OGH 1Ob87/23k

OGH1Ob87/23k13.7.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Wessely‑Kristöfel und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. T*, 2. R*, 3. J*, 4. H*, 5. M*, 6. F*, 7. Ta*, 8. Fi*, 9. A*, sämtliche vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen je  13.665,07 EUR sA und Feststellung (zu 1., 4. bis 8.), 16.522,22 EUR sA und Feststellung (zu 2.), 15.022,22 EUR sA und Feststellung (zu 3.) und 13.964,08 EUR sA und Feststellung (zu 9.), über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 9. März 2023, GZ 14 R 270/22m‑59, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 17. August 2022, GZ 32 Cg 1/21h‑43, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0010OB00087.23K.0713.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Amtshaftung inkl. StEG

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagenden Parteien sind jeweils schuldig, der beklagten Partei die mit 387,94 EUR bestimmten anteiligen Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Die Kläger sind Staatsangehörige der R*. Der Erstkläger und die Zweitklägerin sind die Eltern der dritt- bis neuntklagenden Parteien.

[2] Nachdem der Erstkläger und die Zweitklägerin in Polen einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hatten, reisten sie im Herbst 2016 mit der dritt- bis siebentklagenden Partei nach Österreich ein.

[3] Mit als „Bescheid“ bezeichneten Ausfertigungen vom 6. 11. 2016 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) die Anträge der erst- bis siebentklagenden Partei vom 28. 9. 2016 auf internationalen Schutz zurück, sprach aus, dass für die Prüfung der Anträge Polen zuständig sei, ordnete die Außerlandesbringung der erst- bis siebentklagenden Partei an, und stellte fest, dass deren Abschiebung nach Polen gemäß § 61 Abs 2 FPG zulässig sei. Diese Schriftstücke wurden ohne vorherigen Zustellversuch am 15. 11. 2016 bei der Behörde hinterlegt. Ebenso wies das BFA den am 4. 4. 2017 für die in der Zwischenzeit geborene achtklagende Partei gestellten Antrag auf internationalen Schutz mit Bescheid vom 6. 6. 2017 zurück, sprach aus, dass Polen für die Prüfung dieses Antrags zuständig sei, ordnete die Außerlandesbringung der achtklagenden Partei an, und stellte fest, dass deren Abschiebung nach Polen gemäß § 61 Abs 2 FPG zulässig sei.

[4] Am 24. 7. 2017 wurden die erst- bis achtklagende Partei gemäß § 40 BFA‑VG an ihrer Wohnadresse festgenommen und in die „Familienunterkunft *“ gebracht, wo sie bis 26. 7. 2017, 8:00 Uhr, in Verwaltungsverwahrungshaft blieben. Am 26. 7. 2017 um 8:00 Uhr wurden sie abgeschoben, indem sie in einem Charterbus nach Polen gebracht wurden.

[5] Die erst- bis achtklagende Partei erhoben gegen die Festnahme, die darauf gestützte Anhaltung und die Abschiebung eine Maßnahmenbeschwerde an das BVwG wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt. Weiters erhoben sie Beschwerde gegen die zugrundeliegenden Bescheide.

[6] Mit Beschluss vom 28. 9. 2017 wies das BVwG die Beschwerden der erst- bis siebentklagenden Partei gegen die Bescheide des BFA vom 6. 11. 2016 mangels wirksamer Zustellung dieser Bescheide und deren daraus folgender rechtlicher Nichtexistenz als unzulässig zurück und hob den in Ansehung der achtklagenden Partei erlassenen Bescheid rückwirkend auf, weil das Verfahren von Familienangehörigen gemeinsam zu führen und das Verfahren der übrigen Beschwerdeführer aufgrund der fehlerhaft (bzw nicht) erfolgten Zustellungen noch beim BFA anhängig sei.

[7] Am 2. 10. 2017 reisten die erst- bis achtklagende Partei mit einem in Polen gekauften Kleinbus wieder nach Österreich ein. Am * 2018 wurde die Neuntklägerin geboren.

