OGH 7Ob220/13y

OGH7Ob220/13y11.12.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G***** H*****, vertreten durch Mag. Albert Steinrisser, Rechtsanwalt in Schladming, gegen die beklagte Partei W***** AG *****, vertreten durch Dr. Herbert Salficky, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 26. September 2013, GZ 3 R 156/13a‑23, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:0070OB00220.13Y.1211.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Wann ein Ereignis dem privaten Bereich zuzurechnen ist, ergibt sich aus der näheren Beschreibung des Versicherungsschutzes in Art 10 ABH und dem Zweck der Privathaftpflichtversicherung. Nach dieser Bestimmung werden die Gefahren einer betrieblichen, beruflichen oder gewerbsmäßigen Tätigkeit ausgeschlossen. Zweck der Privathaftpflichtversicherung ist es auch, Versicherungsschutz für Ereignisse zu gewähren, die nicht in den Deckungsbereich einer Betriebs‑ oder Berufshaftpflichtversicherung fallen (7 Ob 1/92 [Art 17 Abs 1 lit a ABH 1984]).

Der versicherungsrechtliche Begriff der „Gefahren des täglichen Lebens“ (Art 10 ABH) ist nach ständiger Rechtsprechung (RIS‑Justiz RS0081099) dahin auszulegen, dass der Versicherungsschutz für die Haftpflicht des Versicherungsnehmers jene Gefahren erfasst, mit denen üblicherweise im Privatleben eines Menschen gerechnet werden muss. Die Gefahr, haftpflichtig zu werden, stellt im Leben eines Durchschnittsmenschen nach wie vor eine Ausnahme dar. Deshalb will die Privathaftpflichtversicherung prinzipiell Deckung auch für außergewöhnliche Situationen schaffen, in die auch ein Durchschnittsmensch hineingeraten kann. Freilich sind damit nicht alle ungewöhnlichen und gefährlichen Tätigkeiten mitabgedeckt (RIS‑Justiz RS0081276). Für das Vorliegen einer „Gefahr des täglichen Lebens“ ist nicht erforderlich, dass solche Gefahren geradezu täglich auftreten; vielmehr genügt es, wenn die Gefahr erfahrungsgemäß im normalen Lebensverlauf immer wieder, sei es auch seltener, eintritt. Es darf sich nur nicht um eine geradezu ungewöhnliche Gefahr handeln, wobei Rechtswidrigkeit oder Sorglosigkeit eines Verhaltens den daraus entspringenden Gefahren noch nicht die Qualifikation als solche des täglichen Lebens nimmt. Voraussetzung für einen aus der Gefahr des täglichen Lebens verursachten Schadensfall ist nämlich immer eine Fehlleistung oder eine schuldhafte Unterlassung des Versicherungsnehmers (RIS‑Justiz RS0081070).

Mit diesen Grundsätzen stehen die Entscheidungen der Vorinstanzen im Einklang. Die ehrenamtliche Mitarbeit des Klägers bei der Vereinsveranstaltung wird nicht dadurch zu einer gewerblichen oder betrieblichen Tätigkeit, weil er W***** R*****, der dafür ein Entgelt erhielt, beim Abmontieren der Lautsprecherboxen vom Masten half. Warum ‑ wie die Beklagte argumentiert ‑ das Bedienen des dabei eingesetzten Hubstaplers generell nicht zu den im Rahmen der privathaftpflichtversicherten Aktivitäten versicherten Gefahren des täglichen Lebens zählen soll, ist nicht ersichtlich. Das Bedienen schwerer Arbeitsgeräte ist weder vom privaten Bereich in der Beschreibung des Versicherungsschutzes ausgenommen, noch ergibt sich dies aus den aufgezählten Beispielsfällen. Auch ein „Durchschnittsmensch“, der über eine Lenkberechtigung für Hubstapler verfügt, kann in eine derartige Situation hineingeraten. Entgegen der Ansicht der Beklagten handelt es sich dabei um keine bewusst und gewollt geschaffene Situation aus bloßem Mutwillen. Von einer geradezu ungewöhnlichen Gefahr kann ‑ wie die Vorinstanzen zutreffend argumentierten ‑ nicht gesprochen werden.

2. Zutreffend ging das Berufungsgericht davon aus, dass es sich beim Hubstapler um einen „Transportkarren“ im Sinn des § 1 Abs 2 lit b KFG, § 2 Abs 1 Z 19 KFG handelt (vgl 2 Ob 89/12w [elektrischer Gabelhochhubwagen, Elektrohubstapler]; 7 Ob 199/10f [Elektrohubstapler]; 8 ObA 179/98a [Seitenstapler]). Entscheidend ist, ob der Hubstapler „nach seiner Bauart und Ausrüstung“ zumindest vorwiegend zur Beförderung von Gütern bestimmt war und vor allem, ob er innerhalb der Betriebsanlage der GmbH verwendet werden sollte (7 Ob 199/10f), was hier nach den unbekämpften Feststellungen des Berufungsgerichts feststeht. Da er im Rahmen seiner bestimmungsgemäßen Verwendung Straßen mit öffentlichem Verkehr nur überquert oder nur auf ganz kurzen Strecken befährt (§ 1 Abs 2 lit b KFG), handelt es sich beim Hubstapler um kein kennzeichenpflichtiges Kraftfahrzeug im Sinn des KFG, weshalb der sekundäre Risikoausschluss des Art 15.4.3. ABH ( Kath , Die Rechtsbegriffe der „Verwendung“ und des „Betriebs“ von Kraftfahrzeugen, ZVR 2009/240, 244 [245] zum inhaltsgleichen Art 7 P 5.3 Muster AHVB 2005) nicht vorliegt. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist für die Kennzeichenpflicht des Hubstaplers nicht maßgeblich, ob er anlässlich der Vereinsveranstaltung auf dem privaten Firmengelände auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr verwendet wurde. Abgesehen davon, dass letzteres nicht feststeht, schließt selbst das Befahren „ganz kurzer Strecken“ (§ 1 Abs 2 lit b KFG) die „bestimmungsgemäße Verwendung“ des Transportkarrens nicht aus. Dass die „bestimmungsgemäße Verwendung“ des Hubstaplers auch das Befahren von Straßen mit öffentlichem Verkehr auf längere Strecken vorgesehen hätte, wodurch das Fahrzeug nicht unter diese Ausnahmebestimmung fallen würde (2 Ob 316/97b; 2 Ob 219/04a), steht gerade nicht fest.

3. Mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision daher als unzulässig zurückzuweisen.

Stichworte