OGH 3Ob216/21t

OGH3Ob216/21t28.4.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.‑Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun‑Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verein für Konsumenteninformation, 1060 Wien, Linke Wienzeile 18, vertreten durch die Kosesnik-Wehrle & Langer Rechtsanwälte KG in Wien, gegen die beklagte Partei E* AG, *, vertreten durch die DSC Doralt Seist Csoklich Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 22. September 2021, GZ 3 R 62/21s‑23, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 31. Mai 2021, GZ 58 Cg 69/20k‑16, zum Teil bestätigt, zum Teil abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen (I.) und zu Recht erkannt (II.):

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0030OB00216.21T.0428.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

I. Der Schriftsatz der beklagten Partei vom 28. Dezember 2021 wird zurückgewiesen.

II. Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie einschließlich der bestätigten und der in Rechtskraft erwachsenen Teile lauten:

„1. Die beklagte Partei ist schuldig, im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die sie von ihr geschlossenen Verträgen zugrundelegt, und/oder in hiebei verwendeten Vertragsformblättern die Verwendung der Klauseln:

Klausel 1: 'Zahlungsverzug: Für ausbleibende Zahlungen verrechnen wir Ihnen zusätzlich zum jeweiligen Zinssatz 4,75 % p.a. Überziehungsprovision. Darüber hinaus können wir für von Ihnen verschuldete Schäden Ersatz fordern. Das gilt insbesondere für die Kosten außergerichtlicher Betreibungs- oder Einbringungsmaßnahmen. Voraussetzung: Die Kosten müssen zweckentsprechend sein und in einem angemessenen Verhältnis zur betriebenen Forderung stehen.'

Klausel 2: 'Mit Beträgen, die auf das Kreditkonto eingezahlt werden, decken wir zuerst offene Beträge ab und danach die Raten entsprechend dem Tilgungsplan.'

Klausel 3: 'Diese Rücktrittsfrist beginnt mit dem Tag, an dem dieser Kreditvertrag abgeschlossen wurde.'

Klausel 5: 'Diese Rücktrittserklärung ist an die auf der ersten Seite dieser Finanzierungszusage unter ,Ihr Ansprechpartner:‘ genannte Person mit dort bezeichneter Adresse/Telefonnummer/Faxnummer/E‑Mail‑Adresse zu richten.'

oder die Verwendung sinngleicher Klauseln binnen drei Monaten zu unterlassen; sie ist ferner schuldig, es zu unterlassen, sich binnen drei Monaten auf die vorstehend genannten Klauseln oder sinngleiche Klauseln zu berufen.

2. Die klagende Partei wird ermächtigt, den klag estattgebenden Teil des Urteilsspruchs im Umfang des Unterlassungsbegehrens und der Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung binnen sechs Monaten ab Rechtskraft einmal im redaktionellen Teil einer bundesweit erscheinenden Samstagsausgabe der 'Kronen‑Zeitung' auf Kosten der beklagten Partei mit gesperrt geschriebenen Prozessparteien und in Fettdruckumrandung in Normallettern, somit in gleich großer Schrift wie der Fließtext redaktioneller Artikel, zu veröffentlichen.

3. Hingegen wird das Begehren, die beklagte Partei sei schuldig, im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die sie von ihr geschlossenen Verträgen zugrundelegt, und/oder in hiebei verwendeten Vertragsformblättern die Verwendung der Klausel

'Bearbeitungsprovision: EUR 300,00 einmalig, unabhängig von der Laufzeit Ihrer Finanzierung. Das heißt für Sie, dass diese auch bei einer vorzeitigen Rückzahlung Ihrer Finanzierung nicht zurückerstattet wird.' (Klausel  4)

oder die Verwendung sinngleicher Klauseln zu unterlassen, sowie das Begehren, sie sei ferner schuldig, es zu unterlassen, sich auf die vorstehend genannten Klauseln oder sinngleiche Klauseln zu berufen, abgewiesen.

4. Das Begehren, die beklagte Partei werde ermächtigt, den klageabweisenden Teil des Spruchs samt Ermächtigung zu seiner Veröffentlichung einmal binnen sechs Monaten ab Rechtskraft des Urteils im redaktionellen Teil einer bundesweiten Samstagsausgabe der 'Neuen Kronen‑ Zeitung' in fetter Umrandung und in Normallettern (dh mit gleicher Schriftgröße wie redaktionelle Beiträge), aber mit gesperrt geschriebenen Prozessparteien, auf Kosten der klagenden Partei zu veröffentlichen; hilfsweise, sie werde zur Veröffentlichung in angemessenem Umfang ermächtigt, wird abgewiesen.

5. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 4.107,53 EUR (darin 490,06 EUR USt und 1.167,20 EUR Barauslagen) bestimmten Prozesskosten erster Instanz und die mit 2.781,91 EUR (darin 341,75 EUR USt und 731,40 EUR Barauslagen) bestimmten Prozesskosten zweiter Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen.“

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei an Kosten des Revisionsverfahrens einen Barauslagenersatz von 763 EUR binnen 14 Tagen zu leisten.

 

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

Rechtliche Beurteilung

[1] Der Schriftsatz der beklagten Partei vom 28. 12. 2021, mit dem sie auf die Revisionsbeantwortung replizierte, war zurückzuweisen, weil jeder Partei nur eine einzige Rechtsmittelschrift oder Rechtsmittelgegenschrift zusteht; eine Äußerung oder Replik zur Revisionsbeantwortung ist nicht vorgesehen (RS0041666 [T49]).

 

Zu II.: 

[2] Der Kläger ist ein klageberechtigter Verein iSd § 29 KSchG.

[3] Die Beklagte betreibt das Bankgeschäft und bietet ihre Leistungen unter anderem im gesamten Bundesgebiet an. Sie tritt in ihrer geschäftlichen Tätigkeit laufend mit Verbrauchern iSd § 1 KSchG in rechtsgeschäftlichen Kontakt und schließt mit diesen Verträge ab, denen sie ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder die Vertragsformblätter „Kreditvertrag“, „Kreditzusage“ oder „Europäische Standardinformationen“ zu Grunde legt. Das bis November 2020 verwendete Formular „Kreditzusage“ enthielt – soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse – auch die aus dem Spruch ersichtlichen Klauseln Nr 1 und 4. Die Klausel 1 ist ebenfalls in den von der Beklagten verwendeten Formularen „Kreditvertrag“ und „Europäische Standardinformation für Kreditierungen nach dem Verbraucherkreditgesetz“ enthalten.

[4] Jedenfalls seit 1. 1. 2021 verwendet die Beklagte ein Formular „Kreditzusage“, in dem die Klausel 4 nicht mehr enthalten ist. Die Beklagte beruft sich seit diesem Zeitpunkt auch gegenüber Kunden, die Kreditverträge zwischen dem 11. 9. 2019 und dem 31. 12. 2020 geschlossen haben, nicht mehr auf diese Klausel und zahlt denjenigen, die vor Laufzeitende die offene Kreditsumme zurückzahlen, einen Teil der Bearbeitungsprovision zurück. Gegenüber Kunden, die bis zum 11. 9. 2019 Kreditverträge abgeschlossen haben, beruft sich die Beklagte weiterhin auf die Klausel 4.

[5] Der Kläger stellte mit seiner Verbandsklage das aus dem Spruch ersichtliche Unterlassungs- und Urteilsveröffentlichungsbegehren.

[6] Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage und stellte ihrerseits – wie aus dem Spruch ersichtlich – ein Urteilsveröffentlichungsbegehren.

[7] Die wechselseitigen Vorbringen werden – soweit für das Revisionsverfahren relevant – in der Folge im Zusammenhang mit den einzelnen Klauseln dargelegt.

[8] Das Erstgericht gab – ausgehend von dem von ihm festgestellten, soweit für Revisionsverfahren relevant oben wiedergegebenen Sachverhalt – dem Unterlassungsbegehren hinsichtlich der Klauseln 1, 2, 4 und 5 sowie dem Urteilsveröffentlichungsbegehren des Klägers statt. Das Unterlassungsbegehren hinsichtlich der Klausel 3 und das Urteilsveröffentlichungsbegehren der Beklagten wurden abgewiesen. Das Erstgericht verurteilte die Beklagte in Anwendung des § 43 Abs 1 ZPO zum Kostenersatz.

