OGH 3Ob217/11z

OGH3Ob217/11z22.2.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Hannes Pflaum, ua, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei N***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Lothar Hofmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen 70.491,59 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 27. September 2011, GZ 4 R 15/11x-47, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 19. Oktober 2010, (richtig: 29. Oktober) GZ 35 Cg 63/06p-42, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1.1. Das GmbHG ordnet das Stimmrecht bei der Beschlussfassung der Gesellschafter jedem Gesellschafter zu; juristische Personen handeln durch ihre vertretungsbefugten Organe. Wird ein Geschäftsanteil treuhänderisch gehalten, so ist der Treuhänder, nicht der Treugeber, stimmberechtigt. Zur Stimmabgabe zugelassen sind nur solche Gesellschafter, die im Firmenbuch eingetragen sind (Koppensteiner/Rüffler GmbHG³ § 39 Rz 9 und 10). Es ist unstrittig, dass alleinige Gesellschafterin der Beklagten eine Wirtschaftstreuhandgesellschaft m.b.H., als Treuhänderin war. Die Parteien des Geschäftsführungsvertrags nach § 15 Abs 1 GmbHG sind der Geschäftsführer und die Gesellschaft, vertreten durch die Gesellschafter (RIS-Justiz RS0059354; Koppensteiner/Rüffler GmbHG³ § 15 Rz 11). Die strittige, von den Vorinstanzen angenommene nachträgliche Vereinbarung eines Geschäftsführerentgelts konnte daher zwischen dem Geschäftsführer der Beklagten (nunmehr Geschäftsführer der Klägerin) und einem selbständig vertretungsbefugten Geschäftsführer der Treuhänderin getroffen werden. In diesem Sinn hat das Erstgericht festgestellt, dass zwischen diesen beiden Personen (mit Zustimmung eines Vertrauensmanns einer Treugeberin) ein Geschäftsführerentgelt von netto 50.000 EUR für den Zeitraum 30. August 2004 bis 28. Februar 2005 vereinbart wurde, wovon auch das Berufungsgericht im Wesentlichen erkennbar ausgegangen ist.

Soweit die Revisionswerberin meint, die von dem Berufungsgericht gebilligten Feststellungen des Erstgerichts enthielten lediglich Rechtsbegriffe und keine ausreichenden Tatsachenfeststellungen, so ist dem entgegenzuhalten, dass die (sparsame) Verwendung von Rechtsbegriffen bei den Feststellungen dann nicht zu beanstanden ist, wenn es sich dabei um gängige, kürzelhafte Umschreibungen von Tatsachenkomplexen handelt, die auch Inhalt einer zulässigen Außerstreitstellung sein könnten (8 ObA 285/95 mwN; vgl RIS-Justiz RS0039945 [T1 und T2]). Im vorliegenden Sachzusammenhang ist die Ansicht jedenfalls vertretbar, dass mit der Feststellung, die Parteien hätten etwas „vereinbart“, die dafür erforderliche Willensübereinstimmung und der Bindungswille gemeint sind. Das Erstgericht hat auch in seiner Beweiswürdigung nachvollziehbar dargelegt, aus welchen Gründen es zu dieser Sachverhaltsannahme gelangte (wegen zu diesem Thema übereinstimmender Urkunden beider Seiten). Damit erweist sich die Tatsachengrundlage zu diesem Teil der Klageforderung als ausreichend.

1.2. Von einer Abweichung des Berufungsgerichts von seiner im Aufhebungsbeschluss ausgesprochenen Rechtsansicht in diesem Zusammenhang kann schon deshalb keine Rede sein, weil damals eine inhaltlich anders lautende Passage des Ersturteils zu beurteilen war.

Im Übrigen besteht die Bindungsvorschrift des § 499 Abs 2 ZPO nur in Bezug auf die rechtliche Beurteilung, diese steht aber letztlich dem Revisionsgericht zu, so dass es gleichgültig ist, ob das Berufungsgericht von seiner ursprünglichen Rechtsansicht abgegangen ist, wenn nur die Rechtsansicht in der zweiten Berufungsentscheidung vom Obersten Gerichtshof gebilligt wird (RIS-Justiz RS0042173), was hier der Fall ist.

