OGH 10Ob9/22d

OGH10Ob9/22d18.10.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Neumayr sowie den Hofrat Mag. Ziegelbauer, die Hofrätin Dr. Faber, und die Hofräte Mag. Schober und Dr. Annerl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S* GmbH *, vertreten durch die Forcher‑Mayr & Kantner Rechtsanwälte Partnerschaft in Innsbruck, gegen die beklagten Parteien 1. S* KG *, und 2. Dkfm (FH) B*, beide vertreten durch die Kronberger Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 15.628,28 EUR sA über die Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 21. Dezember 2021, GZ 22 R 309/21a‑22, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom 30. September 2021, GZ 16 C 336/20x‑18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0100OB00009.22D.1018.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Der Revision wirdnicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien sind schuldig, der klagenden Partei die mit 1.205,96 EUR (darin 200,99 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Die klagende Vermieterin schloss mit der erstbeklagten KG, deren Komplementär im relevanten Zeitraum der Zweitbeklagte war, einen Mietvertrag über ein Geschäftslokal samt Abstellraum. Die Vermietung erfolgte ausschließlich für den Betrieb eines Sportwetten-Lokals. Als monatlicher Mietzins wurde ein Betrag von 818 EUR zuzüglich Umsatzsteuer, Betriebskosten und Abgaben vereinbart, wobei die Erstbeklagte darauf verzichtete, eigene Forderungen gegen die Mietzinsforderungen der Klägerin aufzurechnen. Im Mietvertrag ist festgehalten, dass das Mietverhältnis am 1. Juni 2018 beginnt, auf zehn Jahre befristet abgeschlossen wird und am 31. Mai 2028 endet. Es sollte unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten jeweils zum Halbjahr kündbar sein. Die Mieterin verzichtete jedoch darauf, bis 31. Mai 2028 eine Kündigung auszusprechen.

[2] Vor Abschluss des Mietvertrags äußerte die Erstbeklagte (bzw der Zweitbeklagte als ihr Komplementär) den Wunsch einer „Ausstiegsmöglichkeit“, weil sie nicht sicher war, ob sie eine Lizenz für den Betrieb des Wettlokals erhalten und sich das Geschäft (wie erwartet) entwickeln werde. Die Klägerin (deren Geschäftsführer) sagte zu, sich das zu überlegen; dass sie zusagte, eine Kündigung mit einer Frist von sechs Monaten wäre möglich, wenn das Geschäft(slokal) nicht gut laufe, war nicht feststellbar.

[3] Am 17. Mai 2018 übermittelte die Klägerin sodann folgendes E‑Mail an die Erstbeklagte:

„... lt. letztwöchigem Telefonat [...] können wir wie folgt festhalten.

Die [Klägerin] bestätigt der [Erstbeklagten] sollte es aus irgendeinem Grund, der aus heutiger Sicht noch nicht absehbar ist, die [Erstbeklagte] ihren derzeitigen Betrieb des Geschäftslokales als Sportwettenlokal nicht mehr betreiben können, falls dies gesetzlich verboten wird, so ist man übereingekommen, dass die [Erstbeklagte] und die vermietende Partei [...] gemeinsam einen Nachmieter suchen, sofern dieser der Bonität entspricht.

Somit hat die [Erstbeklagte] das einmalige Recht, vorzeitig mit einer 6monatigen Kündigungsfrist den Mietvertrag aufzulösen.“

[4] Der Zweitbeklagte ging davon aus, dass damit eine einmalige Kündigung des Mietvertrags auch für den Fall möglich sei, dass sich der Standort nicht gut entwickelt. Er unterfertigte daher am 25. Mai 2018 den ihm vorliegenden Mietvertrag, sowohl im eigenen als auch im Namen der Erstbeklagten, ohne Änderungen vorzunehmen. Am 5. Juni 2018 unterfertigte die Klägerin den Mietvertrag und übermittelte ihn gemeinsam mit folgendem Schreiben an die Erstbeklagte:

„Wunschgemäß bestätigt die [Klägerin] der [Erstbeklagten] für den Fall, dass diese ihren Betrieb des Geschäftslokals als Sportwettenlokal gesetzlich nicht mehr betreiben darf, dass die [Erstbeklagte] und die vermietende Partei für die bestehenden Geschäftsräumlichkeiten gemeinsam einen Nachmieter suchen, sofern dieser der Bonität entspricht.

