OGH 7Ob222/22f

OGH7Ob222/22f25.1.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, Dr. Weber und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E* GmbH, *, vertreten durch Sauerzopf & Partner, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei F*, vertreten durch Dr. Bernhard Eder, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 27. Oktober 2022, GZ 15 R 94/22m‑21, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0070OB00222.22F.0125.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft; sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

[2] 2. Der Kläger zeigt mit seiner außerordentlichen Revision keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO auf. Die Frage, ob es zu einer „wirklichen Einlösung“ durch den Vorkaufsberechtigten im Sinne des § 1075 ABGB gekommen ist, kann regelmäßig nur anhand der speziellen Umstände des Einzelfalls beantwortet werden. Rechtsfragen der von § 502 Abs 1 ZPO geforderten Bedeutung stellen sich in diesem Zusammenhang daher im Allgemeinen nicht (RS0021984 [T19]).

[3] 2.1. § 1072 ABGB versteht unter dem Vorkaufsvorbehalt einen Nebenvertrag zum Kaufvertrag, durch den sich der Käufer schuldrechtlich verpflichtet, das Kaufobjekt vor Veräußerung an einen anderen dem Verkäufer zur Einlösung anzubieten (RS0123147). Die Frist zur Einlösung beginnt in jenem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Verpflichtete dem Berechtigten die Kenntnis aller Tatsachen verschafft hat, welcher dieser kennen muss, wenn er sich über die Ausübung des Vorkaufsrechts schlüssig werden soll, wie Gegenstand, Preis, Zahlungsmodalitäten, Bedingungen, Nebenrechte und Nebenpflichten (RS0020180).

[4] 2.2. § 1075 ABGB sieht bei unbeweglichen Sachen eine Einlösungsfrist von 30 Tagen vor. Sie beginnt, wenn der Vorkaufsfall eingetreten ist und der Verpflichtete ein gehöriges Einlösungsangebot an die Berechtigten gerichtet hat (RS0020180). Diese Bestimmung ist aber dispositiv, eine abweichende Frist kann vereinbart werden (vgl RS0020430). Unterbleibt die „wirkliche Einlösung“ während der Einlösungsfrist, erlischt das Vorkaufsrecht (RS0119205 [T5]).

[5] 2.3. Für die „wirkliche Einlösung“ genügt – entgegen der älteren Rechtsprechung (RS0020189) – nicht die bloß fristgerechte Ausübungserklärung. Es bedarf vielmehr auch der Leistung des Kaufpreises wie ihn der Drittkäufer zu leisten hätte oder zumindest eines realen Zahlungsangebots innerhalb der Einlösungsfrist (RS0021984 [T7, T11]). Wie der Oberste Gerichtshof in der denselben Sachverhalt betreffenden Entscheidung 5 Ob 52/21i ausgeführt hat, führt der bloße Abschluss eines Kreditvertrags über einen den Kaufpreis übersteigenden Betrag für sich allein noch zu keiner ausreichenden Sicherung für den Vorkaufsverpflichteten, den Kaufpreis auch tatsächlich zu erhalten.

[6] 2.4. Grundsätzlich erfordert die „wirkliche Einlösung“ nach § 1075 ABGB mangels abweichender Vereinbarung auch, dass der Vorkaufsberechtigte die im bestehenden Vertrag mit dem Dritten enthaltenen Nebenbestimmungen annimmt, darunter sind etwa Vertragsbestimmungen über Zahlungskonditionen, Gefahrtragung und Gewährleistung oder die Vertragserrichtungskosten zu verstehen (RS0020216). Der Kaufpreis ist so zu erlegen, wie sich der Käufer hiezu verpflichtet hatte (RS0021984 [T4, T11]). Der Vorkaufsberechtigte ist an die Fälligkeit der Kaufpreisforderung nach Maßgabe des Drittvertrags gebunden (RS0132672).

[7] 2.5. Die „aufschiebende Bedingung“ im Kaufvertrag, wonach der Vertrag nur bei Nichtausübung des Vorkaufsrechts „rechtskräftig“ werden soll, betrifft ausschließlich das Verhältnis zwischen den Parteien des Kaufvertrags und ist für den Eintritt des Vorkaufsfalls bedeutungslos (RS0017494 [T4] = 2 Ob 27/13d mwN; 5 Ob 215/05m). Eine solche mit dem Dritten vereinbarte Bedingung soll ihrem eindeutigen, rechtlich unbedenklichen Zweck nach nur Rechtswirkungen zwischen dem Verpflichteten und dem Dritten haben, für die Beziehung zum Berechtigten dagegen unbeachtlich sein (5 Ob 215/05m, 5 Ob 52/21i).

[8] 2.5. Hier ist die Käuferin nach dem Kaufvertrag verpflichtet, binnen drei Wochen nach Eintritt der als aufschiebenden Bedingung vereinbarten Löschungsreife des Vorkaufsrechts des Beklagten den Kaufpreis zu erlegen. Der Beklagte meint, diese Frist käme auch ihm – zusätzlich zur Einlösungsfrist aus dem Vorkaufsrecht – zugute. Zwar ist der Vorkaufsberechtigte grundsätzlich an die Fälligkeit des Kaufpreises nach Maßgabe des Drittvertrags gebunden (RS0132672). Hier liegt aber insoweit ein abweichender Fall vor, als die vereinbarte dreiwöchige Frist überhaupt erst nach dem Erlöschen des Vorkaufsrechts beginnen soll und sich daher von vornherein nicht auf dieses beziehen kann.

[9] 3. Vor diesem Hintergrund ist die Rechtsansicht der Vorinstanzen nicht korrekturbedürftig, wonach die Zahlungsfrist anknüpfend an den Eintritt der aufschiebenden Bedingung der Nichtausübung des Vorkaufsrechts auf die Einlösungsfrist des Vorkaufsberechtigten – dem selbst im Schenkungsvertrag eine dreimonatige Frist eingeräumt worden war – keine Auswirkungen hat.

[10] 3.1. Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass die Finanzierungszusage der Bank des Beklagten keine Einlösung darstellt, entspricht der dargestellten Rechtsprechung. Wenn der Revisionswerber dazu auf die Entscheidung 7 Ob 187/21g verweist, verkennt er, dass es dort um die vereinbarte Finanzierungszusage der Drittkäuferin ging. Für die Beurteilung, was als reales Zahlungsangebot des Vorkaufsberechtigten zu werten ist, lässt sich daraus nichts gewinnen; es gilt das in Pkt 2.3. Gesagte.

[11] 3.2. Mit den Ausführungen in der Revision, welche Vorgangsweise zu wählen sei, wenn der im Kaufvertrag bestellte Treuhänder nicht zur Verfügung steht, entfernt sich der Kläger von den Feststellungen, wonach ihm sowohl die Annahme eines Treuhandvertrags angeboten wurde als auch die Daten des Anderkontos mitgeteilt wurden.

[12] 4. Dieser Beschluss bedarf keiner weiteren Begründung (§ 510 Abs 3 ZPO).

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