OGH 8Ob18/21m

OGH8Ob18/21m29.4.2021

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter in der Insolvenzeröffnungssache der Antragsteller 1. R***** S*****, 2. L***** D*****, beide vertreten durch Fritzsche Frank Fletzberger Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die Antragsgegnerin N***** I*****, wegen Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Antragsgegnerin, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Einschreiter 1. V***** S*****, 2. P***** K*****, 3. Dr. O***** D*****, alle vertreten durch Hausmaninger Kletter Rechtsanwälte-Gesellschaft mbH in Wien, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 25. Jänner 2021, GZ 6 R 4/21h‑14, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0080OB00018.21M.0429.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Das Erstgericht wies den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Antragsgegnerin ab. Es stellte fest, dass die Antragsgegnerin zahlungsunfähig sei und sprach aus, dass das Insolvenzverfahren mangels kostendeckenden Vermögens nicht eröffnet werde.

[2] Gegen diesen Beschluss erhoben die Einschreiter Rekurs. Sie brachten vor, der Erst‑ und Zweiteinschreiter seien Treugeber und der im Firmenbuch eingetragene Alleingesellschafter der Antragsgegnerin sei Treuhänder eines mündlichen Treuhandvertrags über das Halten der Gesellschaftsanteile der Antragsgegnerin. Zugunsten der Erst- und Zweiteinschreiterin habe ein unwiderrufliches Abtretungsanbot über die Gesellschaftsanteile bestanden, das sie mit Notariatsakt vom 10. 10. 2018 angenommen hätten. Unter einem hätten sie als nunmehrige Gesellschafter den Dritteinschreiter zum Geschäftsführer der Antragsgegnerin bestellt.

[3] Der im Firmenbuch eingetragene Treuhänder habe jedoch kurz zuvor treuwidrig die Gesellschaftsanteile der Antragsgegnerin an einen Dritten abgetreten und eine entsprechende Firmenbucheintragung beantragt. Das Eintragungsverfahren sei offen und für die Dauer eines beim Handelsgericht Wien anhängigen Rechtsstreits, in dem diese Abtretung von den Treugebern angefochten werde, unterbrochen.

[4] Der Dritteinschreiter sei als bestellter Geschäftsführer der Antragsgegnerin auch vor seiner Eintragung im Firmenbuch zum Rekurs im Insolvenzverfahren der Gesellschaft legitimiert. Daneben seien auch die Erst- und Zweiteinschreiter als Gesellschafter zum Rekurs berechtigt, weil die Rechtswirksamkeit der Geschäftsführerbestellung strittig sei und in der Gesellschaft faktisch Führungslosigkeit herrsche.

[5] Das Rekursgericht wies das Rechtsmittel der Einschreiter zurück und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs mangels erheblicher Rechtsfragen für nicht zulässig.

[6] Die Einschreiter hätten ihre Stellung als Gesellschafter bzw Geschäftsführer der Antragsgegnerin nicht nachgewiesen, weil die Nichtigkeit jenes Rechtsgeschäfts, mit dem die Geschäftsanteile noch vor Annahme ihrer Abtretungsanbote an einen Dritten veräußert wurden, von ihnen nicht behauptet und bescheinigt worden sei.

[7] Als Außenstehende seien sie zum Rekurs nicht legitimiert, weil sie weder eine Gläubigerstellung behauptet, noch ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nachgewiesen hätten. Sie seien nicht gehindert, die anhängigen Verfahren fortzusetzen, weil die Abweisung des Insolvenzantrags mangels Kostendeckung und die folgende Löschung noch nicht zur Vollbeendigung der Gesellschaft und zum Verlust der Parteifähigkeit führten. Die erklärte Bereitschaft, einen Kostenvorschuss zu erlegen, begründe für sich allein kein rechtliches Interesse eines Dritten an der Entscheidung über den Insolvenzeröffnungsantrag.

Rechtliche Beurteilung

[8] Der außerordentliche Revisionsrekurs der Einschreiter ist mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

[9] 1. Die im Rechtsmittel aufgeworfene Rechtsfrage, ob das Bestehen einer Treuhandschaft über Anteile einer Gesellschaft, über deren Vermögen mangels Kostendeckung kein Insolvenzverfahren eröffnet wurde, dem Treugeber eine Rekurslegitimation aufgrund rechtlicher Betroffenheit verschafft, stellt sich hier nicht. Das strittige Treugut – die Geschäftsanteile – waren nach dem Vorbringen der Einschreiter im Zeitpunkt der Rekurserhebung in jedem Fall bereits übertragen (RIS‑Justiz RS0112377, RS0060201, RS0060058 [T4]).

[10] 1.1. In der Fallvariante, auf die sich die Revisionsrekurswerber zur Darlegung ihrer Rechtsmittellegitimation selbst berufen haben, sind die Erst‑ und Zweiteinschreiter durch Annahme der Abretungsanbote Gesellschafter geworden. Diese Stellung konnten sie – im Revisionsrekurs unangefochten – aber nicht bescheinigen, weil der anbotstellende Gesellschafter bei der Annahmeerklärung nicht mehr über den Geschäftsanteil verfügte, sondern ihn bereits an einen Dritten veräußert hatte.

[11] Auf die Frage, ob die aus der Abweisung des Insolvenzantrags mangels Kostendeckung folgende Löschung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ein rechtliches Interesse der Gesellschafter an der Rekurserhebung begründen könnte, weil selbst bei nachträglichem Hervorkommen von Vermögen dann nur mehr eine Nachtragsliquidation, aber keine Fortsetzung als werbende Gesellschaft möglich wäre (RS0112036), ist mangels Bescheinigung einer Gesellschafterstellung der Einschreiter nicht einzugehen.

[12] 1.2. In der zweiten Fallvariante einer wirksamen Veräußerung des Geschäftsanteils trat der endgültige Verlust des anvertrauten Guts ein. In diesem Fall sind der Erst‑ und Zweiteinschreiter als Treugeber auf Schadenersatzansprüche gegen den Treuhänder verwiesen, aus denen sich keine Parteistellung im Insolvenzeröffnungsverfahren der Gesellschaft ableiten lässt.

[13] 2. Der Revisionsrekurs spricht damit keine im Anlassfall entscheidungserhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO an.

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