European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0010OB00026.23I.0523.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiete: Internationales Privat- und Zivilverfahrensrecht, Unionsrecht, Unternehmens-, Gesellschafts- und Wertpapierrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
I. Die außerordentliche Revision der erstklagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
II. Der Revision der zweitklagenden Partei wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen, die in Ansehung eines Zuspruchs von 48.047,46 EUR sA in Rechtskraft erwachsen sind, werden im übrigen Umfang (Zahlung von 9.239,17 EUR sA, Feststellungsbegehren und Kostenentscheidungen betreffend die zweitklagende Partei) aufgehoben. Die Rechtssache wird in diesem Umfang zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
[1] Die österreichische Erstklägerin bestellte bei der Beklagten (mit Sitz in Deutschland) im Jahr 2013 einen Pasteur (Lasagne Linie 2). Die Inbetriebnahme des Pasteurs erfolgte am 25. 9. 2014.
[2] Die österreichische Zweitklägerin bestellte bei der Beklagten im Jahr 2015 einen Pasteur (Lasagne Linie 3). Aufgrund eines Finanzierungsleasings trat in den Vertrag mit der Beklagten ein Leasinggeber anstatt der Zweitklägerin als Käufer ein. Die Anlage wurde am 25. 4. 2016 geliefert und installiert. Am 22. 10. 2016 tauschte die Beklagte das Förderband inklusive Geräteschiene aus.
[3] Nähere Feststellungen zu Aussehen und Größe der Pasteure traf das Erstgericht nicht.
[4] Die Bestellungen der Pasteure für die Lasagne Linien 2 und 3 sind durch von der Beklagten vorbereitete und von ihr bereits unterfertigte und übersandte Auftragsbestätigungen dokumentiert. Ob diese Auftragsbestätigungen von den Klägerinnen unterfertigt an die Beklagte retourniert wurden, kann nicht festgestellt werden. Über den Inhalt der Liefer‑ und Zahlungsbedingungen der Beklagten sprachen die Streitteile nicht. Ob die AGB der Beklagten an die Klägerinnen übersendet wurden, kann nicht festgestellt werden.
[5] Hinsichtlich der Lasagne Linie 3 (Zweitklägerin) übersendete der Leasinggeber mit Schreiben vom 30. 12. 2015 an die Beklagte eine Finanzierungsbestätigung mit dem Inhalt, dass der Leasinggeber die Anlage im eigenen Namen und auf eigene Rechnung erwirbt. Das Schreiben enthält auszugsweise folgenden Inhalt:
„Die Geltung des § 377 UGB wird ausdrücklich abbedungen. ...“
[6] Im Bereich des gesamten Bandlaufs sind im Pasteur der Lasagne Linie 3 Kunststoffteile, insbesondere Umlenkrollen, vorwiegend aus dem Material POM und in eingeschränktem Ausmaß aus dem Material PE500 eingebaut. Diese Kunststoffteile zeigten nach kurzer Zeit Beschädigungen in Form von Brüchen und übermäßigen Abnützungen.
[7] Die Mangelhaftigkeit der Kunststoffteile war etwa 12 bis 18 Monate nach Beginn des Betriebs erkennbar. Mit E‑Mail vom 6. 3. 2019 reklamierte ein Mitarbeiter der Zweitklägerin gegenüber der Beklagten Mängel der Kunststoffteile (Rollen) und führte aus, dass im Rahmen eines Hauptservices festgestellt wurde, dass die Kunststoffteile an der Verschleißgrenze seien. Ob davor von der Zweitklägerin bereits Reklamationen hinsichtlich dieser Kunststoffteile erfolgten, kann nicht festgestellt werden.
[8] Ursache für die aufgetretenen Schäden ist eine Mangelhaftigkeit in der Konstruktion und/oder Ausführung des Pasteurs. Eine Verursachung durch die Verwendung bestimmter Reinigungsmittel sowie durch die konkrete Vornahme des Reinigungsvorgangs ist auszuschließen.
[9] Die Beklagte lehnte betreffend die Lasagne Linie 3 (Zweitklägerin) weitere Maßnahmen im Rahmen der Gewährleistung im Frühjahr 2019 ab.
[10] Die Zweitklägerin tauschte die Kunststoffteile (Umlenkrollen) für die Linie 3 beginnend mit dem Jahr 2020 wiederholt aus, und zwar punktuell je nach Erfordernis bzw Abnützungsgrad. Insgesamt führte sie drei Tauschvorgänge im Zeitrahmen von etwa sechs Monaten durch. Dafür zahlte sie an Materialkosten gesamt 6.599,17 EUR. Zusätzlich fielen Personalkosten für diese Arbeitseinsätze von 2.640 EUR an.
[11] Die beiden Klägerinnen begehren mit Klage vom 21. 10. 2019 Schadenersatz (Leistung: [Erstklägerin 40.124,50 EUR; Zweitklägerin 57.286,63 EUR] und Feststellung [Zweitklägerin]) mit der Begründung, sie hätten bei der Beklagten jeweils einen Pasteur (Erstklägerin 2013 – Lasagne Linie 2 und Zweitklägerin 2015 – Lasagne Linie 3) für ihre Anlagen zur Lasagneproduktion bestellt. Für die Zweitklägerin sei in den Vertrag mit der Beklagten wegen eines Finanzierungsleasings ein Leasinggeber als Käufer eingetreten. Die Inbetriebnahme des Pasteurs der Erstklägerin sei am 25. 9. 2014 erfolgt. Der Pasteur der Zweitklägerin sei am 25. 4. 2016 geliefert und installiert worden.
