OGH 3Ob110/23g

OGH3Ob110/23g21.6.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.‑Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun‑Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei DDr. S* W*, vertreten durch Lansky, Ganzger, Goeth, Frankl & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. E* W*, vertreten durch Dr. Ingrid Stöger und Dr. Roger Reyman, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen § 35 EO, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 28. Dezember 2022, GZ 21 R 340/21b‑41, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom 27. Oktober 2021, GZ 41 C 22/19b‑23, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0030OB00110.23G.0621.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiete: Exekutionsrecht, Unterhaltsrecht inkl. UVG

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

[1] Mit Teilurteil des Erstgerichts vom 27. 12. 2016, GZ *, wurde der Kläger schuldig erkannt, der Beklagten über seine monatlichen Einkünfte ab 1. 1. 2010 Rechnung zu legen. Aufgrund dieses vollstreckbaren Teilurteils bewilligte das Erstgericht mit Beschluss vom 13. 3. 2018, GZ *, der Beklagten als Betreibende gegen den Kläger als Verpflichteten zur Durchsetzung ihres Anspruchs auf Rechnungslegung über das monatliche Einkommen ab 1. 1. 2010 die Exekution nach § 354 EO.

[2] Mit der am 17. 6. 2019 eingebrachten Oppositionsklage macht der Kläger geltend, seine titelmäßige Verpflichtung erfüllt zu haben.

[3] Die Beklagte entgegnete, dass die Rechnungslegung des Klägers unvollständig sei.

[4] Nach dem festgestellten Sachverhalt war der Kläger Alleingesellschafter der DDr. W* GmbH, die Gesellschafterin weiterer GmbH´s war. Im Jahr 2017 verkaufte er seine Unternehmensgruppe an die S* und trat seine Geschäftsanteile an die Erwerberin ab.

[5] Mit Schreiben vom 20. 4. 2018 übermittelte er der Beklagten diverse Unterlagen, vor allem eine gutachterliche Stellungnahme zu seinem unterhaltsrechtlichen Einkommen 2017 bis 2018, seine Einkommensteuer-bescheide 2010 bis 2017, die Jahresabschlüsse seiner Unternehmensgruppe 2010 bis 2017, eine Unterlage „Entnahme Verrechnungskonto 2012 bis 2016“ sowie Umlaufbeschlüsse über Gewinnausschüttungen.

[6] Es kann nicht festgestellt werden, dass der Kläger im Hinblick auf die Unternehmensgruppe DDr. W* GmbH über die bisher übermittelten Unterlagen hinaus noch weitere Unterlagen vorlegen könnte, insbesondere kann nicht festgestellt werden, dass der Kläger Zugriff auf die Verrechnungskonten hat. Hinsichtlich der Bekanntgabe der Entnahmen des Klägers zu Lasten seiner Verrechnungskonten wurde Mag. H* von der S* von der Verschwiegenheitspflicht entbunden.

[7] Das Erstgericht gab der Oppositionsklage statt und sprach aus, dass der Anspruch der Beklagten auf Rechnungslegung erloschen sei. Der Kläger habe nunmehr alle ihm zu seinem monatlichen Einkommen zur Verfügung stehenden Unterlagen vorgelegt. Diese Unterlagen seien formell vollständig und detailliert. Dadurch habe der Kläger seine Verpflichtung zur Rechnungslegung erfüllt.

[8] Das Berufungsgericht bestätigte im zweiten Rechtsgang (nach der aufhebenden Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu 3 Ob 121/22y) das Urteil des Erstgerichts. Zu allfälligen Privatentnahmen des Klägers zu Lasten seiner Verrechnungskonten habe das Erstgericht bereits darauf hingewiesen, dass aus dem Exekutionstitel eine derartige Rechnungslegungsverpflichtung des Klägers nicht hervorgehe. Außerdem räume die Beklagte in der Berufung selbst ein, dass der Kläger über die Verrechnungskonten verbuchte Entnahmen bis zum Jahr 2016 vorgelegt habe; im Jahr 2017 habe er seine Geschäftsanteile veräußert. Die strittige spanischsprachige Urkunde, auf die im Einkommensteuerbescheid 2018 hingewiesen werde, betreffe offenbar die Veräußerung eines Nutzungsrechts. Ob der dafür vereinbarte Preis überhaupt als laufendes Einkommen angesehen werden könne, sei strittig. Die ordentliche Revision sei mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig.

[9] Über Antrag der Beklagten nach § 508 ZPO sprach das Berufungsgericht nachträglich aus, dass die ordentliche Revision doch zulässig sei.

[10] Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Beklagten, die auf eine Abweisung des Oppositionsklagebegehrens abzielt.

[11] Mit seiner Revisionsbeantwortung beantragt der Kläger, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen, in eventu, diesem den Erfolg zu versagen.

Rechtliche Beurteilung

[12] Die Revision ist zulässig und im Sinn des subsidiär gestellten Aufhebungsantrags auch berechtigt.

