European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0120OS00050.18X.0705.000
Spruch:
In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerden wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt,
– hinsichtlich des Angeklagten Rustam K***** im Schuldspruch I./ und demgemäß in dem diesen Angeklagten betreffenden Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufgehoben, insoweit eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache dazu an das Landesgericht St. Pölten verwiesen;
– hinsichtlich des Angeklagten Nazim M***** in der Subsumtion seiner von den Schuldsprüchen I./, II./, III./A./ und III./C./ erfassten Taten nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 1 und Z 2, Abs 4 erster Fall FPG idF BGBl I 2017/145 sowie in dem diesen Angeklagten betreffenden Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufgehoben und in der Sache selbst erkannt:
Nazim M***** hat durch die ihm zu I./, II./, III./A./ und III./C./ angelasteten Taten die Verbrechen der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 1, Abs 4 erster Fall FPG idF BGBl I 2013/144 begangen. Er wird hierfür und für das ihm weiterhin zur Last liegende Verbrechen der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 1, Z 2 und Z 3, Abs 4 erster und zweiter Fall FPG idF BGBl I 2017/145 (III./B./) unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 114 Abs 4 FPG zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt.
Die Anrechnung der Vorhaft wird dem Erstgericht überlassen.
Im Übrigen werden die Nichtigkeitsbeschwerden verworfen.
Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten auf diese Entscheidung verwiesen.
Nazim M***** und Rustam K***** fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden Nazim M***** der Verbrechen der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 1 und Z 2, Abs 4 erster Fall FPG (I./, II./, III./A/, III./C/) sowie eines Verbrechens der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 1, Z 2 und Z 3, Abs 4 erster und zweiter Fall FPG (III./B/) und Rustam K***** der Verbrechen der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 1 und Z 2, Abs 4 erster Fall FPG (I./ und II./) sowie des Verbrechens der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 1 bis Z 3, Abs 4 erster Fall FPG (IV./) schuldig erkannt.
Danach haben in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung der Schlepperei nach § 114 Abs 1 FPG, die sie überdies jeweils in Bezug auf mindestens drei Fremde verübten, längere Zeit hindurch ein nicht bloß geringfügiges, nach jährlicher Durchschnittsbetrachtung monatlich 400 Euro übersteigendes, fortlaufendes Einkommen zu verschaffen, wobei sie unter Einsatz besonderer Mittel handelten, die eine wiederkehrende Begehung nahelegen, nämlich eigens für die Schlepperei angeschaffter PKW und Lieferwagen sowie unter Ausnutzung ihrer Kontakte zu Schlepperorganisatoren und Zubringern, sie ferner zwei weitere solche Taten schon im Einzelnen geplant hatten und mehr als zwei solche Taten begangen hatten, und unter Begehung der Schlepperei als Mitglied einer kriminellen Vereinigung, bestehend aus mehreren weiteren, abgesondert verfolgten Personen, die die Schleppung von Fremden organisierten und durchführten, die bereits in die Türkei eingereist waren, um über Bulgarien und Serbien nach Ungarn in west- und südeuropäische Länder wie etwa Italien, Österreich und Deutschland zwecks illegaler Immigration weiterzureisen, und weiteren Personen, welche die Fremden nach Passieren der serbisch-ungarischen Grenze auf ungarischem Staatsgebiet übernahmen und entweder als Lenker von Personenkraftwagen oder Kastenwagen die Beförderung über die ungarisch-österreichische Grenze und allenfalls weiter nach Italien und Deutschland durchführten bzw als Fahrer von Begleitfahrzeugen fungierten, die rechtswidrige Einreise und Durchreise von Fremden vorwiegend iranischer, irakischer, syrischer, afghanischer und pakistanischer Herkunft in und durch einen Mitgliedstaat der Europäischen Union mit dem Vorsatz gefördert, sich oder einen Dritten durch ein dafür geleistetes Entgelt unrechtmäßig zu bereichern, und zwar