[12] Beide Pasteure (Lasagne Linien 2 und 3) seien mangelhaft. Die Mängel beruhten auf einer mangelhaften Gesamtkonstruktion der Anlage und/oder einer minderwertigen Beschaffenheit des Förderbandstahls der Werkstoffgruppe V2A, dem die notwendige Korrosionsbeständigkeit fehle. Die Klägerinnen hätten erst durch die Erstattung des Sachverständigengutachtens in einem Vorprozess zwischen der Zweitklägerin und der Beklagten Kenntnis von Schaden und Schädigerin erhalten (13. 8. 2018). Zuvor habe die Beklagte gegenüber den Klägerinnen stets argumentiert, dass die Schäden auf Nutzermängel zurückzuführen seien. Die Beklagte habe weitere Verbesserungs- oder Austauschversuche verweigert. Bei der Lasagne Linie 3 seien auch Kunststoffteile des Pasteurs mangelhaft. Gewisse Umlenkrollen würden wegen der von der Anlage ausgehenden Hitze oder dem vorhandenen Dampf Brüche aufweisen und teilweise schmelzen. Trotz Aufforderung habe die Beklagte die von Anfang an bestehenden Mängel nicht behoben.
[13] Wegen eines Finanzierungsleasings sei ein Leasinggeber zwischengeschaltet worden. Die Ansprüche gegen die Beklagte seien der Zweitklägerin vom Leasinggeber abgetreten worden. Bei der Erstklägerin beliefen sich die Behebungskosten gesamt auf 40.124,50 EUR, bei der Zweitklägerin auf 57.286,63 EUR. Eine Verjährung der Ansprüche liege nicht vor. Bei der Linie 3 liege die Übergabe der Anlage weniger als drei Jahre vor Klagserhebung zurück, gleiches gelte für die Schäden an den Kunststoffteilen und den Ventilatormotoren. Bei der Linie 3 seien letzte Verbesserungsversuche am 29./30. 6. 2017 vorgenommen worden. Die Linie 2 sei von der Erstklägerin nie abgenommen worden.
[14] Die Beklagte wendete – soweit für das Revisionsverfahren von Relevanz – ein, aufgrund der Geltung ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen (Lieferbedingungen) komme deutsches Sachrecht zur Anwendung. Weiters sei eine Gewährleistungsfrist von ausschließlich 12 Monaten ab Aufstellung und Abnahme vereinbart worden. Die Ansprüche der Klägerinnen seien bereits verjährt. Allfällige „Nachbesserungsarbeiten“ von ihr seien ohne Anerkennung einer rechtlichen Verpflichtung und rein im Wege der Kulanz erfolgt. Die Kunststoffteile, insbesondere Umlenkrollen, seien einem herkömmlichen gebrauchsbedingten Verschleiß unterlegen. Eine Bindungswirkung der Entscheidung im Vorprozess für das gegenständliche Verfahren bestehe nicht.
[15] Das Erstgericht erkannte die Beklagte schuldig, der Zweitklägerin 48.047,46 EUR sA zu zahlen. Das Haupt- (40.124,50 EUR) und Eventualbegehren (2.124,50 EUR) der Erstklägerin wies es ebenso wie das Mehrbegehren der Zweitklägerin (Leistung 9.239,17 EUR und Feststellung) ab.
[16] Die Beklagte habe ihre AGB der Auftragsbestätigung weder angehängt gehabt noch diese den Klägerinnen jeweils übersendet. Die Geltung der AGB der Beklagten sei ebenso wie ein Abdingen des UN‑Kaufrechts zu verneinen. Auf die zu beurteilenden grenzüberschreitenden Fälle gelange UN‑Kaufrecht (CISG) zur Anwendung. Den Schadenersatzanspruch verliere der Käufer nur dann, wenn er die Vertragswidrigkeit der Ware nicht rechtzeitig im Sinn von Art 39 CISG rüge. Der im Schreiben des Leasinggebers gegenüber der Beklagten enthaltene Ausschluss der Geltung des § 377 UGB ziehe nicht auch den Ausschluss von Art 39 CISG nach sich. Die Schäden an den Kunststoffteilen der Linie 3 seien im November 2017 hervorgekommen. Die Zweitklägerin habe nicht nachweisen können, dass sie nach dem Hervorkommen dieser Schäden eine Mängelrüge gegenüber der Beklagten erstattet habe. Erstmals sei eine Rüge mit E‑Mail vom 6. 3. 2019 erfolgt, wonach im Rahmen eines Hauptservices festgestellt worden sei, dass die Kunststoffteile (Polyteile) schon an der Verschleißgrenze seien. Die Mängelrügen bezüglich der Kunststoffteile der Linie 3 seien nicht ausreichend rechtzeitig im Sinn des Art 39 CISG. Selbst bei großzügiger Bemessung der Angemessenheit der Fristen seien die Mängelrügen betreffend die Kunststoffteile der Linie 3 erheblich verspätet erfolgt. Wegen der nicht rechtzeitigen Rüge der Vertragswidrigkeit seien die Rechte der Zweitklägerin hinsichtlich aller Kunststoffteile erloschen.
