OGH 12Os13/23p

OGH12Os13/23p22.5.2023

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. Mai 2023 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Oshidari, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Sadoghi in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Fitzthum in der Strafsache gegen Dr. * A* und eine Angeklagte wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten Dr. * A* und * Ar* sowie die Berufung der Finanzprokuratur gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 4. Oktober 2022, GZ 113 Hv 5/22s‑115, weiters über die Beschwerde des Dr. * A* gegen den Beschluss des Vorsitzenden des Schöffengerichts vom 13. Jänner 2023, GZ 113 Hv 5/22s‑128, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0120OS00013.23P.0522.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Wirtschaftsstrafsachen

 

Spruch:

 

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Dr. * A* und * Ar* sowie aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen der Angeklagten, demzufolge auch in den Aussprüchen über die Strafe hinsichtlich beider Angeklagter, die privatrechtlichen Ansprüche der Republik Österreich und den (* Ar* betreffenden) Verfall aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.

Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten und die Privatbeteiligte auf diese Entscheidung verwiesen.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen – auch rechtskräftige Freisprüche beider Angeklagten enthaltenden – Urteil wurden Dr. * A* des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und 2 StGB und * Ar* des Verbrechens der betrügerischen Krida nach §§ 12 dritter Fall, 156 Abs 1 und 2 StGB schuldig erkannt.

[2] Nach dem Referat der entscheidenden Tatsachen (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) haben in W* und an anderen Orten des Bundesgebiets

1. Dr. * A*am 12. August 2020 Bestandteile seines Vermögens zum Schein verringert, dadurch die Befriedigung der Republik Österreich (vgl zur fehlenden Rechtsfähigkeit des „Finanzamtes Österreich“ Aicher in Rummel/Lukas ABGB4 § 26 Rz 4; Posch in Schwimann/Kodek ABGB5 § 26 Rz 21) als seine Gläubigerin vereitelt und einen 300.000 Euro übersteigenden Schaden herbeigeführt, indem er im Urteil bezeichnete Liegenschaften der K* (im Folgenden kurz: K*) auf Grundlage von „Ausschüttungsvereinbarungen“ an * Ar* als Alleinbegünstigte übereignete und solcherart dem Zugriff des Finanzamts entzog;

2. * Ar* [nach dem 12. August 2020] zu den vorstehend angeführten Taten des Dr. * A* dadurch beigetragen, dass sie die angeführten Liegenschaften als grundbücherliche Eigentümerin übernahm.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richten sich die Nichtigkeitsbeschwerden, die Dr. * A* auf Z 3, 4, 5 und 9 lit a und b sowie * Ar* auf Z 4, 5, 8 und 9 lit a und b je des § 281 Abs 1 StPO stützen. Überdies bekämpft Dr. * A* mit Beschwerde den Beschluss des Vorsitzenden des Schöffengerichts vom 13. Jänner 2023 (ON 128), mit dem sein Antrag auf Protokollberichtigung (ON 126) abgewiesen worden ist. Den Nichtigkeitsbeschwerden kommt Berechtigung zu.

[4] Nach den Urteilsfeststellungen (US 5 ff) war Dr. * A* Mitglied des Stiftungsvorstands der im Jahr 2008 errichteten K*. Ab 27. März 2009 war primärer Stiftungszweck die Unterstützung karitativer Institutionen und Projekte; subsidiäre Begünstigte waren * Ar* und deren Verwandte. „Es gab in der K* keine unabhängige Leitung der Stiftung im Verhältnis zum Erstangeklagten [Dr. * A*] als faktischem Stifter und keine Trennung zwischen dem Stiftungsvermögen und dem Vermögen des Erstangeklagten. Wirtschaftlich betrachtet war das gesamte Vermögen der K* stets Vermögen des Dr. * A*.“

[5] Die K* hielt „alle Anteile“ an der B* AG (im Folgenden kurz: B*), über die Dr. * A* Honorare aus von ihm erbrachten Beratungsleistungen abrechnete. Die B* „schüttete diese Einnahmen als Interimsdividende an die K* als ihre Alleingesellschafterin“ aus.