[9] Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil dahin ab, dass es dem Unterlassungsbegehren auch hinsichtlich der Klausel 3 stattgab. Es verurteilte die Beklagte in Anwendung des § 41 ZPO, hinsichtlich des Berufungsverfahrens iVm § 50 ZPO, zum Kostenersatz.

[10] Das Berufungsgericht bewertete den Entscheidungsgegenstand mit über 30.000 EUR und ließ die ordentliche Revision mit der Begründung zu, es handle sich um Klauseln einer Branche, welche regelmäßig für eine größere Anzahl von Kunden und damit Verbrauchern bestimmt und von Bedeutung seien.

[11] Gegen das Berufungsurteil richtet sich die Revision der Beklagten mit dem Antrag, in Hinsicht auf die Klauseln 1 und 4 das Unterlassungsbegehren und in Hinsicht auf alle fünf Klauseln das Urteilsveröffentlichungsbegehren des Klägers abzuweisen und dem Urteilsveröffentlichungsbegehren der Beklagten in Hinsicht auf die Klauseln 1 und 4 stattzugeben. Als Revisionsgrund wird unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht.

[12] Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

[13] Die Revision ist zulässig, weil der Frage der Zulässigkeit einer richtlinienkonformen Interpretation im Fall, dass sich die Gesetzeslage nach einer Entscheidung des EuGH als richtlinienwidrig erweist, erhebliche Bedeutung zukommt.

[14] Die Revision ist zum Teil auch berechtigt.

A. Zum Unterlassungsbegehren:

Zur Klausel 1:

[15] Der Klägerbegründete in seiner Klage die Unzulässigkeit der Klausel 1 unter anderem mit einer behaupteten Verletzung des § 1336 ABGB.

[16] Die Beklagte bestritt, dass die Klausel 1 § 1336 ABGB verletze.

[17] Das Erstgericht trat der Rechtsansicht des Klägers bei und verurteilte die Beklagte zur Unterlassung.

[18] Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Es vertrat zusammengefasst die Ansicht, die in Satz 1 der Klausel 1 vorgesehene „Überziehungsprovision“ von zusätzlichen 4,75 % übersteige den dispositiven Verzugszinssatz von 4 %, weshalb eine Konventionalstrafe vorliege. Da der zweite Satz der Klausel 1 der Beklagten erlaube, zusätzlich Schadenersatz zu fordern, aber keine Ausverhandlung dessen im Einzelfall vorliege, verletzeSatz 2 § 1336 Abs 3 ABGB. Diese Rechtswidrigkeit führe zur Unzulässigkeit der Klausel 1 in ihrer Gesamtheit, weil ihre einzelnen Sätze keine eigenständigen Klauseln darstellten, demnach eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen und nach der Rechtsprechung im Verbandsklageverfahren eine geltungserhaltende Reduktion unzulässig sei.

[19] Die Beklagte stellt in ihrer Revision zum einen in Abrede, dass die Klausel 1 eine einheitliche Klausel sei; sie beinhalte vielmehr mehrere Klauseln. Deshalb sei keine Gesamtbetrachtung der Klausel 1 zulässig. Die – bestrittene – Rechtswidrigkeit ihres Satzes 2 habe nicht die Unzulässigkeit der Klausel 1 in ihrer Gesamtheit zur Folge. Zum anderen wendet sich die Beklagte gegen die Ansicht des Berufungsgerichts, Satz 1 der Klausel begründe eine Konventionalstrafe, weil die Überziehungsprovision von 4,75 % pa unüblich sei. Der Kläger habe nicht einmal versucht, die Unüblichkeit unter Beweis zu stellen, das Beweisverfahren eine solche auch nicht ergeben. Außerdem sei nach § 1336 Abs 3 Satz 2 ABGB nicht erforderlich,die – vom Obersten Gerichtshof bei Unnüblichkeit als Konventionalstrafe qualifizierten – Verzugszinsen im Einzelnen auszuverhandeln, sondern wenn überhaupt nur den darüber hinausgehenden Schadenersatzanspruch.

[20] 1. Maßgeblich für die Qualifikation einer Klausel als eigenständig iSd § 6 KSchG ist nicht die Gliederung des Klauselwerks; es können vielmehr auch zwei unabhängige Regelungen in einem Punkt oder sogar in einem Satz der Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten sein. Es kommt vielmehr darauf an, ob ein materiell eigenständiger Regelungsbereich vorliegt. Dies ist dann der Fall, wenn die Bestimmungen isoliert voneinander wahrgenommen werden können (RS0121187 [T1]). Die Annahme von zwei Regelungen setzt mit anderen Worten voraus, dass der Verbraucher erkennen kann, dass zwei unterschiedliche Fragen einer Vereinbarung unterworfen werden sollen (1 Ob 162/20k [Pkt 2.2.]). Jede der beiden Regelungen muss für sich allein verständlich sein und einen eigenen (anderen) Regelungsinhalt haben (10 Ob 70/07b [Klausel 2]; vgl auch RS0121187 [T11]: „gewisses Gewicht“ der sprachlichen Unselbstständigkeit; dazu eingehend Geroldinger, Klauselbegriff und „blue pencil test“ in der AGB‑Rechtsprechung, ALJ 2015, 196 ff mzwN).

[21] 1.1. In der Entscheidung 6 Ob 120/15p hatte der Oberste Gerichtshof folgende Klausel (Nr 51) zu beurteilen: „Für ausbleibende Zahlungen werden für die jeweils überfälligen Forderungen zuzüglich zum jeweils zur Anwendung gelangenden Sollzinssatz sofort fällige Verzugszinsen von 5 % pa, welche kontokorrentmäßig angelastet werden, verrechnet. Der Kreditnehmer ist weiters verpflichtet, der BANK den aufgrund seines Verschuldens tatsächlich entstandenen Schaden zu ersetzen.

[22] Er entschied, dass die Klausel 51 die Folgen von „ausbleibenden Zahlungen“ des Kunden, also eines Zahlungsverzugs, regle, und deshalb eine gesonderte Beurteilung ihrer Sätze 1 und 2 unzulässig sei.

[23] 1.2. In der Entscheidung 6 Ob 24/20b hatte der Oberste Gerichtshof folgende Klausel (Nr 2) zu beurteilen:

„Für den Zahlungsverzug hat [die Beklagte] Anspruch auf Verzugszinsen in Höhe von 5 %‑Punkten über de[m] jeweils vertraglich vereinbarten Sollzinssatz. Des weiteren für jede Mahnung 18 EUR inkl USt an Mahnspesen.

Bei Zahlungsverzug von mehr als 30 Tagen kann [die Beklagte] das Fahrzeug bis zur Zahlung ebenso sicherstellen wie bei Verletzung der Rückstellungsverpflichtung nach dem Vertragsende.

[Die Beklagte] hat Anspruch auf Ersatz der gemäß § 1332 ABGB notwendigen Kosten, insbesondere jener Kosten, welche für die mit dem Objekteinzug beauftragten Personen anfallen. Dazu zählen auch außergerichtliche Kosten des Anwalts und Adressausforschungskosten. Für die mit dem Objekteinzug beauftragten Personen steht [der Beklagten] der ihr tatsächlich entstandene Aufwand, mindestens aber der Pauschalbetrag von 450 EUR inkl USt zu.“

[24] Er entschied, Klausel 2 entspreche im Kern der in der Entscheidung 6 Ob 120/15p beurteilten Klausel (Nr 51), denn auch hier würden die Folgen des Zahlungsverzugs geregelt werden. Eine isolierte Betrachtung der einzelnen Sätze sei nicht möglich, weil die den Verbraucher im Fall des Zahlungsverzugs treffenden Folgen einer Gesamtbetrachtung zu unterziehen seien.