[8] Mit Erkenntnis vom 15. 4. 2020 gab das BVwG der Maßnahmenbeschwerde der erst- bis achtklagenden Partei vom 1. 9. 2017 statt und erklärte die Festnahme sowie die Anhaltung und die Abschiebung für rechtswidrig.

[9] Über Aufforderungsschreiben vom 16. 7. 2020 erkannte die Finanzprokuratur einen Ersatzanspruch der erst- bis achtklagenden Partei von je 300 EUR für drei Tage Freiheitsentzug in Österreich zuzüglich 30,24 EUR Kosten an.

[10] Die Kläger begehren mit der am 15. 1. 2021 eingebrachten Klage aus dem Titel der Amtshaftung für die rechtswidrige Freiheitsentziehung vom 24. 7. 2017 bis 2. 10. 2017 im Unterbringungslager in Polen die Zahlung einer Entschädigung von 180 EUR pro Tag je Familienmitglied. Der Zweitklägerin gebühre darüber hinaus ein Schmerzengeld von 4.000 EUR, der drittklagenden Partei von 2.500 EUR und der erst-, sowie der viert- bis neuntklagenden Partei von je 1.142,85 EUR für die durch die Festnahme, Anhaltung und Haft erlittenen physischen und psychischen Beeinträchtigungen. Für sonstige notwendige Aufwendungen stehe den Klägern ein Ersatz von je 222,22 EUR zu. Da die Folgen der rechtswidrigen Freiheitsentziehung wegen etlicher Traumatisierungen noch nicht abschließend abschätzbar seien, sei das Feststellungsbegehren begründet.

[11] Die Beklagte wandte insbesondere Verjährung der geltend gemachten Ansprüche ein.

[12] Das Erstgericht wies das Klagebegehren wegen Verjährung ab. Die dreijährige Verjährungsfrist habe am 24. 7. 2017 begonnen und wäre am 24. 7. 2020 abgelaufen, sei aber durch das am 17. 7. 2020 der Finanzprokuratur zugegangene Aufforderungsschreiben und durch § 2 1. COVID‑19‑JuBG vom 22. 3. 2020 bis 30. 4. 2020 gehemmt worden. Den Klägern wären daher ab 17. 10. 2020 (Zugang des Ablehnungsschreibens) noch 48 Tage bis zum Ablauf der Verjährungsfrist offen gestanden; die Klage sei jedoch erst am 15. 1. 2021 und damit verspätet eingebracht worden.

[13] Das Berufungsgericht bestätige diese Entscheidung und ließ die ordentliche Revision zur Frage zu, ob die Rechtsprechung zur Ablaufhemmung des § 6 Abs 1 Satz 1 AHG auch auf Fälle der Beurteilung eines behördlichen Handelns als unmittelbare Befehls- und Zwangsgewalt aufgrund von nicht rechtswirksam zugestellten Bescheiden – bzw „Nicht‑Bescheiden“ – anzuwenden sei.

[14] Die von der Beklagten beantwortete Revision der Kläger ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

1. Zur maßgeblichen Rechtslage

Rechtliche Beurteilung

[15] 1.1. Nach § 6 Abs 1 Satz 1 AHG verjähren Ersatzansprüche nach § 1 Abs 1 AHG in drei Jahren nach Ablauf des Tages, an dem der Schaden dem Geschädigten bekannt geworden ist, keinesfalls aber vor einem Jahr nach Rechtskraft einer rechtsverletzenden Entscheidung oder Verfügung. Auslösend für den Beginn der Verjährungsfrist ist die Kenntnis des Schadens, selbst wenn der Geschädigte die Schadenshöhe noch nicht beziffern kann, ihm noch nicht alle Schadensfolgen bekannt oder diese auch noch nicht zur Gänze eingetreten sind (RS0050338). Maßgeblich ist jener Zeitpunkt, zu dem der Geschädigte aufgrund der ihm bekannten Tatsachen ohne nennenswerte Mühe auf das Verschulden irgendeines Organs des Rechtsträgers schließen konnte (RS0050355). Er darf mit der Klageführung nicht so lange zuwarten, bis er im Rechtsstreit zu gewinnen glaubt. Jeder Kläger muss damit rechnen, dass sich seine scheinbare Kenntnis des Schadens und des Ersatzpflichtigen als irrig herausstellt (RS0050338 [T12]).

