OGH 14Os31/23z

OGH14Os31/23z27.6.2023

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Juni 2023 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Nordmeyer und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann, Dr. Setz‑Hummel LL.M. und Dr. Sadoghi in Gegenwart des Schriftführers Obergruber LL.M. in der Strafsache gegen * A* und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten * K* sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengericht vom 3. November 2022, GZ 37 Hv 80/22y‑114b, weiters über die Beschwerden des K* und der Staatsanwaltschaft gegen den zugleich gefassten Beschluss auf Absehen vom Widerruf bedingter Strafnachsichten und Verlängerung einer Probezeit, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0140OS00031.23Z.0627.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

 

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des * K* und aus deren Anlass werden das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen

A./I./,

A./II./1./ und A./II./3./,

A./III./,

B./I./, B./II./, B./III./2./ und B./III./3./,

C./I./2./, C./II./1./ und C./II./2./,

D./1./ und D./2./ sowie in der rechtlichen Unterstellung der den Schuldsprüchen zu A./II./4./ und B./III./1./ zugrunde liegenden Taten auch nach § 129 Abs 1 Z 3 StGB und den dazu gebildeten Subsumtionseinheiten,

demgemäß auch im Kostenausspruch in Ansehung des Angeklagten K*, in sämtlichen Strafaussprüchen (einschließlich der die Angeklagten A* und Y* betreffenden Vorhaftanrechnung), in der Entscheidung über die privatrechtlichen Ansprüche, über die Einziehung und den Verfall ebenso wie die Beschlüsse gemäß § 494a Abs 1 Z 2, Abs 6 StPO aufgehoben, im Umfang der Aufhebung eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache hiefür an das Landesgericht Linz verwiesen.

Mit ihren Berufungen und Beschwerden werden der Angeklagte K* und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurden – soweit hier relevant – die Angeklagten * A*, * Kh*, * Y* und * K* jeweils des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (A./I./); darüber hinaus A*, Kh* und Y* je des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (A./II./1./), der Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (A./II./2./, A* und Kh* auch B./III./2./), Vergehen der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 1 StGB (A./II./3./, A* und Kh* auch B./III./3./), des Vergehens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 15, 127, 129 Abs 1 Z 3 StGB (A./II./4./, A* und Kh* auch B./III./1./); A* und Y* je des Verbrechens der Erpressung nach § 144 Abs 1, § 15 StGB (A./III./); A* und Kh* je des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 2, §§ 148 zweiter Fall, 15 StGB (B./I./), des Vergehens des betrügerischen Datenverarbeitungsmissbrauchs nach §§ 148a Abs 1 und 2 erster Fall, 15 StGB (B./II./); Y* des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG (C./I./1./), der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster, zweiter und siebter Fall, „teils“ Abs 2 SMG (C./I./2./), des Vergehens der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 StGB (C./II./1./), des Vergehens der Begünstigung nach § 299 Abs 1 StGB (C./II./2./) und des Vergehens der Hehlerei nach § 164 Abs 2 StGB (C./III./) sowie A* des Vergehens der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 StGB (D./1./) und des Vergehens der Begünstigung nach §§ 15, 299 Abs 1 StGB (D./2./) schuldig erkannt.

[2] Danach haben in L* und andernorts

A./I./ A*, Kh* und Y*, teils im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit K* am 15. November 2021 mit Gewalt gegen eine Person und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) S* Ya* ein Mobiltelefon im Wert von etwa 300 Euro, seinen Autoschlüssel sowie die Geldbörse mit 250 Euro an Paysafe‑Karten (vgl aber Salimi in WK2 StGB § 133 Rz 23) mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen, indem zunächst Kh* dem Genannten einen Faustschlag ins Gesicht versetzte, ihn sämtliche Angeklagte (teils durch Klopfen auf das Fahrzeug) zum Aussteigen aus dem Pkw drängten, ihm K* trotz seiner Gegenwehr das Mobiltelefon aus der rechten vorderen Hosentasche riss und es Y* übergab (bevor K* den Tatort verließ), A* „entgegen des Zuhaltens der Taschen durch das Opfer“ aus der Hosentasche hinten rechts die Geldbörse mit fünf Paysafe‑Karten zu je 50 Euro und aus der vorderen linken Hosentasche den Autoschlüssel an sich nahm, während sie S* Ya* einen Stift gegen die linke Hüfte ansetzte und Y* ihm Schläge androhte;