[25] 1.3. Nichts anderes kann bei der Beurteilung der hier in Frage stehenden Klausel 1 gelten. Auch sie entspricht im Kern den der Klausel 2 in 6 Ob 24/20b sowie der Klausel 51 in 6 Ob 120/15p, auch hier werden Folgen eines Zahlungsverzugs geregelt. Vor allem aber sind die Sätze 2 bis 4 nicht für sich allein verständlich, da ihr Beginn jeweils an den vorstehenden Satz anknüpft („Darüber hinaus …“; „Dies gilt insbesondere …“; „Voraussetzung: …“).

[26] Der Oberste Gerichtshof teilt daher die Ansicht des Berufungsgerichts, dass die Klausel 1 einer Gesamtbetrachtung zu unterziehen ist.

[27] 2. Nach der Rechtsprechung wird der Vereinbarung von Verzugszinsen mit einem die üblichen Zinsen erheblich übersteigenden Zinssatz der Charakter einer Vertragsstrafe zuerkannt (1 Ob 124/18v [Klausel 17]; 3 Ob 46/19i [Pkt 2.4.1.]; 6 Ob 24/20b [Pkt 2.2.2.] ua). Dies ist bereits dann der Fall, wenn Zinsen vereinbart werden, die über dem dispositiven Zinssatz liegen (6 Ob 120/15p [Pkt 3.19]). Der dispositive Verzugszinssatz beträgt 4 % (§ 1333 Abs 1 iVm § 1000 Abs 1 ABGB), sodass der hier vorliegenden Vereinbarung einer „Überziehungsprovision“ von 4,75 % pa (zusätzlich zum jeweiligen Zinssatz) für ausbleibende Zahlungen Pönalcharakter zukommt. Damit muss aber im Hinblick auf § 1336 Abs 3 Satz 2 ABGB der Ersatz von weiteren Schäden (neben der Vertragsstrafe) – wie bereits in den zitierten Entscheidungen mehrfach ausgeführt – in Verbraucherverträgen im Einzelnen ausgehandelt werden. Dies ist im vorliegenden Fall nicht geschehen. Die Klausel ist damit rechtswidrig.

Zur Klausel 4:

[28] Der Kläger begründete in erster Instanz die Unzulässigkeit der Klausel 4 damit, dass sie Art 16 Abs 1 Verbraucherkredit-Richtlinie (2008/48/EG ; in der Folge: VKrRL) widerspreche. Danach habe der Verbraucher bei vorzeitiger Rückzahlung das Recht auf eine Ermäßigung der Gesamtkosten des Kredits, die sich nach den Zinsen und den Kosten für die verbleibende Laufzeit des Vertrags richte. Nach der Rechtsprechung des EuGH seien sämtliche dem Verbraucher auferlegte Kosten, sowohl die laufzeitabhängigen als auch die laufzeitunabhängigen, zu ermäßigen. § 16 Abs 1 VKrG idF vor der Novelle BGBl I 2021/1 sei richtlinienkonform so auszulegen, dass sowohl die laufzeitabhängigen als auch laufzeitunabhängigen Kosten entsprechend zu reduzieren seien. Der Entfall des Wortes „laufzeitabhängige“ durch die Novelle habe lediglich der Klarstellung gedient. Die Klausel 4 verstoße sowohl gegen die alte als auch neue Fassung des § 16 Abs 1 VKrG. Die Klausel sei auch gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB, weil durch sie der wirtschaftliche Wert des Rechts auf vorzeitige Rückzahlung ausgehöhlt werde.

[29] Die Beklagte erwiderte, die Klausel stehe im Einklang mit dem allein anwendbaren nationalen Recht. § 16 Abs 1 aF VKrG habe bei der vorzeitigen Kreditrückzahlung nur eine anteilige Kürzung der laufzeitabhängigen Kosten vorgesehen. Wie aus den Gesetzesmaterialien ersichtlich, sei diese Beschränkung eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers gewesen. Eine richtlinienkonforme Interpretation von § 16 Abs 1 aF VKrG sei demnach nicht möglich; sie überschritte die methodischen Grenzen zulässiger Auslegung. Die Beklagte habe aufgrund der Gesetzesnovelle die Klausel 4 gestrichen. Sie halte sich damit für ab 1. 1. 2021 abgeschlossene Verträge an § 16 Abs 1 nF VKrG. Sie berufe sich bei Altverträgen, insoweit die neue Rechtslage nach § 29 Abs 12 VKrG zurückwirke, auch nicht auf die Klausel 4.

[30] Das Erstgericht begründete die Unzulässigkeit der Klausel 4 damit, dass § 16 Abs 1 aF VKrG sehr wohl richtlinienkonform im Sinne jenes Verständnisses von Art 16 Abs 1 VKrRL, welches der EuGH in der Rechtssache Lexitor vertreten habe, auslegbar sei. § 16 Abs 1 aF VKrG enthalte nämlich über die Rückerstattung laufzeitunabhängiger Kosten keine Aussage. Es bestehe eine durch Analogie zu schließende Lücke. Selbst wenn keine richtlinienkonforme Interpretation vorzunehmen wäre, wäredie Klausel nichtig iSd § 879 Abs 3 ABGB. Weil § 16 Abs 1 aF VKrG keine Regelung enthalte, ob laufzeitunabhängige Kosten zu ersetzen sind, stehe es im freien Ermessen der Parteien, eine Regelung zu treffen. Da die Klausel unabhängig davon, wann und unter welchen Umständen der Kredit vorzeitig zurückgezahlt wird, vorsehe, dass die Beklagte das Recht habe, die gesamte Bearbeitungsgebühr vom Kreditgeber zu behalten, liege ein auffallendes Missverhältnis zwischen den Rechtspositionen vor. Eine sachliche Rechtfertigung für dieses sei nicht vorgetragen worden.

[31] Das Berufungsgericht trat der Beurteilung des Erstgerichts in Hinsicht auf § 16 VKrG bei (§ 500a ZPO) und ergänzte, aus den Gesetzesmaterialien zu § 16 Abs 1 aF VKrG ergebe sich die Absicht des Gesetzgebers, die VKrRL vollständig umzusetzen. Habe der Gesetzgeber eine Richtlinie umsetzen wollen und dabei über deren Inhalt geirrt, so könne unter Bedachtnahme auf das Umsetzungsgebot des Art 288 AEUV eine planwidrige Lücke angenommen werden, die eine über den vom konkreten Regelungswillen gedeckten Wortlaut hinausgehende Rechtsfortbildung durch Analogie oder teleologische Reduktion zulasse. Im Ergebnis müsse die konkrete Regelungsabsicht hinter dem generellen Umsetzungswillen zurückstehen. Dies führe hier nicht zu einer Auslegung contra legem oder einer unzulässigen unmittelbaren Wirkung von Richtlinienbestimmungen im horizontalen Verhältnis, weil weder der Wortlaut des § 16 Abs 1 aF VKrG noch die Regierungsvorlage ausdrücklich auf die laufzeitunabhängigen Kosten Bezug genommen hätten und die Neufassung nur „zur Sicherstellung einer richtlinienkonformen Rechtslage“ erfolgt sei. Wegen der Verletzung bereits des § 16 Abs 1 aF VKrG sei auf § 879 Abs 3 ABGB nicht mehr einzugehen.

[32] Die Parteien halten im Revisionsverfahren ihre in den Vorinstanzen vertretenen Rechtsstandpunkte – unter eingehender Darlegung der zu § 16 Abs 1 VKrG vorliegenden Literatur sowie des Meinungsstreits über die Maßgeblichkeit eines Gesamtumsetzungswillens des Gesetzgebers für die Annahme einer Gesetzeslücke als Voraussetzung einer den Gesetzeswortlaut übersteigenden richtlinienkonformen Interpretation im Wege der Analogie – im Wesentlichen aufrecht.