[17] Hingegen stünden der Zweitklägerin betreffend die Linie 3 Materialkosten Förderband, Frachtkosten Förderband, Installationskosten Förderband, Instandsetzungsmaßnahmen sowie die Kosten des Motorenaustauschs von insgesamt 48.047,46 EUR zu.
[18] Nach Art 4 Rom I‑VO sei hinsichtlich der Verjährung deutsches Recht anzuwenden. Die Verträge seien als Werklieferungsverträge im Sinn des § 651 BGB zu qualifizieren. Danach seien die Vorschriften über den Kauf anzuwenden. Auf dieser Grundlage seien die Ansprüche verjährt.
[19] Mit der Zweitklägerin habe die Beklagte bis Anfang 2019 eine Korrespondenz (Verhandlungen im Sinn des § 203 BGB) geführt. Mit E‑Mail vom 11. 3. 2019 habe die Beklagte darauf hingewiesen, dass sie von einer weiteren geschäftlichen Zusammenarbeit absehe. Bis zu diesem Zeitpunkt seien zwischen der Zweitklägerin und der Beklagten Verhandlungen im Sinn des § 203 BGB gelaufen. Bezüglich der Ansprüche der Zweitklägerin sei somit die Verjährung der Ansprüche nicht eingetreten. Der Anspruch der Zweitklägerin auf Zahlung bestehe eingeschränkt im Umfang von 48.047,46 EUR zu Recht. Ihr Feststellungsbegehren sei abzuweisen, weil sich dieses ausschließlich auf die Kunststoffteile beziehe. Die Kunststoffteile seien jedoch von der Ausschlusswirkung des Art 39 CISG infolge nicht rechtzeitiger Rüge erfasst.
[20] Das Berufungsgericht gab den Berufungen sämtlicher Streitteile in der Hauptsache nicht Folge. Die Stattgebung des Zahlungsbegehrens der Zweitklägerin über 48.047,46 EUR sA ist mittlerweile in Rechtskraft erwachsen.
[21] Rechtlich führte es – soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung – aus, die Streitteile hätten mangels gültiger Vereinbarung der AGB der Beklagten keine Vereinbarung über das anzuwendende Recht getroffen. Bei den beiden zu beurteilenden Verträgen handle es sich nicht um Werkverträge. Die Klägerinnen hätten keine Gesamtanlage gekauft und es sei ihnen auch nicht auf die Leistungsfähigkeit der Gesamtanlage (Lasagne Linie) angekommen, sondern sie hätten lediglich zwei Pasteurmaschinen erworben, die in die Produktionslinie zur Lasagne‑Erzeugung eingegliedert worden seien. Da die Erwerbsvorgänge zu den Pasteuren als Werklieferungsvertrag zu qualifizieren seien, bleibe es bei der Anwendung der zweijährigen Verjährungsfrist des § 438 (Abs 1 Nr 3) BGB und es komme auf die Abnahme der Maschinen als Anlage nicht an.
[22] Die Zweitklägerin habe ihre Rügepflicht nicht ausreichend erfüllt. Der Ausschluss von § 377 UGB „im Leasingvertrag“ (richtig: im Schreiben des Leasinggebers vom 30. 12. 2015 an die Beklagte) erfasse nicht den Ausschluss von Art 39 CISG, obwohl dieser zweckgleich und materiell‑rechtlich übereinstimmend sei. Dass im Vorprozess zwischen der Zweitklägerin und der Beklagten österreichisches Recht zur Anwendung gekommen sei, resultiere aus der dort getroffenen ausdrücklichen Übereinkunft mittels Parteienvereinbarung.
[23] Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision für nicht zulässig, weil keine über die Bedeutung des Einzelfalls hinausgehenden Rechtsfragen zu klären gewesen seien.
[24] Dagegen erhoben die Klägerinnen außerordentliche Revision. Die außerordentliche Revision der Erstklägerin zeigt keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf. Die außerordentliche Revision der Zweitklägerin, zu der die Beklagte nach Freistellung ausdrücklich keine Revisionsbeantwortung erstattete,ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts zulässig, weil dem Berufungsgericht im Hinblick auf die Verneinung des Ausschlusses der Rügepflicht nach Art 39 CISG eine zu korrigierende Fehlbeurteilung unterlief; sie ist auch im Sinn des hilfsweise gestellten Aufhebungsbegehrens berechtigt.
zu I.: Außerordentliche Revision der Erstklägerin
Rechtliche Beurteilung
[25] 1. Die Erstklägerin geht – ebenso wie die Vorinstanzen – zur Frage der Verjährung von der Anwendung deutschen Sachrechts aus. Sie hält den Rechtsausführungen der Vorinstanzen zur Verjährung entgegen, dass nicht die Verjährungsfrist von zwei Jahren gemäß § 438 Abs 1 Nr 3 BGB zur Anwendung gelange, sondern ihre Mängelansprüche gemäß § 634a Abs 1 Nr 2 BGB in fünf Jahren verjährten, weil es sich bei der Anlage um ein Bauwerk handle und der zugrunde liegende Vertrag als Werkvertrag zu qualifizieren sei. Zum Beginn der Verjährung nach § 634a Abs 2 BGB – der Abnahme – führt sie aus, dass sie trotz der „Ingebrauchnahme“ des Pasteurs diesen nie abgenommen habe. Die Verjährungsfrist habe mangels Abnahme noch nicht zu laufen begonnen.