[13] 1. Zu den Privatentnahmen des Klägers zu Lasten seiner Verrechnungskonten bei der GmbH führt die Beklagte aus, dass der Kläger auch über diese Privatentnahmen Rechnung zu legen habe. Die Verrechnungskonten seien zu keinem einzigen Jahr der Rechnungslegungspflicht vorgelegt worden. Vielmehr habe der Kläger lediglich eine gutachterliche Aufstellung zu den behaupteten Privatentnahmen von 2010 bis 2016 vorgelegt; für 2017 fehlten selbst diese Angaben.

[14] Mit diesen Ausführungen ist die Beklagte im Ergebnis im Recht.

[15] 2.1 Unter den Begriff „Einkommen“ (gleichbedeutend mit „monatlichen Einkünften“) wird die Summe aller dem Unterhaltsschuldner tatsächlich zufließenden Mittel unter Berücksichtigung unterhaltsrechtlich beachtlicher Abzüge und Aufwendungen verstanden (RS0003799). Neben Erwerbseinkommen, Arbeitsloseneinkommen und Einkommen aus Alters- oder Berufsunfähigkeitspension sind auch Erträgnisse von Vermögen, wie Zinsen, Dividenden, Gewinnausschüttungen, Ausschüttungen aus einer Privatstiftung, Miet- und Pachterlöse sowie Leibrentenzahlungen zum Einkommen zu zählen (RS0009550; RS0122837). Bei selbständigen Erwerbstätigen ist für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit in erster Linie die sich aus seinem Gesamteinkommen nach Abzug von Steuern und öffentlichen Abgaben ergebende tatsächliche wirtschaftliche Lage, somit die Summe der dem Unterhaltsschuldner tatsächlich zufließenden verfügbaren Mittel maßgebend (RS0013386; RS0003799; 3 Ob 29/23w). Aus diesem Grund sind auch Privatentnahmen zu berücksichtigen, wenn sie entweder den Reingewinn aus dem Unternehmen übersteigen oder die Betriebsbilanz einen Verlust aufweist (RS0047382; RS0013386). Bei Gesellschaftern einer GmbH sind zudem Gewinnausschüttungen (als Erträgnisse von Vermögen) zu berücksichtigen (7 Ob 84/22m; 3 Ob 29/23w).

[16] 2.2 Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass sich die Rechnungslegungspflicht des Klägers auf Privatentnahmen nicht erstrecke, weil aus dem Exekutionstitel eine solche Verpflichtung nicht (explizit) hervorgehe, lässt sich nicht aufrechterhalten. Die titelmäßige Verpflichtung bezieht sich auf die Rechnungslegung zu den – in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehenden – monatlichen Einkünften und erfasst daher auch die monatlichen Privatentnahmen des Klägers als Gesellschafter seiner Beteiligungs‑GmbH.

[17] 2.3 Eine ordnungsgemäße Rechnungslegung umfasst nach der Rechtsprechung neben den Informationen zur Ermittlung des Anspruchs auch Angaben, die eine Überprüfung der Rechnung ermöglichen (RS0035039; 4 Ob 118/18h). Um diesem Zweck zu genügen, gewährt die Rechtsprechung grundsätzlich auch Einsicht in aussagekräftige Geschäftsunterlagen (vgl RS0019529; 3 Ob 29/23w), zu denen hier zweifellos die Verrechnungskonten des Klägers bei seiner früheren Beteiligungs‑GmbH (bzw Unternehmensgruppe) zählen, von denen die Privatentnahmen entnommen wurden.

[18] 3.1 Der Kläger beruft sich im gegebenen Zusammenhang auf die Erfüllung seiner Rechnungslegungspflicht.

[19] Das Erstgericht hat dazu festgestellt, dass die vom Kläger vorgelegten Urkunden unter anderem eine Unterlage „Entnahme Verrechnungskonto 2012 bis 2016“ beinhalten. Die Beklagte hat in der Berufung dazu ausgeführt, dass die über das Verrechnungskonto vorgenommenen Entnahmen lediglich bis zum Jahr 2016 „vorgelegt“ worden seien. In der Revision behauptet sie, dass die Privatentnahmen bis 2016 lediglich in einer gutachterlichen Aufstellung enthalten seien, der Kläger sein Verrechnungskonto aber nicht offengelegt habe. Aus den zugrunde liegenden Feststellungen lässt sich nun nicht klar entnehmen, ob der Kläger Auszüge aus seinen Verrechnungskonten betreffend seine Privatentnahmen für bestimmte Jahre tatsächlich vorgelegt hat. Es kann daher nicht abschließend beurteilt werden, ob der Kläger seiner Rechnungslegungspflicht zu den Privatentnahmen zu Lasten der Verrechnungskonten für die Jahre 2010 bis 2016 entsprochen hat.