[33] 1.1. § 16 Abs 1 aF VKrG lautete (BGBl I 2010/28 [Darlehens- und Kreditrechts‑Änderungsgesetz – DaKRÄG]; die Novellierung des § 16 durch BGBl I 2015/135 betraf lediglich Abs 4 [Hervorhebung durch den Senat]):

„Der Kreditnehmer hat das jederzeit ausübbare Recht, den Kreditbetrag vor Ablauf der bedungenen Zeit zum Teil oder zur Gänze zurückzuzahlen. Die vorzeitige Rückzahlung des gesamten Kreditbetrags samt Zinsen gilt als Kündigung des Kreditvertrags. Die vom Kreditnehmer zu zahlenden Zinsen verringern sich bei vorzeitiger Kreditrückzahlung entsprechend dem dadurch verminderten Außenstand und gegebenenfalls entsprechend der dadurch verkürzten Vertragsdauer; laufzeitabhängige Kosten verringern sich verhältnismäßig.“

 

[34] 1.2. Die ErläutRV zum DaKRÄG (650 BlgNR 24. GP  28) führten zum – hier interessierenden – letzten Satz des Abs 1 aus (Hervorhebungen im Original):

„Der dritte Satz des Abs. 1 ist der Frage gewidmet, welchen Einfluss die vorzeitige Kreditrückführung auf die Höhe der den Kreditnehmer noch treffenden Zahlungspflichten hat: Durch die vorzeitige Kreditrückzahlung ermäßigt sich die Höhe der vom Kreditnehmer zu entrichtenden Zinsen , weil auf Grund dieses Vorgangs das auf den dadurch abgeschnittenen Teil der ursprünglich vorgesehenen Vertragsdauer bzw. – bei vorzeitiger Teilrückzahlung – auf den dadurch vorzeitig getilgten Teil des Außenstandes entfallende Entgelt seine Grundlage verliert und deshalb in Abzug zu bringen ist. Gleiches gilt im Fall einer durch die vorzeitige Rückzahlung verkürzten Vertragsdauer für die vom Kreditnehmer zu zahlenden laufzeitabhängigen Kosten . Mit diesen Anordnungen soll eine gegenüber der korrespondierenden Bestimmung in der Verbraucherkreditrichtlinie (Artikel 16 Abs. 1 zweiter Satz) exaktere (nämlich auch auf die bloße Teilrückzahlung Bezug nehmende) und gegenüber den vergleichbaren Gesetzesbestimmungen zur früheren Richtlinienumsetzung (§ 12a Abs. 1 KSchG, § 33 Abs. 8 BWG) verständlichere (weil den bankrechtsspezifischen Begriff „kontokorrentmäßige Abrechnung“ vermeidende) Regelung getroffen werden.“

 

[35] 2.1. Der Oberste Gerichtshof judizierte vor der Entscheidung des EuGH vom 11. 9. 2019, C‑383/18 , Lexitor, (siehe zu ihr sogleich), aus einem Umkehrschluss aus § 16 Abs 1 VKrG ergebe sich, dass laufzeitunabhängige Entgelte bei vorzeitiger Tilgung nicht aliquot zu reduzieren sind (6 Ob 13/16d [Pkt 6.2.]; 10 Ob 31/16f [Pkt 5.6.2.a]; iglS zur Vorgängerbestimmung des § 33 Abs 8 aF BWG jüngst 5 Ob 118/21w [Rz 13]: „eindeutigen Willens des nationalen Gesetzgebers“).

[36] 2.2. Auch in der Literatur wurde die Formulierung des § 16 Abs 1 aF VKrG ganz überwiegend– 5 Ob 66/21y [Rz 30] spricht sogar von einer „völlig herrschenden Auffassung der österreichischen Lehre“ – als eindeutig betrachtet und ohne weiteres e contrario auf die Nichtreduzierbarkeit laufzeitunabhängiger Kosten bei vorzeitiger Kreditrückzahlung geschlossen (zB Stabentheiner, Das Verbraucherkreditgesetz, ÖJZ 2010/69 [647]; Pendl, Gesamtkostenermäßigung bei vorzeitiger Kreditrückzahlung gemäß § 16 VKrG, ÖBA 2015, 899 [900]; ders in Schwimann/Kodek, ABGB4 Va [2015] § 16 VKrG Rz 10; Nemeth in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 [2016] § 16 VKrG Rz 18; Schoditsch, Einmalige Bearbeitungsgebühr und vorzeitige Kreditrückzahlung (§ 16 VKrG) – Zugleich eine Besprechung von 6 Ob 13/16d, VbR 2016/67 [102]).

[37] Der Gefahr, dass der Kreditgeber die Rückforderbarkeit laufzeitabhängiger Kosten umgehe, indem er möglichst hohe und möglichst bald zu zahlende „laufzeitunabhängige Kosten“ veranschlage, sei durch eine objektive Betrachtungsweise zu begegnen. Kosten mit der Funktion eines Entgelts für die laufzeitabhängige Kapitalnutzung seien im Zuge der Berechnung der Gesamtkostenermäßigung verhältnismäßig auf die Laufzeit zu verteilen und entsprechend zu reduzieren (Wendehorst in Wendehorst/Zöchling‑Jud, Verbraucherkreditrecht [2010] § 16 Rz 13 ff; Pendl, ÖBA 2015, 901; Schoditsch, VbR 2016, 101 f).

[38] Die Richtigkeit des Umkehrschlusses wurde in der Literatur vor der Entscheidung des EuGH in der Rs Lexitor nur vereinzelt in Abrede gestellt. Zum einen wurde diese mit der – freilich auch von der herrschenden Auffassung erkannten und von ihr mit einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise gelösten – Problematik, der Kreditgeber könnte durch eine Vielzahl an laufzeitunabhängigen Gebührenpositionen wirtschaftliche Nachteile im Fall der vorzeitigen Rückzahlung des Kredits auf den Verbraucher überwälzen, begründet (Reichholf‑Kogler/Reichholf, Kreditbearbeitungsgebühr – Kontrollfreie Hauptleistung? Eine kritische Analyse der E 6 Ob 13/16d, VbR 2016/92 [137]). Zum anderen wurde dem aus dem Umkehrschluss erzielten Ergebnis schlicht entgegengehalten, aus Art 16 Abs 1 VKrRL ergebe sich das Recht der Verbraucher bei vorzeitiger Rückzahlung „auf Ermäßigung der Gesamtkosten des Kredits“, und die Ansicht vertreten, dass § 16 Abs 1 aF VKrG „in diesem Sinne“ europarechtskonform auszulegen sei (Amann/Maier, Zur (Un-)Zulässigkeit laufzeitunabhängiger Bearbeitungsentgelte in Verbraucherkreditverträgen, ÖJZ 2016/145 [1059 f]).

[39] 3. In der Rs C-383/18 , Lexitor, sprach der EuGH aus (Rn 36), Art 16 Abs 1 VKrRL sei dahin auszulegen, dass das Recht des Verbrauchers auf die Ermäßigung der Gesamtkosten des Kredits bei vorzeitiger Kreditrückzahlung sämtliche dem Verbraucher auferlegte Kosten umfasse. Der EuGH konzedierte, dass sich anhand der vergleichenden Prüfung der verschiedenen Sprachfassungen von Art 16 Abs 1 VKrRL der genaue Umfang der darin vorgesehenen Ermäßigung der Gesamtkosten des Kredits nicht bestimmen lasse (Rn 25). Das Ziel der Richtlinie sei es, einen hohen Schutz des Verbrauchers zu gewährleisten (Rn 29), wobei die Wirksamkeit des Rechts des Verbrauchers auf Ermäßigung der Gesamtkosten des Kredits beeinträchtigt wäre, wenn sich die Ermäßigung des Kredits auf die Berücksichtigung der Kosten beschränken könnte, die vom Kreditgeber als von der Vertragslaufzeit abhängig ausgewiesen wurden (Rn 31). Dies könnte die Gefahr mit sich bringen, dass dem Verbraucher zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kreditvertrags höhere einmalige Zahlungen auferlegt werden (Rn 32). Die Einbeziehung der Kosten, die nicht von der Vertragslaufzeit abhängig seien, in die Ermäßigung der Gesamtkosten beeinträchtige den Kreditgeber nicht in unangemessener Weise, weil Art 16 Abs 2 VKrRL sein Recht auf Entschädigung für gegebenenfalls unmittelbar mit der vorzeitigen Rückzahlung des Kredits zusammenhängende Kosten vorsehe (Rn 34).