II./ A*, Kh* und Y*

1./ im Zuge der zu A./I./ geschilderten Tat S* Ya* zur Bekanntgabe des PINs für seine Bankomatkarte der O* AG sowie zur Leistung von Blankounterschriften genötigt;

2./ im Zuge der zu A./I./ geschilderten Tat Urkunden, über die sie nicht verfügen durften, mit dem Vorsatz unterdrückt, deren Verwendung im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechts, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache zu hindern, nämlich den Zulassungsschein (lautend auf A* Ya*) sowie den Reisepass und den Impfpass des S* Ya*;

3./ im Zuge der zu A./I./ geschilderten Tat sich ein unbares Zahlungsmittel, über das sie nicht verfügen durften, mit dem Vorsatz verschafft, sich oder einen Dritten durch dessen Verwendung im Rechtsverkehr unrechtmäßig zu bereichern, nämlich die Bankomatkarte des S* Ya*;

4./ im Anschluss an die zu A./I./ geschilderte Tat mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz, fremde bewegliche Sachen, nämlich einen unbekannten Bargeldbetrag, Verfügungsberechtigten des kontoführenden Bankinstituts durch Einbruch wegzunehmen versucht, indem sie am Bankomaten im Bereich des S* eine Behebung mit der Bankomatkarte des S* Ya* vornahmen, was mangels Guthabens scheiterte;

III./ A* und Y* im Anschluss an die zu A./I./ geschilderte Tat mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz, S* Ya* durch gefährliche Drohung „mit einer Verletzung am Vermögen“ zu einer Handlung genötigt und zu nötigen versucht, die den Genannten am Vermögen schädigte und schädigen sollte, indem

a./ zunächst A* noch im Bereich des S* die Bezahlung von 800 Euro für die Retournierung der Raubbeute,

b./ sodann im Laufe des 15. November 2021 Y* 140 Euro für die Rückgabe des geraubten Mobiltelefons forderte, was S* Ya* anlässlich eines Treffens mit Y* und dem abgesondert verfolgten * G* auch leistete,

c./ Anfang Dezember 2021 A* neuerlich 500 Euro für die Rückstellung der erlangten Urkunden des S* Ya* verlangte;

B./ A* und Kh* im bewussten und gewollten Zusammenwirken

I./ gewerbsmäßig mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz, Nachgenannte durch Täuschung über Tatsachen und unter Verwendung des unterdrückten Reisepasses des S* Ya* sowie dessen Bankomatkarte zur Auszahlung von Bargeld und zum Abschluss von Mobilfunkverträgen unter Ausfolgung von Handys verleitet und zu verleiten versucht, wodurch ein Schaden in einem 5.000 Euro übersteigenden Betrag entstand, und zwar

a./ am 31. Dezember 2021 Verfügungsberechtigte der O*filiale * durch Vorgabe, der Kontoinhaber S* Ya* zu sein und unter Verwendung dessen Reisepasses zur Auszahlung von 500 Euro von dessen Konto;

b./ am 5. Jänner 2022 Verfügungsberechtigte der O*filiale * durch Vorgabe, der Kontoinhaber S* Ya* zu sein und unter Verwendung dessen Reisepasses zur Auszahlung von (weiteren) 500 Euro von dessen Konto, wobei es beim Versuch blieb;

c./ am 26. Dezember 2021 Verfügungsberechtigte der „H*“ zum Abschluss von zwei Mobilfunkverträgen auf den Namen S* Ya* und Ausfolgung zweier Mobiltelefone im Wert von 990 Euro und 810 Euro, eines E‑Scooters im Wert von 369 Euro, eines Apple iPad SmartCovers im Wert von 54,90 Euro, eines Apple iPads im Wert von 379 Euro und Apple Airpods im Wert von 239 Euro unter Verwendung des Reisepasses und der Bankomatkarte des S* Ya*, wodurch ein Schaden von insgesamt 5.006,33 Euro entstand;

d./ am 20. November 2021 Verfügungsberechtigte des „M* Shops“ zum Abschluss von zwei Mobilfunkverträgen auf den Namen S* Ya* und Ausfolgung zweier Mobiltelefone im Wert von 960 Euro und 966 Euro unter Verwendung des Reisepasses und der Bankomatkarte des S* Ya*, wodurch ein Schaden in Höhe von 2.856,62 Euro entstand;