[6] „Die rechtliche Konstruktion der K* diente ausschließlich dazu, um über die am Fiskus vorbei geführten Gelder nach dem Willen und Ermessen des Erstangeklagten [Dr. * A*] zu disponieren und zu verfügen.“ Dr. * A* kam es von Anfang an darauf an, durch das Legen von Rechnungen „für seine persönlichen Leistungen, also für sein eigenes Einkommen, im Namen der B* und das anschließende Verschieben dieses Vermögens von der B* an die K*, seine Einkünfte und sein Vermögen vor seinen gegenwärtigen und zukünftigen Gläubigern zu verbergen und diese zu benachteiligen. Insbesondere kam es ihm darauf an, keine (Einkommens-)Steuern und (Sozialversicherungs‑)Abgaben zahlen zu müssen, also das Finanzamt als seine Gläubiger zu benachteiligen und gleichzeitig keine Sozialversicherungsbeiträge zahlen zu müssen und so die Sozialversicherung der Selbständigen als seine Gläubigerin zu benachteiligen.“

[7] Konkret überwies Dr. * A* im Jahr 2010 882.000 Euro und im Jahr 2011 1.231.000 Euro „aus Geldern, die er durch seine Beratungsleistungen verdiente und auf Konten der B* einzahlen hatte lassen, von der B* an die K*“.

[8] Mit diesen „Mitteln“ kaufte die K* im Zeitraum von März 2010 bis August 2011 die urteilsgegenständlichen Liegenschaften, hinsichtlich einer davon ein lebenslanges Wohnrecht des Dr. * A* bestand.

[9] Am 27. Juli 2020 bevollmächtigte * Ar* Dr. * A*, „in ihrem Namen 'im Wege eines In-sich-Geschäftes und der Doppelvertretung' zum Abschluss eines Notariatsaktes, mit dem die K* eine mit € 436.735,91 bewertete Ausschüttung an die Zweitangeklagte [* Ar*] durchführte und sie im Rahmen dieser Ausschüttung die [im Spruch angeführten Liegenschaften] in ihr alleiniges Eigentum übernahm“. Hintergrund dafür war die Befürchtung des Dr. * A*, dass das Finanzamt zur Befriedigung ihm gegenüber bestehender Ansprüche auf diese Liegenschaften „greifen“ werde.

[10] Den nachstehenden Ausführungen wird vorausgeschickt, dass geschütztes Rechtsgut des § 156 StGB das Gläubigerinteresse an der Forderungsbefriedigung ist (RIS‑Justiz RS0128145; Kirchbacher in WK² StGB § 156 Rz 2; Preuschl/Dangl in Preuschl/Wess, Wirtschaftsstrafrecht § 156 Rz 5). Vor diesem Hintergrund sind Tatobjekt alle Bestandteile des Vermögens des Täters, das dem Zugriff der Gläubiger durch Zwangsvollstreckung unterliegt (RIS‑Justiz RS0094825, RS0094739, RS0094851; Fabrizy/Michel-Kwapinski/Oshidari StGB14 § 156 Rz 2; Kirchbacher in WK² StGB § 156 Rz 7; Preuschl/Dangl in Preuschl/Wess, Wirtschaftsstrafrecht § 156 Rz 17). Deshalb erfüllen etwa unpfändbare Sachen den Vermögensbegriff des § 156 StGB nicht (RIS‑Justiz RS0094653 [T3]).

Zur Übertragung von vier Liegenschaften auf * Ar*:

[11] Wie die Rechtsrügen (Z 9 lit a, nominell auch Z 5 dritter Fall) beider Angeklagter zutreffend geltend machen, stellt das Vermögen der K* (vgl zur Rechtspersönlichkeit der Stiftung RIS‑Justiz RS0111737) – selbst unter dem Blickwinkel eines (deliktsspezifisch auszulegenden [vgl Kienapfel/Schmoller BT2 Allg Vorbem Rz 101 ff]) wirtschaftlichen Vermögensbegriffs (vgl  Kirchbacher in WK² StGB § 156 Rz 7/1; Preuschl/Dangl in Preuschl/Wess, Wirtschaftsstrafrecht § 156 Rz 19; RIS-Justiz RS0094171) – nicht Vermögen des Dr. * A*, also nicht „sein Vermögen“ iSd § 156 Abs 1 StGB dar, weil (ausgehend von den geschilderten Urteilskonstatierungen) das Vermögen der K* nicht dem Zugriff der Gläubiger des Dr. * A* durch Zwangsvollstreckung unterliegt. Die in Rede stehenden Liegenschaften der K* kommen daher als Tatobjekt einer betrügerischen Krida des Dr. * A* (= Tatsubjekt) und eines Beitrags dazu nicht in Betracht. Weshalb sich aus der vom Erstgericht bejahten Anfechtbarkeit der „Vermögensverschiebungen über die B* an die K*“ (siehe dazu im Folgenden) für die Subsumierbarkeit der Liegenschaften der K* unter das Tatbestandsmerkmal „sein [= jenes des Dr. * A*] Vermögen“ (§ 156 Abs 1 StGB) etwas anderes ergeben soll, wird nicht klar (so aber US 24 ff).

[12] Vor diesem Hintergrund fehlt den Feststellungen zum Vorsatz beider Angeklagter, das Vermögen des Dr. * A* durch die Übertragung der vier Liegenschaften zu verringern und dadurch die Befriedigung dessen Gläubiger zu vereiteln oder zu schmälern (insbes US 10 f), der erforderliche Sachverhaltsbezug, womit sie als nicht getroffen anzusehen sind (RIS‑Justiz RS0119090; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 8).

Zur Einzahlung von Honoraren des Dr. * A* auf ein Konto der B*:

[13] Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof weiters, dass das angefochtene Urteil hinsichtlich beider Angeklagter mit nicht geltend gemachter materieller Nichtigkeit (Z 9 lit a) behaftet ist, die diesen zum Nachteil gereicht und daher von Amts wegen wahrzunehmen war (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):

[14] Rechtsrüge (Z 9) und Subsumtionsrüge (Z 10) stellen auf einen Vergleich des im § 260 Abs 1 Z 2 StPO genannten Erkenntnisteils („welche strafbare Handlung durch die als erwiesen angenommenen Tatsachen [...] begründet wird“) mit den Feststellungen der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) ab. Gegenstand des Ausspruchs über Strafbarkeit und Subsumtion ist die Kongruenz der in den Entscheidungsgründen getroffenen Feststellungen mit dem Ausspruch des Urteilstenors, „welche strafbare Handlung durch die als erwiesen angenommenen Tatsachen, deren der Angeklagte schuldig befunden worden ist, begründet wird“ (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO; RIS-Justiz RS0118775 [T3]; vglRatz, WK-StPO § 281Rz 581 ff). 

[15] Demnach ist zu prüfen, ob die im Referat der als erwiesen angenommenen Tatsachen (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) nicht genannte (vgl zu den nicht amtswegig wahrzunehmenden Nichtigkeitsgründen der Z 3 und 5 des § 281 Abs 1 StPO Ratz, WK‑StPO§ 281 Rz 269 f und Rz 272 ff), in den Entscheidungsgründen konstatierte (und von der Anklage umfasste [ON 79 S 3 f]) Vermögensverringerung durch „Einzahlung [von] Geldern, die er [Dr. * A*] durch seine Beratungsleistungen verdiente“, auf ein Konto der B* (US 7 [„Vermögensübertragungen“]) den Ausspruch nach § 260 Abs 1 Z 2 StPO, in dem ein Schuldspruch auch wegen dieser Vermögensverringerung zum Ausdruck gekommen ist (vgl demgegenüber zur bloßen Erwähnung einer weiteren Tat in den Entscheidungsgründen Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 503), deckt.

