagenrückgewähr (§ 82 GmbHG) sowie Schadenersatz und Bereicherung gestützt.

[8] Die Beklagte bestritt, beantragte Klageabweisung und entgegnete – soweit für das Revisionsverfahren noch wesentlich –, Gewinne aus verbotener Tätigkeit seien nicht ausgleichsfähig. Mit dem Haftungsbescheid des Finanzamts Wien 1/23 vom 15. 10. 2020 sei sie als Haftpflichtige für die Abgabenschuld der Schuldnerin zur Entrichtung von 10.078.087,84 EUR aufgefordert worden. Da die Schuldnerin dieselbe abgabenrechtliche Leistung schulde, könne sich der Kläger nur insofern bei der Beklagten regressieren, als die Schuldnerin mehr als den auf sie entfallenden Anteil entrichtet habe.

[9] Im ersten Rechtsgang gab das Erstgericht dem Klagebegehren mit Urteil vom 27. 4. 2021 statt. Aufgrund der dagegen erhobenen Berufung der Beklagten hob das Oberlandesgericht Wien am 24. 11. 2021 zu 3 R 89/21m das Urteil auf und trug die neuerliche Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung auf, weil Feststellungen zu den konkreten angefochtenen Rechtshandlungen und zu den Vorteilen fehlten, die die Beklagte daraus gezogen hatte.

[10] Nunmehr gab das Erstgericht dem Klagebegehren (neuerlich) statt. Die Anfechtungstatbestände der §§ 28 Z 1 und 29 Z 1 IO seien erfüllt. Aufgrund der Kollusion mit der Zweitbeklagten könne das Klagebegehren auch auf das Verbot der Einlagenrückgewähr (§§ 82 f GmbHG) und auf die schadenersatzrechtlichen Bestimmungen des ABGB (§ 1295 Abs 2 ABGB; §§ 1301, 1311 ABGB iVm § 159 StGB) gestützt werden.

[11] Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Auch solche Zahlungen aus Mitteln des Schuldners, die er aus strafbaren Handlungen erlangt habe, seien gläubigerbenachteiligende Rechtshandlungen, deren Anfechtung befriedigungstauglich sei. Da hier gemäß § 371 ABGB eine Vermengung der zu Unrecht ausgezahlten Vorsteuerbeträge mit dem Vermögen der (späteren) Schuldnerin stattgefunden habe, die eine Eigentumsklage ausschließe und der originäre Eigentumserwerb nach § 371 erster Fall ABGB auch nicht von der Redlichkeit des Erwerbers abhänge, beziehe sich der Anfechtungsanspruch auch nicht auf fremdes Vermögen, sondern auf solches der Schuldnerin. Die Republik Österreich verfüge damit über keinen Aussonderungs‑, sondern bloß über einen schuldrechtlichen Rückforderungsanspruch, den sie ohnedies im Insolvenzverfahren angemeldet habe. Die zu Unrecht ausgezahlten Vorsteuerbeträge hätten hier auch kein Sondervermögen gebildet, sondern seien ins Vermögen der Schuldnerin übergegangen, sodass die Beklagte die aufgrund der angefochtenen Rechtshandlungen erwirkten Beträge an die Masse zurückzuzahlen habe, unabhängig von ihrer Rückzahlungsverpflichtung gegenüber der Republik Österreich aufgrund des Haftungsbescheids. Der von ihr ins Treffen geführte Regress unter Mittätern, der ohne eigene Schadenswiedergutmachung nicht in Frage komme, spiele im Anfechtungsrecht, das andere Ziele verfolge, keine Rolle. Der Kläger mache keinen Regressanspruch, sondern einen Anfechtungsanspruch geltend.

[12] Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil zu der hier zu beurteilenden Frage, ob Zahlungen aus Mitteln des Schuldners, die er aus strafbaren Handlungen erlangt habe, gläubigerbenachteiligende Rechtshandlungen seien, deren Anfechtung befriedigungstauglich sei, keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bestehe.

