OGH 8ObA179/98a

OGH8ObA179/98a18.3.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Adamovic sowie durch die fachkundigen Laienrichter OLWR Dr. Hans Lahner und Walter Scheed als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Edeltraud P*****, Angestellte, ***** vertreten durch Dr. Stefan Gloß und Dr. Hans Pucher, Rechtsanwälte in St. Pölten, wider die beklagten Parteien 1.) Karl Sch*****, Arbeiter, ***** vertreten durch Dr. Hans Kaska und Dr. Christian Hirtzberger, Rechtsanwälte in St. Pölten, und

2.) E***** GesmbH & Co KG, ***** vertreten durch Dr. Hans-Jörg Haftner, Rechtsanwalt in St.Pölten, wegen S 200.000,-- und Feststellung (Streitwert S 100.000,--), infolge Revision der erstbeklagten (Revisionsinteresse S 150.000,--) und der zweitbeklagten Partei (Revisionsinteresse S 300.000,--) gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Arbeits- und Sozialgericht vom 3. November 1997, GZ 7 Ra 237/97t-45; womit das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Arbeits- und Sozialgericht vom 16. Dezember 1996, GZ 27 Cga 100/94k, 55/95g-36, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision der erstbeklagten Partei wird nicht Folge gegeben.

Der Revision der zweitbeklagten Partei wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie einschließlich des bestätigten Teils (hinsichtlich des Erstbeklagten) insgesamt zu lauten haben:

"1.) Der Erstbeklagte ist schuldig, der klagenden Partei S 200.000,-- zuzüglich 4 % Zinsen ab 19. 8. 1994 zu bezahlen.

2.) Das Zinsenmehrbegehren von 4 % für die Zeit vom 15. 2. 1994 bis 19. 8. 1994 wird abgewiesen.

3.) Der Erstbeklagte haftet der Klägerin für alle aus dem Unfall vom 21. 7. 1993 künftig entstehenden Schäden.

4.) Das weitere Klagebegehren, die zweitbeklagte Partei sei zur ungeteilten Hand mit der erstbeklagten Partei schuldig, die in Punkt

1.) des Spruchs genannte Summe zu bezahlen, wird abgewiesen.

5.) Das weitere Klagebegehren, es möge festgestellt werden, daß die zweitbeklagte Partei zur ungeteilten Hand mit der erstbeklagten Partei für alle der klagenden Partei aus dem Unfall vom 21. 7. 1993 entstehenden Schäden haftet, wird abgewiesen.

6.) Die erstbeklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei ihre mit S 106.559,05 bestimmten Kosten (darin enthalten S 17.759,84 USt) zu ersetzen.

7.) Die klagende Partei ist schuldig, der zweitbeklagten Partei ihre mit S 100.940,-- bestimmten Kosten (darin enthalten S 11.660,-- an Barauslagen und S 14.880,-- USt) zu ersetzen."

Die erstbeklagte Partei ist weiters schuldig, der klagenden Partei die mit S 5.032,50 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 838,75 USt) zu ersetzen.

Die klagende Partei ist weiters schuldig, der zweitbeklagten Partei die mit S 28.300,-- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 14.575,-- Barauslagen und S 2.287,50 USt) zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 21.7. 1993 um 8.30 Uhr wurde die Klägerin auf dem Werksgelände der Zweitbeklagten in O*****, wo sie als Reinigungskraft arbeitete, von einem vom Erstbeklagten gelenkten Seitenstapler niedergestoßen und schwer verletzt.

Zum Werksgelände der Zweitbeklagten gehört ein Verladehof, dessen Abmessungen etwa 54 x 25 m im Rechteck betragen. Ungefähr in der Mitte der südlichen Front befindet sich eine etwa 12 m breite Einfahrt; der davon westlich gelegene Teil der Südseite, die Westseite sowie die Nordseite des Platzes werden von Produktionshallen begrenzt. An der Ostseite befinden sich Lagerhallen, im östlichen Teil der südseitigen Gebäudefront ist das Büro untergebracht. Die östliche Hälfte des Platzes wird in Ost-Westrichtung von einer Mauer etwa halbiert; die südliche der so entstandenen Flächen weist in Ost-Westrichtung eine 6 % Steigung auf; am Ende der Mauer sind beide Flächen niveaugleich.