[16] Aus den eingangs wiedergegebenen Urteilsfeststellungen ergibt sich, dass die B* in den Jahren 2010 und 2011 Banküberweisungen an die K* in Höhe der Honorare des Dr. * A* (an die B*) tätigte. Wann Dr. * A* diese „Gelder“ auf ein Konto derB* einzahlen ließ, geht aus den Entscheidungsgründen – trotz konstatierter damit im Zusammenhang stehender Abgabenverbindlichkeiten (vgl zur dadurch begründeten Gläubigerstellung RIS‑Justiz RS0094808; 14 Os 53/03; Kirchbacher in WK² StGB § 156 Rz 4) – nicht hervor. Die Entscheidungsgründe reichen daher zur (rechtlichen) Annahme einer Gläubigermehrheit zu diesen Tatzeitpunkten nicht aus. Zudem muss der (zumindest bedingte) Vorsatz der Angeklagten auf die Schädigung des Gläubigers in der Form gerichtet sein, dass durch die Vermögensverringerung im Endergebnis ein Ausfall bei der Hereinbringung der (im Tatzeitpunkt bestehenden [vgl Rainer, SbgK § 156 Rz 6]) Forderung eintreten soll (vgl Kirchbacher in WK² StGB § 156 Rz 21). Diesem Erfordernis werden die (hinsichtlich der „Vermögensübertragungen“ in den Jahren 2010 und 2011 getroffenen) Sachverhaltsannahmen, wonach der Vorsatz der Angeklagten auf eine Benachteiligung (US 7 f, 18) und Schädigung (US 23) der Gläubiger des Dr. * A* (im Gesamtzusammenhang erkennbar gemeint) durch Verschleierung des Bestehens der Gläubigerstellung (also gerade nicht durch die Einzahlung der Honorare auf ein Konto der B*) gerichtet war (vgl RIS‑Justiz RS0094678 [T6]; zum Erfordernis der Ursächlichkeit der Ausführungshandlung iSd § 156 Abs 1 StGB für den Befriedigungsausfall RIS‑Justiz RS0115184), nicht gerecht. Weiters bietet die Urteilskonstatierung, wonach * Ar* „stets“ Unterschriften bei den „Geschäften der B* und K*“ leistete (US 7 f), keine Grundlage für eine (kausale) Beitragshandlung der Genannten zur Einzahlung der Honorare des Dr. * A* auf ein Konto der B*.

[17] Diese Rechtsfehler mangels Feststellungen (Z 9 lit a) erfordern – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – die Aufhebung des angefochtenen Urteils im aus dem Spruch ersichtlichen Umfang bereits bei nichtöffentlicher Beratung und die Rückverweisung der Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht (§ 285e StPO teils iVm § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO).

[18] Damit erübrigt sich ein Eingehen auf das weitere Vorbringen beider Nichtigkeitsbeschwerden und ist auch die Beschwerde des Dr. * A* gegen den Beschluss des Vorsitzenden des Schöffengerichts vom 13. Jänner 2023 (ON 128) auf Abweisung seines Protokollberichtigungsantrags (ON 126) erledigt, weil sie sich auf keine für den Erfolg der Nichtigkeitsbeschwerde wesentlichen Umstand bezog (vgl RIS-Justiz RS0126057 [T5]).

[19] Mit ihren Berufungen waren die Angeklagten und die Privatbeteiligte auf diese Entscheidung zu verweisen. Da die Zurückweisung des Privatbeteiligtenanschlusses im Urteilszeitpunkt nicht rechtskräftig war, kommt der Finanzprokuratur, die das Unterbleiben der Entscheidung über deren Ansprüche mit Berufung bekämpft (vgl RIS-Justiz RS0101309 [T2]) und solcherart – vor dem Hintergrund der die Frage der Parteistellung umfassenden Überprüfungsbefugnis des Rechtsmittelgerichts – die Zurückweisung der Anschlusserklärung (rechtzeitig) anficht, auch im zweiten Rechtsgang (vorerst) die prozessuale Stellung als Privatbeteiligte zu (Spenling, WK‑StPO Vor §§ 366–379 Rz 59 f und 62).

[20] Der Vollständigkeit halber ist mit Blick auf den zweiten Rechtsgang hinsichtlich * Ar* darauf hinzuweisen, dass im Fall eines 300.000 Euro nicht übersteigenden Schadens eindeutige Konstatierungen zu einer allfälligen Hemmung der Verjährung nach § 58 StGB zu treffen sein werden, weil ausgehend von der Strafdrohung des § 156 Abs 1 StGB die diesbezügliche Verjährungsfrist gemäß § 57 Abs 3 dritter Fall StGB fünf Jahre beträgt.

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