European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0060OB00246.22B.0830.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Unternehmens-, Gesellschafts- und Wertpapierrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Begründung:
[1] Im Firmenbuch ist zu FN * die D* eG [idF: Genossenschaft/Antragstellerin] eingetragen. Die Genossenschaft beantragte die Eintragung
- der Änderung der Satzung in den §§ 3, 8, 9, 11, 15, 16, 22a, 28a, 28b, 28c, 33, 35, 37 und 42 und
- der Änderung unter GESCHÄFTSANTEIL/HAFTUNG auf
„Mitglieder der Kurien 1–3 haften mit dem Geschäftsanteil und dem 1‑fachen seines Geschäftsanteiles, Mitglieder der Kurie 4 haften nur mit der Höhe des ersten gezeichneten Geschäftsanteils. Durch die Beteiligung mit weiteren investierenden Geschäftsanteilen tritt eine Erhöhung der Haftsumme nicht ein.“
- die Eintragung der von April 2022 bis Juni 2022 durchgeführten Revision für 2020 und 2021.
[2] In der ordentlichen Generalversammlung vom 25. 6. 2022 sei eine Satzungsänderung in den betreffenden Bestimmungen beschlossen worden. Mitglieder der in § 3 neu geschaffenen Kurie 4 würden gemäß § 15 nur mit der Höhe des ersten gezeichneten Geschäftsanteils nachhaften. Durch die Beteiligung mit weiteren investierenden Geschäftsanteilen werde die Haftsumme nicht erhöht.
[3] Das Erstgericht trug eine Verbesserung durch Vorlage des Generalversammlungsprotokolls und des Nachweises der ordnungsgemäßen Einladung aller Mitglieder auf und teilte mit, in § 15 Abs 2 widerspreche die vorgelegte Satzungsänderung § 76 GenG; dies sei abzuändern. Weiters sei § 33 Abs 2 der geänderten Satzung unzulässig, weil jedem Genossenschafter eine Stimme zukommen müsse; dies und die damit zusammenhängenden Paragraphen seien abzuändern.
[4] Die Genossenschaft erklärte dazu, den investierenden Mitgliedern kämen (nur) mangels besonderer Regelung dieselben Rechte (zB Teilnahmerecht an der Generalversammlung, Stimmrecht etc) und Pflichten (Einlagenleistung, Nachschussverpflichtung etc) zu wie den förderbaren Mitgliedern. Regelungen zu Stimmrechtsbeschränkungen für investierende Mitglieder fänden sich im Genossenschaftsgesetz nicht; die nähere Ausgestaltung bleibe daher der Satzung überlassen. Zum Stimmrecht scheine dies im Lichte der drohenden Interessenkonflikte zwingend geboten und sei vom Gesetzgeber im Rahmen der europäischen Genossenschaft in § 28 Abs 2 SCEG sogar zwingend vorgesehen. Die Einführung investierender Mitglieder nach § 5a GenG solle die Generierung von Eigenkapital für die Genossenschaft erleichtern. Ohne die Möglichkeit der Haftungsbeschränkung scheine es unmöglich, investierende Mitglieder zu generieren. Die in der Generalversammlung vom 25. 6. 2022 beschlossene Klausel sei zulässig.
[5] Die Genossenschafter hätten in der Generalversammlung dem Vorstand die Möglichkeit gegeben, einzelne Teile der Satzungsänderungen nicht zur Eintragung zu bringen, wenn das Firmenbuchgericht gegen die Satzungsänderungen Einwände habe. Die Genossenschaft beantrage daher, die begehrten Eintragungen vorzunehmen, soweit diese eintragungsfähig seien.
[6] Mit Generalversammlungsbeschluss vom 25. 6. 2022 wurden die Satzungsänderungen beschlossen, wie in der vorgelegten Satzungsgegenüberstellung ersichtlich, welche vom Erstgericht zum Bestandteil (der Feststellungen) des angefochtenen Beschlusses erklärt wurde.
[7] Darunter sind (unterstrichen dargestellt) folgende Änderungen gegenüber der vorherigen Satzung vom 29. 11. 2020:
„§ 3 Voraussetzung und Erwerb der Mitgliedschaft
[...]
(2) Die Mitglieder der Genossenschaft werden in folgende Kurien eingeteilt:
[...]
d) Kurie 4/Investierende Mitglieder: Personen, die für die Nutzung oder Erbringung der Dienste der Genossenschaft nicht in Frage kommen, jedoch dennoch die Genossenschaft unterstützen möchten, können investierende Mitglieder werden. Mitglieder der Genossenschaft können gleichzeitig sowohl der Kurie 4, als auch einer der drei anderen Kurien angehören.