Der vom Erstbeklagten gelenkte Seitenstapler war mit Gummibereifung und Lichtanlage ausgestattet. Er ist zum öffentlichen Verkehr nicht zugelassen, an seiner Rückseite ist eine Tafel mit der Aufschrift "10 km/h" angebracht. Die Staplergabeln sowie die Säulen mit deren Führung befinden sich rechtsseitig, die Fahrerkabine exzentrisch linksseitig, wobei die Säulen in den Sichtbereich nach hinten hineinragen und diesen beschränken. Das Ausmaß der Einschränkung hängt von der Körperhaltung des Fahrers und der Stärke der Kopfdrehung nach rechts ab. Die Sicht nach vorne ist nicht eingeschränkt. Es wäre technisch möglich, an der linken Seite der Fahrerkabine einen Rückspiegel anzubringen, der den Sichtraum nach hinten vergrößern würde; tatsächlich fehlt ein solcher Rückspiegel und ist auch nach dem Einzelgenehmigungsbescheid nicht vorgesehen. Aufgrund seiner Bauart kann mit dem Seitenstapler auf gerader Fahrbahn bei Windstille eine Geschwindigkeit von etwa 20 bis 22 km/h erreicht werden. Der Stapler wird überwiegend auf dem Betriebsgelände eingesetzt, es kommt aber regelmäßig vor, daß der Erstbeklagte mit Wissen und Willen der Firmenleitung Ladearbeiten auf der vor dem Werksgelände liegenden öffentlichen Straße durchführt. Ebenso fährt er immer wieder zu einer etwa 300 m vom Werk entfernten Baufirma sowie zu einer ca 1 km entfernten Tankstelle, wobei er jeweils öffentliche Straßen benützt. Innerhalb des Betriebsgeländes führte der Erstbeklagte mit dem Stapler regelmäßig Materialtransporte vom tiefergelegenen östlichen Bereich des Platzes zum höhergelegenen westlichen durch. Dabei fährt er regelmäßig, ohne den Stapler zu wenden, im Rückwärtsgang, wobei er in der nunmehrigen Fahrtrichtung einen weiten Rechtsbogen beschreibt. Bei Überwindung der 6 % Steigung muß die Motordrehzahl erhöht werden, wodurch die an sich lauten Motorengeräusche zunehmen.

Am 21. 7. 1993 brachte die Klägerin Abfall aus dem Büro zu den verschiedenen Müll-Containern im Hof. Beim Verlassen des Büros nahm sie den Stapler, der an der tieferliegenden Lagerhalle stand, mit laufenden Motor wahr. Nachdem sie zunächst Flaschen zu den Glas-Containern gebracht hatte, die sich an der südlichen Gebäudefront, einige Meter westlich von der Werkseinfahrt, befanden, bewegte sie sich mit einer Geschwindigkeit von etwa 3,25 km/h schräg nach Nordwesten zu den an der nördlichen Gebäudefront bei den Werkseingängen gelegenen Bio-Abfall-Containern hin, wobei der Stapler nicht mehr in ihr Blickfeld kam.

Der Erstbeklagte hatte inzwischen mit einer Materialfuhre von der tiefergelegenen zur höhergelegenen Halle begonnen, wobei er mit einer Geschwindigkeit von etwa 10 km/h im Rückwärtsgang einen Rechtsbogen beschrieb. Aufgrund der hohen Außentemparaturen waren zu diesem Zeitpunkt alle Werkstore geöffnet, wodurch der Maschinenlärm nach außen drang. Aufgrund dieses Lärmspegels, der vom Motorgeräusch des Seitenstaplers nicht übertönt wurde, hörte die Klägerin nicht, daß sich - von ihr aus gesehen von rechts/hinten - der Seitenstapler näherte. Der Erstbeklagte seinerseits nahm die Klägerin nicht wahr, da sie sich durch ihre Gehbewegung ständig in dem von Führungsgestänge der Stapelgabel erzeugten, sich durch die Fahrbewegung kontinuierlich verlagernden toten Winkel befand. Hätte sich der Erstbeklagte in Vorwärtsfahrt befunden, einen Rückspiegel verwendet oder sich eines Einweisers bedient, hätte er die Klägerin nicht übersehen. Etwa 6 bis 8 m von den Glas-Containern entfernt stieß der Erstbeklagte die Klägerin, die er nunmehr halb umrundet hatte, nieder, wobei der Kontakt zwischen der Körperrückseite der Klägerin und der rechten Heckecke des Staplers, der in der Folge ihren rechten Vorfuß überrollte, erfolgte. Der Erstbeklagte nahm die Klägerin erst wahr, als er sie zwischen den Achsen auf dem Boden liegen sah, und hielt sofort an.