[16] 1.2. Ersatzansprüche für Schäden, die auch durch Rechtsmittel nicht mehr abgewendet werden können, beginnen mit dem Eintritt des tatsächlichen Schadens oder mit dem Eintritt der ersten Schadensfolge, die nicht mehr abgewendet werden kann, zu verjähren; die Verjährungsfrist endet aber erst ein Jahr nach Rechtskraft der schadensverursachenden Entscheidung oder Verfügung (RS0050342). § 6 Abs 1 AHG sieht ähnlich § 1494 ABGB eine Ablaufhemmung vor (RS0114221 [T1]). Durch diese Bestimmung soll die Position des Geschädigten verbessert werden, weil die Verjährung jedenfalls nicht vor einem Jahr nach Rechtskraft der rechtsverletzenden Entscheidung oder Verfügung eintritt, auch wenn der Schaden bereits durch die Entscheidung erster Instanz entsteht und durch Rechtsmittel nicht mehr abgewendet werden kann (1 Ob 50/13d).

[17] Zu 1 Ob 103/07i hat der Fachsenat allerdings betont, dass § 6 Abs 1 Satz 1 AHG ausdrücklich von der Rechtskraft rechtsverletzender Entscheidungen oder Verfügungen spricht. Mangels erkennbarer planwidriger Lücke sei im Rahmen des § 6 Abs 1 AHG auch nach Einrichtung der Unabhängigen Verwaltungssenate davon auszugehen, dass von der Ablaufhemmung in dessen Satz 1 nur solche verwaltungsbehördliche Entscheidungen und Verfügungen erfasst seien, die der Rechtskraft fähig sind, daher nicht Maßnahmen unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt. Dies folge auch aus der Überlegung, dass die Entscheidung des VwGH bei Überprüfung der Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt inhaltlich einer Entscheidung nach § 11 Abs 1 AHG gleichkomme. Eine Entscheidung des VwGH über die Rechtswidrigkeit eines Bescheids nach § 11 Abs 1 AHG greife nach der Konzeption dieser Bestimmung gerade nicht in die allfällige Rechtskraft des beurteilten Bescheids ein, sondern habe lediglich für den Amtshaftungsprozess feststellende und bindende Wirkung. Aus diesem Grund könne eine Entscheidung des VwGH über die Rechtmäßigkeit eines Akts unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt nicht einer Entscheidung iSd § 6 Abs 1 Satz 1 AHG, auf die die Ablaufhemmung Anwendung fände, gleichgesetzt werden.

[18] 1.3. § 6 Abs 1 Satz 3 AHG ordnet demgegenüber im Zusammenhang mit Aufforderungsschreiben nach § 8 AHG eine Fortlaufhemmung an (RS0126070 [T1]; RS0111778). Eine Fortlaufhemmung hindert Beginn oder Weiterlauf der Frist. Nach Wegfall des Hemmungsgrundes muss die ganze Frist bzw der verbliebene Anteil ablaufen. Der Grundsatz der Geltendmachung in angemessener Frist greift bei der Fortlaufhemmung nicht (1 Ob 107/15i).

[19] 2. Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass die Verjährungsfrist mit Setzung der rechtswidrigen Maßnahmen durch die Organe der Beklagten, nämlich der Festnahme und Anhaltung der Kläger am 24. 7. 2017, um sie dann nach Polen abzuschieben, begonnen hat und (nur) durch § 6 Abs 1 Satz 3 AHG sowie § 2 1. COVID‑19‑JuBG für die Dauer von insgesamt 48 Tagen gehemmt wurde und daher bei Klageeinbringung abgelaufen war, steht mit dieser Rechtslage in Einklang.

[20] 3. Daran wecken auch die Kläger mit ihren Rechtsmittelausführungen keine Zweifel:

[21] 3.1. Ihrer Behauptung, die Freiheitsentziehung habe bis zu ihrer Rückkehr aus Polen am 2. 10. 2017 angedauert, es liege daher ein Dauertatbestand vor, hat bereits das Berufungsgericht entgegen gehalten, dass den Organen der Beklagten (nur) die Festnahme (24. 7. 2017), Anhaltung (vom 24. bis 26. 7. 2017) und Außerlandesbringung (26. 7. 2017) der Kläger als rechtswidriges und schadensbegründendens Verhalten anzulasten ist. Warum der Unterbringung in Polen ein fortgesetztes Verhalten (vgl RS0034536) der der beklagten Republik Österreich zuzurechnenden Organe zugrunde liegen soll, wird in der Revision nicht begründet.