I./ Nazim M***** und Rustam K***** in einverständlichem Zusammenwirken nachts zum 19. Mai 2015 mit den gesondert verfolgten Shehzad A***** und Imtiaz Al*****, indem sie beide die Beförderung von insgesamt zumindest sieben Fremden von Ungarn über Österreich nach Italien organisierten und ihre Fahrer Shehzad A*****, der zumindest drei Fremde beförderte, und Imtiaz Al*****, der zumindest vier Fremde beförderte, anwiesen, die Fremden mit ihren beiden PKW von Ungarn nach Italien zu bringen;
II./ Nazim M***** und Rustam K***** teils in einverständlichem Zusammenwirken, teils alleine, im Zeitraum von zumindest Juli bis August 2015, indem sie über die sonstigen Fakten des Urteilstenors hinausgehend ihre PKW zur wiederholten Beförderung von jeweils zumindest drei Fremden pro Fahrzeug und Fahrt von Ungarn nach Österreich und allenfalls weiter nach Italien und Deutschland durch nicht ausgeforschte Fahrer zum Einsatz brachten, wobei die Fahrten nicht mehr näher zuordenbar teils durch den Einsatz beider Fahrzeuge und nach gemeinsam gefasstem Entschluss, teils alleine veranlasst wurden, wobei insgesamt von beiden Angeklagten zumindest jeweils zehn solcher Fahrten durchgeführt wurden;
III./ Nazim M*****
A./ zwischen 14. und 16. August 2015, indem er als Lenker seines PKW gemeinsam mit Imtiaz Al***** als Beifahrer drei Fremde von Ungarn über Österreich nach Italien beförderte;
B./ nachts zum 21. August 2015 in einverständlichem Zusammenwirken mit den gesondert verfolgten Shehzad A***** und Imtiaz Al***** und weiteren Personen, die die Fremden nach Passieren der serbisch‑ungarischen Grenze Nazim M***** zuführten, indem er 34 Fremde von den Fahrern Imtiaz Al***** und Shehzad A***** im Laderaum eines Kastenwagens der Marke Ford Transit in einer etwa sechsstündigen Fahrt, ohne dass die Insassen das Fahrzeug verlassen durften, im von außen verschlossenen Laderaum bei unzureichender Luftzufuhr und mangelhafter Versorgung mit Wasser und völlig beengten Platzverhältnissen von durchschnittlich 0,29 Kubikmeter pro Person, somit auf eine Art und Weise, durch die die Fremden, insbesondere während der Beförderung, längere Zeit hindurch in einen qualvollen Zustand versetzt wurden, wobei die Tat überdies auf eine Art und Weise begangen wurde, dass dabei das Leben der Fremden, auf die sich die strafbare Handlung bezieht, gefährdet wird, als das für eine Nutzlast bis zu 1.506 Kilogramm zugelassene Fahrzeug mit dem Transport von 34 überwiegend erwachsenen Personen massiv überladen war, wodurch der mit schlechten Reifen ausgestattete Transporter durch das Übergewicht im Heckbereich des Fahrzeugs schwergängiger und weniger direkt ansprechend lenkbar wurde, sodass Imtiaz Al***** aufgrund eines Reifenplatzers bei relativ überhöhter Geschwindigkeit von zumindest 120 km/h auf der A1 Westautobahn, Fahrtrichtung L*****, im Stadtgebiet A*****, die Beherrschung über das Fahrzeug verlor, ins Schleudern geriet und nach einem Anprall gegen die Betonmittelwand der Autobahn auf die linke Seite kippte und in der Folge nach rechts quer über die gesamte Fahrbahn schlitterte, sodass, nachdem die Heckklappentüren teilweise aus der Verankerung gerissen und einige Personen aus dem Fahrzeug auf die Fahrbahn der Autobahn geschleudert wurden, 26 Personen im Einzelnen nicht mehr näher feststellbare Verletzungen wie zumindest Prellungen und Schürfwunden bzw Hämatome davontrugen;
C./ nachts zum 28. August 2015, indem er mit seinem PKW drei Fremde von Ungarn aus über Österreich nach Italien beförderte;
IV./ Rustam K***** alleine am 23. August 2015 in einverständlichem Zusammenwirken mit dem gesondert verfolgten Altaf Ah***** und weiteren, nicht ausgeforschten Personen, die ihm die Fremden zur Weiterbeförderung nach Passieren der serbisch-ungarischen Grenze zuführten, indem er Altaf Ah***** anwies, 35 Fremde von Ungarn zumindest nach Österreich zu befördern, wobei die 35 Personen im völlig abgeschlossenen Laderaum eines Transporters der Marke Citroën Jumper bei unzureichender Sauerstoffversorgung mit einer Ladefläche von 7,29 Quadratmetern befördert wurden, sodass jeder Person eine Fläche von rund 0,21 Quadratmeter verblieb, sodass die Tat auf eine Art und Weise begangen wurde, durch die die Fremden, insbesondere während der Beförderung, längere Zeit hindurch in einen qualvollen Zustand versetzt wurden.