[26] 2. Selbst wenn der Pasteur nach deutschem Recht als Bauwerk zu qualifizieren wäre und die Mängelansprüche der Erstklägerin dann in fünf Jahren ab Ablieferung (bei Qualifizierung als Kauf/Werklieferungsvertrag: § 438 Abs 1 Nr 2 lit a iVm Abs 2 BGB) bzw Abnahme (bei Qualifizierung als Werkvertrag wie die Erstklägerin meint: § 634a Abs 1 Nr 2 iVm Abs 2 BGB) verjährten, wäre diese Frist im Zeitpunkt der Klagseinbringung am 21. 10. 2019 bereits abgelaufen gewesen. Die Erstklägerin brachte – übereinstimmend mit der Beklagten – vor, dass sie den Pasteur am 25. 9. 2014 in Betrieb genommen habe. Dieser Zeitpunkt der Inbetriebnahme des Pasteurs steht auch fest. Dass die Erstklägerin die Anlage trotz der Mängel in Betrieb genommen hätte, behauptete sie im erstinstanzlichen Verfahren nicht, auch nicht, dass sie die Abnahme verweigert hätte. Vielmehr seien die Mängel erst nach der Übergabe aufgetreten. Dem entsprechenden Verjährungseinwand der Beklagten hielt sie nur entgegen, dass eine „förmliche Abnahme der Anlage nie erfolgt“ sei.
[27] 2.1. Eine Abnahme kann nach deutschem Recht aber nicht nur ausdrücklich (oder gar förmlich), sondern auch konkludent, dh durch schlüssiges Verhalten des Auftraggebers, erklärt werden. Konkludent handelt der Auftraggeber, wenn er dem Auftragnehmer gegenüber ohne ausdrückliche Erklärung erkennen lässt, dass er dessen Werk als im Wesentlichen vertragsgerecht billigt. Erforderlich ist ein tatsächliches Verhalten des Auftraggebers, das geeignet ist, seinen Abnahmewillen dem Auftragnehmer gegenüber eindeutig und schlüssig zum Ausdruck zu bringen. Ob eine konkludente Abnahme vorliegt, beurteilt sich grundsätzlich nach den Umständen des Einzelfalls (BGH VII ZR 26/12 [Rn 15] ZfBR 2014, 362; Messerschmidt in Messerschmidt/Voit, Privates Baurecht4 [2022], § 640 BGB Abnahme Rn 128 ff; Voit in Hau/Poseck, BeckOK BGB 65. Edition [Stand 1. 11. 2022], § 640 BGB Abnahme Rn 7 ff; Jurgeleit in Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, Kompendium des Baurechts5 [2020], Teil 3 Die Abnahme der Bauleistung Rn 52 ff).
[28] 2.2. Wenn die Erstklägerin den Pasteur, mit dem sie Lasagne produziert, am 25. 9. 2014 ohne Vorbehalt in Betrieb genommen hat, liegt darin bereits eine konkludente Abnahme. Die gemäß § 634a Abs 1 Nr 2 und Abs 2 (die Anwendung dieser Norm mit der Erstklägerin unterstellend), § 187 Abs 1, § 188 Abs 2 BGB mit dem Tag der Abnahme am 25. 9. 2014 beginnende fünfjährige Verjährungsfrist endete nach diesen Bestimmungen am 25. 9. 2019. Ausgehend vom genannten Zeitpunkt der Abnahme wurde die Klage am 21. 10. 2019 und damit außerhalb der Verjährungsfrist von fünf Jahren eingebracht. Mit ihren Revisionsausführungen (allein) zur Einhaltung der fünfjährigen Verjährungsfrist ab dem Zeitpunkt der Abnahme zeigt die Erstklägerin keine Fehlbeurteilung der Klagsabweisung durch die Vorinstanzen auf.
[29] 3. Die behauptete Aktenwidrigkeit sowie die relevierten Verfahrensmängel des Berufungsgerichts sind ohne Relevanz. Darauf, ob die Beklagte der Erstklägerin eine Verletzung der Rügeobliegenheit entgegenhalten kann, kommt es infolge Verjährung der Ansprüche nicht mehr an.
[30] 4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
zu II.: Revision der Zweitklägerin
[31] 1. Die Zweitklägerin hat ihren Sitz in Österreich, die Beklagte in Deutschland. Die Streitteile haben keine Vereinbarung über das anzuwendende Recht getroffen. Dass die Parteien in einem Vorprozess die Anwendung österreichischen Rechts vereinbarten, führt mangels anderer Anhaltspunkte – entgegen der Ansicht der Zweitklägerin und abgesehen davon, dass das Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf (CISG) als Teil der österreichischen Rechtsordnung von der Rechtswahl grundsätzlich mitumfasst wäre (RS0115967) – nicht zu einer über diesen Rechtsstreit hinausreichenden Wirkung. Da Österreich und Deutschland Vertragsstaaten des CISG sind, ist dieses Kraft autonomer Anknüpfung (Art 1 Abs 1 lit a CISG) anzuwenden. Auch der sachliche Anwendungsbereich des Übereinkommens ist gegeben, weil Gegenstand des zu beurteilenden Kaufvertrags die Lieferung von Waren ist.
