European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0040OB00093.22P.0524.000
Spruch:
I. Das Rechtsmittel wird, soweit es Nichtigkeit geltend macht, zurückgewiesen.
II. Im Übrigen wird die außerordentliche Revision gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Zu I:
[1] Das Berufungsgericht hat über die auf § 477 Abs 1 Z 9 ZPO gestützte Nichtigkeitsberufung entschieden. Der Beschluss des Berufungsgerichts, mit dem – wie hier – die Berufung wegen Nichtigkeit verworfen wurde, ist gemäß § 519 Abs 1 ZPO unanfechtbar (RS0042925 [insb T8]; RS0042981 [T6]; RS0043796 [T1]). Insoweit sich die Klägerin gegen diesen Beschluss richtet, ist ihr Rechtsmittel somit jedenfalls unzulässig (vgl zuletzt 3 Ob 233/21t).
Zu II:
[2] Die Klägerin ist eine Körperschaft öffentlichen Rechts, die auch die Interessen von Gruppenpraxen und Fachärzten für medizinisch-chemische Labordiagnostik mit Sitz in Wien vertritt.
[3] Die Beklagte beteiligte sich an einem Ausschreibungsverfahren der Bundesbeschaffung GmbH (BBG) für Covid‑19‑Testungen für öffentliche Auftraggeber für den Leistungszeitraum 6. 11. 2020 bis 5. 11. 2021, wenngleich sie über ihre österreichische Zweigniederlassung im Inland nur eine Holdingfunktion ausübte. Gleichzeitig gründete die Beklagte aber eine österreichische Gesellschaft (im Folgenden: Tochtergesellschaft), deren Alleingesellschafterin die Beklagte ist. Sie übertrug der Tochtergesellschaft im November 2020 (gleich nach der Eintragung ins Firmenbuch und der Zuschlagserteilung) den Rahmenvertrag mit der BBG. Die Vertragsübernahme wurde von der BBG am 23. 11. 2020 akzeptiert. Die Tochtergesellschaft (nicht allerdings die Beklagte) betreibt in Österreich mehrere Teststationen. Sämtliche medizinischen bzw labordiagnostische Tätigkeiten werden ausschließlich von der Tochtergesellschaft durchgeführt, die auch über die erforderlichen Berechtigungen verfügt.
[4] Die Klägerin begehrt, der Beklagten zu verbieten Covid-19-Testungen und Befundungen ohne rechtliche Genehmigungen bzw Bewilligungen anzukündigen oder durchzuführen sowie entsprechende Teststationen zu betreiben, ohne die geltenden rechtlichen Voraussetzungen zu erfüllen. Die Beklagte verfüge erst seit 13. 11. 2020 über eine Berechtigung für Covid-19-Tests, dies allerdings nur für eine Teilprovinz von Italien. Dessen ungeachtet habe sie sich am Vergabeverfahren der BBG beteiligt und den Zuschlag erhalten. Die Wiederholungsgefahr sei indiziert, weil die Beklagte keine Einsicht zeige, medizinische Tätigkeiten nicht ohne öffentlich-rechtliche Genehmigung anzubieten, zu kontrahieren und durchzuführen.
[5] Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht stützte die Abweisung auf das Fehlen der Wiederholungsgefahr.
[6] Im konkreten Fall bestünden demnach keine ernstlichen Anzeichen, dass die Beklagte die beanstandete Tätigkeit in Österreich trotz Übergabe des Rahmenvertrags an die Tochtergesellschaft wieder selbst aufnehmen werde. Die österreichische Zweigniederlassung der Beklagten übe nur eine Holdingfunktion aus und habe der österreichischen Tochtergesellschaft nur einen Rahmenvertrag, nicht aber einen laufenden Geschäftsbetrieb übertragen. Die Tochtergesellschaft sei ersichtlich genau zu dem Zweck gegründet worden, damit diese (und nicht die Beklagte) von Anfang an die aus dem Rahmenvertrag abgerufenen Leistungen durchführe sowie die Teststraßen betreibe. Da diese Tochtergesellschaft nunmehr als Krankenanstalt nach dem WrKAG sowohl über die entsprechende Infrastruktur als auch über die rechtlichen Voraussetzungen zur Ankündigung und Durchführung dieser Tätigkeiten in Österreich verfüge, sei kein vernünftiger Grund ersichtlich, warum die in Österreich nur als Holdinggesellschaft tätige Beklagte künftig wieder an Ausschreibungen solcher Leistungen teilnehmen oder diese sonst ankündigen oder gar durchführen sollte.
Rechtliche Beurteilung
[7] Mit ihrer dagegen erhobenen außerordentlichen Revision zeigt die Klägerin keine erhebliche Rechtsfrage auf. Die Zulässigkeit stützt die Klägerin darauf, dass das Berufungsgericht von der Rechtsprechung zur Wiederholungsgefahr abgewichen sei.
[8] 1. Ob nach den im Einzelfall gegebenen Umständen Wiederholungsgefahr besteht, ist keine erhebliche Rechtsfrage (RS0042818; RS0079180 [T11]).
[9] 2. Abgesehen von einem Sinneswandel des Beklagten (RS0079640) kann die Wiederholungsgefahr auch dann wegfallen, wenn ein wettbewerbswidriges Verhalten aus objektiven (RS0119806) bzw tatsächlichen (RS0037664) Gründen ausgeschlossen ist, etwa bei der Veräußerung eines Unternehmens und dem Ausscheiden aus dem Gewerbebetrieb ohne Anzeichen dafür, dass das Geschäft in anderer Form wieder aufgenommen wird (RS0037664). In solchen Fällen kommt es nicht darauf an, ob der Beklagte im Verfahren nicht nur die Wiederholungsgefahr, sondern auch seine Unterlassungspflicht bestreitet (4 Ob 281/04h).
[10] 3. Wenn das Berufungsgericht wegen der Möglichkeit des rechtmäßigen Betriebs von Teststationen durch die Tochtergesellschaft davon ausging, es bestehe keine ernsthafte Gefahr, dass die beklagte Gesellschaft in diesem Bereich selbst operativ tätig werden könnte, hält sich das im Rahmen der aufgezeigten Rechtsprechung und bedarf keiner Korrektur durch gegenteilige Sachentscheidung.
[11] 4. Die von der Klägerin dagegen ins Treffen geführte Rechtsprechung (4 Ob 44/01a; 4 Ob 145/02f; 4 Ob 201/08z und 4 Ob 51/09t) ist nicht einschlägig.
[12] 4.1. Bei dieser Judikatur ging es darum, dass die Wiederholungsgefahr durch die Neugründung oder die Übertragung eines Unternehmens dann nicht wegfällt, wenn das unlautere Verhalten eines wegen UWG in Anspruch genommenen Unternehmers durch ein anderes Unternehmen fortgesetzt werden könnte, auf den der in Anspruch genommene Unternehmer maßgeblichen Einfluss ausübt.
[13] 4.2. Ein solcher Fall liegt hier gerade nicht vor. Zwar hat die Beklagte maßgeblichen Einfluss auf ihre Tochtergesellschaft. Diese verfügt allerdings über die erforderlichen Voraussetzungen, um in Österreich Covid‑19‑Testungen und den Betrieb von Teststationen rechtmäßig durchzuführen, weshalb jedenfalls vertretbar davon ausgegangen werden kann, dass die Beklagte nicht an Ausschreibungen solcher Leistungen teilnehmen oder diese gar selbst durchführen wird. Mit seiner Entscheidung ist das Berufungsgericht daher nicht von der zitierten Rechtsprechung abgewichen, sodass die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht darauf gestützt werden kann.
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