2.1. Der Frage, ob das Vorbringen der Beklagten zu den von ihr behaupteten Gegenforderungen ausreichend bestimmt und schlüssig ist, kommt im Allgemeinen - vom hier nicht vorliegenden Fall krasser Fehlbeurteilung abgesehen - keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu (9 Ob 335/97y; 8 ObA 182/97s; RIS-Justiz RS0116144). Gegenforderungen sind ziffernmäßig aufzuschlüsseln (RIS-Justiz RS0034059) und es ist bei jeder einzelnen Gegenforderung der Sachverhalt zu konkretisieren; die Ermittlung der auf die einzelnen Ansprüche entfallenden Beträge kann nicht dem Beweisverfahren, also auch nicht einem einzuholenden Gutachten, überlassen werden (6 Ob 126/04d mwN). Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, aus durch Heranziehung von Urkunden im Zusammenhang mit geltend gemachten Pauschalbeträgen im Wege der Interpretation die ziffernmäßige Höhe einer compensando geltend gemachten Gegenforderung herauszufiltern (5 Ob 50/07z).

Die Beklagte leitet mehrere Gegenforderungen aus Fehlverhalten des (nunmehrigen) Geschäftsführers der Klägerin ab, die ihr als an drei Betreibergesellschaften m.b.H. beteiligte Mitgesellschafterin verursacht worden seien, ohne ihre Anteile zu nennen und ohne aufzuschlüsseln, welcher ziffernmäßige Schaden auf sie entsprechend ihrem Gesellschaftsanteil jeweils entfällt; vielmehr nennt sie nur - wenn auch ziffernmäßig bestimmte - Pauschalbeträge „pro Werk“ sowie Mehrkosten und (vermutlich Zinsen-)Schäden ohne jede weitere Zuordnung. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, damit habe die Beklagte mehrere Schäden ohne ausreichende Konkretisierung eingewendet (es liege also mangelnde Schlüssigkeit als Folge mangelnder Bestimmtheit vor), erweist sich daher als zutreffend, jedenfalls aber vertretbar.

2.2. Ob das Vorgehen des Berufungsgerichts, der Beklagten keine Gelegenheit zur Schlüssigstellung zu gewähren, einen Mangel des Berufungsverfahrens darstellt, kann dahin gestellt bleiben. Ein solcher Verfahrensmangel könnte nur dann zur Aufhebung des Berufungsurteils führen, wenn er wesentlich für die Entscheidung wäre und sich auf diese auswirken hätte können. Die Erheblichkeit hätte die Beklagte in der Revision darlegen müssen (RIS-Justiz RS0037300 [T28]). Im Fall der mangelnden Schlüssigkeit hat der Rechtsmittelwerber somit darzulegen, welche konkreten Behauptungen er aufgestellt hätte, wenn ihm nach Erörterung Gelegenheit dazu geboten worden wäre (RIS-Justiz RS0037095 [T6]).

Die Beklagte bringt in der Revision allerdings nur vor, sie hätte im Fall einer Aufhebung des Ersturteils zur Schlüssigstellung „entsprechendes Vorbringen dahingehend erstatten können, dass jede der eingewendeten Gegenforderungen sich auf (zumindest) 70.491,59 EUR beläuft und diesbezüglich Beweis anbieten können“. Damit holt sie aber die erforderliche Präzisierung der Darstellung der eingewendeten Gegenforderungen nicht nach, weil es so wie bisher bei Pauschalbeträgen ohne ausreichende Klarstellung bleibt, welcher ziffernmäßige Schaden auf sie entsprechend ihrem Gesellschaftsanteil jeweils entfällt. Ein wesentlicher Mangel des Berufungsverfahrens wird also nicht aufgezeigt. Feststellungsmängel zu unschlüssigen Gegenforderungen können schon begrifflich nicht vorliegen.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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