[13] Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision der Beklagten mit einem Abänderungsantrag; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[14] Der Kläger begehrt, die Revision zurückzuweisen; hilfsweise ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[15] Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

[16] 1.1. Rechtshandlungen, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind und das Vermögen des Schuldners betreffen, können angefochten und den Insolvenzgläubigern gegenüber als unwirksam erklärt werden (§ 27 IO).

[17] 1.2. Rechtshandlungen sind alle Handlungen, die rechtliche Wirkungen auslösen (RS0050539). Die angefochtene Rechtshandlung betrifft jedenfalls dann das Vermögen des Schuldners iSd § 27 IO, wenn der Insolvenzverwalter als Anfechtungskläger bewies, dass der Schuldner im Zeitpunkt der Vornahme der angeführten Rechtshandlung Besitzer des Anfechtungsobjekts war und dem Anfechtungsgegner der Nachweis eines eigenen oder fremden Anspruchs auf Aussonderung dieses Vermögens misslang (RS0117336).

[18] 1.3. Nach den Feststellungen fand eine Vermengung der von der Republik Österreich zu Unrecht auf das Konto der Schuldnerin ausgezahlten Vorsteuerbeträge mit dem Vermögen der Schuldnerin statt, was eine Eigentumsklage (RS0010927; RS0010924; 17 Ob 8/21g) und einen Aussonderungsanspruch der Republik Österreich ausschließt. Die Vorinstanzen bejahten daher zutreffend die vermögensrechtlichen Wirkungen der angefochtenen Zahlungen auf die Masse.

[19] 1.4. Dem hält die Beklagte nur entgegen, dass das durch das strafrechtswidrige Verhalten erwirkte Vermögen wegen der kriminellen Herkunft nicht der Schuldnerin „zugeordnet“ werden könne und sie darüber nie hätte disponieren dürfen, sodass es auch keinen tauglichen Haftungsfonds für die Gläubiger darstelle. Bereits das Berufungsgericht wies richtig darauf hin,dass der originäre Eigentumserwerb nach § 371 erster Fall ABGB nicht von der Redlichkeit des Erwerbers abhängt (Winner in Rummel/Lukas, ABGB4, § 371 Rz 5; Zoppel in Schwimann/Kodek, ABGB5 III § 371 Rz 1).

[20] 2. Allen Anfechtungstatbeständen nach der IO liegt zum Teil unausgesprochen das Erfordernis der Gläubigerbenachteiligung zugrunde (RS0064333). Ebenso die Befriedigungstauglichkeit (RS0064333 [T2]).

[21] Benachteiligung liegt vor, wenn der Befriedigungsfonds, auf den die Gläubiger im Insolvenzverfahren jeweils angewiesen sind, im Vergleich zum Zeitpunkt der Vornahme der Rechtshandlung verkleinert worden ist (durch Erhöhung der Passiva oder Verringerung der Aktiva) und Gläubiger einen Ausfall erleiden (vgl RS0064333 [T6]; RS0064354 [T6]). Befriedigungstauglich ist eine Anfechtung, wenn Forderungen in der Insolvenz festgestellt wurden, die bei der erfolgreichen Anfechtung erhöhte Befriedigungsaussichten haben (vgl RS0064629). Die Beseitigung des Erfolgs der Rechtshandlung muss demnach geeignet sein, die Befriedigungsaussichten der Insolvenzgläubiger oder der Massegläubiger zu fördern, zumindest also die teilweise Befriedigung der Gläubiger herbeizuführen oder doch zu erleichtern oder zu beschleunigen (RS0050591; vgl auch RS0064629 [T4]). Jede Erweiterung der Zugriffsmöglichkeit der Gläubiger auf Vermögensstücke des Schuldners lässt die Anfechtung daher vorerst als befriedigungstauglich erscheinen (RS0064354 [T5]).