Dagegen richten sich die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten, die Nazim M***** auf Z 5, Z 9 lit a und Z 10 sowie Rustam K***** auf Z 5 und Z 9 lit a, jeweils des § 281 Abs 1 StPO, stützen. Sie sind teilweise berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Nazim M*****:
Die Mängelrüge (Z 5 erster Fall) bezieht sich mit der Behauptung der Undeutlichkeit der Feststellungen zur Höhe des exakten Fuhrlohns auf keine entscheidenden Tatsachen. Da das Erstgericht davon ausging, dass der Fuhrlohn jedenfalls – im Verhältnis zu ordnungsgemäß erbrachten Transportdienstleistungen – inadäquat war (US 10), spielt dessen konkrete Höhe („um 7.500 Euro“) keine Rolle. Im Übrigen setzt die Strafbarkeit wegen Schlepperei eine tatsächlich eingetretene Bereicherung (zumal des Täters selbst) nicht voraus (RIS-Justiz RS0131308), sondern nur einen darauf gerichteten Vorsatz. Demgemäß folgt aus der Nichtfeststellbarkeit der (konkreten) Höhe des Schlepperlohns noch nicht zwangsläufig der Entfall der Innentendenz (vgl 12 Os 100/17y).
Soweit der Beschwerdeführer auf vom Vorsitzenden protokollierte Verständigungsschwierigkeiten zwischen dem Zeugen Imtiaz Al***** und dem Dolmetsch in der Hauptverhandlung, die zu wiederholten Rückfragen führten (ON 63 AS 28), verweist, bezeichnet er angesichts dessen, dass das Erstgericht (zu III./B./) dessen Aussagen in Bezug auf die qualvollen Beförderungsbedingungen (§ 114 Abs 3 Z 3 FPG) und die Lebensgefahr (§ 114 Abs 4 FPG) als nachvollziehbar qualifiziert hat (US 28), gar keine unberücksichtigten, den schulderheblichen Annahmen der Tatrichter entgegenstehende Verfahrensergebnisse (Z 5 zweiter Fall). Weshalb aus wiederholten Rückfragen auf verbliebene Unklarheiten zu schließen sei, macht die Rüge im Übrigen nicht deutlich.
Ob die Fahrzeuge für die Schleppungen eigens angeschafft wurden oder bereits zur Verfügung standen, ist der weiteren Beschwerde (Z 5 dritter Fall) zuwider für das Vorliegen des Gewerbsmäßigkeitskriteriums nach § 70 Abs 1 Z 1 StGB (besonderes Mittel) nicht entscheidend, weil diese Vorschrift nur den Einsatz besonderer Mittel – dh die bloße Verwendung bei der Tat ( Jerabek/Ropper in WK 2 StGB § 70 Rz 13/2; Leukauf/Steininger/Tipold StGB 4 § 70 Rz 6) – erfordert.