[22] 3.2. Entgegen der Ansicht der Kläger besteht auch kein Grund, von der Rechtsprechung abzugehen, wonach die Ablaufhemmung des § 6 Abs 1 Satz 1 AHG auf Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt nicht anzuwenden ist (RS0122235).

[23] (a) Vorauszuschicken ist, dass die Kläger nicht behaupten, dass sich die Rechtslage seit der Entscheidung 1 Ob 103/07i durch die Einführung der zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit mit 1. 10. 2014 maßgeblich geändert hätte. Dies ist auch nicht der Fall. Insbesondere blieb die Formulierung des § 6 Abs 1 letzter Halbsatz AHG („Rechtskraft einer rechtsverletzenden Entscheidung oder Verfügung“) unverändert.

[24] (b) Verwaltungsrechtliche Vorfragen kann das Amtshaftungsgericht grundsätzlich selbst beurteilen und muss dies sogar, wenn kein Verwaltungsverfahren anhängig ist (Schragel, AHG³ § 11 Rz 264 mwN).

[25] Die Rechtswidrigkeit faktischer Amtshandlungen haben die zur Entscheidung in Amtshaftungssachen berufenen ordentlichen Gerichte daher von sich aus zu beurteilen; das Verfahren nach § 11 Abs 1 AHG ist deshalb in solchen Fällen nicht einzuleiten (RS0050239). Ist aber während eines Amtshaftungsverfahrens ein Verfahren beim VwGH zur Klärung der Rechtswidrigkeit der Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anhängig, so ist das Amtshaftungsverfahren nach § 190 Abs 1 ZPO zu unterbrechen, weil das Amtshaftungsgericht an die Entscheidung des VwGH, die inhaltlich einer solchen nach § 11 Abs 1 AHG entspricht, gebunden ist (RS0050239 [T2]).

[26] Die Auffassung der Kläger, eine Amtshaftungsklage müsse vor Feststellung der Rechtswidrigkeit der bis dahin rechtlich verbindlichen „Zwangsakte“ im Maßnahmebeschwerdeverfahren erfolglos bleiben, das Amtshaftungsgericht dürfte die Rechtswidrigkeit der „Zwangsakte“ nicht von sich aus beurteilen, trifft daher nicht zu.

[27] Daran ändert nichts, dass das Amtshaftungsgericht an eine rechtskräftige Entscheidung (nicht nur des VwGH, sondern auch) eines Verwaltungsgerichts gebunden sein mag (vgl zu dieser Diskussion Vollmaier in Schwimann/Kodek, ABGB5 § 11 AHG Rz 11 Fn 69 mwN). Die Ansicht der Kläger liefe letztlich darauf hinaus, dass ein späterer Amtshaftungskläger zur Erhebung einer Beschwerde an das VwG nach § 130 Abs 1 Z 2 B‑VG verpflichtet wäre, weil das Amtshaftungsgericht selbst einen Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, gegen dessen Ausübung keine Maßnahmenbeschwerde ergriffen wurde, nicht als rechtswidrig beurteilen dürfte. Dies stünde aber mit dem System des Amtshaftungsrechts nicht in Einklang, das eine Verpflichtung des späteren Amtshaftungsklägers, Rechtsbehelfe gegen schädigendes Organverhalten zu ergreifen, nur im Rahmen der Rettungspflicht („Subsidiarität der Amtshaftung“) kennt. Zur Erhebung einer Beschwerde nach Art 130 Abs 1 Z 2 B‑VG an das BVwG waren die Kläger iSd § 2 Abs 2 AHG aber gerade nicht verpflichtet, weil diese den durch die Festnahme, Anhaltung und Abschiebung unmittelbar entstandenen Schaden nicht mehr abwenden konnte.