[22] 3. Anerkannt ist, dass rechtswidrige Handlungen das Tatbestandsmerkmal der Rechtshandlung erfüllen können (König/Trenker, Die Anfechtung nach der IO6 Rz 3.4 mwN, Bollenberger/Spitzer in Koller/Lovrek/Spitzer, IO2 [2022] § 27 Rz 10; Astner/Hermann/Pateter in Clavora/Kapp/Mohr, Insolvenz- und Sanierungsrecht – Jahrbuch 2016 [2016] 271; Koziol, Widerrechtliche Handlungen als anfechtbare Rechtshandlungen im Sinne der §§ 1 AnfO, 27 KO? ZIK 1997, 134; Koziol/Bollenberger in Bartsch/Pollak/Buchegger, Österreichisches Insolvenzrecht I4 [2000] § 27 Rz 29; Bartsch/Heil, Grundriß des Insolvenzrechts [1983] Rz 254; Petschek/Reimer/Schiemer, Das österreichische Insolvenzrecht [1973] 290; Wegan, Österreichisches Insolvenzrecht – Konkurs- und Ausgleichsrecht [1973] 56). Auch Zahlungen als Folge einer rechtswidrigen Handlung können Rechtshandlungen sein. So beurteilte der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung 2 Ob 177/06b die Zahlung einer gerichtlich verhängten Geldstrafe als anfechtbare Rechtshandlung iSd § 28 KO.

[23] 3.1. Zu prüfen ist nun, ob auch Zahlungen aus Mitteln des Schuldners, die er unmittelbar aus strafbaren Handlungen erlangt hat, gläubigerbenachteiligende Rechtshandlungen sind, deren Anfechtung befriedigungstauglich ist.

[24] 3.2. König/Trenker (aaO Rz 3.12, 5.24)vertreten, dass das Anfechtungsrecht nicht moralisiere. Ebenso wie eine Zahlung aus Mitteln des Insolvenzschuldners, die dieser aus einer strafbaren Handlung erlangt habe, gläubigerbenachteiligend und deren Anfechtung befriedigungstauglich sei, könnten auch die Deckung eines Schadenersatzgläubigers, die Rückzahlung einer mangels vormundschaftsgerichtlicher Genehmigung ungültigen Leistung Minderjähriger, die Bezahlung einer Geldstrafe, die Zahlung einer Diversionsauflage, die Rückzahlung einer europarechtswidrigen staatlichen Beihilfe und sogar Zahlungen aufgrund eines bestätigten Sanierungsplans und Unterhaltsleistungen anfechtbar sein. Auchdie Anfechtung der Pfändung eines Guthabens, das aus einer Straftat stamme, sei befriedigungstauglich.

[25] 3.3. Das Oberlandesgericht Hamm, 27 U 169/05 (gebilligt vom BGH IX ZR 87/06), sprach aus, dass die Pfändung eines Kontoguthabens auch dann gläubigerbenachteiligend sei, wenn das gepfändete Kontoguthaben im Wesentlichen aus einer Straftat stamme. Auch dort deklarierte der Schuldner im Wege eines sogenannten „Umsatzsteuerkarussells“ hauptsächlich Scheingeschäfte und erlangte hiedurch ihm nicht zustehende Vorsteuererstattungsbeträge.

[26] Schmittmann/Zeeck (in Haarmeyer/Wutzke/ Förster, InsO2 [2012] § 129 Rn 8) vertreten ebenfalls, dass die Gläubigerbenachteiligung nicht deshalb zu verneinen sei, weil das gepfändete Guthaben im Wesentlichen aus einer Straftat stamme.

[27] Kreft geht im Rahmen seines Aufsatzes „Die Gläubigerbenachteiligung – eine unterschätzte Anfechtungsvoraussetzung“, KTS 2012, 405 [407] auf die Herkunft des Schuldnervermögens ein. Er führt aus, dass es für die Gläubigerbenachteiligung regelmäßig ohne Bedeutung sei, aus welchen Quellen das Schuldnervermögen stamme, das durch die angefochtene Rechtshandlung gekürzt werde. Deshalb werde die Pfändung eines Kontoguthabens auch dann als gläubigerbenachteiligend angesehen, wenn dieses Guthaben im Wesentlichen aus einer Straftat herrühre.