Bleibt im Übrigen anzumerken, dass ein Mittel nach der Rechtsprechung dann eine „wiederkehrende Begehung“ im Sinn der genannten Vorschrift nahe legt, wenn es von der Professionalität des Täters zeugt. Es ist „besonders“ im Sinn der erwähnten Vorschrift, wenn ihr „Mitführen“ situationsbezogen ungewöhnlich und mit geübter oder wohlüberlegter Herangehensweise des Täters erklärt werden kann (RIS-Justiz RS0132006). Auch ein leicht erhältliches oder allgemein gebräuchliches Werkzeug kann unter § 70 Abs 1 Z 1 StGB fallen, wenn es in der konkreten Situation normalerweise nicht mitgeführt wird (14 Os 3/18z mwN; 13 Os 36/17v; so auch Jerabek/Ropper in WK² StGB § 70 Rz 13/2; vgl aber EBRV 689 BlgNR 25. GP 14 sowie Venier , JSt 2016, 450 [452]; Leukauf/Steininger/Tipold , StGB 4 § 70 Rz 6; Kohlreiter , Gewerbsmäßige Begehung neu: Zur Auslegung des § 70 StGB idF des StRÄG 2015, ÖJZ 2017/113, 809 [811 f]; Walser , Kernfragen der Gewerbsmäßigkeit, ÖJZ 2017/58, 404 [407], die – zusammengefasst – nur speziell für die kriminelle Berufstätigkeit hergestellte oder präparierte Werkzeuge und Hilfsmittel, spezifisch gefährliche Gegenstände im Sinn des § 26 StGB oder mit so hohem [finanziellen] Aufwand erworbene Instrumente, dass ihr Einsatz nur für eine Tat als unvernünftig erscheint, als besondere Mittel im Sinn des § 70 Abs 1 Z 1 StGB beurteilen). Auf den vorliegenden Fall übertragen bedeutet das, dass der Einsatz eines nicht für den Personentransport zugelassenen Lieferwagens (US 15, 20, 29) bei Schleppereifahrten mit im Frachtraum beförderten Fremden ohne weiteres als ein von § 70 Abs 1 Z 1 StGB erfasstes Mittel zu qualifizieren ist.
Die pauschale Kritik an der Urteilsannahme „zur Herkunft“ lässt offen, welche entscheidende Tatsache angesprochen werden soll.
Soweit der Beschwerdeführer isoliert jene Urteilspassagen bemängelt (Z 5 vierter Fall), in denen sich die Tatrichter auf „Erfahrungstatsachen“ und „gerichtsnotorische Tatsachen und Erfahrungen“ berufen (US 24, 26), sei vorangestellt, dass eine Mängelrüge nur dann gesetzmäßig ausgeführt wird, wenn sie die Gesamtheit der Entscheidungsgründe berücksichtigt (RIS-Justiz RS0119370). An diesen Anfechtungsvoraussetzungen scheitert das Rechtsmittel, weil die Tatrichter die Konstatierungen zur rechtswidrigen Ein- und Durchreise und zur Tatbegehung als Mitglied einer kriminellen Vereinigung (§ 114 Abs 4 erster Fall FPG) keineswegs nur auf Gerichtsnotorietät gestützt haben, sondern – was die Beschwerde unberücksichtigt lässt – weitere Verfahrensergebnisse (vgl US 20 ff: fremdenpolizeiliche Kontrolle des Angeklagten; vgl US 25 f, 31: Angaben von Belastungszeugen) Berücksichtigung fanden.
Ebensowenig trifft der Rechtsmitteleinwand zu, das Erstgericht habe die Urteilsannahmen zum Bereicherungsvorsatz der Angeklagten auf eine diesen gegenüber nicht offen gelegte Gerichtsnotorietät gestützt (Z 5 vierter Fall). Denn die Beschwerde übersieht (vgl erneut RIS‑Justiz RS0119370), dass sich die Tatrichter insoweit auf – den allgemein bekannten Umstand (vgl RIS-Justiz RS0119094 [T11]) – des vielfach überhöhten Transportentgelts bezogen (US 25, 28, 31).
