European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:008OBA00047.16V.0817.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).
Begründung:
1. Die Klägerin ist aufgrund einer massiven sexuellen Belästigung durch den Zweitbeklagten, die zu einer strafgerichtlichen Verurteilung geführt hat, am 5. 6. 2014 aus dem Arbeitsverhältnis zur Erstbeklagten berechtigt vorzeitig ausgetreten. Der Zweitbeklagte wurde aufgrund der inkriminierten Vorfälle zu einem immateriellen Schadenersatz gemäß § 12 Abs 11 GlBG in Höhe von 3.500 EUR verurteilt. Hinzu kam die Zuerkennung eines Schadenersatzteilbetrags von 300 EUR im Strafverfahren.
2.1 Das gegen die Erstbeklagte und den Drittbeklagten (zusätzlich zum Begehren wegen sexueller Belästigung) erhobene Begehren auf immateriellen Schadenersatz wegen „diskriminierender Kündigung“ gemäß § 12 Abs 7 GlBG wurde von den Vorinstanzen abgewiesen. Nach Ansicht der Klägerin in ihrer außerordentlichen Revision ist in diesem Zusammenhang die Rechtsfrage erheblich, ob Schadenersatz aufgrund sexueller Diskriminierung nach § 12 Abs 7 iVm § 3 Z 7 GlBG auch bei einer arbeitnehmerseitigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses, konkret im Falle eines vorzeitigen berechtigten Austritts, zusteht.
Das Berufungsgericht bejahte zwar das Vorliegen einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts nach § 3 Z 7 GlBG, verneinte aber die Zuerkennung eines immateriellen Schadenersatzes nach § 12 Abs 7 GlBG, weil ein solcher Anspruch nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber voraussetze.
Rechtliche Beurteilung
2.2 Richtig ist, dass die Mitgliedstaaten der Europäischen Union nach der Richtlinie 2006/54/EG bei einer Verletzung des Diskriminierungsverbots wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen vorsehen müssen. Demnach haben die Mitgliedstaaten dafür Sorge zu tragen, dass der einer Person durch eine Diskriminierung zugefügte Schaden tatsächlich und wirksam ausgeglichen und angemessen ersetzt wird. Diese Vorgaben wurden in Österreich mit dem Gleichbehandlungsgesetz umgesetzt. § 12 Abs 7 GlBG räumt dem betroffenen Arbeitnehmer ein Wahlrecht ein. Nach dieser Bestimmung kann er eine diskriminierende Kündigung bzw Entlassung entweder gerichtlich anfechten oder aber den Schaden (Vermögensschaden und immateriellen Schaden für die erlittene persönliche Beeinträchtigung) aus der diskriminierenden Beendigung geltend machen. Nach den Gesetzesmaterialien handelt es sich bei der mit einer erfolgreichen Anfechtung verbundenen Wiederherstellung des Arbeitsverhältnisses um die Herstellung des diskriminierungsfreien Zustands im Sinn einer Naturalrestitution gemäß § 1323 ABGB (vgl 8 Ob 76/12b).
2.3 Mit Bezug auf den Anlassfall hat das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass der Wortlaut des § 12 Abs 7 GlBG eindeutig sei. Damit spricht das Berufungsgericht die Grenzen der richtlinienkonformen Interpretation an. In dieser Hinsicht verweist der Europäische Gerichtshof auf den Methodenkatalog des nationalen Rechts (C‑397/01, Pfeiffer ; C‑212/04, Adeneler ). Die Pflicht zur richtlinienkonformen Interpretation reicht somit grundsätzlich bis zur Grenze der äußersten Wortlautschranke, erstreckt sich aber zudem auf die nach dem innerstaatlichen interpretativen Methodenkatalog zulässige Rechtsfortbildung durch Analogie oder teleologische Reduktion im Fall einer planwidrigen Umsetzungslücke (8 ObS 19/11v; 8 ObS 4/14t).
Der eindeutige Wortlaut des § 12 Abs 7 GlBG lässt keine Ausweitung des Anspruchs auf immateriellen Schadenersatz auf Fälle einer Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer zu. Das Berufungsgericht hat in dieser Hinsicht zutreffend auf das vom Gesetz angeordnete Wahlrecht des Arbeitnehmers und darauf hingewiesen, dass die primär vorgesehene Anfechtungsmöglichkeit des Arbeitnehmers zwingend eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber voraussetzt.
Für einen von der Klägerin geforderten Analogieschluss wäre eine planwidrige Gesetzeslücke erforderlich. Eine echte Gesetzeslücke ist eine planwidrige Unvollständigkeit innerhalb des positiven Rechts, gemessen am Maßstab der gesamten geltenden Rechtsordnung. Das Gesetz ist in einem solchen Fall, gemessen an seiner eigenen Absicht und immanenten Teleologie, ergänzungsbedürftig, ohne dass die Ergänzung einer vom Gesetz gewollten Beschränkung widerspricht. Eine solche Unvollständigkeit liegt jedoch nur dann vor, wenn eine anzuwendende Rechtsvorschrift zwar vorhanden, aber in einer bestimmten Richtung nicht präzisiert ist (8 ObA 57/14m).
Ein Analogieschluss zu § 12 Abs 7 GlBG in Bezug auf eine arbeitnehmerseitige Auflösung des Arbeitsverhältnisses ist nicht gerechtfertigt, weil aufgrund der im Gesetz hergestellten Beziehung zwischen Anfechtung und alternativem Schadenersatz ein Versehen des Gesetzgebers gerade nicht unterstellt werden kann.
2.4 Die Klägerin kann sich auch nicht auf die Literaturmeinung von Hopf/Mayr/Eichinger (GlBG § 3 Rz 139 und § 12 Rz 76) berufen. Diese Autoren führen aus, dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Arbeitnehmerkündigung oder vorzeitigen Austritt zwar aufgrund geschlechtlich diskriminierender Verhaltensweisen des Arbeitgebers provoziert werden könne, es insoweit aber an der Zuordnung einer Rechtsfolge in § 12 Abs 7 GlBG fehle, zumal diese Bestimmung auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber abstelle. Unter Umständen sei die Arbeitnehmerkündigung oder der vorzeitige Austritt die Folge einer Belästigung im Sinn der §§ 6 und 7 GlBG. Diesfalls käme § 12 Abs 11 GlBG zum Tragen. Aufgrund gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung sei unter „Beendigung des Arbeitsverhältnisses“ nicht nur Kündigung oder Entlassung, sondern allgemein die einseitige Beendigung durch den Arbeitgeber, also auch die Beendigung während der Probezeit, zu verstehen.
3. Die Ausführungen der Klägerin zur Darlegung der behaupteten Zulässigkeit der Revision beziehen sich nicht auch auf die Höhe des Schadenersatzes, der vom Zweitbeklagten zu leisten ist. Dazu ist darauf hinzuweisen, dass die Bemessung der Höhe des immateriellen Schadenersatzes typisch den Einzelfall betrifft und im Allgemeinen daher keine erhebliche Rechtsfrage begründet (8 ObA 59/08x; 8 ObA 63/09m).
4. Insgesamt gelingt es der Klägerin nicht, mit ihren Ausführungen eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Die außerordentliche Revision war daher zurückzuweisen.
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