[20] Darüber hinaus fehlen die entsprechenden Unterlagen für das Jahr 2017. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass diese Unterlagen von der Rechnungslegungspflicht nicht erfasst seien, weil der Kläger im Jahr 2017 seine Geschäftsanteile veräußert habe, greift zu kurz. Das Erstgericht hat lediglich festgestellt, dass der Kläger seine Unternehmensgruppe im Jahr 2017 an die Erwerberin veräußert, also seine Geschäftsanteile an diese abgetreten habe. Ist dies im Laufe des Jahres 2017 erfolgt, so hat die Rechnungslegungspflicht in Bezug auf die sich aus den Verrechnungskonten ergebenden Privatentnahmen bis zum Übertragungszeitpunkt bestanden. Auch dazu ist noch keine abschließende Beurteilung möglich. Dazu wird festgehalten, dass die Übertragung von Geschäftsanteilen einer GmbH gemäß § 76 Abs 2 GmbHG eines gültigen Rechtsgrundes und eines Notariatsakts bedarf (RS0060201; RS0115336). Der Gesellschafterwechsel bzw der Übergang des Geschäftsanteils ist nach § 26 Abs 1 GmbHG zum Firmenbuch anzumelden (6 Ob 313/99v). Die Eintragung im Firmenbuch wirkt aber nur deklarativ (vgl RS0059827; RS0060058 [T4]).

[21] 3.2 Die Negativfeststellung des Erstgerichts, wonach nicht festgestellt werden könne, dass der Kläger Zugriff auf die in Rede stehenden Verrechnungskonten habe, begründet keinen den titelmäßigen Anspruch aufhebenden oder hemmenden Umstand und führt daher nicht zur Beurteilung, dass die Verpflichtung des Klägers zur Rechnungslegung in Ansehung der Privatentnahmen nicht mehr aufrecht wäre. Diese Negativfeststellung bezieht sich auf die behauptete Unmöglichkeit des Klägers, einkommensrelevante Auszüge aus seinen Verrechnungskonten bei seiner früheren Beteiligungs‑GmbH vorzulegen. Die Beweislast für alle Umstände, die zu einer materiellen Beseitigung oder Hemmung des Titels führen, trifftden Oppositionskläger (RS0048064; 3 Ob 62/13h). Dementsprechend trifft auch die Beweislast für die behauptete Unmöglichkeit der geschuldeten Rechnungslegung den Oppositionskläger (vgl RS0001177; RS0001233 [T8]; 3 Ob 124/21p).

[22] Außerdem ergibt sich aus den Feststellungen des Erstgerichts, dass die S* in Bezug auf die Verrechnungskonten des Klägers auskunftsbereit ist. Wenn sie den Privatgutachter des Klägers hinsichtlich der Privatentnahmen zu Lasten der Verrechnungskonten von der Verschwiegenheitspflicht entbindet, ist nicht ausgeschlossen, dass sie auch bereit ist, dem Kläger die Ermächtigung zur Vorlage dieser Verrechnungskonten zu erteilen.

[23] 4. Schließlich führt die Beklagte in der Revision noch aus, dass zu den ausländischen (spanischen) Einkünften des Klägers nur eine spanischsprachige Urkunde vorliege, die nicht ausreiche, um der Rechnungslegungspflicht zu entsprechen.

[24] In der Berufung hat die Beklagte dazu nur pauschal ausgeführt, dass der Kläger durch die Nichtoffenlegung der ausländischen Einkünfte gegen seine Rechnungslegungspflicht verstoße. Daraus ergibt sich nicht, welche Einkünfte die Beklagte konkret gemeint hat. Zudem ist unstrittig, dass die in der Revision erwähnten spanischen Einnahmen im Einkommensteuerbescheid 2018 angeführt sind und vom Kläger dazu eine spanischsprachige Urkunde vorgelegt wurde. Dass die Rechnungslegungspflicht in dieser Hinsicht unvollständig gewesen sei, wurde in der Berufung nicht argumentiert. Die dazu nicht ordnungsgemäß ausgeführte Rechtsrüge kann die Beklagte in dritter Instanz nicht mehr nachholen (vgl RS0043573 [T2, T13, T33 und T42 f]).

[25] 5. Als Ergebnis ist festzuhalten, dass sich die titelmäßige Verpflichtung des Beklagten auch auf die Rechnungslegung zu seinen Privatentnahmen und damit auch auf die Vorlage der Verrechnungskonten bei seiner Beteiligungs‑GmbH (bzw der Unternehmensgruppe), zu deren Lasten die Privatentnahmen erfolgt sind, bezieht. Dazu kann aufgrund der unklaren Feststellungen zu den vorgelegten Unterlagen nicht abschließend beurteilt werden, ob der Rechnungslegungspflicht für die Jahre 2010 bis 2016 entsprochen wurde. Für das Jahr 2017 kann nicht abschließend beurteilt werden, ob sich die Rechnungslegungspflicht auch auf Zeitperioden in diesem Jahr erstreckt. Insoweit hält die Entscheidung des Berufungsgerichts der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof nicht stand. Zufolge sekundärer Feststellungsmängel zu diesen Tatfragen waren die Entscheidungen der Vorinstanzen in diesem Umfang aufzuheben und es war dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.

[26] Zu den ausländischen (spanischen) Einkünften des Klägers war schon die Berufung nicht ordnungsgemäß ausgeführt. Dabei handelt es sich um einen erledigten Streitpunkt.

[27] Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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