Die Klägerin befand sich vom 21. 7. 1993 bis zum 3. 9. 1993 in stationärer Behandlung und wurde in dieser Zeit mehrmals operiert. Durch die schwere Quetschung des rechten Fußes kam es zu Durchblutungsstörungen, die zum Absterben von Gewebe führten, sodaß die rechte Großzehe amputiert werden mußte. Weiters waren mehrere Hauttransplantationen erforderlich. Eine ebenfalls unfallskausale Fehlstellung der zweiten Zehe (Hammerzehe) wurde durch eine Nachoperation behoben.

Vom 3. 9. 1993 bis zum 3. 1. 1994 erfolgten ambulante Kontrollen und Nachbehandlungen. Vom 2. 2. 1994 bis Mitte März 1994 verbrachte die Klägerin einen stationären Rehabilitationsaufenthalt. Die durch den Unfall erlittenen Verletzungen verursachten ihr in geraffter Betrachtung 14 Tage an schweren, 30 Tage an mittelschweren und 60 Tage an leichten Schmerzen.

Die Beweglichkeit der verbliebenen Zehen sowie des oberen Sprunggelenks ist nach wie vor eingeschränkt, im Bereich des Vorfußes und des Sprunggelenks besteht ausgedehnte Narbenbildung. Die Klägerin muß orthopädische Schuhe tragen. Ihre Erwerbsfähigkeit ist um etwa 25 % gemindert. Schmerzzustände in der Zukunft sind nicht auszuschließen.

Der Erstbeklagte wurde wegen des Vorfalls vom 21. 7. 1993 mit Urteil des Bezirksgerichtes St. Pölten vom 10. 6. 1994, GZ 4 U 1371/93-8, rechtskräftig verurteilt.

Die Zweitbeklagte hat bei der W***** Versicherungs AG einen (Betriebs-)Haftpflichtversicherungsvertrag abgeschlossen, der auch Personen- und Sachschäden aus dem Betrieb des gegenständlichen Seitenstaplers deckt.

Abschnitt A, Punkt 3.2. lautet:

[3. Mitversichert sind im Rahmen der Punkte 1.) und 2.) Schadenersatzverpflichtungen]

3.2. sämtlicher übriger Arbeitnehmer für Schäden, die sie in Ausübung ihrer dienstlichen Verrichtungen verursachen, jedoch unter Ausschluß von Personenschäden, soweit es sich um Arbeitsunfälle unter Arbeitnehmern des versicherten Betriebes im Sinne der Sozialversicherungsgesetze handelt.

Die Klägerin begehrte zuletzt die Zahlung von S 200.000,-- an Schmerzengeld durch beide Beklagte als Solidarschuldner sowie die Feststellung ihrer unbeschränkten Haftung zur ungeteilten Hand für alle weiteren, ihr aus dem Unfallgeschehen künftig erwachsenden Schäden. Das Alleinverschulden an dem Unfall treffe den Erstbeklagten, der trotz stark eingeschränkter Sicht ohne sich eines Einweisers zu bedienen oder Warnsignale abzugeben, den Hof im Rückwärtsgang befahren, sie deshalb übersehen und von hinten niedergestoßen habe. Die Zweitbeklagte hafte als Halterin des Seitenstaplers nach dem EKHG.

