OGH 11Os59/22v

OGH11Os59/22v28.7.2022

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Juli 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Ristic, BA, als Schriftführerin in der Strafsache gegen * S* wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 1, 130 Abs 2 erster und zweiter Fall (iVm Abs 1 erster Fall), 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 23. März 2022, GZ 65 Hv 17/22s‑127, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0110OS00059.22V.0728.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * S* des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 1, 130 Abs 2 erster und zweiter Fall (iVm Abs 1 erster Fall), 15 StGB schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in B* im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit * M* mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz gewerbsmäßig (§ 70 Abs 1 Z 1 StGB) Verfügungsberechtigten der Parfümerie B* GmbH fremde bewegliche Sachen in einem 5.000 Euro übersteigenden Wert durch Einbruch weggenommen und wegzunehmen versucht, und zwar

1./ am 17. August 2021 durch Aufbrechen der Nebeneingangstür mit einem Brecheisen und einem Schraubenzieher Parfümerieartikel und Kleidung im Wert von 38.161,96 Euro und 300 Euro Bargeld, wobei es in Bezug auf weitere in Müllsäcken zum Abtransport bereitgestellte Parfümerieartikel im Wert von ca 191.000 Euro beim Versuch blieb;

2./ am 18. August 2021 durch Aufbrechen der Haupteingangstür mit einem Brecheisen bzw Schraubenzieher 300 Euro Bargeld, wobei die Tat in Bezug auf in Müllsäcken zum Abtransport bereitgestellte hochpreisige Kosmetikartikel im Gesamtwert von ca 30.000 Euro beim Versuch blieb.

Rechtliche Beurteilung

 

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

[4] Die gesetzmäßige Ausführung eines materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei der Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung (RIS‑Justiz RS0099810). Ausgehend von der Gesamtheit der in den Entscheidungsgründen getroffenen Feststellungen ist zur Geltendmachung eines aus Z 9 oder Z 10 gerügten Fehlers klarzustellen, aus welchen ausdrücklich zu bezeichnenden Tatsachen (einschließlich der Nichtfeststellung von Tatsachen) welche rechtliche Konsequenz (§§ 259, 260 Abs 1 Z 2 StPO) hätte abgeleitet werden sollen (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 581, 584). Die angestrebte rechtliche Konsequenz ist methodisch vertretbar aus dem Gesetz abzuleiten (RIS‑Justiz RS0116565, RS0116569).

[5] Die Subsumtionsrüge (Z 10) bestreitet – mit der Argumentation, dass es sich bei einem Brecheisen um ein handelsübliches, preiswertes und keine besonderen Fertigkeiten verlangendes Werkzeug handle, dessen Mitführen oder Beherrschen daher nicht ungewöhnlich sei, und die Rückkehr an den Tatort in der folgenden Nacht „leichtsinnig“ und daher nicht „professionell“ gewesen sei – eine Tatbegehung unter Einsatz besonderer Mittel, die eine wiederkehrende Begehung nahelegen (§ 70 Abs 1 Z 1 StGB). Sie hält dabei nicht am Urteilssachverhalt fest, wonach sich (der keiner geregelten Tätigkeit nachgehende und international über Jahrzehnte massiv einschlägig vorbestrafte – US 2 f) S* und sein Mittäter jeweils in den frühen Morgenstunden zielgerichtet zur Parfumerie „B*“ begaben und die verschlossene Neben‑ bzw Haupteingangstüre unter Verwendung eines Brecheisens aufbrachen (US 3), somit bei beiden Angriffen zwar ein allgemein gebräuchliches Werkzeug verwendeten, dessen Mitführen aber – ohne Diebstahlsplan – als situationsbezogen (nämlich ohne handwerksbezogenen Hintergrund) ungewöhnlich zu beurteilen und nur mit geübter oder wohlüberlegter Herangehensweise des Täters zu erklären ist (vgl RIS-Justiz RS0132006RS0130766).

[6] Demgegenüber behauptet die Rüge unter Berufung auf Lehrmeinungen (Venier, JSt 2016, 450 [452]; Leukauf/Steininger/Tipold, StGB4 § 70 Rz 6; Kohlreiter, Gewerbsmäßige Begehung neu: Zur Auslegung des § 70 StGB idF des StRÄG 2015, ÖJZ 2017/113, 809 [811 f]; Walser, Kernfragen der Gewerbsmäßigkeit, ÖJZ 2017/58, 404 [407]), dass nur speziell für die kriminelle Berufstätigkeit hergestellte oder präparierte Werkzeuge und Hilfsmittel, spezifisch gefährliche Gegenstände iSd § 26 StGB oder mit so hohem (finanziellen) Aufwand erworbene Instrumente, dass ihr Einsatz für nur eine Tat unvernünftig erscheint, als besondere Mittel iSd § 70 Abs 1 Z 1 StGB zu qualifizieren seien.

[7] Sie setzt sich argumentativ nicht mit der (eben jene Lehrmeinungen bereits berücksichtigenden: [ua] 12 Os 50/18x, 14 Os 3/18z) Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs auseinander und legt demgemäß nicht juristisch aufgreifbar dar, aus welchem Grund das festgestellte Täterverhalten nicht wiederkehrende Begehung nahelegte (erneut RIS‑Justiz RS0132006RS0130766; vgl auch Jerabek/Ropper in WK2 StGB § 70 Rz 13/2, Stricker in WK2 StGB § 130 Rz 45). Die Rüge entzieht sich damit weiterer sachbezogener Erörterung in einem Gerichtstag (vgl 11 Os 121/19g ua; RIS‑Justiz RS0100202).

[8] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO). Zur Abrundung sei bemerkt, dass gerade der gegenständliche Sachverhalt keinen Grund bietet für ein Abgehen von der bisher vom Obersten Gerichtshof geübten Interpretation des § 70 Abs 1 Z 1 StGB zu Gunsten der zitierten Lehrmeinungen (die „nahelegen“ nach dem Wortsinn [lt Duden ua „vermuten lassen“] und unter Bedacht auf die Begleitumstände des jeweiligen [hier s.o.] Straffalls [s etwa 14 Os 3/18z] zu eng im Sinne von „erfordern“ bzw „voraussetzen“ lesen), zumal Einbruch (§ 129 Abs 1 StGB) keineswegs zwingend bestimmte Fähigkeiten und Mittel voraussetzt.

[9] Hinzugefügt sei, dass der Beschluss auf Zurückweisung des Anschlusses wegen privatrechtlicher Ansprüche (§ 67 Abs 4 Z 3 StPO) – unter dem Aspekt der Nichtigkeitsbeschwerde bedeutungslos – verfehlt (Danek/Mann, WK-StPO § 270 Rz 18/5 und Rz 50; 14 Os 29/21b, 13 Os 119/20d) in die Urteilsausfertigung aufgenommen wurde.

[10] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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