European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0070OB00158.22V.1109.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] Zwischen den Streitteilen besteht ein Versicherungsvertrag der Sparte Haushaltsversicherung, der auch eine Privathaftpflichtversicherung beinhaltet und dem unter anderem die Allgemeinen Bedingungen für die Wohnen Exklusiv‑Haushaltsversicherung (HHE 2013) zugrunde liegen. Diese lauten auszugsweise:
„Ⅱ. Haushaltsversicherung
Artikel 12
Sachlicher Umfang des Versicherungsschutzes
1. Die Versicherung erstreckt sich auf Schadenersatzverpflichtungen des Versicherungsnehmers als Privatperson aus den Gefahren des täglichen Lebens mit Ausnahme der Gefahr einer betrieblichen, beruflichen oder gewerbsmäßigen Tätigkeit, insbesondere
[...]
Artikel 17
Ausschlüsse vom Versicherungsschutz
Nicht versichert sind:
[...]
7. Schadenersatzverpflichtungen wegen Schäden an Sachen, die der Versicherungsnehmer oder die versicherte Person gemäß Artikel 13 entliehen, gemietet, geleast, gepachtet, aus Gefälligkeitsverhältnissen in Besitz genommen oder in Verwahrung genommen haben, wobei dies auch im Zuge der Verwahrung als Nebenverpflichtung gilt (ausgenommen Sachen der Logiergäste gemäß Artikel 12, Punkt 1.2) oder einer Bearbeitung (insbesondere Reparatur oder Wartung) unterzogen haben.“
[2] 1. Eine vom Berufungsgericht mit nicht aktenwidriger Begründung verneinte Aktenwidrigkeit des Erstgerichts kann in dritter Instanz nicht mehr geltend gemacht werden (10 ObS 200/21s mwN). Eine aktenwidrige Begründung des Berufungsgerichts liegt nicht vor.
[3] 2.1 Wann ein Ereignis dem privaten Bereich zuzurechnen ist, ergibt sich aus der näheren Beschreibung des Versicherungsschutzes in Art 12 HHE und dem Zweck der Privathaftpflichtversicherung. Nach dieser Bestimmung werden die Gefahren einer betrieblichen, beruflichen oder gewerbsmäßigen Tätigkeit ausgeschlossen. Zweck der Privathaftpflichtversicherung ist es auch, Versicherungsschutz für Ereignisse zu gewähren, die nicht in den Deckungsbereich einer Betriebs‑ oder Berufshaftpflichtversicherung fallen (7 Ob 220/13y mwN).
[4] 2.2 Der versicherungsrechtliche Begriff der „Gefahr des täglichen Lebens“ ist nach ständiger Rechtsprechung so auszulegen, dass davon jene Gefahren, mit denen üblicherweise im Privatleben eines Menschen gerechnet werden muss, umfasst sind (RS0081099). Die Gefahr, haftpflichtig zu werden, stellt im Leben eines Durchschnittsmenschen nach wie vor eine Ausnahme dar. Deshalb will die Privathaftpflichtversicherung prinzipiell Deckung auch für außergewöhnliche Situationen schaffen, in die auch ein Durchschnittsmensch hineingeraten kann. Freilich sind damit nicht alle ungewöhnlichen und gefährlichen Tätigkeiten abgedeckt (RS0081276). Für das Vorliegen einer Gefahr des täglichen Lebens ist nicht erforderlich, dass sie geradezu täglich auftritt. Vielmehr genügt es, wenn die Gefahr erfahrungsgemäß im normalen Lebensverlauf immer wieder, sei es auch seltener, eintritt. Es darf sich nur nicht um eine ungewöhnliche Gefahr handeln, wobei Rechtswidrigkeit und Sorglosigkeit eines Verhaltens den daraus entspringenden Gefahren noch nicht die Qualifikation als solche des täglichen Lebens nehmen. Voraussetzung für einen aus der Gefahr des täglichen Lebens verursachten Schadensfall ist nämlich immer eine Fehlleistung oder eine schuldhafte Unterlassung des Versicherungsnehmers (RS0081070).