[40] 4.1. Aufgrund dieser EuGH‑Entscheidung entschied sich der Gesetzgeber zu einer Novellierung des § 16 Abs 1 letzter Satz VKrG, mit der – im Ergebnis – das Wort „laufzeitunabhängige“ in Satz 3 HS 2 entfiel (Art 1 Z 5 des Gesetzes BGBl I 2021/1).

[41] 4.2. Gemäß § 29 Abs 12 VKrG trat § 16 idF BGBl I 2021/1 mit 1. 1. 2021 in Kraft und ist auf Kreditverträge und Kreditierungen anzuwenden, die nach dem 11. 9. 2019 geschlossen beziehungsweise gewährt werden, sofern die vorzeitige Rückzahlung nach dem 31. 12. 2020 geleistet wird. Die in § 29 Abs 12 VKrG statuierte Beschränkung der Rückwirkung der neuen Fassung des § 16 Abs 1 VKrG auf bestimmte Altfälle ist nicht verfassungswidrig (VfGH G 221/2021).

[42] 5. Nach den Feststellungen verwendet die Beklagte seit 1. 1. 2021 ein Formular, in welchem die Klausel 4 nicht mehr vorhanden ist; sie kann damit beim Neuabschluss von Verträgen die erst seit 1. 1. 2021 geltende Vorschrift des § 16 Abs 1 Satz 3 HS 2 VKrG nF nicht verletzen. Hinsichtlich zwischen 11. 9. 2019 und 31. 12. 2020 geschlossener Verträge beruft sie sich nach den Feststellungen seit 1. 1. 2021 gegenüber den Kunden nicht mehr auf die Klausel 4 oder sinngleiche Klauseln und zahlt diesen, wenn sie vor Laufzeitende die offene Kreditsumme zurückzahlen, einen Teil der Bearbeitungsprovision zurück. Soweit § 16 Abs 1 VKrG idgF anzuwenden ist, ist somit eine Verletzung der Vorschrift durch die Beklagte nicht ersichtlich.

[43] Es verbleibt zu klären, ob der feststehende Abschluss von Verträgen unter Verwendung der Klausel 4 vor dem 1. 1. 2021 durch die Beklagte und die feststehende Berufung der Beklagten auf die Klausel 4 gegenüber den Kunden, die bis 11. 9. 2019 Kreditverträge abgeschlossen haben, eine Verletzung von § 16 Abs 1 aF VKrG darstellen:

[44] 6. Voranzustellen ist, dass für die Auslegung von § 16 Abs 1 aF VKrG aus dem Gesetz BGBl I 2021/1 nichts zu gewinnen ist. Eine authentische Interpretation iSd § 8 ABGB erfolgte durch die Novelle nicht. In den ErläutRV zur Novelle (478 BlgNR 27. GP  1) wurde ausdrücklich angemerkt, dass die Neuregelung auf die Auslegung der bisherigen Rechtslage keinen Einfluss nehme (P. Bydlinski, Die Auslegung des § 16 Abs 1 aF VKrG im Lichte der EuGH-Entscheidung Lexitor, ZFR 2021/87 [213]).

[45] 7. Eine unmittelbare Wirkung der fraglichen Richtlinienbestimmung im Anlassfall scheidet aus, weil es sich um ein horizontales Rechtsverhältnis zwischen Privaten handelt (EuGH C‑351/12 , OSA Rn 43, 48). Nach der Rechtsprechung des EuGH gestattet die Bestimmung einer Richtlinie, selbst wenn sie klar, genau und unbedingt ist, es dem nationalen Gericht nicht, eine ihr entgegenstehende Bestimmung seines innerstaatlichen Rechts „auszuschließen“ (unangewendet zu lassen), wenn aufgrund dessen einer Privatperson eine zusätzliche Verpflichtung auferlegt würde (EuGH C‑261/20 , Thelen [Rn 32] mit Glossen von Balthasar‑Wach/Lanser in ecolex 2022, 192 und Brenn in EvBl 2022 [in Druck]).

[46] 8. Es stellt sich somit die – in der Literatur uneinheitlich beantwortete (Auflistung des Meinungsstandes bei Pendl in Schwimann/Kodek, ABGB5 IX [2022] § 16 VKrG Rz 9c FN 46) – Frage der Zulässigkeit einer richtlinienkonformen Interpretation von § 16 Abs 1 aF VKrG nach den Grundsätzen der Entscheidung Lexitor:

[47] 9. Ein richtlinienkonformes Ergebnis wird zum einen dadurch zu erreichen versucht, dass man laufzeitunabhängige Kosten als „Zinsen“ iSd § 16 Abs 1 Satz 3 1. HS aF VKrG qualifiziert (dafür Kriegner, Reduktion laufzeitunabhängiger Kosten bei vorzeitiger Kreditrückzahlung contra legem?, ÖBA 2020, 180 [182]).

[48] Dieser Auslegung vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Die ErläutRV zum DaKRÄG (650 BlgNR 24. GP  36) führten – worauf Pendl (Das Lexitor-Urteil des EuGH und der Wille des österreichischen Gesetzgebers, ÖBA 2021, 331 [332]) aufmerksam machte – zwar nicht unmittelbar zu § 16 Abs 1 aF VKrG, aber immerhin zu der auf diese Vorschrift verweisenden Bestimmung des § 26 Abs 4 VKrG folgendes aus (Hervorhebungen vom Senat):

„Bei einem Leasingvertrag mit Verpflichtung des Verbrauchers zum Objekterwerb gilt der dem Verbraucher jederzeit zustehende vorzeitige Erwerb der Sache als vorzeitige Rückzahlung im Sinn des § 16 VKrG (§ 26 Abs. 4). Wenn der Verbraucher von dieser Gestaltungsmöglichkeit Gebrauch macht, kommt es zu einer Verminderung seiner Zahlungspflicht um die dem „abgeschnittenen“ Vertragszeitraum entsprechende Zinsenkomponente und um die darauf entfallenden laufzeitabhängigen Kosten. […] Der Verbraucher soll sich eine Vorstellung darüber machen können, welche Kostenkomponenten von ihm trotz der verkürzten Vertragsdauer zur Gänze und welche von ihm nur anteilig zu tragen sind und welche allenfalls vollständig entfallen. Daher ist ihm eine detaillierte Aufklärung darüber zu geben, welche Kosten laufzeitunabhängig anfallen und welche nicht. Ein Beispiel für laufzeitunabhängige Kosten wären etwa die durch den Vertragsabschluss angefallenen Rechtsgeschäftsgebühren (soweit diese vom Unternehmer entrichtet werden) oder allfällige Kosten einer Bonitätsprüfung.“

 

[49] Aus den Materialien geht somit unmittelbar hervor, dass nach § 16 Abs 1 aF VKrG laufzeitunabhängige Kosten Kostenkomponenten sind, die vom Verbraucher trotz der verkürzten Vertragsdauer zur Gänze zu tragen sind. Ebensolches ließ sich im Übrigen bereits den Gesetzesmaterialien zur Vorläuferbestimmung des § 12a Abs 1 KSchG entnehmen (JAB 992 BlgNR 18. GP  2).

[50] Es war damit klare Absicht des Gesetzgebers, aus der Bestimmung des § 16 Abs 1 Satz 3 HS 2 aF VKrG, wonach sich die laufzeitabhängigen Kosten bei vorzeitiger Rückzahlung verhältnismäßig verringern, in Bezug auf laufzeitunabhängige Kosten einen Umkehrschluss zu ziehen und für diese eine „verhältnismäßige Verringerung“ gänzlich auszuschließen. Eine Subsumtion unter „Zinsen“ in Satz 3 1. HS (und Satz 2) leg cit ist daher ausgeschlossen.