[...]
§ 9 Rechte der Mitglieder
[...]
(2) Mitglieder, die nur der Kurie 4 angehören, haben das Recht
[...]
2. an der Generalversammlung teilzunehmen, wobei ihnen nur bei Beschlussfassungen iZm der Wahl der der Beiratsmitglieder (§ 28a) und über die Aufnahme von Drittmitteln über € 30.000 (§ 37 Abs 4) ein Antrags‑, und Stimmrecht zukommt;
3. bei Anträgen auf Einberufung von Generalversammlungen in Bezug auf Beschlussfassungen über die Aufnahme von Drittmitteln über € 30.000 (§ 37 Abs 4) mitzuwirken (§§ 29 Abs 2 Z 2 und 31 Abs 2);
[...]
§ 15 Haftung
(1) Im Falle des Konkurses oder der Liquidation der Genossenschaft haftet jedes Mitglied außer mit seinen Geschäftsanteilen noch mit einem weiteren Betrag in der Höhe derselben.
(2) Mitglieder der Kurie 4 haften nur mit der Höhe des ersten gezeichneten investierenden Geschäftsanteils. Durch die Beteiligung mit weiteren investierenden Geschäftsanteilen tritt eine Erhöhung der Haftsumme nicht ein.
[...]
§ 33 Stimmrecht
(1) Jedes Mitglied hat in der Generalversammlung eine Stimme in jener Kurie, der es angehört.
(2) Mitglieder, die nur der Kurie 4 angehören, sind vom Stimmrecht in der Generalversammlung ausgeschlossen. Hiervon ausgenommen ist das Stimmrecht gemäß § 37 Abs 4. Die weiteren Regelungen zur Ausübung des Stimmrechtes gelten sinngemäß.
[...]“
[8] Die weiteren Satzungsänderungen betreffen die Verwendung der durch die investierenden Mitglieder aufgebrachten Mittel, einen nur bei Vorhandensein investierender Mitglieder zu errichtenden Beirat, der die statutengemäße Verwendung dieser Mittel kontrollieren und dem ein Zustimmungsrecht bei Verwendung dieser Mittel zukommen soll, sowie Regelungen über die Auseinandersetzung bei Ausscheiden investierender Mitglieder.
[9] Weiters wurde der Beschluss gefasst, „Der Vorstand wird ermächtigt, die gefassten Satzungsänderungen auch jeweils einzeln zur Eintragung anzumelden bzw deren Eintragung zu beantragen und bei allfälligen Bedenken des Firmenbuchgerichts gegen einzelne Bestimmungen der geänderten Satzung alles Erforderliche selbst zu veranlassen, um die Eintragung zu erwirken bzw um den Zeitpunkt der Eintragung – auch Teilen davon – zu gestalten“.
[10] Das Erstgericht bewilligte die Eintragung der durchgeführten Revision für 2020, 2021 und wies den auf die Eintragung
- der Satzungsänderungen vom 29. 6. 2022 (Änderung der Satzung in den §§ 3, 8, 9, 11, 15, 16, 22a, 28a, 28b, 28c, 33, 35, 37 und 42) und
- der Änderung unter GESCHÄFTSANTEIL/ HAFTUNG auf „Mitglieder der Kurien 1–3 haften mit dem Geschäftsanteil und dem 1‑fachen seines Geschäftsanteiles, Mitglieder der Kurie 4 haften nur mit der Höhe des ersten gezeichneten Geschäftsanteils. Durch die Beteiligung mit weiteren investierenden Geschäftsanteilen tritt eine Erhöhung der Haftsumme nicht ein“,
gerichteten Teil des Antrags ab. Die Haftungsbeschränkung der investierenden Mitglieder im geänderten § 15 der Satzung widerspreche § 76 GenG. Die beschlossene Regelung über das Stimmrecht der investierenden Mitglieder widerspreche der zwingenden Notwendigkeit, dass jedem Genossenschafter eine Stimme zukommen müsse. Alle geänderten Satzungsbestimmungen zielten auf die Einführung einer Kurie finanzierender Mitglieder ab und griffen ineinander. Den Genossenschaftern sei nicht zu unterstellen, dass sie ein mit einer Teileintragung einzelner Satzungsbestimmungen einhergehendes gänzlich anderes Konstrukt an finanzierenden Mitgliedern haben hätten wollen. Daher sei der gesamte Antrag abzuweisen.