Die Beklagten bestritten das Klagevorbringen, beantragten die Abweisung des Klagebegehrens und wendeten ein, das Alleinverschulden an dem Unfall treffe die Klägerin, die dem Geschehen auf dem Werkshof keinerlei Aufmerksamkeit geschenkt und es daher verabsäumt habe, dem mit Schrittgeschwindigkeit fahrenden Seitenstapler, der laute Motorengeräusche machte, auszuweichen. Die Zweitbeklagte wendete weiters ein, ihr komme als Dienstgeberin das Haftungsprivileg nach § 333 Abs 1 ASVG zugute.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren beiden Beklagten gegenüber statt. Ausgehend vom eingangs wiedergegebenen Sachverhalt schrieb es dem Erstbeklagten das Alleinverschulden an dem Unfall zu und erachtete den von der Klägerin begehrten Schmerzengeldbetrag als angemessen. Hinsichtlich des Zweitbeklagten führte es aus, daß es sich bei dem Seitenstapler um ein Kraftfahrzeug im Sinn des § 2 Z 1 KFG, und zwar um einen Transportkarren (§ 2 Z 19 KFG) handle, weshalb auf Unfälle, die sich bei seinem Betrieb ereigneten, grundsätzlich das EKHG anwendbar sei. Da eine das Risiko aus dem gegenständlichen Unfall deckende Haftpflichtversicherung bestehe, sei gemäß § 333 Abs 3 ASVG das Dienstgeberhaftungsprivileg nach Abs 1 leg cit nicht anzuwenden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Erstbeklagten nicht, der des Zweitbeklagten teilweise Folge, änderte das Ersturteil hinsichtlich der Zweitbeklagten dahin ab, daß es die Haftung der Zweitbeklagten mit der Höhe einer im Jahre 1993 für den Hubstapler (Seitenstapler) Type DFQ 40/74/95 abzuschließenden Haftpflichtversicherung begrenzte und sprach ohne nähere Begründung aus, daß die Revision zulässig sei.

Hinsichtlich des Erstbeklagten folgte es den Rechtsausführungen des Erstgerichts.

Zur Haftung der Zweitbeklagten führte es aus, der Seitenstapler sei ein Transportkarren im Sinn des § 2 Z 19 KFG, sohin ein Kraftfahrzeug im Sinne des § 2 Z 1 KFG; da mit ihm festgestelltermaßen regelmäßig auch öffentliche Straßen befahren würden, wäre die Zweitbeklagte gemäß § 59 KFG verhalten gewesen, eine Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung abzuschließen. Da dieses pflichtwidrige Versäumnis einen Arbeitgeber, der bei vorschriftsmäßigen Verhalten gemäß § 333 Abs 3 ASVG nicht in den Genuß des Haftungsprivilegs nach Abs 1 leg cit kommen könnte, nicht begünstigen solle, sei die Haftung der Zweitbeklagten zu bejahen. Allerdings sei sie nach Abs 3 Satz 2 leg cit der Höhe nach auf die (fiktive) Höhe jener Versicherungssumme zu beschränken, die für den Seitenstapler im Jahre 1993 bei "ordnungsgemäßer Versicherung" bestanden hätte.

Gegen das Berufungsurteil richten sich die Revisionen der beiden beklagten Parteien aus dem Grund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es abzuändern, seitens des Erstbeklagten im Sinne der Abweisung des S 100.000,-- übersteigenden Leistungsbegehrens und des eine Haftung für mehr als 50 % der künftig entstehenden Schäden übersteigenden Feststellungsbegehrens, seitens der Zweitbeklagten im Sinne gänzlicher Klagsabweisung, hilfsweise Aufhebung der berufungsgerichtlichen Entscheidung und Rückverweisung an das Erstgericht zur Sachverhaltsergänzung und neuerlichen Entscheidung.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionen sind zulässig, da das Berufungsgericht bei der Auslegung des Anwendungsbereichs des § 333 Abs 3 ASVG von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht. Die Revision der Zweitbeklagten ist auch berechtigt.

Der Erstbeklagte greift in seiner Revision - nachdem er zunächst eine alternative Begründung für den die Haftung der Zweitbeklagten bejahenden Teil des berufungsgerichtlichen Urteils (dazu unten) entworfen und unzulässigerweise die Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen gerügt hat - die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes insoweit an, als es der Klägerin nicht ein 50 %iges Mitverschulden an dem Unfall angelastet hat.

Dem ist entgegenzuhalten, daß auf Basis der berufungsgerichtlichen Feststellungen der Klägerin zum Unfallszeitpunkt zwar bewußt war, daß der Seitenstapler im Werkshof benutzt wurde, sie seine Annäherung aber weder sah noch hörte, bevor sie von hinten niedergestoßen wurde. Die Frage, ob die Klägerin bei vermehrter Aufmerksamkeit - insbesondere dadurch, daß sie sich auch während des Gehens umgesehen und den Geräuschen in ihrer Umgebung mehr Beachtung geschenkt hätte - den Unfall verhindern hätte können, ist insofern unbeachtlich, als ihrem allfälligen, geringgradigen Aufmerksamkeitsfehler ein gravierendes Fehlverhalten des Erstbeklagten gegenübersteht, der bei seinen Materialfuhren mit dem Seitenstapler routinemäßig uneingesehene Räume durchfuhr, ohne sich eines Einweisers zu bedienen oder wenigstens Warnsignale zu geben. Die Üblichkeit dieser Fahrweise ändert nichts daran, daß es sich angesichts der damit stets verbundenen potentiellen Fremdgefährdung um einen Sorgfaltsverstoß (Fahren ohne Sicht) handelt, der, wiewohl noch als leicht fahrlässig zu qualifizieren, ungleich schwerer wiegt als die Nachlässigkeit der Klägerin, die sohin außer acht gelassen werden kann.