Der Rechtsrüge (Z 9 lit a) zuwider hat das Erstgericht sehr wohl Feststellungen zur Rechtswidrigkeit der Ein- und Durchreise von Fremden getroffen (vgl US 12, 18, 26, 31).
Im Recht ist allerdings die Subsumtionsrüge (Z 10), soweit sie mit Blick auf §§ 1, 61 StGB die verfehlte Anwendung des Urteilszeitrechts in Bezug auf die Schuldsprüche I./, II./ III./A./ und III./C./ moniert. Beim Günstigkeitsvergleich ist streng fallbezogen in einer konkreten Gesamtschau der Unrechtsfolgen zu prüfen, welches Gesetz in seinen Gesamtauswirkungen für den Täter vorteilhafter wäre (RIS-Justiz RS0119545 [T1, T2]). Diese Prüfung schlägt zu Gunsten des Tatzeitrechts aus. Nach den Feststellungen liegt dem Angeklagten in objektiver und subjektiver Hinsicht zur Last, im Juli und August 2015 jeweils „sechs bis acht“ (I./: US 12), „drei bis vier“ (II./: US 11) oder „drei“ (III./A./: US 11; III./C./: US 16) Fremde geschleppt zu haben. Nach dem zu den jeweiligen Tatzeiten geltenden § 114 Abs 3 Z 2 FPG idF vor BGBl I 2015/121 war die Tat nach § 114 Abs 1 FPG nur dann entsprechend qualifiziert, wenn sie in Bezug auf eine „größere Zahl von Fremden“ begangen wurde, wobei hiefür ein Richtwert von etwa zehn Personen maßgeblich war (vgl 11 Os 151/15p mwN). Eine „Zusammenrechnung“ geschleppter Personen und die Bildung einer rechtlichen Subsumtionseinheit war vom Gesetz nicht vorgesehen (RIS-Justiz RS0130603). Damit erweist sich die Subsumtion der Taten nach der nunmehr geltenden (ungünstigeren) Fassung des § 114 Abs 3 Z 2 FPG als verfehlt, zumal nach den Feststellungen von einer tatbestandlichen Handlungseinheit (vgl RIS-Justiz RS0130603 [T1]) nicht auszugehen ist. Bleibt zu den gegenteiligen Erwägungen des Schöffengerichts anzumerken, dass die mittlerweile geänderte Rechtslage zur Gewerbsmäßigkeit (§ 114 Abs 3 Z 1 FPG iVm § 70 StGB) an diesem Ergebnis nichts ändert. Denn die Konstatierungen tragen die Annahme der Qualifikation nach § 114 Abs 3 Z 1 FPG sowohl in der geltenden Fassung als auch in jener vor BGBl I 2015/121. In seinen Gesamtauswirkungen (vgl erneut RIS-Justiz RS0119545; Höpfel in WK 2 StGB § 61 Rz 2) war damit das Tatzeitrecht im Hinblick auf die nicht erfüllte Qualifikation nach § 114 Abs 3 Z 2 FPG idF vor BGBl I 2015/121 günstiger.
Dieser Subsumtionsfehler führt – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – zur Urteilsaufhebung in Bezug auf die Schuldsprüche I./, II./ III./A./, III./C./ sowie des Strafausspruchs und zur Entscheidung in der Sache selbst wie im Spruch ersichtlich (§ 288 Abs 2 Z 3 StPO). Es bedurfte daher keines Eingehens auf die gegen die genannten Schuldsprüche gerichtete weitere Argumentation der Subsumtionsrüge (Z 10).
Soweit sich die Subsumtionsrüge (Z 10) im verbleibenden Umfang (Schuldspruch III./B./) gegen die Annahme der (objektiven) Gewerbsmäßigkeitskriterien nach § 70 Abs 1 Z 1 bis Z 3 StGB wendet, geht sie schon deshalb fehl (RIS-Justiz RS0099810), weil sie die Urteilsannahmen (US 31) zur konkreten Planung von Schleppereien (§ 70 Abs 1 Z 2 erster Fall StGB) übergeht.