e./ am 15. Jänner 2022 Verfügungsberechtigte des „M* Shops“ zum Abschluss von drei Mobilfunkverträgen und Ausfolgung von drei Mobiltelefonen mit nicht näher feststellbarem Wert, wobei sie einen auf den Namen A* Ya* verfälschten Führerschein der A* zur Täuschung verwendeten und einen Schaden von 4.027,03 Euro verursachten;

f./ am 3. Jänner 2022 Verfügungsberechtigte der „Firma Ha*“ zur Ausfolgung zweier Mobiltelefone im Wert von 1.300 Euro und 850 Euro, wobei sie jeweils unter Verwendung des Reisepasses des S* Ya* einen Konsumkredit bei der S* Bank abschlossen;

II./ gewerbsmäßig mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz, Nachgenannte dadurch am Vermögen geschädigt und zu schädigen versucht, dass sie das Ergebnis einer automationsunterstützten Datenverarbeitung „durch Gestaltung des Programms, durch Eingabe, Veränderung, Löschung, Unterdrückung oder Übertragung von Daten oder sonst durch Einwirkung auf den Ablauf des Verarbeitungsvorgangs beeinflussten“, indem sie

a./ am 13. Jänner 2022 via T* Online-Shop auf den Namen des S* Ya* weitere drei Mobiltelefonverträge abzuschließen und drei Mobiltelefone im Wert von 960 Euro sowie je 650 Euro zu erlangen versuchten, wobei der Vertragsabschluss mangels Bonität abgelehnt wurde;

b./ am 24. November 2021 unter Verwendung der im Zuge des Raubgeschehens vom 15. November 2021 erlangten Zugangsdaten der A* Ya* einen Mobilfunkvertrag auf deren Namen verlängerten und den Mobilfunkbetreiber H* zur Ausfolgung eines Mobiltelefons im Wert von 1.566 Euro verleiteten;

c./ am 23. Juli 2021 via „b*-Onlineshop“ unter Verwendung der persönlichen Daten, des Führerscheins und der Kontodaten der * L* einen Mobilfunkvertrag beim Betreiber A* AG abschlossen und sich ein Mobiltelefon ausfolgen ließen und so zum Nachteil der Firma A* AG einen Schaden von 585,40 Euro verursachten;

d./ am 23. Juli 2021 via Online-Shop der „Fa. N*“ unter Verwendung der persönlichen Daten der * L* ein Mobiltelefon bestellten und einen Schaden in Höhe von 234,98 Euro verursachten;

III./ am 28. Juni 2021 in M*

1./ mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz, Nachgenannten fremde bewegliche Sachen, teils durch Einbruch, weggenommen und wegzunehmen versucht, und zwar

a./ * L* eine Geldbörse mit 50 Euro Bargeld;

b./ im Anschluss einen unbekannten Bargeldbetrag durch Behebungen am Gerät „ATM 40050 M*“ mittels der aus dem Geldbörsendiebstahl erlangten Kredit- und Bankomatkarten der * L*, wobei es zufolge Sperre der Karten beim Versuch blieb;

2./ im Zuge der zu B./III./1./a./ beschriebenen Tat eine Urkunde, über die sie nicht verfügen durften, nämlich den Führerschein der * L*, mit dem Vorsatz unterdrückt, dessen Verwendung im Rechtsverkehr zu hindern;

3./ im Zuge der zu B./III./1./a./ beschriebenen Tat unbare Zahlungsmittel, über die sie nicht verfügen durften, sich mit dem Vorsatz verschafft, sich oder einen Dritten durch deren Verwendung im Rechtsverkehr unrechtmäßig zu bereichern;

C./ Y*

I./ vorschriftswidrig Suchtgift

1./ in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich 121 Gramm Methamphetamin (Reinheitsgehalt [teilweise] 78,9 %, US 15, 18) und 22 Gramm Heroin (Reinheitsgehalt 17,7 %, US 15, 18), anderen (im Urteil namentlich genannten Abnehmern in den dort angeführten Zeiträumen und Teilmengen a./ bis j./) überwiegend durch gewinnbringenden Verkauf überlassen;