[32] 2. Der sachliche Geltungsbereich des Übereinkommens erstreckt sich auf „Kaufverträge über Waren“ (Art 1 Abs 1 CISG). Er wird durch Art 3 Abs 1 CISG auf „Verträge über die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender Waren“ ausgedehnt. Nach Art 3 Abs 2 CISG ist das Übereinkommen allerdings nicht auf Verträge anzuwenden, bei denen auf Seiten des die Ware liefernden Vertragspartners die Arbeits‑ und anderen Dienstleistungen gegenüber den kaufmännischen Leistungen überwiegen. Dies kann vor allem bei typengemischten Verträgen, wie etwa Anlagenlieferverträgen, der Fall sein, die die Entwicklung, Herstellung, Lieferung und Montage umfassen (ErläutRV 94 BlgNR 17. GP 51; 4 Ob 179/05k SZ 2005/162 mwN). Typengemischte Verträge unterliegen dann nicht dem Anwendungsbereich des CISG, wenn der Anteil der kauffremden Vertragspflichten wertmäßig oder nach dem Parteiinteresse deutlich überwiegt. Entscheidend ist das Verhältnis kaufvertragsfremder zu kaufvertragstypischen Pflichten im Einzelfall. Die Beweislast für das Überwiegen kaufvertragsfremder Pflichten und damit für die Nichtanwendbarkeit des CISG trifft denjenigen, der sich auf seine Nichtanwendbarkeit beruft (4 Ob 179/05k = RS0120301; 4 Ob 159/11b; Posch/Terlitza in Schwimann/Kodek 5 Art 3 CISG Rz 6, 8; Mankowski in Münchener Kommentar zum HGB5 [2021], Art 3 CISG Rn 13, 18; Ferrari in Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Kommentar zum UN‑Kaufrecht [CISG]7 [2019], Art 3 Rn 13 ff, 20).
[33] 3. Der von der Beklagten hergestellte und an die Zweitklägerin gelieferte Pasteur fällt unter den Warenbegriff. Die Beklagte hat im erstinstanzlichen Verfahren die Behauptung aufgestellt, dass ein Werklieferungsvertrag vorliege und sich auf die Anwendung des CISG stützt. Die Zweitklägerin wäre gehalten gewesen, Vorbringen zum Ausnahmetatbestand des Art 3 Abs 2 CISG zu erstatten. Sie hat in erster Instanz kein Vorbringen erstattet, dass der überwiegende Teil der Pflichten der Beklagten in der Ausführung von Arbeiten oder von anderen Dienstleistungen bestehen würde. Da sie für die Nichtanwendbarkeit des CISG die Behauptungs‑ und Beweislast trifft und im erstinstanzlichen Verfahren kein Vorbringen zum Vorliegen des Ausnahmetatbestands nach Art 3 Abs 2 CISG erstattet hat, ist von der grundsätzlichen Anwendbarkeit des CISG auszugehen.
[34] 4. Mangels entsprechenden Vorbringens sind die behauptete Aktenwidrigkeit und der geltend gemachte Verfahrensmangel im Zusammenhang mit der Ausnahmebestimmung des Art 3 Abs 2 CISG nicht beachtlich.
5. Vertragsverletzung
[35] 5.1. Kommt der Verkäufer seiner Leistungspflicht nicht nach, dann ist der vertragstreue Teil nach Art 74 CISG stets so zu stellen, wie er bei ordnungsgemäßer Erfüllung der objektiv verletzten vertraglichen Leistungspflicht gestanden wäre. Verhaltensunrecht und Verschulden des Schuldners sind keine Haftungsvoraussetzungen (RS0104929 [T3]). Dem CISG liegt das Prinzip des vollen Schadensausgleichs zugrunde (RS0104937 [T4]). Ist die gelieferte Ware – wie hier – mangelhaft, steht dem Käufer daher ein verschuldensunabhängiger Schadenersatzanspruch zu (vgl 4 Ob 208/12k; Posch/Terlitza in Schwimann/Kodek 5 Art 74 CISG Rz 2 ff).
[36] 5.2. Bei Mängeln besteht ein Anspruch auf Ersatz der angemessenen Kosten für die Mangelbeseitigung, soweit nicht nach Art 48 CISG noch das Recht des Schuldners zur Nachbesserung besteht (Saenger in Hau/Poseck, BeckOK BGB 64. Edition [1. 11. 2022], Art 74 CISG Rn 5; Mankowski in Münchener Kommentar zum HGB5 [2021] Art 74 CISG Rn 37). Eine Nachbesserung verweigert die Beklagte.
[37] 6. Art 39 CISG (Rügeobliegenheit) ist im Verhältnis zwischen Zweitklägerin und Beklagter abbedungen.
