European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0050OB00098.22F.0714.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die Antragstellerin ist aufgrund eines mitder T* GmbH am 19. 9. 2019 abgeschlossenenKaufvertrags Alleineigentümerin einer Liegenschaft. Ihre Rechtsvorgängerin hatte die Liegenschaft ihrerseits mit Kaufvertrag vom 27. 6. 2018 von der Einschreiterin erworben, die seit 30. 8. 2005 Eigentümerin dieser Liegenschaft gewesen war. Alleiniger Geschäftsführer der Einschreiterin warvon 14. 4. 2005 bis 3. 3. 2022 A*, der zum Zeitpunkt der Veräußerung der Liegenschaft an die T* GmbH auch deren Gesellschafter gewesen war.
[2] Mit der Behauptung, A* habe die Gesellschaftsanteile für sie treuhändig gehalten und mit deren Abtretung und der Veräußerung der Liegenschaft treuwidrig gehandelt, zeigten die beiden Treugeber ihn bei der Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Untreue im Zusammenhang mit der Veräußerung der Liegenschaft an die T* GmbH an. Eine aufgrund dieses Strafverfahrens erfolgte Anmerkung nach § 66 GBG wurde mittlerweile wieder gelöscht.
[3] Aufgrund eines Antrags der nunmehrigen Einschreiterin bewilligte das Erstgericht zu TZ 8466/2020 neuerlich die Streitanmerkung gemäß § 66 GBG. Grundlage war (unter anderem) eine Sachverhaltsdarstellung der beiden Treugeber. Demnach habe die Antragstellerin zum Zeitpunkt des Liegenschaftsankaufs vom treuwidrigen Verhalten des A* gewusst, das Verhalten der Antragstellerin sei strafbar im Sinn des § 3 VbVG gewesen.
[4] Dem gegen die Bewilligung der Anmerkung erhobenen Rekurs der Antragstellerin gab das Rekursgericht nicht Folge.
[5] Nun begehrt die Antragstellerin als derzeitige Liegenschaftseigentümerin unter Vorlage einer Bestätigung vom 17. 12. 2020, wonach die Staatsanwaltschaft Wien nach der – näher bezeichneten – Anzeige der Treugeber mit Entscheidung vom 19. 11. 2020 von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen die Antragstellerin gemäß § 35c StAG abgesehen und kein Ermittlungsverfahren eingeleitet habe, die Löschung der Streitanmerkung gemäß § 66 GBG.
[6] Das Erstgericht bewilligte diesen Antrag.
[7] Das Rekursgericht gab dem dagegen erhobenen Rekurs der Einschreiterin nicht Folge. Es bejahte dessen Rechtzeitigkeit und die Rekurslegitimation der Einschreiterin. Diese habe die nun gelöschte Anmerkung aufgrund der gegen die Antragstellerin erstatteten Sachverhaltsdarstellung vom 2. 9. 2020 erwirkt. Die Staatsanwaltschaft habe zu dieser Anzeige von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abgesehen, was der Einstellung des Strafverfahrens gleichzuhalten sei. Die Löschung der Anmerkung sei daher im Sinn des § 67 letzter Satz GBG auf Antrag der dadurch belasteten Antragstellerin zu bewilligen gewesen.
[8] Den Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht mit der Begründung zu, zur Frage, ob eine Streitanmerkung gemäß § 66 GBG gelöscht werden dürfe, wenn auch gegen andere Personen als den die Anmerkung erwirkenden vormaligen Buchberechtigten ein Strafverfahren anhängig sei, das die bücherlichen Rechte des von der Anmerkung Betroffenen berührt, fehle höchstgerichtliche Rechtsprechung.