[51] 10. Ein richtlinienkonformes Ergebnis wird von Autoren zum anderen dadurch zu erreichen versucht, dass eine Gesetzeslücke angenommen und diese sodann „richtlinienkonform“ geschlossen wird.

[52] 10.1. Die Regelungslücke wird zum einen schlicht damit begründet, der Gesetzgeber habe nur die Reduktion laufzeitabhängiger Kosten geregelt, laufzeitunabhängige aber planwidrig nicht (zB Kriegner ÖBA 2020, 182), oder damit, dass aus den Gesetzesmaterialien nicht der Wille des Gesetzgebers hervorgehe, laufzeitunabhängige Kosten von der Kürzung auszunehmen (so – jedoch nur unter Beachtung der unmittelbar zu § 16 Abs 1 aF ergangenen, nicht zu den oben wiedergegeben, zu § 26 VKrG ergangenen ErläutRV – Schoditsch, Rückzahlungsverpflichtung nach § 16 Abs 1 VKrG auch für Einmalzahlungen, VbR 2019, 234; Beham, Richtlinienkonforme Auslegung und nationaler Auslegungsprotektionismus: Vermeidungsstrategien in der Umsetzung des Lexitor‑Urteils in der Anwendung des Verbraucherkreditgesetzes/Hypothekar- und Immobilienkreditgesetzes, ZFR 2021/45 [118 f]; ders, Aktuelle Rechtsprechung zur Anwendung des Lexitor‑Urteils, VbR 2021, 51 [54]).

[53] Diese Ansichten vermag der Senat nicht zu teilen.

[54] Analogie setzt eine Rechtslücke voraus, dies ist eine planwidrige Unvollständigkeit innerhalb des positiven Rechts (RS0008866 [T11]). Wie bereits oben ausgeführt, geht aus den Gesetzesmaterialien klar die Absicht des Gesetzgebers hervor, aus der Bestimmung des § 16 Abs 1 Satz 3 HS 2 aF VKrG in Bezug auf laufzeitunabhängige Kosten einen Umkehrschluss zu ziehen, nämlich anders als bei laufzeitabhängigen Kosten bei diesen keine Rückzahlung im Fall vorzeitiger Kreditrückzahlung vorzusehen. Eine planwidrige Lücke lag – jedenfalls bis zur Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Lexitor – nicht vor.

[55] 10.2. Das Vorliegen einer Lücke wird zum anderen damit zu begründen versucht, dass der Gesetzgeber des DaKRÄG den Willen gehabt habe, die Verbraucherkredit‑Richtlinie 2008/48/EG in das österreichische Recht umzusetzen (vgl nur 650 BlgNR 24. GP  1), er aber über den Inhalt des Art 16 Abs 1 der Richtlinie geirrt habe, zumal der EuGH in der Rechtssache Lexitor diese Bestimmung dahin auslegte, dass es bei vorzeitiger Kreditrückzahlung auch zu einer Verringerung der laufzeitunabhängigen Kosten zu kommen hat. Es ließe sich nicht bestreiten, dass die unbewusst fehlerhafte Richtlinienumsetzung gemessen am gesetzgeberischen Plan ein nicht gewolltes Manko sei; damit führe sie aber zu einer Regelungslücke (so etwa Perner, Laufzeitunabhängige Kosten bei vorzeitiger Kreditrückzahlung – Zugleich ein Beitrag zur richtlinienkonformen Interpretation, ÖBA 2021, 844 [846]).

[56] Genannter Autor plädierte bereits rund zehn Jahre davor allgemein dafür, in einem Fall wie dem nunmehr hier vorliegenden die „Richtlinie als Maßstab der Lückenfeststellung anzusehen“ und dem „generellen Umsetzungswillen“ den Vorrang vor der „konkreten Regelungsabsicht“ einzuräumen. Die konkrete Regelungsabsicht könne nur der Auffüllung der Lücke, nicht aber ihrer Annahme entgegenstehen (Perner, EU‑Richtlinien und Privatrecht [2012] 104 mwN; iglS nunmehr konkret zu § 16 Abs 1 aF VKrG ders, ÖBA 2021, 847 f).

[57] Im Anschluss an Perner vertrat der 4. Senat des Obersten Gerichtshofs in 4 Ob 62/16w (Pkt 3.) in einem UrhG‑Fall die Ansicht, es könne unter Bedachtnahme auf das Umsetzungsgebot des Art 288 AEUV eine planwidrige Lücke angenommen werden, wenn der Gesetzgeber, was ihm grundsätzlich zu unterstellen sei, eine Richtlinie umsetzen wollte, er aber über deren Inhalt geirrt habe; im Ergebnis müsse die konkrete Regelungsabsicht hinter dem generellen Umsetzungswillen zurückstehen.

[58] Das Abstellen auf einen generellen Umsetzungswillen stieß in der Literatur auf scharfe Kritik:

[59] a) P. Bydlinski (Richtlinienkonforme „gesetzesübersteigende“ Rechtsfindung und ihre Grenzen – eine methodische Vergewisserung anlässlich 20 Jahre EU‑Mitgliedschaft, JBl 2015, 2 [insb 7 f]; ders, Richtlinienkonforme Rechtsfindung: Der OGH [4 Ob 62/16w], die Lex‑lata‑Grenze und die Kernfunktion von Gesetzesrecht, RZ 2019, 30 ff) spricht von einem „Totschlagargument 'Generalumsetzungswille'“, welches aber nicht überzeuge. Erkläre der Gesetzgeber im Allgemeinen Teil der Erläuterungen zu einer Neuregelung, die Novelle diene unter anderem der Umsetzung einer bestimmten europäischen Richtlinie, um dann später die neuen Bestimmungen im Detail zu erklären, so sage der Gesetzgeber in der Sache, dass die einzelnen Umsetzungsschritte, also die neuen Einzelvorschriften, seiner Meinung nach der Richtlinie entsprächen. Der Gesetzgeber wolle aber genau diese Einzelnormen Gesetz werden lassen, wobei er sich eben im unter Umständen falschen Glauben befinde, europarechtskonform umzusetzen. Das Absolutsetzen eines Umsetzungsgeneralwillens würde die materielle Regelungsentscheidung des nationalen Gesetzgebers obsolet machen. Überdies dürften Motive des Gesetzgebers keinen Vorrang vor der maßgebenden Regelungsentscheidung erhalten. Der Gesetzgeber habe anders als in den klassischen Lückenfällen nichts übersehen, da ihm die Pflicht zu korrekter Umsetzung voll bewusst gewesen sei. Er habe bloß die EU‑Vorgaben nicht voll getroffen. Warum ein solcher Irrtum dazu führen könnte oder gar sollte, dass das in einer Einzelregelung bewusst und gewollt Festgelegte ohne neuerlichen Gesetzgebungsakt deutlich anders zu verstehen oder womöglich gar als gänzlich unbeachtlich zu behandeln sei, sei nicht zu erkennen; dies ganz abgesehen von der Notwendigkeit, das Vertrauen jener zu schützen, die ihr Verhalten an einer klaren nationalen Regelung ausrichteten (JBl 2015, 8).