Somit hat die [Erstbeklagte] das einmalige Recht, vorzeitig mit einer 6monatigen Kündigungsfrist den Mietvertrag aufzulösen.“

[5] In der Folge betrieb die Erstbeklagte das Wettlokal ab zumindest April 2019. Sie schloss es allerdings im Dezember 2019 wieder, weil die Umsätze hinter den Erwartungen zurückblieben. Mit E‑Mail vom 11. November 2019 teilte der Zweitbeklagte dies dem neuen Eigentümer des Geschäftslokals mit und gab bekannt, dass das Bestandobjekt ab 1. Jänner 2020 zur Weitervermietung freistehe und bereits ein Nachmieter gesucht werde.

[6] Der neue Eigentümer des Geschäftslokals teilte dem Zweitbeklagten mit, dass die Kündigung des Mietvertrags aus diesem Grund weder möglich sei, noch akzeptiert werde und schrieb den Beklagten jeweils mit dem Monatsersten des Monats die fällig werdenden Mietzinse von (restlich) 664,60 EUR für April 2020, von je 1.236,95 EUR für die Monate Mai bis Dezember 2020 sowie von je 1.267,02 EUR für die Monate Jänner bis April 2021 vor. Die Beklagten beglichen die Mietzinse ab April 2020 nicht mehr. Der neue Eigentümer trat der Klägerin die ihr gegen die Beklagten zustehenden Mietzinsansprüche ab April 2020 samt Nebenforderungen ab.

[7] Die Klägerin begehrte nach Klageausdehnungen den der Höhe nach unstrittigen Betrag von 15.628,28 EUR sA an offenen Mietzinsen für die Monate April 2020 bis April 2021 sowie 60 EUR an Mahnspesen. Eine wirksame Kündigung des Bestandverhältnisses liege vor allem wegen des vereinbarten Kündigungsverzichts nicht vor. Aus den behördlich angeordneten Restriktionen anlässlich der COVID‑19‑Pandemie lasse sich schon deshalb kein Anspruch auf Mietzinsminderung ableiten, weil die Erstbeklagte das Wettlokal schon Ende 2019 wegen fehlender Rentabilität geschlossen habe und nur das Betreten eines Kundenbereichs untersagt gewesen sei. Die Haftung des Zweitbeklagten ergebe sich aus seiner Stellung als Komplementär der Erstbeklagten.

[8] Die Beklagten wandten zusammengefasst ein, dass der Erstbeklagten das Recht eingeräumt worden sei, den Mietvertrag wegen einer schlechten Standortentwicklung zu kündigen, was die Klägerin imE‑Mail vom 17. Mai 2018 auch bestätigt habe. Dass dieses missverständlich formuliert sei und den Inhalt der mündlichen Einigung nicht richtig wiedergebe, gehe zu Lasten der Klägerin. Eventualiter liege ein Erklärungsirrtum vor, der zu einer Vertragsanpassung nach § 872 ABGB berechtige. Demgemäß sei der Mietvertrag am 11. November 2019 wirksam gekündigt worden, sodass ab 11. Mai 2020 kein Mietzins mehr zu zahlen sei. Zudem sei das Betreten des Wettlokals von 16. März 2020 bis 30. April 2020 und von 3. November 2020 bis 18. Mai 2021 gänzlich untersagt gewesen, sodass während dieser Zeit ein Anspruch auf Mietzinsminderung von 100 % bestehe. Im Zeitraum von 1. Mai 2020 bis 2. November 2020 sei der Gebrauch des Wettlokals durch pandemiebedingte Verkehrsbeschränkungen (Einschränkung der Kundenzahl, Abstandsregeln, etc) eingeschränkt gewesen, was eine Mietzinsminderung von 80 % rechtfertige. Daran ändere nichts, dass das Bestandobjekt nicht genutzt worden sei, weil es nicht darauf ankomme, ob sich eine objektiv bestehende Gebrauchsbeeinträchtigung subjektiv auswirke; den Bestandnehmer treffe auch keine Nutzungspflicht. Allenfalls berechtigten Mietzinsforderungen hielt die Erstbeklagte eine Gegenforderung von 618,78 EUR an zu viel bezahltem Mietzins für März 2020 entgegen.