[28] (c) Die die Entscheidung 1 Ob 103/07i tragende Erwägung, dass die Entscheidung des VwGH über die (Un‑)Rechtmäßigkeit eines Akts unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt nicht die Beseitigung einer rechtsverletzenden Entscheidung oder Verfügung iSv § 6 Abs 1 Satz 1 AHG betreffen, sondern lediglich für den Amtshaftungsprozess feststellende und bindende Wirkung habe, gilt daher für den Bereich des Amtshaftungsrechts nach wie vor. Inwiefern in diesem Zusammenhang relevant sein sollte, dass die „Zwangsakte“ wie hier ohne bescheidmäßige Grundlage gesetzt wurden, worauf der Zulassungsausspruch des Berufungsgerichts abstellt, führen die Kläger nicht näher aus.

[29] 3.3. Dementsprechend ist die Frist für die Erhebung einer Beschwerde gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt nach § 7 Abs 4 Satz 2 VwGVG für die dreijährige Verjährungsfrist nach § 6 Abs 1 AHG ohne Bedeutung. Es besteht auch kein Anlass, die zu der verwaltungsrechtlichen Beschwerdefrist ergangene Rechtsprechung auf die zivilrechtliche Verjährungsfrist zu übertragen, auf die neben den Hemmungsvorschriften des AHG grundsätzlich ohnehin auch die allgemeinen Hemmungs- und Unterbrechungsgründe der §§ 1494 ff ABGB zur Anwendung gelangen (RS0109755). Solche haben die Kläger aber – worauf bereits das Erstgericht hingewiesen hat – in erster Instanz nicht konkret behauptet.

[30] 3.4. Dem Einwand der Kläger, die Maßnahmenbeschwerde habe die Verjährungsfrist unterbrochen, weil das BVwG „eine Behörde der EMRK zur Feststellung der materiellen EMRK-Widrigkeit der faktischen Amtshandlung“ sei, hat das Berufungsgericht überdies entgegnet, die Erhebung einer Beschwerde gemäß Art 130 Abs 1 Z 2 B‑VG sei jedenfalls kein „Belangen“ iSd § 1497 ABGB. Dagegen führen die Kläger bloß ins Treffen, eine unterschiedliche Behandlung zwischen einer Antragstellung bei den „Behörden der EMRK“ und einem Maßnahmebeschwerdeverfahren hinsichtlich der Unterbrechungswirkung wäre verfassungswidrig. Dabei übersehen sie allerdings, dass die Antragstellung vor dem EGMR nach der Rechtsprechung (nur) dann ein „Belangen“ iSd § 1497 ABGB ist und die Verjährungsfrist unterbricht, wenn dem Beschwerdeführer und späteren Kläger vom EGMR gemäß Art 41 EMRK eine Entschädigung zugesprochen hätte werden können (1 Ob 85/19k). Darauf, dass Vergleichbares bei der von ihnen ergriffenen Maßnahmenbeschwerde nicht der Fall ist, gehen die Kläger nicht weiter ein.

[31] 3.5. Die Ansicht der Kläger, ihnen hätte aus Billigkeitserwägungen eine längere als 48‑tägige Frist nach Ablehnung ihrer Ansprüche im Aufforderungsschreiben gewährt werden müssen, verkennt die bereits dargestellten Unterschiede zwischen einer Fortlauf- und einer Ablaufhemmung.

[32] 4. Aus welchen Gründen in diesem Fall entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts Unionsrecht anwendbar sein sollte, lässt sich der Revision nicht nachvollziehbar entnehmen, die nur meint, es könne nicht argumentiert werden, dass „Schadenersatzrecht, insbesondere Amtshaftungsrecht … dem EU‑Recht fremd sei und damit eine rein innerstaatliche Rechtsmaterie … und damit der Rechtsprechung des EuGH entzogen wäre“. Ein Antrag auf Vorabentscheidung an den EuGH war daher nicht zu stellen.

[33] 5. Die Revision ist mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

[34] 6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 40, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Aufgrund der annähernd gleichteiligen Beteiligung der Kläger am Rechtsstreit waren die Kosten nach Kopfteilen aufzuteilen.

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