Bleibt daher nur mehr der Vollständigkeit halber anzumerken, dass – bei vorliegend fünf deliktischen Angriffen im Sinn des § 114 Abs 1 FPG – das Beschwerdeargument, zweifache Tatbegehung gemäß § 70 Abs 1 Z 3 erster Fall StGB liege nicht vor, unverständlich ist. Zum behaupteten fehlenden Einsatz besonderer Mittel im Sinn des § 70 Abs 1 Z 1 StGB kann schließlich auf die obigen Ausführungen zur Mängelrüge verwiesen werden.
Soweit der Rechtsmittelwerber Feststellungen zum zeitlichen Element der Qualifikation nach § 114 Abs 3 Z 3 FPG („längere Zeit“) vermisst, erklärt er nicht, weshalb die Konstatierungen zur vier- bis sechsstündigen Beförderung (von nicht ausreichend mit Luft und Wasser versorgten Personen; US 13) dieses Tatbestandsmerkmal nicht tragen sollten.
Bei der erforderlichen Strafneubemessung wertete der Oberste Gerichtshof das Zusammentreffen von Verbrechen, die zusätzliche Erfüllung der nicht den Strafrahmen bestimmenden Qualifikationen nach § 114 Abs 3 Z 1 und Z 3 FPG, die zweifache Qualifikation nach § 114 Abs 4 FPG, die führende Beteiligung sowie den Umstand des mehrfachen quantitativen Überschreitens der Qualifikation nach § 114 Abs 3 Z 2 FPG idF vor BGBl I 2015/121 (Schuldspruch III./B./) erschwerend, mildernd die Unbescholtenheit des Angeklagten im Sinn des § 34 Abs 1 Z 2 StGB. Davon ausgehend erweist sich bei einem Strafrahmen von einem bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe eine solche von sieben Jahren als tat- und schuldangemessen sowie der Täterpersönlichkeit entsprechend.
Bleibt zu den auf § 34 Abs 2 StGB bezogenen Ausführungen des Angeklagten anzumerken, dass – mit Blick auf den erheblichen Aktenumfang und die Komplexität der gegen zwei Angeklagte erhobenen Vorwürfe wegen jeweils mehrerer Straftaten – der zwischen Rechtswirksamkeit der Anklage (30. Oktober 2017) und Beginn der Hauptverhandlung (10. Jänner 2018) liegende Zeitraum ebensowenig wie die Überschreitung der in § 270 Abs 1 StPO normierten Frist für die Ausfertigung des (hier 36-seitigen) Urteils eine ins Gewicht fallende grundrechtsrelevante Säumigkeit darstellt. Die Behauptung eines „fünfmonatigen Verfahrensstillstands“ in der Zeit zwischen der Verhaftung des Angeklagten in Spanien am 23. Mai 2017 und der Anklageerhebung am 6. Oktober 2017 trifft gleichfalls nicht zu. Denn insoweit blendet der Beschwerdeführer die auf die Verhängung der Untersuchungshaft bezogenen Tätigkeiten der Strafverfolungsorgane aus.
Die Anrechnung der Vorhaft kommt gemäß § 400 Abs 1 StPO dem Erstgericht zu.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Rustam K*****:
Die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) wendet zu Recht ein, dass das Erstgericht den Schuldspruch I./ auf die Angaben der Zeugen Altaf Ah***** und Imtiaz Al***** gestützt hat (US 21), obwohl diese den Angeklagten insoweit nicht belasteten. Dies erfordert – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – die Kassation des Schuldspruchs I./, womit auf die darauf bezogenen weiteren Rechtsmittelausführungen nicht mehr einzugehen war.
Im Übrigen verfehlt die Beschwerde jedoch ihr Ziel.