[38] 6.1. Art 38 Abs 1 CISG verpflichtet den Käufer, die Ware innerhalb einer so kurzen Zeit zu untersuchen oder untersuchen zu lassen, wie es die Umstände erlauben. Er verliert das Recht, sich auf eine Vertragswidrigkeit der Ware zu berufen, wenn er sie dem Verkäufer nicht innerhalb einer angemessenen Frist angezeigt und genau bezeichnet hat (4 Ob 179/05k mwN; Posch/Terlitza in Schwimann/Kodek 5 Art 39 CISG Rz 2). Die Rügefrist beginnt jedenfalls mit dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Käufer die Vertragswidrigkeit festgestellt hat oder feststellen hätte müssen (Art 39 Abs 1 CISG). Bei der Prüfung, ob der Käufer eine angemessene Frist gewahrt hat, sind die objektiven und subjektiven Umstände des konkreten Falls zu berücksichtigen (RS0111000; Posch/Terlitza aaO Art 39 CISG Rz 7). Wenngleich die inhaltlichen Anforderungen an die Mängelanzeige nicht überspannt werden dürfen, muss die Rüge insofern spezifiziert sein, als die Vertragswidrigkeit genau beschrieben werden muss (RS0116099). Diese Regelung erfasst auch Schadenersatzansprüche nach Art 74 CISG (Witz in Witz/Salger/Lorenz, International Einheitliches Kaufrecht2 Art 74 CISG Rz 4; Schwenzer in Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Kommentar zum UN‑Kaufrecht [CISG]7 [2019], Art 74 Rn 13).
[39] 6.2. Der Leasinggeber, dessen ihr abgetretene Ansprüche die Zweitklägerin (Leasingnehmerin) geltend macht, hat gegenüber der Beklagten die Geltung des § 377 UGB mit Schreiben vom 30. 12. 2015 wirksam abbedungen. Diese einseitige Erklärung wurde Vertragsbestandteil:
[40] 6.2.1. Nach Art 18 Abs 1 CISG stellt eine Erklärung oder ein sonstiges Verhalten des Empfängers, das eine Zustimmung zum Angebot ausdrückt, eine Annahme dar. Schweigen oder Untätigkeit allein stellen keine Annahme dar.
[41] Gemäß Art 19 Abs 1 CISG ist eine Antwort auf ein Angebot, die eine Annahme darstellen soll, aber Ergänzungen, Einschränkungen oder sonstige Änderungen enthält, eine Ablehnung des Angebots und stellt ein Gegenangebot dar.
[42] Nach Art 19 Abs 2 CISG stellt jedoch eine Antwort auf ein Angebot, die eine Annahme darstellen soll, aber Ergänzungen oder Abweichungen enthält, welche die Bedingungen des Angebots nicht wesentlich ändern, eine Annahme dar, wenn der Anbietende das Fehlen der Übereinstimmung nicht unverzüglich mündlich beanstandet oder eine entsprechende Mitteilung absendet. Unterlässt er dies, so bilden die Bedingungen des Angebots mit den in der Annahme enthaltenen Änderungen den Vertragsinhalt.
[43] Gemäß Art 19 Abs 3 CISG werden Ergänzungen oder Abweichungen, die sich insbesondere auf Preis, Bezahlung, Qualität und Menge der Ware, auf Ort und Zeit der Lieferung, auf den Umfang der Haftung der einen Partei gegenüber der anderen oder auf die Beilegung von Streitigkeiten beziehen, so angesehen, als änderten sie die Bedingungen des Angebots wesentlich.
[44] 6.2.2. Die Beklagte selbst behauptet, dass der Vertrag mit der Leasinggeberin zustande gekommen ist. Sie hat also das Schreiben des Leasinggebers vom 30. 12. 2015 als Annahme ihres ursprünglich der Zweitklägerin gemachten Angebots gewertet. Diese Annahme wich durch den Ausschluss von § 377 UGB vom Angebot ab, das keine entsprechende Regelung enthielt. Dieser Ausschluss ist – wie nachstehend gezeigt wird – als Ausschluss jeder Rügeobliegenheit zu verstehen. Er wurde Vertragsbestandteil, und zwar unabhängig davon, ob die Abweichung vom Angebot als wesentlich oder unwesentlich im Sinn von Art 19 CISG zu werten ist.
[45] Im Fall der Unwesentlichkeit führte nach Art 19 Abs 2 CISG schon das Unterlassen des Widerspruchs durch die Beklagte zu diesem Ergebnis (vgl Ferrari in Münchener Kommentar zum HGB5 [2021], Art 19 CISG Rn 18; Gruber inMünchener Kommentar zum BGB8 [2019], Art 19 CISG Rn 14). Hält man hingegen Art 19 Abs 2 CISG nicht für anwendbar (die Abweichung daher für wesentlich, was wohl im Hinblick auf die in Art 19 Abs 3 CISG enthaltene Aufzählung zutrifft), so war die Annahmeerklärung nach Art 19 Abs 1 CISG in Wahrheit eine Ablehnung mit Gegenangebot. Dieses Gegenangebot hat die Beklagte nach Art 18 Abs 1 CISG („sonstiges Verhalten“) durch die Lieferung und Montage der Maschine angenommen. Das Absenden der Ware wird in Art 18 Abs 3 CISG ausdrücklich als Beispiel einer Äußerung des Annahmewillens erwähnt (vgl dazu Schroeter in Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Kommentar zum UN‑Kaufrecht [CISG]7 [2019], Art 19 Rn 49 f iVm Art 18 Rn 31; Ferrari aaO Art 19 CISG Rn 19 iVm Art 18 CISG Rn 7).