[9] In ihrem – nach dem am 19. 5. 2021 dem Erstgericht angezeigten Vollmachtswechsel von anderen rechtsfreundlichen Vertretern erhobenen – Revisionsrekurs strebt die Einschreiterin die Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen dahin an, dass der Löschungsantrag zurück‑, hilfsweise abgewiesen werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
[10] Die Antragstellerin äußerte in einem an das Erstgericht gerichteten Schriftsatz Zweifel an der wirksamen Bevollmächtigung des nunmehrigen Rechtsfreunds der Einschreiterin und regte eine amtswegige Prüfung an, ob für die Einbringung des Revisionsrekurses ein wirksamer Auftrag der Einschreiterin vorliege und wer die Einbringung dieses Schriftsatzes im Namen der Einschreiterin beauftragt habe. Der erkennende Senat veranlasste mit den Entscheidungen vom 23. 8. 2021 und 18. 11. 2021, 5 Ob 125/21z, derartige Erhebungen durch das Erstgericht. Nach deren Ergebnis ist eine wirksame Bevollmächtigung der nunmehrigen rechtsfreundlichen Vertreter der Einschreiterin nicht nachgewiesen.
Rechtliche Beurteilung
[11] 1. Nach ständiger Rechtsprechung des Fachsenats (RIS‑Justiz RS0035804) ist zwar hinsichtlich der Einschreitervollmacht auch in Grundbuchsachen § 30 Abs 2 ZPO anzuwenden. Der als Vertreter der Antragsteller einschreitende Rechtsanwalt, der sich gemäß § 8 RAO, § 30 Abs 2 ZPO und § 77 GBG auf die ihm erteilte Vollmacht zur Anbringung von Grundbuchsgesuchen beruft, hat durch diese Berufung seine Bevollmächtigung zur Anbringung eines Gesuchs dargetan (vgl RS0035804 [T8]). Wenn allerdings Zweifelan der Bevollmächtigung eines einschreitenden Rechtsanwalts bestehen, kann ihm die Vorlage der ihm erteilten Einschreitervollmacht im Sinn des auch in Grundbuchsachen geltenden § 37 ZPO aufgetragen werden (5 Ob 10/02k; 5 Ob 125/21z). Die Rechtsanwalts GmbH unddie Rechtsanwaltspartnerschaft können sich grundsätzlich ebenfalls auf § 30 Abs 2 ZPO berufen und müssen – vom Fall begründeter Zweifel abgesehen – weder organschaftliche Vertreter benennen noch für diese einen schriftlichen Vollmachtsnachweis vorlegen (5 Ob 242/05g). Grundsätzlich gilt die Erleichterung für den Rechtsanwalt (und den Notar) betreffend Vorlage eines schriftlichen Vollmachtsnachweises daher nur dann, wenn nicht begründete Zweifel an der Bevollmächtigung bestehen (vgl RS0035804 [T17]). Diese hier nach der Aktenlage bestehenden Zweifel (vgl 5 Ob 125/21z) haben sich durch die Erhebungen des Erstgerichts bestätigt.
[12] 2. Über Verbesserungsauftrag des Erstgerichts legten die Vertreter der Einschreiterin zunächst die ihnen (angeblich) von dieser erteilte Rechtsanwaltsvollmacht vom 19. 5. 2021 vor, in der die Einschreiterin als durch O* vertreten aufscheint. Die – unleserliche – Unterschrift ohne firmenmäßige Zeichnung stammt von (Dr.) O*. Über weiteren Verbesserungsauftrag, der sich insbesondere auf den Nachweis seiner Geschäftsführerposition bezog, behauptete die Einschreiterin in ihrem Schriftsatz vom 22. 3. 2022, seine Vertretungsbefugnis ergebe sich daraus, dass er mit Gesellschafterbeschluss vom 10. 10. 2018 zu ihrem Geschäftsführer bestellt worden sei. Zum Nachweis dafür legte sie einen Notariatsakt, einen Gesellschafterbeschluss und eine Firmenbuchanmeldung jeweils vom 10. 10. 2018 vor. Dieser Gesellschafterbeschluss wurde im Weg eines Umlaufbeschlusses gemäß § 34 GmbHG von den (angeblichen) Gesellschaftern P* und V* gefasst, wonach sie mit der Abstimmung im schriftlichen Weg einverstanden sind, den bisherigen Geschäftsführer der Einschreiterin Herrn A* mit sofortiger Wirkung abberufen, zum neuen Geschäftsführer Dr. O* bestellen sowie die Adresse der Gesellschaft ändern. Im Firmenbuch (FN *) wurden allerdings weder P* noch V* je als Gesellschafter eingetragen, auch Dr. O* schien dort nie und scheint nach wie vor nicht als Geschäftsführer auf. Seit 3. 3. 2022 ist nicht mehr A* Geschäftsführer, sondern Z*, derauch Alleingesellschafter ist.