[9] Das Erstgericht erkannte die Klagsforderung mit 15.688,26 EUR als zu Recht bestehend, die Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend und verpflichtete die Beklagte zur Zahlung von 15.688,26 EUR sA. Gegen die Wirksamkeit des vereinbarten Kündigungsverzichts bestünden keine Bedenken. Die behauptete mündliche Vereinbarung über ein einmaliges Kündigungsrecht sei nicht zustande gekommen; eine solche sei auch dem E‑Mail der Klägerin vom 17. Mai 2018 nicht zu entnehmen. Tatsächlich sei die Möglichkeit zur Kündigung des Mietvertrags im Fall einer ungünstigen wirtschaftlichen Entwicklung daher nur der innere Wille des Zweitbeklagten gewesen. Den Nachweis eines abweichenden Willens beider Vertragsparteien hätten die Beklagten nicht erbracht. Ein von der Klägerin veranlasster Erklärungsirrtum liege ebenfalls nicht vor. Die begehrte Mietzinsminderung scheitere schon daran, dass das Wettlokal ab seiner Schließung im Dezember 2019 nicht mehr zum vereinbarten Zweck genutzt worden sei und dort auch kein Kundenkontakt (mehr) stattgefunden habe. Auf die allein in der Sphäre der Beklagten liegende Entscheidung, das Wettlokal aus rein wirtschaftlichen Erwägungen nicht mehr weiter zu betreiben, hätten die folgenden gesetzlichen und behördlichen Anordnungen im Zuge der COVID‑19‑Pandemie keinen Einfluss gehabt.

[10] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung mit der Maßgabe, dass die Klagsforderung nur mit 15.628,28 EUR zu Recht bestehe und die Beklagten auch nur zur Zahlung dieses Betrags sA verpflichtet seien. Aus dem E-Mail vom 17. Mai 2018 gehe deutlich hervor, dass die Beklagten nur dann zur Kündigung berechtigt sein sollten, wenn der Betrieb des Wettlokals gesetzlich untersagt werde. Für die Anwendung des § 915 ABGB bestehe demnach kein Anlass. Die Übermittlung des E‑Mails vom 17. Mai 2018 stelle auch keine Veranlassung eines Erklärungsirrtums dar. Die angestrebte Mietzinsminderung scheide aus, weil der Tatbestand des § 1104 ABGB nicht erfüllt sei, wenn nur eine denkbare Gebrauchsmöglichkeit eingeschränkt sei. Den Nachweis, dass „die Seuche“ den bedungenen Gebrauch des Bestandobjekts beeinträchtigt habe, hätten die Beklagten nicht erbracht, stehe doch fest, dass das Wettlokal schon im Dezember 2019 geschlossen worden sei. Der Umstand, dass das Erstgericht die von ihm abgewiesene Nebenforderung von 60 EUR vom zuerkannten Betrag nicht abgezogen habe, könne im Rahmen einer Maßgabenbestätigung richtig gestellt werden.

[11] Die Revision ließ das Berufungsgericht zu, weil der Oberste Gerichtshof zur Mietzinsminderung außerhalb der Zeiten eines Lockdowns noch nicht Stellung genommen habe.

[12] In ihrer Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung beantragen die Beklagten, die Entscheidungen der Vorinstanzen dahin abzuändern, dass die Klagsforderung als zur Gänze nicht bestehend festgestellt und die Klage abgewiesen werde. Hilfsweise stellen sie auch Aufhebungsanträge.

[13] In ihrer Revisionsbeantwortung beantragt die Klägerin, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr keine Folge zu geben.

[14] Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig. Sie ist aber nicht berechtigt.

1. Zur Vertragsauslegung

Rechtliche Beurteilung

[15] 1.1 Die Beklagten ziehen in der Revision nicht in Zweifel, dass eine Willenserklärung letztlich so zu verstehen ist, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht (RIS‑Justiz RS0017915 [T3]). Darauf aufbauend kommt es für das Verständnis der Vertragserklärungen darauf an, welchen Sinn Erklärungen bei objektiver Beurteilung der Sachlage notwendigerweise für den Empfänger haben mussten, wie sie also für einen redlichen und verständigen Vertragspartner zu verstehen waren (RS0017781; RS0113932 [T1]). Darauf, was der Erklärende (subjektiv) erklären wollte oder was der Erklärungsempfänger darunter verstanden hat, also auf deren (nicht offengelegte) subjektive Absicht, kommt es nicht an (RS0014205 [T30]).