[11] Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Es teilte die Rechtsansicht des Erstgerichts und führte aus, § 76 GenG räume keine Satzungsautonomie für eine geringere Haftung als in Höhe der Geschäftsanteile ein und sei daher insoweit zwingend. Der Gesetzgeber habe die Zulassung von investierenden (nicht nutzenden) Mitgliedern mit § 5a Abs 2 GenG nicht zum Anlass genommen, von dem in § 76 Abs 2 GenG vorgesehenen gesetzlichen Minimum der Haftung mit einem weiteren Betrag in Höhe der Geschäftsanteile abzugehen. Die in § 15 Abs 2 der geänderten Satzung demgegenüber vorgesehene Verminderung der Haftung von Mitgliedern der Kurie 4 auf eine Haftung „nur mit der Höhe des ersten gezeichneten investierenden Geschäftsanteils“ stehe dem Wortlaut der gesetzlichen Bestimmung entgegen, weil diese von einer Haftung in einem Betrag in der Höhe „derselben“, nämlich von „seinen“ – des Genossenschaftsmitglieds – Geschäftsanteilen spreche, was jeweils sämtliche bislang von diesem Mitglied gezeichneten Geschäftsanteile umfasse. Weiters habe der Oberste Gerichtshof bereits in der Entscheidung vom 23. 4. 1907, AC 2639, festgehalten, dass § 27 Abs 1 GenG zwingendes Recht enthalte und eine statutarische Bestimmung, die gewissen Genossenschaftern überhaupt das Stimmrecht entziehe, hiergegen verstoße. § 27 Abs 2 GenG könne daher als Dispositivnorm nur dahingehend verstanden werden, dass der Genossenschafter als Inhaber einer größeren Anzahl von Geschäftsanteilen mehr als eine Stimme bekommen solle. Jedes Mitglied müsse daher in der Generalversammlung eine Stimme haben, es gebe keine Mitgliedschaftsrechte ohne Stimme. Der gegenständlich vorgesehenen Regelung, den investierenden Mitgliedern nur bei Beschlussfassungen im Zusammenhang mit der Wahl der Beiratsmitglieder und der Aufnahme von Drittmitteln über 30.000 EUR ein Stimmrecht einzuräumen, stehe daher das zwingende Recht entgegen. Zuletzt begründe der Umstand, dass das Erstgericht keinen Verbesserungsauftrag zur Klarstellung erteilt habe, ob die Genossenschaft eine Teileintragung begehrt, keinen Verfahrensmangel. Die Satzung der Genossenschaft bilde eine untrennbare Einheit, die einer Eintragung nur der mängelfreien Bestimmungen zwingend entgegenstehe. Gelange das Firmenbuchgericht zum Ergebnis, dass von mehreren Satzungsänderungen eine einzelne mit zwingenden Rechtsvorschriften nicht vereinbar sei, habe es die Eintragung der Satzungsänderung nach erfolgloser Durchführung eines Verbesserungsverfahrens – das hier durch den Auftrag des Erstgerichts erfolgt sei – insgesamt abzulehnen. Eine Eintragung nur der zulässigen Satzungsbestimmungen komme nicht in Betracht. Die Bewilligung einer teilweisen Eintragung der Satzungsänderung erfordere die Vorlage einer mängelfreien Satzung, hier jedenfalls ohne die gesetzwidrigen Änderungen in §§ 9, 15 und 33.
[12] Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil keine (gesicherte) Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu den hier von der Genossenschaft beschlossenen Einschränkungen der Haftung und des Stimmrechts von investierenden Genossenschaftsmitgliedern vorliege.
Rechtliche Beurteilung
[13] Der dagegen gerichtete Revisionsrekurs der Antragstellerin ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig. Er ist aber nicht berechtigt.
[14] 1. Eine Reduktion der Haftung unter die Grenzen des § 76 GenG durch die Satzung kommt auch für (bloß) investierende Mitglieder iSd § 5a Abs 2 Z 1 GenG nicht in Betracht:
[15] 1.1. Gemäß § 11 GenG darf der Genossenschaftsvertrag von den Bestimmungen des Genossenschaftsgesetzes nur abweichen, soweit dies ausdrücklich vom Gesetz zugelassen ist.