[46] 6.3. Art 39 CISG ist das inhaltliche Pendant zu § 377 UGB (vgl RS0122080). Der zwischen der Beklagten und dem Leasinggeber wirksam erklärte Ausschluss einer Rügepflicht nach § 377 UGB kann unter Zugrundelegung der Auslegungsregeln nach Art 8 CISG nur so verstanden werden, dass der Leasinggeber, der seine Ansprüche an die Zweitklägerin abgetreten hat, einen Ausschluss jeglicher Rügeobliegenheit erreichen wollte, sodass Art 39 CISG dem Sinn und Zweck entsprechend ebenfalls ausgeschlossen wurde. Die Auslegung der Vorinstanzen, dass der Ausschluss von § 377 UGB nicht auch den Ausschluss von Art 39 CISG erfasse, obwohl diese Bestimmung auf den gleichen Zweck ausgerichtet sei und mit § 377 UGB materiell‑rechtlich übereinstimme, übergeht den Sinn des Ausschlusses der Rügepflicht. Es soll gerade keine Rügepflicht des Käufers nach Entdeckung eines Mangels, der mit einem Rechtsverlust sanktioniert ist, bestehen. Es wäre ein unerklärbarer Widerspruch, wenn zwar § 377 UGB wirksam ausgeschlossen wäre, nicht aber der damit übereinstimmende – ebenfalls einen Bestandteil der (österreichischen) Rechtsordnung bildende – Art 39 CISG. Die offenbar auf einem Irrtum über das anwendbare Recht beruhende Falschbezeichnung schadet nicht.
[47] 6.4. Die Zweitklägerin traf damit – entgegen der Ansicht der Vorinstanzen – keine Rügepflicht hinsichtlich der Schäden an den Kunststoffteilen. Für diesen Mangel, dessen Behebung die Beklagte ablehnte, hat dieseeinzustehen. Der Zweitklägerin stünden, sofern nicht Verjährung eingetreten ist (dazu unten Punkt II.7.), auch die von ihr aufgewendeten Kosten für den erforderlich Tausch der Umlenkrollen von 6.599,17 EUR (Materialkosten) und von 2.640 EUR (Personalkosten) zu.
7. Zur Verjährung der Ansprüche der Zweitklägerin betreffend die Kunststoffteile:
[48] 7.1. Das CISG trifft keine Aussage zur nachgelagerten Frage, in welcher Frist der Käufer seine Rechte wegen Vertragswidrigkeit der gelieferten Ware geltend machen muss. Diese Frage richtet sich nach dem aufgrund des jeweiligen IPR als maßgebend festgestellten autonomen nationalen Recht (RS0090863; 7 Ob 301/01t = RS0116100).
[49] 7.2. Dabei gelangt nach Art 4 Abs 1 lit a Rom I‑VO deutsches Recht zur Anwendung, weil Kaufverträge über bewegliche Sachen dem Recht des Staats unterliegen, in dem der Verkäufer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Die Folgen einer vollständigen oder teilweisen Nichterfüllung vertraglicher Verpflichtungen sowie das Erlöschen der Verpflichtungen, insbesondere durch Verjährung, richten sich gemäß Art 12 Abs 1 lit c und d Rom I‑VO nach dem Vertragsstatut (1 Ob 63/18y = RS0132266).
[50] 7.3. Die Zweitklägerin führte zwar umgehend nach Inbetriebnahme der Lasagne Linie 3 Gespräche und Verhandlungen mit der Beklagten zur Behebung der Mängel am Förderband und später der Lüftermotoren. Die Mängel der Kunststoffteile (Rollen) reklamierte sie aber erstmals am 6. 3. 2019 gegenüber der Beklagten und damit ausgehend von der Ablieferung am 25. 4. 2016 außerhalb der Frist von zwei Jahren für die Verjährung von Mängelansprüchen nach § 438 Abs 1 Nr 3 und Abs 2 BGB, sodass unter Zugrundelegung dieser Verjährungsfrist Ansprüche betreffend Schäden an den Kunststoffteilen im Zeitpunkt der Klagseinbringung am 21. 10. 2019 bereits verjährt wären.
[51] Durch die Verhandlungen über die Mängel am Förderband und an den Lüftermotorentrat gemäß § 203 BGB keine Fortlaufhemmung (vgl § 209 BGB) hinsichtlich der Ansprüche, die die Kunststoffteile betreffen, ein. Zwar erstrecken sich Verhandlungen im Zweifel auf alle Ansprüche, die jener Lebenssachverhalt hervorbringt, der den Verhandlungen zugrunde liegt, wenn und soweit diese Ansprüche auf ein vergleichbares Gläubigerinteresse gerichtet sind (BGH VII ZR 285/12 BeckRS 2014, 13046; Grothe in Münchener Kommentar zum BGB9 [2021] § 203 BGB Rn 10). Dagegen wirkt die Hemmung ausnahmsweise nicht für einen abtrennbaren Teil eines Anspruchs, wenn die Parteien nur über den anderen Teil verhandelt haben. Eine solche Beschränkung der Hemmungswirkung muss sich aus dem Willen der Verhandlungsparteien deutlich ergeben (BGH VII ZR 285/12; IV ZR 357/96 NJW 1998, 1142; Grothe aaO § 203 BGB Rn 10 aE).
