OGH 2Ob221/22x

OGH2Ob221/22x13.12.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende, sowie die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer und die Hofräte Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi, MMag. Sloboda und Dr. Kikinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B*, vertreten durch Gottgeisl & Leinsmer Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei N*, vertreten durch Dr. Fabian Maschke, Rechtsanwalt in Wien, wegen 33.811,01 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 20. Oktober 2022, GZ 3 R 122/22i‑19, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0020OB00221.22X.1213.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Beklagte bietet von ihrem Sitz in Malta aus über die von ihr betriebene Website Dienstleistungen im Bereich des Glücksspiels an. Sie verfügt jedoch über keine Konzession nach dem österreichischen Glücksspielrecht.

[2] Die Klägerin nahm an von der Beklagten veranstalteten Online-Glücksspielen teil und verlor im Zeitraum Mitte 2020 bis September 2021 insgesamt 33.811,01 EUR.

[3] Die Vorinstanzen verpflichteten die Beklagte zur Rückzahlung des Verlusts.

Rechtliche Beurteilung

[4] Die dagegen gerichtete außerordentliche Revision der Beklagten zeigt keine Rechtsfrage der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf.

[5] 1. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft, sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

[6] 2. Nach ständiger Rechtsprechung steht § 1174 Abs 1 Satz 1 ABGB einem (bereicherungsrechtlichen) Rückforderungsanspruch hinsichtlich der Spieleinsätze für ein (verbotenes) Online-Glücksspiel nicht entgegen, weil die entsprechenden Einsätze nicht gegeben werden, um das verbotene Spiel zu bewirken, sondern um am Spiel teilzunehmen. Damit ist § 1174 Abs 1 Satz 1 ABGB schon seinem Wortlaut nach nicht anwendbar. Darauf, ob der Spieler durch die Teilnahme am verbotenen Spiel (selbst) einen Verwaltungsstraftatbestand erfüllt, konkret § 52 Abs 5 GSpG, kommt es daher nicht an. Gegenteiliges kann auch aus der Entscheidung 5 Ob 506/96 nicht abgeleitet werden (9 Ob 54/22i Rz 12 ff; 7 Ob 102/22h Rz 5; 2 Ob 171/22v Pkt 2.1. mwN; zuletzt 9 Ob 84/22a Rz 3).

[7] 3. Der Oberste Gerichtshof hat – im Einklang mit der Rechtsprechung der beiden anderen österreichischen Höchstgerichte – auf Basis der einschlägigen Judikatur des EuGH in mehreren aktuellen Entscheidungen neuerlich festgehalten, dass das österreichische System der Glücksspiel-Konzessionen einschließlich der Werbemaßnahmen der Konzessionäre im hier relevanten Zeitraum nach gesamthafter Würdigung aller tatsächlichen Auswirkungen auf den Glücksspielmarkt allen vom EuGH aufgezeigten Vorgaben entspricht und nicht gegen Unionsrecht verstößt (3 Ob 200/21i, 4 Ob 223/21d, 4 Ob 63/22a, 6 Ob 8/22b, 6 Ob 59/22b, 7 Ob 96/22a, 9 Ob 84/22a).

[8] Die Beurteilung des Berufungsgerichts entspricht dieser Rechtsprechung. Die Revision zeigt keine Argumente auf, die noch nicht in die erörterte Judikatur Eingang gefunden hätten. Sekundäre Feststellungsmängel „zum Thema Unionsrechtswidrigkeit“ liegen daher nicht vor.

[9] 4. Zu den Voraussetzungen der unionsrechtlichen Zulässigkeit eines Glücksspielmonopols sowie der dadurch bewirkten Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit liegt bereits umfangreiche Rechtsprechung des EuGH vor (vgl die Hinweise in 5 Ob 30/21d).

[10] Entgegen der Darstellung der Revisionswerberin ergibt sich aus der Entscheidung des EuGH C‑920/19 , Fluctus, kein Verbot für ein nationales Gericht, sich auf Vorentscheidungen „höherer“ (nationaler) Gerichte (hier auf in zahlreichen Parallelverfahren ergangene Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs) zu berufen. Vielmehr sprach der EuGH darin bloß aus, dass eine gegen Art 56 AEUV verstoßende Bestimmung des nationalen Rechts auch dann nicht angewendet werden dürfe, wenn ein „höheres“ nationales Gericht diese als mit dem Unionsrecht vereinbar ansah, dessen Erwägungen aber offensichtlich nicht dem Unionsrecht entsprachen (vgl insbesondere Rn 58 der genannten Entscheidung des EuGH). Dass und bei welcher nationalen Norm dies hier der Fall gewesen wäre, vermag die Revisionswerberin nicht aufzuzeigen. Der erkennende Senat sieht daher keinen Anlass, das von der Beklagten angeregte Vorabentscheidungsersuchen zu stellen (vgl 4 Ob 223/21d, 6 Ob 59/22b, 7 Ob 96/22a, 1 Ob 74/22x, 2 Ob 146/22t).

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