[16] 1.2. Mit dem GenRÄG 2006 (BGBl I 2006/104) stellte der österreichische Gesetzgeber klar, dass Personen, die für die Nutzung oder Produktion der Güter und die Nutzung oder Erbringung der Dienste der Genossenschaft nicht in Frage kommen, als investierende (nicht nutzende) Mitglieder im Genossenschaftsvertrag zugelassen werden können (§ 5a Abs 2 Z 1 GenG; ErläutRV 1421 BlgNR 22. GP 23). Auch vor dieser expliziten Regelung konnten nach herrschender Ansicht bloß investierende Personen bereits Mitglieder einer Genossenschaft werden (Astl/Steinböck in Dellinger, GenG² § 5a Rz 6; Dellinger, Was bringt das GenRÄG 2006? ecolex 2006, 570 [571]). Entgegen den Ausführungen des Revisionsrekurses kann den Gesetzesmaterialien zum GenRÄG 2006 aber nicht entnommen werden, dass der Gesetzgeber durch die Klarstellung hinsichtlich der (ohnedies bereits) möglichen Aufnahme investierender Mitglieder beabsichtigt hätte, die Rechtsstellung und Pflichtenlage dieser Mitglieder völlig deckungsgleich mit der SCE‑Verordnung (Verordnung [EG] Nr 1435/2003 des Rates vom 22. Juli 2003 über das Statut der Europäischen Genossenschaft [SCE]) in das österreichische Recht übertragen zu wollen. Vielmehr kommt in den Erläuterungen deutlich zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber (neben der in der Verordnung geschaffenen Möglichkeit [Art 14 Abs 1], für eine SCE mit Sitz in Österreich bloß investierende Mitglieder vorzusehen [§ 3 SCEG]) klarstellen wollte, dass schon vor dem GenRÄG 2006 die Möglichkeit bestand, nach dem Genossenschaftsgesetz auch bloß investierende Personen als Mitglieder vorzusehen. Es handelt sich bei § 5a Abs 2 Z 1 GenG demnach nicht um eine „Nachbildung“ des Verordnungsmodells einer investierenden Mitgliedschaft. Vor diesem Hintergrund und angesichts des Umstands, dass anlässlich des GenRÄG 2006 eine Änderung des § 76 GenG im Sinne einer Art 1 Abs 2 Uabs 3 1. Satz SCE‑Verordnung entsprechenden Regelung auch für bloß investierende Mitglieder nicht vorgenommen wurde, kann dem Gesetzgeber aber weder eine Regelungslücke unterstellt, noch ein Anwendungsfall einer teleologischen Reduktion erblickt werden.
[17] 1.3. Gemäß § 76 GenG haftet jedes Mitglied einer mit beschränkter Haftung errichteten Genossenschaft im Falle des Konkurses oder der Liquidation für deren Verbindlichkeiten, insofern der Gesellschaftsvertrag nicht einen höheren Haftungsbetrag festsetzt, nicht nur mit seinen Geschäftsanteilen, sondern auch noch mit einem weiteren Betrag in der Höhe derselben. Diese Bestimmung regelt zwingend (§ 11 GenG) das Minimum der Haftsumme der Genossenschafter (Keinert, Österreichisches Genossenschafts-recht [1988] Rz 35; vgl OGH 6. 8. 1907, AC 2718). Die Satzungsautonomie greift nach dem klaren Wortlaut des § 76 GenG betreffend sämtliche Geschäftsanteile eines Genossenschafters lediglich hinsichtlich einer Erhöhung, nicht aber einer Verringerung der Haftsumme.
[18] 1.4. Der geänderte § 15 Abs 2 der Satzung sieht aber nunmehr vor, dass investierende Mitglieder „nur mit der Höhe des ersten gezeichneten investierenden Geschäftsanteils [haften]. Durch die Beteiligung mit weiteren investierenden Geschäftsanteilen tritt eine Erhöhung der Haftsumme nicht ein“.
[19] Da die Deckungspflicht betraglich nach oben mit der Haftsumme begrenzt ist und nur im Falle eines Konkurses oder einer Liquidation der Genossenschaft besteht (vgl Dellinger in Dellinger, GenG2 § 76 GenG Rz 2 f), kann § 15 Abs 2 nur als speziellere Regelung gegenüber Abs 1 für investierende Mitglieder im Konkurs‑ oder Liquidationsfall verstanden werden (zur Auslegung der Satzungen von Genossenschaften allgemein RS0008835). Im Ergebnis würde daher damit geregelt, dass ein Genossenschafter Geschäftsanteile mit beschränkter Haftung und solche mit Geschäftsanteilshaftung (vgl § 2 Abs 3, § 86a GenG) hielte.