2./ erworben, besessen und anderen angeboten, indem sie

a./ im November 2021 * Na* Methamphetamin zum Kauf anbot;

b./ am 13. Februar 2022 etwa 3 Gramm Heroin bis zur polizeilichen Sicherstellung besaß;

c./ ausschließlich zum persönlichen Gebrauch ab Mitte November 2011 bis 13. Februar 2022 eine insgesamt unbekannte Menge Methamphetamin, Heroin, Cannabiskraut, Amphetamin, Kokain und MDMA erwarb und bis zum Eigenkonsum besaß;

II./ am 3. November 2021 im Verfahren gegen * E* (zu AZ 20 Hv 65/21s des Landesgerichts Linz) durch die Aussage, ihre anderslautenden (belastenden) polizeilichen Aussagen seien nicht richtig, sie sei bei der Vernehmung unter Drogeneinfluss gestanden, sie sei sauer auf E* gewesen, die Polizei habe eine Aussage gegen ihn haben wollen und sie habe einfach mitgemacht,

1./ als Zeugin bei ihrer förmlichen Vernehmung zur Sache falsch ausgesagt,

2./ E* absichtlich der Strafverfolgung wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 SMG entzogen;

III./ zwischen 30. November 2021 und 8. Dezember 2021 Sachen gekauft, an sich gebracht und einem Dritten verschafft, die ein anderer durch mit Strafe bedrohte Handlungen gegen fremdes Vermögen erlangt hatte, indem sie teils von * Tü* und * Da* durch Einbrüche, teils von A* durch schweren Betrug erlangte (im Urteil näher beschriebene) Beutestücke ankaufte und zu einem unbekannten Preis * Ta* und * G* überließ;

D./ A* am 12. April 2022 im Verfahren gegen * V* und * U* (zu AZ 23 Hv 92/21h des Landesgerichts Linz) durch die Aussage, sie habe die dort angeklagte V* am 19. November 2021 vor den WC‑Anlagen gesehen, es sei nur zu einer Schreierei mit dem „Türken“ (gemeint * C*) gekommen, dann seien sie schon weggelaufen, es sei hell gewesen,

1./ als Zeugin bei ihrer förmlichen Vernehmung zur Sache falsch ausgesagt,

2./ V* und U* absichtlich der Strafverfolgung wegen des Verbrechens des räuberischen Diebstahls nach §§ 127, 131 StGB zu entziehen versucht.

Rechtliche Beurteilung

[3] Gegen den ihn betreffenden Schuldspruch A./I./ richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 vierter Fall und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des K*. Dieser kommt Berechtigung zu.

[4] Zutreffend zeigt die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) auf, dass die Feststellungen zur subjektiven Tatseite zu A./I./, wonach die vier Angeklagten „jeweils mit der gleichen Intention“ handelten, wobei es „ihnen geradezu darauf an[kam], S* Ya* mit unmittelbarer physischer Gewalt und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben Geld und andere werthaltige Gegenstände wegzunehmen, auf die sie, wie ihnen bewusst war, keinerlei Anspruch hatten“ und „allen Angeklagten im Rahmen ihres Vorgehens auch bewusst [war], dass sie in arbeitsteiliger Weise am Raubgeschehen teilnahmen und sie dies auch [wollten]“ (US 13 f), gänzlich unbegründet geblieben sind (RIS‑Justiz RS0099413 [T11]).

[5] Dieser Begründungsmangel erfordert – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – in Ansehung des K* die sofortige Aufhebung des Schuldspruchs A./I./ bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 285e StPO), weshalb sich ein Eingehen auf seine weitere Beschwerdeargumentation erübrigt.

[6] Derselbe Grund, auf dem die Verfügung zu Gunsten dieses Angeklagten beruht, kommt auch den Mitangeklagten A*, Kh* und Y*, die keine Nichtigkeitsbeschwerde ergriffen haben, zustatten (§ 290 Abs 1 zweiter Satz zweiter Fall StPO; RIS‑Justiz RS0129172). Es ist daher von Amts wegen so vorzugehen, als wäre der in Rede stehende Nichtigkeitsgrund auch von diesen geltend gemacht worden, was die Aufhebung des Schuldspruchs A./I./ auch in Ansehung dieser Angeklagten zur Folge hat.