[5] 2.3 Mit diesen Grundsätzen stehen die Entscheidungen der Vorinstanzen im Einklang. Der Kläger übernahm unentgeltlich und aus reiner Gefälligkeit während der krankheitsbedingten Schließung des Cafés einer befreundeten Lokalbetreiberin im Abstand von sieben bis zehn Tagen, die Blumen zu gießen und nach der Post zu sehen. Zur Vorbereitung der Wiedereröffnung des Lokals beabsichtigte er aus eigenem Antrieb die Kaffeemaschine für den Transport zu einem Servicetechniker vorzubereiten. Nachdem er sie ca 20 bis 30 cm verschoben hatte, bemerkte er, dass sie zu schwer war und schob sie zurück, wobei sich wahrscheinlich der Wasserschlauch löste. Am nächsten Tag nahmen Nachbarn den Austritt von Wasser im Café wahr.
[6] Die Übernahme einer als betrieblich oder gewerbsmäßig zu qualifizierenden Tätigkeit (fortdauernde Übernahme von Servicearbeiten) durch den Kläger lässt sich – entgegen der Ansicht der Beklagten – dem festgestellten Sachverhalt nicht entnehmen.
[7] 3. Dass durch die Übernahme des Gießens der Blumen und des Sehens nach der Post aus Gefälligkeit keineInbesitznahme des Inventars des Lokals durch den Kläger erfolgte und daher der Risikoausschluss nach Art 17 Pkt 1 HHE nicht vorliegt, bedarf keiner weiteren Erläuterungen.
[8] 4.1 Der Versicherungsanspruch in der Haftpflichtversicherung ist auf die Befreiung von begründeten und die Abwehr von unbegründeten Haftpflichtansprüchen gerichtet. Ungeachtet dieser beiden Komponenten handelt es sich um einen einheitlichen Anspruch des Versicherungsnehmers. Er wird zu dem Zeitpunkt fällig, in dem der Versicherungsnehmer von einem Dritten auf Schadenersatz wegen eines unter das versicherte Risiko fallenden Ereignisses oder einer sonstigen Eigenschaft in Anspruch genommen wird, unabhängig davon, ob die Haftpflichtversicherung begründet ist, weil Versicherungsschutz auch die Abwehr unberechtigter Ansprüche in sich schließt (RS0080384, RS0081228, RS0080013, RS0080086).
[9] 4.2 Ab der Inanspruchnahme durch den Dritten steht dem Versicherungsnehmer (vorerst nur) ein rechtliches Interesse an der Feststellung des Versicherungsschutzes (der Deckungspflicht) zu, wenn der Versicherer die Deckung ablehnt (RS0038928 [insb T5]). Eine Anspruchserhebung oder Geltendmachung von Haftpflichtansprüchen liegt vor, wenn der tatsächlich oder vermeintlich geschädigte Dritte seinen Entschluss in einer Art und Weise zu erkennen gibt, die als ernstliche Erklärung auf Verlangen nach Schadenersatz verstanden werden kann. Eine Bezifferung des Anspruchs wird zwar nicht verlangt, der Vortrag des Anspruchstellers muss aber geeignet sein, eine Bestimmung des angeblich haftungsbegründenden Sachverhalts vorzunehmen (7 Ob 127/20g).
[10] 4.3 Das Berufungsgericht beurteilte die E‑Mail der Geschädigten vom 26. 11. 2019 samt Aufstellung des behauptendermaßen durch den Wassereintritt verursachten Schadens in Höhe von 72.689,88 EUR als Inanspruchnahme des Klägers. Davon ausgehend bejahte es sein rechtliches Interesse an der Feststellung der Deckungspflicht der Beklagten. Gegen diese Beurteilung bringt die Beklagte keine stichhaltigen Argumente.
[11] 4.4 Ob der vom Geschädigten behauptete Schaden tatsächlich entstanden ist, ist für den vorliegenden Deckungsprozess ebensowenig von Bedeutung, wie die Frage, ob ein allfälliger Schadenersatzanspruch bereits verjährt ist. Wie ausgeführt besteht der Deckungsanspruch unabhängig davon, ob die Haftpflichtforderung begründet ist, weil er auch die Abwehr unberechtigter Ansprüche in sich schließt.
[12] 5. Dieser Beschluss bedarf keiner weiteren Begründung (§ 510 Abs 3 ZPO).
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