[20] 1.5. Zutreffend hat daher das Rekursgericht erkannt, dass diese Satzungsbestimmung in Widerspruch zu § 76 GenG tritt.
[21] 1.6. In diesem Sinne sind – wie schon das Rekursgericht dargelegt hat – auch die Ausführungen Dellingers (in Dellinger, GenG2 § 76 Rz 3) zu verstehen, wonach die Nachschusspflicht im Sinne einer den Gleichbehandlungsgrundsatz beachtenden Staffelung bei Erwerb mehrerer Geschäftsanteile differenziert werden könne. Während § 121 Satz 3 dGenG auch eine Satzungsregelung zulässt, dass durch die Beteiligung mit weiteren Geschäftsanteilen eine Erhöhung der Haftsumme nicht eintritt, hält Dellinger Geschäftsanteile ohne Nachschusspflicht explizit für ausgeschlossen und verweist hierzu als abweichende Regelung auf Art 1 Abs 2 Satz 3 SCE‑Verordnung (Dellinger in Dellinger, GenG2 § 76 Rz 3), sodass entgegen der Ansicht des Revisionsrekurses auch diese Literaturmeinung nicht für die Zulässigkeit der gegenständlichen Satzungsregelung angeführt werden kann.
[22] Die Argumentation, wonach ohne Haftungsbeschränkung faktisch keine investierenden Mitglieder generiert werden könnten, greift insofern zu kurz, als auch § 76 GenG eine Staffelung der Haftung zulässt, sofern das gesetzliche Minimum gewahrt bleibt (vgl Nowotny in Kalss/Nowotny/Schauer, Österreichisches Gesellschaftsrecht2 Rz 5/47; Kastner, Österreichisches Genossenschaftsrecht, in Patera, Handbuch des österreichischen Genossenschaftswesens [1986] 117 [140]). Im Übrigen wäre auch nicht ersichtlich, inwiefern eine von § 76 GenG abweichende Bestimmung im deutschen Genossenschaftsrecht Auswirkungen auf die Zulässigkeit inländischer Genossenschaftsverträge zeitigen soll.
[23] 2. Eine Statutenbestimmung, wonach investierenden Mitgliedern iSd § 5a Abs 2 Z 1 GenG von vornherein kein Stimmrecht zukommt, ist unzulässig:
[24] 2.1. Gemäß § 27 Abs 1 GenG werden die Rechte, welche den Genossenschaftern in Angelegenheiten der Genossenschaft, insbesondere in Beziehung auf die Führung der Geschäfte, die Einsicht und Prüfung der Bilanz und die Bestimmung der Gewinnverteilung zustehen, von der Gesamtheit der Genossenschafter in der Generalversammlung ausgeübt. Gemäß Abs 2 hat hiebei jeder Genossenschafter eine Stimme, wenn nicht der Genossenschaftsvertrag etwas Anderes festsetzt.
[25] 2.2. Aus der zwingenden Bestimmung des § 27 Abs 1 GenG hat die Rechtsprechung abgeleitet, dass jedem Genossenschafter das Stimmrecht zukommen muss (OGH 23. 4. 1907 AC 2639; OGH 6. 6. 1906, AC 2579), wenn auch allenfalls mediatisiert durch gewählte Abgeordnete/Delegierte (vgl ZBl 1914/439; nunmehr § 27 Abs 3 GenG [vgl W. Jud, Grenzen der Disposition über Stimmrecht und Beschlusserfordernisse in der Generalversammlung der Genossenschaft, in GedS Schönherr, 181). Eine Statutenbestimmung, wonach Inhabern von Geschäftsanteilen einer bestimmten Gattung von vornherein kein Stimmrecht zukommt, ist unzulässig (OGH 6. 6. 1906, AC 2579).
[26] 2.3. Nach herrschender Ansicht gibt es kein Mitgliedschaftsrecht ohne Stimmrecht (Nowotny in Kalss/Nowotny/Schauer, Österreichisches Gesellschaftsrecht2 Rz 4/101; Astl/Steinböck in Dellinger, GenG2 § 5 Rz 76; Keinert, Österreichisches Genossenschaftsrecht Rz 292). Zwar kann die Satzung auf eine wirtschaftliche oder gesellschaftliche Inhomogenität der Mitglieder reagieren und unter Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes etwa Mehrstimmrechte oder auch ein Nebeneinander von Einstimm‑ und Mehrstimmrechten vorsehen. Auch in diesem Fall ist aber der gänzliche Ausschluss der Inhaber bestimmter Kategorien (Gattungen) von Geschäftsanteilen vom Stimmrecht unzulässig (W. Jud in GedS Schönherr, 181 [183]).