[28] 3.4. Der Oberste Gerichtshof schließt sich diesen Meinungen an: Auch solche Zahlungen aus Mitteln des Schuldners, die er aus strafbaren Handlungen erlangt hat, können gläubigerbenachteiligende Rechtshandlungen sein, deren Anfechtung befriedigungstauglich ist. Richtig ging schon das Berufungsgericht davon aus, dass unabhängig von der Frage, ob die Schuldnerin rechtmäßig in den Besitz des Firmenvermögens gelangte, der vorgebrachte Vermögenstransfer von ihrem Konto auf das Privatkonto der Beklagten mit Wissen und Wollen der Geschäftsführerin der Schuldnerin deren Aktiva verringerte undzu einer Benachteiligung der Gläubiger führte. Würde das durch die Überweisung auf das Privatkonto der Beklagten dem Zugriff der Gläubiger entzogene Vermögen wieder der Insolvenzmasse zugeführt, würden sich die Befriedigungsaussichten der Gläubiger ohne Zweifel erhöhen. Eine andere Sichtweise würde zu dem Ergebnis führen, dass die widrigen Folgen des Umstands, dass die Mittel aus einer Straftat erlangt wurden, den übrigen Insolvenzgläubigern aufgebürdet würden, obwohl gerade sie nichts zur strafbaren Handlung beigetragen haben und keinen Anlass hatten, am Haftungsfonds der Schuldnerin zu zweifeln.

[29] 3.5.1. Die Anfechtungstatbestände der IO nach den §§ 27 ff IO verfolgen ausschließlich den Zweck, die den Gläubigern zur Befriedigung ihrer Ansprüche zur Verfügung stehende Insolvenzmasse gegen die Vorgänge vor der Insolvenzeröffnung zu immunisieren, die geeignet sind, den Befriedigungsfonds zu verkleinern oder zumindest die Befriedigung zu erschweren. Ziel der Anfechtung ist die Herstellung jenes Zustands, in dem sich die Masse befände, wenn die anfechtbare Rechtshandlung nicht vorgenommen worden wäre (RS0050372). Das Anfechtungsrecht dient nicht dazu, den Gläubigern Vorteile zu verschaffen, die sie ohne Vornahme der anfechtbaren Rechtshandlung nicht erzielt hätten, sondern der Masse soll durch die Anfechtung nur dasjenige wieder zugeführt werden, was ihr ohne die anfechtbare Rechtshandlung verblieben wäre (RS0050372 [T1]).

[30] 3.5.2. Der Umstand, dass die Beklagte als Folge ihrer rechtskräftigen Verurteilung im Finanzstrafverfahren aufgrund des konstitutiv wirkenden Haftungsbescheids selbst für die Abgabenschuld der Schuldnerin gegenüber der Republik Österreich haftet (§ 11 BAO) und sie damit persönlich zur Haftung für die Abgabenschuld herangezogen wurde, steht der Anfechtung von Rechtshandlungen im Insolvenzverfahren bereits vor dem eben dargestellten Zweck der Anfechtungstatbestände nicht entgegen.

[31] 4.1. Gemäß § 28 Z 1 IO sind alle Rechtshandlungen, die der Schuldner in der dem anderen Teil bekannten Absicht, seine Gläubiger zu benachteiligen, in den letzten zehn Jahren vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen hat, anfechtbar.

[32] 4.2. Benachteiligungsabsicht ist schon dann anzunehmen, wenn der Schuldner in Form des bedingten Vorsatzes die Benachteiligung der Gläubiger ernstlich für möglich gehalten und sich damit abgefunden hat, mag die Gläubigerbenachteiligung auch nicht der einzige Beweggrund gewesen sein (RS0064166 [T9]). Die Benachteiligung muss nicht gerade der Zweck der anfechtbaren Handlung gewesen sein, es genügt das Bewusstsein einer solchen (RS0050629 [T1]). Entscheidender Zeitpunkt für die Kenntnis der Benachteilungsabsicht ist die Vornahme der Rechtshandlung; nachträgliche Kenntnis schadet nicht (RS0064273).

[33] 4.3. Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt bejahten die Vorinstanzen das Vorliegen der Anfechtungsvoraussetzungen des § 28 Z 1 IO.

[34] 5. Der Revision der Beklagten war daher der Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung gründet auf die §§ 41, 50 ZPO.

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