Die gesetzmäßig ausgeführte Rechtsrüge der zweitbeklagten Partei wendet sich gegen die Bejahung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 333 Abs 3 ASVG durch das Berufungsgericht. Sie ist im Ergebnis berechtigt.

Nach dem durch die 48. ASVG-Novelle neu gefaßten § 333 Abs 3 ASVG sind die Bestimmungen der Abs 1 und 2 leg cit (Haftungsprivileg des Arbeitgebers) nicht anzuwenden, wenn der Arbeitsunfall durch ein Verkehrsmittel eingetreten ist, für dessen Betrieb aufgrund gesetzlicher Vorschrift eine erhöhte Haftpflicht besteht. Allerdings haftet der Arbeitgeber - ausgenommen die hier nicht in Betracht kommende vorsätzliche Schädigung - nur bis zur Höhe der aus einer bestehenden Haftpflichtversicherung zur Verfügung stehenden Versicherungssumme. Mit dieser Neuregelung wollte der Gesetzgeber den bisherigen Haftungsausschluß der kraftfahrzeugshaftpflichtversicherten Arbeitgeber bei Arbeitsunfällen gemäß § 175 ASVG, insbesondere Verkehrsunfällen, die ein Arbeitnehmer in einem der Allgemeinheit nicht zugänglichen Fahrzeug des Arbeitgebers erleidet, beseitigen (vgl RV 1098 BeilNR 17. GP 16; 9 ObA 126/98i). Von der Ausnahmeregelung sind daher sämtliche durch einen Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer gedeckten Personenschäden umfaßt (DRdA 1994/11 und 27; ZVR 1995/122; RdW 1996, 174; Schwimann/Neumayr, ABGB2, VIII, Rz 57 zu § 333 Abs 3 ASVG). Erste Voraussetzung für den Entfall des Haftungsprivilegs ist sohin, daß für das Verkehrsmittel aufgrund gesetzlicher Vorschriften eine erhöhte Haftpflicht besteht. Wie die Unterinstanzen richtig erkannt haben, handelt es sich bei dem gegenständlichen Seitenstapler um ein Kraftfahrzeug im Sinne des § 2 Z 1 KFG 1967, und zwar um einen Transportkarren (§ 2 Z 19 KFG). Auf einen solchen sind jedoch die Vorschriften des KFG in ihrer Gesamtheit, insbesondere die Versicherungspflicht gemäß § 59 leg cit, nicht notwendigerweise anzuwenden. Gemäß § 1 Abs 2 lit b KFG sind von der Anwendung der Abschnitte II bis XI dieses Gesetzes unter anderem Transportkarren ausgenommen, mit denen im Rahmen ihrer bestimmungsgemäßen Verwendung Straßen mit öffentlichen Verkehr nur überquert oder auf ganz kurze Strecken befahren werden. Das trifft auf den gegenständlichen Seitenstapler zu: Er ist als kleines Transportfahrzeug für die Verwendung innerhalb des Betriebsgeländes konzipiert. Den Feststellungen zufolge wurden mit ihm zwar auch wiederholt Fahrten auf Straßen mit öffentlichen Verkehr durchgeführt, die dabei zurückgelegten Strecken sind aber insbesondere im Vergleich zu seiner sonstigen, innerbetrieblichen Verwendung zu vernachlässigen (vgl Grubmann, Das österreichische Kraftfahrrecht II, Anm 5 zu § 1). Ob die Zweitbeklagte als Halterin des Seitenstaplers die Gefährdungshaftung nach dem EKHG trifft oder ob sie nur gemäß § 19 Abs 2 EKHG für das Verschulden des von ihr als Betriebsgehilfen eingesetzten Erstbeklagten haftet, kann dahingestellt bleiben, weil die Anwendung der Ausnahmsbestimmung des § 333 Abs 3 ASVG am Fehlen einer leistungspflichtigen KFZ-Haftpflichtversicherung scheitert. Dem Willen des Gesetzgebers zufolge soll das Haftungsprivileg des Dienstgebers nur dann entfallen, wenn der wirtschaftliche Schaden von einer Versicherung gedeckt wird, zu deren Abfluß er ohnedies verpflichtet ist, sodaß er im Ergebnis durch die Aufhebung seines Haftungsprivilegs nicht belastet ist (ZVR 1995/122; vgl auch DRdA 1994/11 [Apathy] und 27 [B. A. Oberhofer]; RdW 1996, 174; Mazal, Schmerzengeld für Dienstnehmer trotz Haftungsprivileg, ecolex 1990, 302; Krecji in Tomandl, System des österreichischen Sozialversicherungsrechts, 9. Erg-Lfg, 479). Eine Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung wurde den Feststellungen zufolge für den gegenständlichen Seitenstapler nicht abgeschlossen. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts bestand aber seitens der zweitbeklagten Partei auch keine Verpflichtung dazu.