[60] Die Ansicht des 4. Senats in 4 Ob 62/16w führe im Ergebnis zu einer nahezu grenzenlosen Rechtsfindung. Dass die konkrete Regelungsabsicht hinter dem generellen Umsetzungswillen zurückzustehen habe, bedeute bei praxisnaher Betrachtung nichts anderes als die nahezu generelle Ablehnung richtlinienwidriger Regelungen. Es komme zur Einebnung der Unterschiede zwischen Verordnung und Richtlinie. Es würde nahezu jede Richtlinienvorschrift mit Ablauf der Umsetzungsfrist zumindest im Ergebnis vollständig in den Rechtsordnungen aller Mitgliedstaaten der EU wirken. Natürlich sei aber auch eine vom Gesetzgeber aufgrund irgendwelcher Irrtümer geschaffene Regelung Bestandteil des geltenden Rechts, und zwar mit dem Inhalt, den der Gesetzgeber dieser Norm in ihrem Wortlaut ausweislich der Materialien gegeben habe und geben habe wollen. Ansonsten könnte es ja auch keine verfassungswidrigen Bestimmungen geben, da kein Gesetzgeber bewusst gegen die Verfassung verstoße, also auch keine verfassungswidrigen Regelungen mehr, weil man der Norm ohne Rücksicht auf Text und Regelungswillen einfach einen verfassungskonformen Inhalt beilegte. Eine irrtumsbehaftete Entscheidung des Gesetzgebers sei im Regelfall zunächst wirksam. Erst nach deren formaler Beseitigung sehe es anders aus. Es liege – auch zumal es zentrale Aufgabe von Gesetzesrecht sei, den Rechtsunterworfenen Orientierung für ihr Handeln zu geben – am Gesetzgeber, die nunmehr erkannte Richtlinienwidrigkeit zu sanieren (RZ 2019, 30 ff).

[61] b) Nach Ramharter (Richtlinienkonforme Rechtsfortbildung: Rechtsprechung oder Rechtsbrechung?, VbR 2017, 8 [10]) verhinderten bei unbeabsichtigter Schaffung einer unionsrechtswidrigen Regelung durch den Gesetzgeber die Postulate der Rechtssicherheit und der Transparenz, den konkreten Regelungswillen einem allgemeinen unionsrechtskonformen Umsetzungswillen zu opfern. Mangels einer europarechtlichen Notwendigkeit, einen solchen gesetzgeberischen Willen zu fingieren, könne es jedenfalls bei eindeutiger nationaler Rechtslage dem einfachen Rechtsunterworfenen nicht zugemutet werden, stets eine Prüfung anzustellen, ob die Rechtslage, auf die er sich einstellt, bloßem Richtlinienrecht, das sich zunächst einmal lediglich an die Mitgliedstaaten richte, widerspreche. Im Extremfall geriete das nationale Gesetzesrecht andernfalls zu einer Art dynamischer Verweisung auf die Rechtsprechung des EuGH und damit zum bloßen Blankett.

[62] c) Nach Posch (in Schwimann/Kodek, ABGB5 I [2018] § 6 Rz 38 samt FN 142) sei der 4. Senat in der Frage, wo die Grenzen der richtlinienkonformen Interpretation zu ziehen seien, in erstaunlich lapidarer Formulierung zu einem mit Sicherheit nicht allseits befriedigenden Ergebnis gelangt. Der Oberste Gerichtshof habe sich hier auf Pernerberufen und die scharfe Kritik P. Bydlinskis in JBl 2015, 8 am „Totschlagargument 'Generalumsetzungswille'“ ignoriert.

Der Senat hat erwogen:

[63] Hinsichtlich der Verpflichtung zur richtlinienkonformen Interpretation verweist der EuGH auf den Methodenkatalog des nationalen Rechts (EuGH C‑397/01 , Pfeiffer; C‑212/04 , Adeneler) und verlangt, das nationale Recht „so weit wie möglich“ anhand Wortlaut und Zweck der Richtlinie auszulegen (EuGH C‑261/20 , Thelen Rn 26 f). Die Pflicht zur richtlinienkonformen Interpretation reicht somit grundsätzlich bis zur Grenze der äußersten Wortlautschranke, erstreckt sich aber zudem auf die nach dem innerstaatlichen interpretativen Methodenkatalog zulässige Rechtsfortbildung durch Analogie oder teleologische Reduktion im Fall einer planwidrigen Umsetzungslücke (8 ObA 47/16v [Pkt 2.3.] mwN). Eine „interprétation conforme“ der geltenden nationalen Rechtsvorschriften ist aber unzulässig, wenn diese zu einer Auslegung contra legem führen würde. Ebenso darf es nicht über diesen Umweg zu einer – sonst unzulässigen – unmittelbaren Wirkung von Richtlinienbestimmungen im horizontalen Verhältnis kommen (4 Ob 124/18s [Pkt 7.3.]; 9 ObA 11/19m [Pkt 4.]; EuGH C‑261/20 , Thelen Rn 28).

[64] Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs darf eine richtlinienkonforme Interpretation den normativen Gehalt der nationalen Regelung nicht grundlegend neu bestimmen (RS0114158 [T1]). Sie darf einer nach Wortlaut und Sinn eindeutigen nationalen Regelung keinen durch die nationalen Auslegungsregeln nicht erzielbaren abweichenden oder gar entgegengesetzten Sinn geben (RS0114158 [T7]; 8 ObA 63/20b [Pkt 8]). Sie kommt allein dann zur Anwendung, wenn das nationale Recht dem Rechtsanwender einen Spielraum einräumt (RS0114158 [T5]).

[65] Einen solchen Spielraum eröffnet der bloße Verweis im Allgemeinen Teil der Erläuterungen eines Umsetzungsgesetzes, dieses diene der Umsetzung einer Richtlinie (sogenannter genereller Umsetzungswille), nicht. Ansonsten wäre bei jeder irrigen Umsetzung einer Richtlinie durch den Gesetzgeber bei noch so klarem Gesetzeswortlaut und noch so klaren, für den Gesetzeswortlaut sprechenden Gesetzesmaterialien sowie noch so klarem mit der Gesetzesbestimmung verfolgten Zweck grundsätzlich immer eine richtlinienkonforme Interpretation möglich. Solches widerspräche aber der ständigen Rechtsprechung, dass es – schon aus Gründen der Rechtssicherheit – unzulässig ist, im Wege einer richtlinienkonformen Interpretation den normativen Gehalt der nationalen Regelung grundlegend neu zu bestimmen (RS0114158; jüngst 7 Ob 241/18v [Pkt 3.2.]). Die allgemein bei fehlerhafter Richtlinienumsetzung eine Lücke bereits aufgrund des generellen Umsetzungswillens bejahende und insofern bislang vereinzelt gebliebene Entscheidung 4 Ob 62/16w wird daher abgelehnt.

[66] Normativer Gehalt des § 16 Abs 1 aF VKrG war nach einhelliger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs und ganz überwiegender Literatur, dass sich laufzeitunabhängige Kosten bei vorzeitiger Kreditrückzahlung aufgrund eines Umkehrschlusses aus der Bestimmung nicht reduzieren. Diese völlig klare nationale Gesetzeslage kann nicht allein deshalb, weil – wie aus dem Allgemeinen Teil der Gesetzesmaterialien zum VKrG ersichtlich – mit dem VKrG die Richtlinie 2008/48/EG umgesetzt werden soll und nach der nunmehrigen Rechtsprechung des EuGH die Richtlinie eine Reduktion auch der laufzeitunabhängigen Kosten gebietet, als „lückenhaft“ betrachtet werden. Die Gesetzeslage (§ 16 Abs 1 aF VKrG) ist aufgrund der bewussten Entscheidung des Gesetzgebers, die laufzeitunabhängigen Kosten bei vorzeitiger Kreditrückzahlung nicht zu reduzieren, nicht lückenhaft. Folglich ist eine Rechtsfortbildung durch Analogie ausgeschlossen.

[67] Weil demnach § 16 Abs 1 aF VKrG – auch nach der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Lexitor – dahin auszulegen ist, dass laufzeitunabhängige Kosten bei vorzeitiger Kreditrückzahlung nicht zu reduzieren sind, ist eine Verletzung der Gesetzesbestimmung durch die Klausel 4 zu verneinen.

[68] 11. Die Klausel ist entgegen der Ansicht des Erstgerichts auch nicht gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB:

[69] Nach dieser Vorschrift ist eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung, die nicht eine der beiderseitigen Hauptleistungen festlegt, jedenfalls nichtig, wenn sie unter Berücksichtigung aller Umstände des Falls einen Teil gröblich benachteiligt.