[52] Im vorliegenden Fall ist die erforderliche Eindeutigkeit, die Verhandlungen nur auf Teilansprüche – Förderband und Lüftermotoren – zu beschränken, gegeben. Im Zeitpunkt der Verhandlungen über diese Mängel war der Beklagten nicht bekannt, dass Mängel am Pasteur auch die Kunststoffteile betrafen. Gegenstand der Verhandlungen nach § 203 Satz 1 BGB, die zu einer Verjährungshemmung führen, können nur Ansprüche der Zweitklägerin sein, die der Beklagten bekannt sind, nicht jedoch erstmals nach Ablauf der zweijährigen Verjährungsfrist geltend gemachte Mängel an den Kunststoffrollen. Über Mängel, die der Beklagten unbekannt waren, wurdegegenständlich nicht verhandelt, sodass diesbezüglich auch keine Hemmung der Verjährung eingetreten ist.
[53] 7.4. Damit kommt es entscheidend darauf an, ob es sich beim Pasteur nach deutschem Recht um ein Bauwerk handelt und damit die fünfjährige Verjährungsfrist des § 438 Abs 1 Nr 2 lit a BGB zur Anwendung gelangt. Diese Frist wäre ausgehend von der Inbetriebnahme des Pasteurs am 25. 4. 2016 im Zeitpunkt der Einbringung der Klage am 21. 10. 2019 noch nicht abgelaufen gewesen.
[54] Nach der Rechtsprechung des BGH (VII ZR 101/14; ebenso schon VII ZR 109/97) können technische Anlagen selbst als Bauwerk angesehen werden. Das setzt voraus, dass die technische Anlage mit dem Erdboden unmittelbar oder mittelbar über ein Gebäude fest verbunden ist, ohne dass es sich um wesentliche Bestandteile (§§ 93, 94 BGB) handeln muss. Es genügt eine Verbindung der Anlage mit dem Erdboden oder dem Gebäude allein durch ihr Gewicht, so dass eine Trennung nur mit einem größeren Aufwand möglich ist. Schließlich muss eine dauernde Nutzung der technischen Anlage beabsichtigt sein. Für die Beurteilung dieser Voraussetzungen ist entscheidend darauf abzustellen, ob Vertragszweck die Erstellung einer größeren ortsfesten Anlage mit den spezifischen Bauwerksrisiken ist, die der gesetzlichen Regelung zur langen Verjährungsfrist zugrunde liegen. Der BGH beurteilte in dieser Entscheidung eine Anlage zur Produktion von Kartoffelchips, die bereits durch ihr Ausmaß und Gewicht in einer Weise mit dem Grundstück verbunden war, die eine spätere Trennung nur mit größerem Aufwand ermöglichte, als Bauwerk.
[55] Um beurteilen zu können, ob es sich entsprechend den Beurteilungskriterien des BGH beim Pasteur der Linie 3 um ein Bauwerk handelt oder nicht, fehlen aussagekräftige Feststellungen. Die vom Berufungsgericht ergänzend aus Urkunden getroffenen Feststellungen, dass die Beklagte den Pasteur in ihrem Handbuch als Maschine bezeichnet hat und dessen Lieferung „zum Einbau in die Gesamtanlage“ der Zweitklägerin zur Lasagneerzeugung gedacht war, reichen dafür nicht aus. Insbesondere fehlen Feststellungen zur allfälligen festen und dauerhaften Verbindung der Anlage mit dem Grundstück und zum darauf gerichteten Vertragszweck.
[56] 8. Sollte der Pasteur – nach den Ergebnissen des fortgesetzten Verfahrens – als Bauwerk zu qualifizieren und damit die Ansprüche der Zweitklägerin aufgrund der fünfjährigen Verjährungsfrist nicht verjährt sein, wäre noch Folgendes zu beachten:
[57] Die Zweitklägerin begründete ihr Feststellungsbegehren zur Haftung der Beklagten für sämtliche (künftige) Schäden an den Kunststoffteilen des Pasteurs damit, dass die von ihr bereits ausgetauschten Kunststoffrollen aufgrund der Mangelhaftigkeit der Anlage wiederum defekt werden könnten. Zur Berechtigung des Feststellungsbegehrens fehlen Feststellungen, um beurteilen zu können, ob aufgrund der bestehenden Mangelhaftigkeit des Pasteurs nicht ausgeschlossen werden kann, dass die neuen Kunststoffrollen wiederum defekt werden.
[58] 9. Aus den dargelegten Gründen sind die Urteile der Vorinstanzen betreffend die Zweitklägerin im angefochtenen Umfang zur Erweiterung der Entscheidungsgrundlage aufzuheben.
[59] 10. Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.
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