[16] 1.2 Vor dem Hintergrund dieser Grundsätze ist die Ansicht der Vorinstanzen, bei objektiver Betrachtung ergebe sich aus dem E‑Mail der Klägerin vom 17. Mai 2018 weder eine uneingeschränkte Kündigungsmöglichkeit „aus irgendeinem Grund“ noch bei einer („noch nicht absehbaren“) ungünstigen wirtschaftlichen Entwicklung des Standorts, sondern nur für den Fall, dass der Betrieb des Wettlokals „gesetzlich verboten“ wird, ist nicht zu beanstanden. Dem setzen die Beklagten auch nichts Stichhältiges entgegen. Ihr Hauptargument, die wesentlichen Passagen des E-Mails seien derart unbestimmt, dass die Erklärung insgesamt die exegetischen Fähigkeiten eines durchschnittlichen Empfängers übersteige, ist nicht tragfähig, weil die Bedeutung der einzelnen Worte – mangels eines abweichenden Parteiwillens – nicht isoliert, sondern in ihrem Zusammenhang zu betrachten ist (RS0017831). Dem trägt die Beurteilung des Berufungsgerichts Rechnung, die eingangs des E‑Mails vom 17. Mai 2018 gewählte Formulierung sei zwar weit gefasst, im Anschluss aber klar darauf eingeschränkt worden, dass eine Kündigung nur dann möglich sein soll, wenn der Betrieb des Wettlokals gesetzlich untersagt wird.

[17] 1.3 Ausgehend von dem Verständnis der Vorinstanzen in Bezug auf den Vertragsinhalt verbleibt für die in der Revision geforderte Anwendung der nur subsidiär heranzuziehenden Zweifelsregel des § 915 Satz 2 ABGB kein Raum (RS0017752; RS0109295; RS0017951).

2. Zur Irrtumsanfechtung

[18] 2.1 Nach ständiger Rechtsprechung setzt die Veranlassung eines nach § 871 ABGB beachtlichen Irrtums voraus, dass das Verhalten der Gegenseite für die Entstehung des Irrtums adäquat ursächlich war (RS0016195; RS0016188). Das trifft bei der Vorformulierung einer in jeder Hinsicht eindeutigen Vertragserklärung nicht zu (RS0016195 [T5]; 8 ObA 33/18p).

[19] 2.2 Wenn die Vorinstanzen daher davon ausgingen, dass im E‑Mail vom 17. Mai 2018 keine Veranlassung eines Erklärungsirrtums gelegen sei, entspricht das der dargestellten Rechtsprechung. Entgegen der Ansicht der Beklagten bestand keine Notwendigkeit für einen ausdrücklichen Hinweis der Klägerin, dem Wunsch der Beklagten nach einer Ausstiegsmöglichkeit für den Fall eines schlechten Geschäftsverlaufs nicht zu entsprechen. Abgesehen davon beschäftigen sich die Beklagten nicht mit der selbständig tragfähigen Hilfsbegründung der Vorinstanzen, ein etwaiger Irrtum sei durch das folgende Schreiben vom 5. Juni 2018 aufgeklärt worden, sodass sie auch aus diesem Grund keine unrichtige rechtliche Beurteilung der Entscheidung über die Irrtumseinwendung aufzeigen (RS0118709). Dazu kommt, dass sie nie behauptet haben, die Klägerin wäre bereit gewesen, auch zu den Bedingungen, die nunmehr im Rahmen der (allein) begehrten Vertragsanpassung angestrebt werden, zu kontrahieren (RS0016237 [T4]; RS0014770 [T4, T10]). Auch daran scheitert die Geltendmachung eines Irrtums.

3. Zur Mietzinsminderung

[20] 3.1 Die §§ 1104, 1105 und 1107 ABGB enthalten Regeln über die Gefahrtragung beim Bestandvertrag (Höllwerth in GeKo Wohnrecht Ⅰ § 1104 ABGB Rz 3; Lovrek in Rummel/Lukas 4 § 1108 ABGB Rz 1; Tamerl, Die Gefahrtragung im Bestandrecht im Lichte der COVID‑19‑Pandemie, Zak 2020/190, 106). Wenn die in Bestand genommene Sache wegen „außerordentlicher Zufälle“, wie etwa wegen einer Seuche – wozu auch die COVID‑19‑Pandemie zählt (RS0133812) – gar nicht gebraucht oder benutzt werden kann, ist der Bestandgeber gemäß § 1104 ABGB nicht zur Wiederherstellung verpflichtet, doch ist auch kein Miet‑ oder Pachtzins zu entrichten. Ist das Mietobjekt wegen eines solchen außerordentlichen Zufalls nur eingeschränkt brauchbar, so ist der Mietzins verhältnismäßig zu mindern (§ 1105 ABGB).