[7] Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof davon, dass dem angefochtenen Urteil folgende, nicht geltend gemachte Rechtsfehler mangels Feststellungen (Z 9 lit a, Z 10) anhaften, die zum Nachteil der Mitangeklagten A*, Kh* und Y* wirken und daher von Amts wegen wahrzunehmen waren (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):

[8] Zu den Schuldsprüchen A./II./1./, B./III./2./, C./II./1./ sowie D./1./ enthält das Urteil überhaupt keine Konstatierungen zur subjektiven Tatseite der jeweiligen Angeklagten. Zu A./II./3./ und B./III./3./ fehlen Feststellungen in Bezug auf die der künftigen Verwendung im Sinn des § 241e Abs 1 erster Fall StGB vorgelagerten Bereicherungstendenz (Schroll in WK2 StGB § 241e Rz 10).

[9] Die (teilweise erfolgte) Erwähnung subjektiver Komponenten in Form der verba legalia im Urteilsspruch vermag entsprechende Feststellungen nicht zu ersetzen (RIS‑Justiz RS0098936 [insb T4], RS0114639 [T7, T11]).

[10] Zu A./II./4./ und B./III./1./ enthält das Urteil keine Konstatierungen zur subjektiven Tatseite betreffend die Handlungsqualifikation der Bargeldabhebung vom Bankomaten unter Einsatz der abgenötigten Bankomatkarte (RIS-Justiz RS0093730 [T5]), somit mit einem widerrechtlich erlangten Schlüssel im Sinn des § 129 Abs 1 Z 3 StGB (Stricker in WK2 StGB § 129 Rz 122).

[11] Zu B./I./ fehlen Konstatierungen bezüglich des dem Tatbestand des Betrugs nach § 146 StGB immanenten Täuschungs‑ und Schädigungsvorsatzes (Kirchbacher/Sadoghi in WK2 StGB § 146 Rz 114 ff), zu B./II./ solche in Ansehung der Merkmale des Grundtatbestands des § 148a Abs 1 StGB in Form des Beeinflussungs‑ und Schädigungsvorsatzes (Kirchbacher/Sadoghi in WK2 StGB § 148a Rz 24).

[12] Zu C./II./2./ – hier auch in objektiver Hinsicht – und zu D./2./ enthält das Urteil keine Feststellungen zur subjektiven Tatseite hinsichtlich der Vortat des nach § 299 Abs 1 StGB Begünstigten (Pilnacek/Swiderski in WK2 StGB § 299 Rz 6 und 19).

[13] Nach den Urteilsannahmen zu Schuldspruch A./III./ schrie A* das Opfer (im Anschluss an den Raub) an und „meinte, dass er seine Sachen wiederhaben könne, wenn er am nächsten Tag 800 Euro vorbeibringen würde“. ... „Noch am selben Tag ersuchte S* Ya* die Drittangeklagte ..., ihm das Handy zurückzugeben. Dafür forderte * Y* 140 Euro, die ihr S* Ya* in weiterer Folge bezahlte. Im Dezember 2021 verlangte * A* ... abermals die Zahlung von 500 Euro für die Rückgabe der anderen Gegenstände, worauf Ya* antwortete, dass er nur 400 Euro habe; dann brach der Kontakt ab“ (US 13). Die geforderten Geldbeträge „dienten einzig dem Ziel, sich zu Lasten des Ya* noch weitere Vermögensvorteile zu verschaffen“, wobei es A* und Y* auch ernstlich für möglich hielten und sich damit abfanden, bei S* Ya* „durch die oben geschilderten Äußerungen begründete Besorgnis zumindest betreffend seine körperliche Unversehrtheit hervorzurufen und ihn dadurch zu einem Verhalten, nämlich zur Herausgabe weiteren Geldes, zu bewegen“ (US 14).

[14] Erpressung nach § 144 Abs 1 StGB erfordert als Tatmittel Gewalt oder (wie hier) gefährliche Drohung. Die rechtliche Annahme der Eignung einer Erklärung, dem Opfer die begründete Besorgnis einzuflößen, der Täter sei willens und in der Lage, das angekündigte Übel herbeizuführen, bedarf Feststellungen zu ihrem – im Tatsachenbereich gelegenen (RIS‑Justiz RS0092538 [T3, T4]) – Bedeutungsinhalt, die allein durch die Beschreibung des Täterverhaltens nicht substituiert werden können (RIS‑Justiz RS0092588 [insb T15]). Den erstgerichtlichen Konstatierungen ist jedoch nicht zu entnehmen, durch welche konkreten „Äußerungen“ welche konkrete Beeinträchtigung der „körperlichen Unversehrtheit“ des S* Ya* die Angeklagten Y* und A* in Aussicht gestellt hätten. Zwar kann der Dieb (hier: Räuber), der dem Opfer die Beute gegen die Zahlung einer bestimmten Summe zur Rückgabe anbietet, mangels Anrechenbarkeit der Sachrückgabe auf die abgenötigte Leistung – bei Vorliegen einer gefährlichen Drohung – Erpressung verantworten (Eder‑Rieder in WK2 StGB § 144 Rz 27 mwN). Eine Drohung in Richtung einer (weiteren) Verletzung des Eigentums enthalten die insoweit maßgeblichen Entscheidungsgründe (RIS‑Justiz RS0116587 [T10]; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 271) jedoch nicht.