Entgegen der die Urteilsannahmen zum Vorliegen einer kriminellen Vereinigung (§ 114 Abs 4 erster Fall FPG) kritisierenden Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) ist es unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden, dass das Erstgericht die Konstatierungen zum zeitlichen Element des verpönten Zusammenschlusses (US 7, 9: „zumindest einige Wochen und Monate“) auf die Aussage des Altaf Ah***** stützte. Weshalb der Umstand, dass dieser Zeuge die Tätigkeiten des Angeklagten lediglich zehn Tage lang „verfolgen“ konnte (ON 3 AS 27), einer solchen Urteilsannahme entgegenstehen sollte, macht das Rechtsmittel nicht klar. Im Übrigen geht die Beschwerde auch an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe (RIS-Justiz RS0119370) vorbei. Denn die Tatrichter bezogen sich zudem auf die Angaben des genannten Zeugen und des Imtiaz Al***** zur Struktur der Vereinigung (US 26) und auf die gezielte und durchdachte Vorgehensweise (US 14).
Mit seiner Kritik an den Konstatierungen zum Bereicherungsvorsatz und den ihn angeblich überraschenden Erwägungen der Tatrichter zur Gerichtsnotorietät kann der Beschwerdeführer auf die Erledigung der diesbezüglichen Rechtsmitteleinwände des Angeklagten Nazim M***** verwiesen werden.
Das Vorbringen, wonach die Bezugnahme auf die Angaben des Zeugen Imtiaz Al***** im Hinblick auf die von diesem angeblich behauptete Organisation von zwei Schlepperfahrten pro Tag aktenwidrig (Z 5 fünfter Fall) sei, kann schon deshalb auf sich beruhen, weil sich der behauptete Widerspruch nicht auf die Feststellung entscheidender Tatsachen ausgewirkt hat (RIS-Justiz RS0099408). Denn das Erstgericht gelangte ohnedies zum Ergebnis, dass beiden Angeklagten „nicht mit der erforderlichen Sicherheit“ nachgewiesen werden könne, sie hätten „tatsächlich ein bis zwei Schlepperfahrten pro Tag organisiert und durchgeführt“ (US 22).
Der zum Schuldspruch IV./ erhobenen Subsumtionsrüge (nominell Z 9 lit a, der Sache nach Z 10) zuwider reichen die erstgerichtlichen Feststellungen betreffend die qualvollen Beförderungsmodalitäten (vgl US 13: „katastrophale Unterversorgung mit Sauerstoff“, „völlig unzureichende Versorgung mit Wasser“) für die Annahme eines qualvollen Zustands im Sinn des § 114 Abs 3 Z 3 FPG ohne weiteres aus. Weshalb – beim solcherart konstatierten Entzug lebensessentieller Grundlagen – noch weitere Konstatierung zu „Schmerzen, Leiden, Angstzuständen oder Depressionen“ erforderlich sein sollten, macht die Beschwerde nicht deutlich.
Die vermissten Feststellungen zur subjektiven Tatseite in Bezug auf die angesprochene Qualifikation finden sich auf US 33.
Bleibt – entgegen der Stellungnahme der Generalprokuratur – anzumerken, dass sich der (nur) vom Angeklagten Nazim M***** aufgezeigte Fehler bei der Subsumtion der zu II./ abgeurteilten Tat auch unter § 114 Abs 3 Z 2 FPG idgF (Z 10) nicht zum Nachteil des Angeklagten Rustam K***** ausgewirkt hat (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO; vgl RIS-Justiz RS0095389 [T2]; Hinterhofer/Oshidari , Strafverfahren Rz 9.251). Denn das Erstgericht hat diesem Angeklagten lediglich eine – bei Nichtberücksichtigung der genannten Vorschrift weiterhin gegebene – „mehrfach vorliegende Deliktsqualifikation“ als erschwerend angelastet (US 36). Eine amtswegige Maßnahme hatte daher zu unterbleiben. Insoweit besteht bei der neuerlichen Strafbemessung im zweiten Rechtsgang aber keine Bindung an den verfehlten Schuldspruch (vgl RIS-Justiz RS0118870).
Mit ihren Berufungen waren die Angeklagten auf diese Entscheidung zu verweisen.
Die Kostenentscheidung gründet auf § 390a Abs 1 StPO.
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