[27] 2.4. Diese Rechtslage steht daher einer vom Revisionsrekurs als erforderlich erachteten Regelung nicht entgegen, nach der in der Satzung – unter Beachtung des § 27 GenG – das Stimmrecht der investierenden Mitglieder und der förderbaren Mitglieder unterschiedlich ausgestaltet wird, etwa um eine Entfremdung von den genossenschaftlichen Prinzipien zu vermeiden, indem der Förderzweck gegenüber den Interessen einer kapitalanlageorientierten Mehrzahl von investierenden (nicht förderbaren) Mitgliedern in den Hintergrund tritt (vgl Astl/Steinböckin Dellinger, GenG2 § 5a Rz 8). Nur ergänzend ist anzumerken, dass die Satzung in ihrem § 33 schon bisher eine Stimmgewichtung der verschiedenen „Kurien“ (§ 3 Abs 2 der Satzung) vorsah.
[28] 2.5. Es wurde bereits dargelegt, dass schonvor dem GenRÄG 2006 die Möglichkeit bestand, nach dem GenG auch bloß investierende Personen als Mitglieder vorzusehen und es sich bei § 5a Abs 2 Z 1 GenG nicht um eine „Nachbildung“ einer investierenden Mitgliedschaft im Sinn der SCE‑Verordnung handelt (oben Punkt 1.2.). Die Ausführungen in den ErläutRV (1421 BlgNR 22. GP 22) zu § 28 Abs 2 SCEG beziehen sich auf eine SCE mit Sitz in Österreich. Daraus kann für die oben erörterte und insoweit unverändert gebliebene Rechtslage nach dem GenG, auf die die ErläutRV ohnehin nicht eingehen, nichts gewonnen werden. Davon, dass aus den zitierten Materialien eine (rückwirkende) authentische Interpretation (vgl dazu 2 Ob 41/19x [ErwGr 5.3.]; RS0008799 [T3]; RS0008905 [T3]) des Genossenschaftsgesetzes abzuleiten wäre, wie der Revisionsrekurs offenbar im Auge hat, kann somit keine Rede sein.
[29] 2.6. Die gegenständlich vorgesehenen Satzungsbestimmungen, die den investierenden Mitgliedern nur bei Beschlussfassungen im Zusammenhang mit der Wahl der Beiratsmitglieder und der Aufnahme von Drittmitteln über 30.000 EUR ein Stimmrecht einräumen, widersprechen daher § 27 Abs 1 GenG.
[30] 3. Eine Teileintragung der weiteren Satzungsänderungen war nicht vorzunehmen:
[31] 3.1. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs kommt zwar eine teilweise Stattgebung eines Firmenbucheintragungsbegehrens in Betracht, wenn klargestellt ist, dass die Partei auch eine teilweise Stattgebung anstrebt. Ist allerdings nur eine einheitliche Eintragung möglich, weil die einzelnen Eintragungstatbestände in einem untrennbaren Zusammenhang stehen, so ist nach dem Grundsatz der „Einheitlichkeit des Firmenbuchgesuchs“ das Firmenbuchgesuch insgesamt abzuweisen, wenn auch nur einem Begehren ein – nicht behebbares beziehungsweise trotz Aufforderung nicht verbessertes – Hindernis entgegensteht (6 Ob 187/17v [ErwGr 4.1.]). Dabei ist eine objektive Betrachtung zur Trennbarkeit anzustellen (vgl 6 Ob 213/16s; 6 Ob 122/16h).
[32] 3.2. Bereits das Erstgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass gegenständlich die gesamte Satzungsänderung die Einführung einer „Kurie“ (Gattung) finanzierender Mitglieder im Wesentlichen (nahezu) ohne Stimmrecht und ohne Nachschusspflicht zum Ziel hat und alle geänderten Satzungsbestimmungen diesbezüglich ineinander greifen. Sie gestaltet somit bei objektiver Betrachtung sachlich eine einheitliche, untrennbare Materie.
[33] 3.3. Wie die Vorinstanzen richtig erkannt haben, kommt daher im vorliegenden Fall eine Teileintragung nur der weiteren Satzungsänderungen, ohne die vorgesehene Stimmrechts‑ und Haftungsbeschränkung, nicht in Betracht.
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