[15] Zu C./I./2./ fehlen letztlich Konstatierungen zu den Y* als Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster, zweiter und siebter Fall, „teils“ Abs 2 SMG zur Last gelegten Verhaltensweisen gänzlich.

[16] Diese Rechtsfehler mangels Feststellungen erfordern – ebenfalls in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – die Aufhebung des Urteils in den Schuldsprüchen, der Qualifikation nach § 129 Abs 1 Z 3 StGB sowie der zu A./II./4./ und B./III./1./ gebildeten Subsumtionseinheiten und dem Kostenausspruch betreffend den Beschwerdeführer wie aus dem Spruch ersichtlich, demzufolge auch in sämtlichen Strafaussprüchen (einschließlich der jeweiligen Vorhaftanrechnung).

[17] Die mit diesen Schuldsprüchen jeweils zusammenhängenden Aussprüche über die privatrechtlichen Ansprüche der Privatbeteiligten S* Ya* (A./I./), O* AG (B./I./a./), H* AG (B./I./c./ und B./II./b./), T* GmbH (B./I./d./) und S* Bank (B./I./f./) waren ebenso aufzuheben, weil sie ersichtlich auf den aufgehobenen Teilen des Schuldspruchs beruhen und demgemäß in dessen rechtskräftig gewordenem Teil keine Deckung finden. Ebenso war mit der Verweisung der Privatbeteiligten auf den Zivilrechtsweg zu verfahren (RIS‑Justiz RS0101303, RS0100493 [T1]; Ratz, WK‑StPO § 289 Rz 7; Spenling, WK‑StPO § 366 Rz 33).

[18] Das Einziehungserkenntnis war in Bezug auf das „sichergestellte Suchtgift … (ON 43)“ aufzuheben, da es sich – deutlich genug – auf C./I./2./b./ des Schuldspruchs bezieht (ON 43 iVm US 5, 23). Mit dessen Aufhebung bleiben nämlich auch keine Feststellungen zu einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zusammenhang mit diesem Suchtgift bestehen (RIS‑Justiz RS0088115 [T3]).

[19] Gleiches gilt für das Erkenntnis betreffend die (verfehlt auf die – nur die Einziehung von Suchtmittel und in § 27 Abs 1 Z 2 und 3 SMG genannte Pflanzen und Pilze regelnde – Bestimmung des „§ 34 Abs 1 SMG“ gestützte) Einziehung der gleichzeitig sichergestellten Suchtgiftwaage, weil deren Verwendung zur Begehung der dem bestehen bleibenden Schuldspruch zu C./I./1./ zugrunde liegenden Taten aus den Entscheidungsgründen nicht mit hinreichender Deutlichkeit hervorgeht (US 9, 23 iVm ON 43). Einziehung nach § 26 StGB würde zudem – gleichfalls nicht getroffene – Feststellungen zur Deliktstauglichkeit des eingezogenen Gegenstands (RIS‑Justiz RS0121298, RS0107294), eine ebenfalls in Betracht kommende Konfiskation nach § 19a Abs 1 StGB – neben Konstatierungen zum Verwendungszweck – solche zu den Eigentumsverhältnissen zum Entscheidungszeitpunkt erfordern (zum Ganzen Schwaighofer in WK² SMG § 34 Rz 11 ff).

[20] Das Verfallserkenntnis war ebenfalls zu beseitigen, da dieses undifferenziert auf das bei Y* sichergestellte Bargeld als Erlös aus den jeweiligen Tathandlungen im Zusammenhang mit den Schuldsprüchen C./I./1./, C./I./2/ und A./I./ (durch Verweis auf ON 21.16.1 und ON 36; US 10) gestützt wurde (US 23), sodass nicht beurteilt werden kann, ob es im rechtskräftigen Teil des Schuldspruchs Deckung findet (vgl Ratz, WK‑StPO § 289 Rz 7).