[13] 3. Das GmbHG ordnet das Stimmrecht bei der Beschlussfassung der Gesellschafter jedem Gesellschafter zu. Wird ein Geschäftsanteil treuhänderisch gehalten, so ist nach unstrittiger Ansicht der Treuhänder, nicht der Treugeber stimmberechtigt (3 Ob 217/11z; Enzinger in Straube WK GmbHG § 39 Rz 19 mwN; Baumgartner/Mollnhuber/U. Torggler in U. Torggler GmbHG § 39 Rz 8). Ein Treugeber hat nicht etwa eine aus seiner gesellschafterähnlichen Stellung abgeleitete Teilrechtsposition innerhalb der Gesellschaft, Gesellschafter ist vielmehr ausschließlich der Treuhänder. Er allein ist Träger der gesellschaftlichen Rechte und Pflichten. Selbst bei einer offenen Treuhand besteht zwischen dem Treugeber und der Gesellschaft keine Rechtsbeziehung (RS0123563; 6 Ob 216/18k Pkt 1.4; 6 Ob 71/21s Rz 40). Gemäß § 78 Abs 1 GmbHG gilt daher im Verhältnis zur Gesellschaft nur derjenige als Gesellschafter, der im Firmenbuch als solcher aufscheint. Zur Stimmabgabe zugelassen sind nur Gesellschafter, die im Firmenbuch eingetragen sind (3 Ob 217/11z; Enzinger in Straube WK GmbHG § 39 Rz 20). Wirdein Beschluss von oder unter Beteiligung von Nichtgesellschaftern gefasst, so liegt nach der Rechtsprechung ein Scheinbeschluss vor, der keine Rechtswirkung entfaltet (6 Ob 33/20a Pkt 3.2, 3.3 mwN; RS0111764).
[14] 4. Der im Namen der Einschreiterin handelnde Dr. O* kann daher seine behauptete Geschäftsführungsbefugnis nicht aus dem Umlaufbeschluss vom 10. 10. 2018 ableiten, weil die darin als Gesellschafter bezeichneten Personen niemals im Firmenbuch als Gesellschafter eingetragen waren, sodass ihnen auch keine Berechtigung zur Stimmabgabe zukam. Die am gleichen Tag erklärte Annahme des Abtretungsangebots für die angeblich treuhändig gehaltenen Geschäftsanteile des A* reicht nach der zitierten Rechtsprechung für sich allein nicht aus, um eine aus der Gesellschafterstellung abgeleitete Stimmberechtigung zu bewirken. Die behauptete Treugeberstellung der beiden als Gesellschafter Genannten führt nach gesicherter Rechtsprechung ebenso wenig zu einer Stimmberechtigung. Der von den als Nichtgesellschafter anzusehenden Personen gefasste Umlaufbeschluss ist vielmehr wirkungslos (vgl auch 8 Ob 18/21m: Zurückweisung des gegen die Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über die Einschreiterin erhobenen Rechtsmittels mangels Nachweises der Stellung als Gesellschafter bzw Geschäftsführer). Der nie wirksam zum Geschäftsführer bestellte Dr. O* konnte daher auch nicht wirksam Prozessvollmacht für den Revisionsrekurs erteilen.
[15] 5. Damit war der Revisionsrekurs mangels ausreichenden Nachweises der Bevollmächtigung der für die Einschreiterin auftretenden Rechtsanwälte zurückzuweisen. Mangels zulässigen Rechtsmittels ist die Frage, ob die Vertretung der Einschreiterin im Rekursverfahren durch die Hausmaninger Kletter Rechtsanwälte GmbH noch auf einer wirksamen Bevollmächtigung beruhte, nicht mehr aufzugreifen.
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