Außerhalb des Geltungsbereichs des § 59 Abs 1 KFG 1967 kommt eine Pflichtversicherung von vornherein nicht in Betracht (Baran/Braumüller, Die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung, 100). Da, wie oben dargestellt, der gegenständliche Seitenstapler gemäß § 1 Abs 2 KFG vom Anwendungsbereich der Abschnitte II bis XI leg cit ausgenommen ist, ist er von der Versicherungspflicht nach dem zum VI. Abschnitt dieses Gesetzes gehörigen § 59 Abs 1 KFG nicht umfaßt. Eine Haftung der Zweitbeklagten aus dem Titel der Fürsorgepflichtverletzung auf jenen Betrag, der bei "ordnungsgemäßer" Erfüllung der Versicherungspflicht zur Verfügung gestanden wäre (vgl Schwimann/Neumayr, ABGB2 VIII, Rz 58 zu § 333 ASVG mwN), kommt daher nicht Betracht.

Entgegen der Ansicht des Erstbeklagten ist es unerheblich, ob bei richtiger Auslegung des Betriebshaftpflichtversicherungsvertrages eine Leistungs- pflicht der Versicherung besteht oder nicht, da der Entfall des Haftungsprivilegs nach § 333 Abs 3 ASVG - trotz des weitergehenden Wortlauts - ausschließlich auf die obligatorische Kraftfahrzeugshaftpflichtversicherung abstellt und daher eine Betriebshaftpflichtversicherung von vornherein ungeeignet ist, die in der zitierten Bestimmung normierte Ausnahme vom Haftungsprivileg des Dienstnehmers zu begründen (29. 4. 1998, 9 ObA 126/98i = infas 1998 A 107).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 Abs 1, 43 Abs 1 und Abs 2 und 50 Abs 1 ZPO. Der Zweitbeklagten waren aufgrund ihres Obsiegens die verzeichneten Kosten mit Ausnahme des nach der Verbindung der erstgerichtlichen Akten 5 Cga 55/95g und 27 Cga 100/95k am 13. 9. 1996 durch ON 28 des letztgenannten Aktes bezeichneten 10 %igen Streitgenossenzuschlags zuzu- sprechen; der Streitgenossenzuschlag gebührt nicht, da aus Sicht der Zweitbeklagten die Personenmehrheit nicht auf der Gegenseite vorliegt (§ 15 RATG). Die von der Klägerin verzeichneten Kosten sind mit der Maßgabe, daß für den Kostenrekurs vom 23. 1. 1997, ON 37 des Cga-Aktes, lediglich Tarifpost 3A gebührt, vom Erstbeklagten auch für die Zeit vor Klagseinschränkung in voller Höhe, wenn auch unter Zugrundelegung des niedrigeren Gesamtstreitwerts von S 300.000,-- zu ersetzen, da der Betrag der von der Klägerin erhobenen Forderung von der Feststellung durch den gerichtsmedizinischen Sachverständigen abhängig war (§ 43 Abs 2 ZPO); für den Prozeßabschnitt, in dem beide Verfahren verbunden waren, war der Klägerin jedoch nur anteiliger Kostenersatz zuzuerkennen.

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