[70] Der Oberste Gerichtshof hat in zwei Entscheidungen jedenfalls eine – wie hier – der Höhe nach bereits festgelegte Kreditbearbeitungsgebühr als Teil des Entgelts für die Kapitalüberlassung und damit als Hauptleistung qualifiziert (6 Ob 13/16d [Pkt 4.3 f]; 10 Ob 31/16f [Pkt 5.6.1 f]). Der Senat hat keinen Grund, dies für die hier zu beurteilende Klausel 4 anders zu sehen.

[71] Aber auch bei einer Prüfung der Klausel 4 nach § 879 Abs 3 ABGB wäre dem Kläger nicht geholfen. Die Prüfung gröblicher Benachteiligung im Sinne der Vorschrift orientiert sich am dispositiven Recht als Maßstab eines gerechten Interessenausgleichs zwischen den Parteien (3 Ob 143/18b [Pkt 3.2.] mwN). Soweit die Beklagte mit Verbrauchern die Klausel 4 vereinbarte und sich wie festgestellt auf diese beruft, ist – wie bereits dargelegt – aufgrund der Inkrafttretens- und Übergangsbestimmung des § 29 Abs 12 VKrG allein § 16 Abs 1 aF VKrG beachtlich, aus dem sich – wie ebenso bereits dargelegt – e contrario ergibt, dass sich die laufzeitunabhängigen Kosten bei vorzeitiger Kreditrückzahlung durch den Kunden nicht reduzieren. Wenn die Klausel bestimmt, dass die Bearbeitungsprovision unabhängig von der Laufzeit der Finanzierung auch bei einer vorzeitigen Rückzahlung der Finanzierung nicht zurückerstattet wird, so entspricht sie also dem dispositiven Recht. Mangels Abweichung vom dispositiven Recht ist die Klausel 4 nicht gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB (vgl RS0016914; 7 Ob 272/04g).

[72] 12. Weil es dem Kläger nicht gelang eine Verletzung weder der neuen noch der alten Fassung des § 16 Abs 1 VKrG durch die Beklagte noch eine Verletzung des § 879 Abs 3 ABGB unter Beweis zu stellen, ist die Unterlassungsklage in Hinsicht auf die Klausel 4 abzuweisen.

B. Zum Urteilsveröffentlichungsbegehren des Klägers:

[73] Die Beklagte wendet sich in der Revision gegen die Stattgebung des Urteilsveröffentlichungsbegehrens des Klägers, der sie konzediert, der langjährigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung zu entsprechen, allein mit dem Argument, eine zusätzliche Urteilsveröffentlichung sei zur Information der Öffentlichkeit nicht erforderlich, weil der Kläger ohnehin auf seiner Homepage und über Presseaussendungen laufend eingehend über Verbandsprozesse informiere und die höchstgerichtliche Entscheidung auch im Rechtsinformationssystem des Bundes abrufbar sein werde. Die Judikatur habe diese Aspekte noch nicht ausreichend berücksichtigt.

[74] Zweck der Urteilsveröffentlichung ist es, über die Rechtsverletzung aufzuklären und den beteiligten Verkehrskreisen Gelegenheit zu geben, sich entsprechend zu informieren, um vor Nachteilen geschützt zu sein. In der Regel ist die Urteilsveröffentlichung in einem solchen Umfang zuzusprechen, dass die Verkehrskreise, denen gegenüber die Rechtsverletzung wirksam geworden ist, über den wahren Sachverhalt bzw den Gesetzesverstoß aufgeklärt werden (RS0121963 [T2, T9]).

[75] Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs tut es dem Interesse an der Urteilsveröffentlichung in einem Printmedium keinen Abbruch, dass die Öffentlichkeit die Entscheidung auch im Rechtsinformationssystem des Bundes oder auf den Webseiten der obsiegenden Partei abrufen kann (RS0128866). Die elektronische Veröffentlichung im Rechtsinformationssystem des Bundes ist schon aufgrund der Anonymisierung der Prozessparteien nicht zur Aufklärung des Publikums geeignet (RS0128866 [T1]). Dass der Kläger Presseaussendungen über Verbandsprozesse tätigt ändert ebensowenig etwas am berechtigten Interesse der Bankkunden der Beklagten, gegenüber denen die Rechtsverletzung wirksam geworden ist, im Wege einer Urteilsveröffentlichung in einem Printmedium über den Gesetzesverstoß aufgeklärt zu werden.

C. Zum Urteilsveröffentlichungsbegehren der Beklagten:

[76] Eine Ermächtigung zur Veröffentlichung des abweisenden Teils des Unterlassungsbegehrens („Gegenveröffentlichung“) ist an strengere Voraussetzungen geknüpft, als die Urteilsveröffentlichung zugunsten des obsiegenden Klägers (RS0079624 [T14]). Ein berechtigtes Interesse an der Veröffentlichung des klageabweisenden Urteils(‑teils) durch den Beklagten besteht etwa dann, wenn ein ansonsten falscher Eindruck der Öffentlichkeit dahin, dass der Kläger im Rechtsstreit (vollständig) obsiegt habe, zerstreut werden müsste (RS0079624 [T12, T13, T15]).

[77] Dafür wäre Voraussetzung, dass der Rechtsstreit eine gewisse Publizität erlangt hätte, was von der Beklagten aber gar nicht behauptet wird. Sie begründet ihr Interesse an der Veröffentlichung des die Klage abweisenden Teils des Urteilsspruchs damit, dass der Kläger in seiner allgemeinen Medienarbeit besonders bemüht wäre, die Beklagte in ein unvorteilhaftes Licht zu rücken, fänden sich doch auf seiner Homepage nicht weniger als 100 Einträge über die Beklagte. Dabei übersieht die Beklagte, dass die Gegenveröffentlichung nicht den Sinn hat, einen nach § 29 KSchG klageberechtigten Verband in irgendeiner Weise zu sanktionieren.

D. Zur Kostenentscheidung:

[78] Die aufgrund der Abänderung der Entscheidung der Vorinstanzen notwendige neue Entscheidung über die Kosten erster und zweiter Instanz und die Entscheidung über die Kosten dritter Instanz gründen sich auf §§ 43 Abs 1, 50 ZPO.

[79] In erster Instanz war über fünf Klauseln zu entscheiden. Da der Kläger keine Einzelbewertung seiner Begehren vorgenommen hat, war im Zweifel von der Gleichwertigkeit aller (Unterlassungs-)Begehren auszugehen (8 Ob 146/18f [Pkt 6]; Obermaier, Kostenhandbuch3 Rz 2.38). Der Erfolg des Unterlassungsbegehrens schlägt auf das Veröffentlichungsbegehren durch (RS0035828 [T1]).

[80] Der Kläger obsiegte mit 4/5 seines Begehrens und erhält 3/5 seiner Kosten sowie 4/5 der angefallenen Pauschalgebühr.

[81] Selbiges gilt hinsichtlich der Kosten zweiter Instanz. Das Berufungsinteresse des Klägers betrug 7.200 EUR, jenes der Beklagten nicht wie verzeichnet 36.000 EUR, sondern 28.800 EUR. Die Berufungsgebühr der Beklagten betrug damit nur 1.219 EUR (statt verzeichneter 2.288 EUR). Der Kläger hat damit Anspruch auf Ersatz von 3/5 von 2.847,94 EUR an Vertretungskosten und von 4/5 seiner Berufungsgebühr von 1.219 EUR, die Beklagte ihrerseits Anspruch auf Ersatz von 1/5 ihrer Berufungsgebühr von ebenso 1.219 EUR; dies ergibt nach Saldierung den aus dem Spruch ersichtlichen Betrag.

[82] In dritter Instanz betrug das Revisionsinteresse der Beklagten – zumal sie die vollinhaltliche Klagestattgebung durch das Berufungsgericht nur bezüglich 2 von 5 Klauseln bekämpfte, 14.400 EUR. Die Beklagte drang hinsichtlich einer Klausel mit ihrer Revision durch, hinsichtlich der anderen Klausel unterlag sie. Deshalb sind nach §§ 43 Abs 1 iVm § 50 ZPO die Vertretungskosten aufzuheben und der Kläger zum Ersatz der halben Revisionsgebühr von (richtig) 1.526 EUR zu verfällen.

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