[21] Die Aufhebung der gemäß § 494a StPO gefassten Beschlüsse war Folge der Beseitigung des die Angeklagten betreffenden Strafausspruchs (vgl RIS‑Justiz RS0100194).

[22] Dies alles hat die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung und Verweisung der Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Linz (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster und zweiter Fall StPO iVm § 285e StPO) zur Folge.

[23] Darauf waren der Angeklagte K* und die Staatsanwaltschaft mit ihren Berufungen und Beschwerden zu verweisen.

[24] Da in Ansehung des K* der gesamte ihn betreffende Schuldspruch und damit auch der vom Erstgericht gefällte Kostenersatzausspruch nach § 389 Abs 1 StPO aufgehoben wurde, fallen dem Nichtigkeitswerber auch keine Kosten des Rechtsmittelverfahrens im Sinn des § 390a Abs 1 StPO zur Last (RIS‑Justiz RS0101342 [T4]; Lendl, WK‑StPO § 390a Rz 7).

Im weiteren Verfahren wird zu beachten sein:

[25] 1./ Mittäterschaft setzt eine dem Tatbild entsprechende Ausführungshandlung (für viele: RIS‑Justiz RS0117320), die Annahme von Beitragstäterschaft hinwieder Feststellungen zu einer kausalen und von entsprechendem Vorsatz getragenen (physischen oder psychischen) Unterstützung des unmittelbaren Täters voraus (RIS‑Justiz RS0090497 [T5], RS0089799, RS0090508 [T3, T4], RS0099235; Fabrizy in WK² StGB § 12 Rz 89 f; vgl dagegen zum Schuldspruch des Angeklagten Kh* zu A./II./1./, US 13).

[26] 2./ Die Annahme der Qualifikation nach § 147 Abs 1 Z 1 StGB erfordert Feststellungen zu einem auf die Verwendung von (hier) verfälschten Urkunden (B./I./e./) oder entfremdeten unbaren Zahlungsmitteln (B./I./c./ und d./) zur Täuschung, jene zu § 147 Abs 2 StGB zu einem auf eine Vermögensschädigung von mehr als 5.000 Euro gerichteten Vorsatz (Kirchbacher/Sadoghi in WK² § 147 Rz 2, 16, 28/10, 60; vgl aber US 14 f).

[27] 3./ Gewerbsmäßigkeit verlangt neben bestimmten objektiven Kriterien die Absicht des Täters, sich durch die wiederkehrende Begehung der in Rede stehenden strafbaren Handlung längere Zeit hindurch ein nicht bloß geringfügiges Einkommen zu verschaffen. Dem gewerbsmäßig handelnden Täter muss es also darauf ankommen, sich eine zumindest für einen längeren Zeitraum wirksame Einkommensquelle zu erschließen, welche Voraussetzung anhand des konkreten Einzelfalls zu beurteilen ist (RIS‑Justiz RS0107402 [insb T8]). Die bloße Wiedergabe der verba legalia („längere Zeit“ [zu B./I./ und B./II./ US 15]) schafft keine ausreichende Sachverhaltsgrundlage für die (rechtliche) Beurteilung, ob die Absicht auf Erzielung eines Einkommens „längere Zeit hindurch“ gerichtet war (vgl RIS‑Justiz RS0119090). Zur Höhe des intendierten Einkommens iSd § 70 Abs 2 StGB ist gleichfalls ein – dem Urteil ebenso wenig zu entnehmender (US 15) – entsprechender Sachverhaltsbezug herzustellen (14 Os 37/20b).

[28] Zur Erfüllung der Qualifikation des § 148 zweiter Fall StGB (B./I./) bedarf es schließlich des Vorliegens zumindest einer der Voraussetzungen des § 70 Abs 1 Z 1, 2 oder 3 StGB in Bezug auf nach § 147 Abs 1 (hier: Z 1) oder Abs 2 StGB qualifizierte Taten sowie einer diese Kriterien umfassenden Absicht des Täters (Kirchbacher/Sadoghi in WK² § 148 Rz 6 ff), wozu das Urteil ein weiteres Mal keine Feststellungen enthält.

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