[21] 3.2 Von den Sondernormen der §§ 1104 f ABGB ist die Bestimmung des § 1107 ABGB zu unterscheiden. Wird der Gebrauch des Bestandgegenstands nicht wegen dessen Beschädigung oder sonst entstandener Unbrauchbarkeit, sondern aus einem dem Bestandnehmer zugestoßenen Hindernis oder Unglücksfall vereitelt, fällt dies nach § 1107 ABGB dem Bestandnehmer zur Last (Tamerl, Zak 2020, 106 [106 f]; Hochleitner, Die Auswirkungen von COVID‑19 auf Geschäftsraummieter und Pächter, ÖJZ 2020, 533 [536]; Fadinger/Seeber, COVID‑19 alleine reicht nicht für eine Mietzinsminderung gemäß §§ 1104 f ABGB, wobl 2020, 189 [191]; Flume/Laimer, Periculum est locatoris, ImmoZak 2020, 28 [29]). Demnach ist eine Bestandzinsminderung ausgeschlossen, wenn die Gebrauchsbeeinträchtigung aus der Sphäre des Bestandnehmers stammt und damit (bloß) eine subjektive Unbrauchbarkeit der Bestandsache vorliegt. In diesem Fall, in dem der Bestandnehmer verhindert ist, das an sich benützbare Bestandobjekt zu nutzen oder zu gebrauchen, fällt das Zinsrisiko nach § 1107 ABGB ihm zu, sodass er den Zins zu zahlen hat, obgleich er gar keinen oder nur einen verringerten Gebrauchsnutzen hat (1 Ob 306/02k [Pkt 3.2]; Pesek in Schwimann/Kodek 5 § 1107 ABGB Rz 1).

[22] 4. Zutreffend weisen die beklagten Parteien darauf hin, dass die Benützbarkeit bzw Unbenützbarkeit des Bestandobjekts – ausgehend vom vereinbarten Geschäftszweck – nach einem objektiven Maßstab zu beurteilen ist (8 Ob 131/21d = RS0021044 [T4]).

[23] Im vorliegenden Fall geht es aber nicht um die Frage, ob das Bestandobjekt während Zeiten behördlicher Betretungsverbote und Zugangsbeschränkungen objektiv unbenutzbar wurde. Vielmehr hat die Erstbeklagte das Geschäftslokal bereits im Dezember 2019, und damit vor Beginn der Corona‑Pandemie, aufgrund des Umstands geschlossen, dass die Umsätze hinter den Erwartungen geblieben waren. Die Erstbeklagte nutzte demnach den Bestandgegenstand bereits aus allein in ihrer Person gelegenen Gründen nicht. Nach den Festellungen hätte das Bestandobjekt – zumindest im Zeitpunkt der Betriebsschließung im Jahr 2019 – vertragsgemäß genutzt werden dürfen und können. Geschlossen wurde das Geschäftslokal nicht aufgrund pandemiebedingter Maßnahmen, sondern allein aufgrund einer unternehmerischen Entscheidung der Bestandnehmerin.

[24] Es mag sein, dass der Erstbeklagten in den Zeiträumen, in denen wegen der Pandemie Betretungsverbote und Betretungsbeschränkungen verordnet waren, eine Wiederaufnahme des Betriebs nur eingeschränkt möglich gewesen wäre. Sie hat allerdings nicht vorgebracht, dass sie eine solche Wiederaufnahme des Betriebs überhaupt angestrebt hätte. Auch die Nichtnutzung in den Zeiten der Betretungsverbote und ‑beschränkungen geht demnach auf die bereits früher getroffene unternehmerische Entscheidung zurück, das Geschäftslokal aus wirtschaftlichen Gründen zu schließen. Die Preisgefahr des Bestandgebers muss aber dort enden, wo unternehmerische Entscheidungen des Bestandnehmers die Folgen bestimmen, weil diese Entscheidungen außerhalb der Ingerenz des Bestandgebers liegen (Singer/Kessler, Erstes Urteil zu § 1104 ABGB, aber noch viele Fragen, immolex 2020, 386, [390]).

[25] 5. Die in der Revision angeführten Entscheidungen 8 Ob 90/10h und 8 Ob 85/17h beziehen sich nicht auf die Gefahrtragung, sondern auf die Beurteilung des Vorliegens von Mängeln am Bestandgegenstand, konkret der elektrischen Anlagen.

[26] 6. Insgesamt entspricht die angefochtene Entscheidung der Rechtslage.

[27] 7. Zu dem trotz des vertraglichen Aufrechnungsverbots erfolgten Ausspruch über den (Nicht‑)Bestand der Gegenforderung enthielt schon die Berufung der Beklagten keine Ausführungen, sodass nicht weiter darauf einzugehen ist.

[28] 8. Der Revision der Beklagten ist daher nicht Folge zu geben.

[29] Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1, § 50 Abs 1 ZPO.

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