Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 556,99 EUR (darin enthalten 92,83 EUR) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war vom 31. 12. 2007 bis 16. 5. 2008 und vom 26. 5. 2008 bis 30. 5. 2008 bei einer Liechtensteinischen Gesellschaft als Arbeiter beschäftigt. Er hatte seinen Wohnsitz in Österreich und verrichtete die Arbeiten an verschiedenen Orten im Bundesland Salzburg. Er war als Arbeiter der Gesellschaft in Österreich versichert und gilt als im Inland beschäftigt. Mit Beschluss des Fürstlichen Landgerichts Vaduz vom 24. 8. 2010 wurde der Antrag, über das Vermögen der Gesellschaft das Konkursverfahren zu eröffnen, mangels eines voraussichtlich hinreichenden Vermögens der Gemeinschuldnerin zur Deckung der Kosten des Konkursverfahrens abgewiesen.
Mit Bescheid vom 15. 2. 2011 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Zuerkennung von Insolvenz‑Entgelt ab.
Mit der im vorliegenden Verfahren erhobenen Klage begehrte der Kläger laufendes Entgelt ab 1. 4. 2008 samt Zinsen sowie gerichtliche Verfahrenskosten. Die Beklagte bestreite zu Unrecht, dass durch die Entscheidung des Fürstlichen Landgerichts Vaduz ein Insolvenztatbestand iSd § 1 Abs 1 IESG eingetreten sei. Die Ablehnung der Leistung von Insolvenzentgelt trotz entsprechender Beitragsleistung und Versicherungspflicht sei unsachlich und gleichheitswidrig. Darüber hinaus seien die Voraussetzungen des § 240 IO gegeben.
Die Beklagte entgegnete, dass kein Insolvenztatbestand iSd § 1 Abs 1 IESG vorliege, weil die EU‑Insolvenzordnung (1346/2000/EG) nicht anwendbar sei und von § 240 IO lediglich in einem anderen Staat eröffnete Insolvenzverfahren erfasst seien. Die Entscheidung des Fürstlichen Landgerichts Vaduz auf Abweisung der Konkurseröffnung mangels eines voraussichtlich hinreichenden Vermögens der Gemeinschuldnerin zur Deckung der Kosten des Konkursverfahrens sei in Österreich daher nicht anzuerkennen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Da im vorliegenden Fall eine Insolvenzeröffnung nicht vorliege, sei eine Anerkennung der ausländischen insolvenzgerichtlichen Entscheidung nach § 240 IO nicht möglich.
Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung im klagsstattgebenden Sinn ab. Das Erstgericht habe zutreffend darauf hingewiesen, dass der räumliche Anwendungsbereich der EU‑Insolvenzverordnung nicht gegeben sei. Der Wortlaut der Bestimmung des § 240 Abs 1 IO stehe mit der Rechtsansicht des Erstgerichts durchaus im Einklang. Allerdings seien die Vorschriften der Insolvenzrichtlinie (80/987/EWG) zu berücksichtigen. Für die Anwendbarkeit des Art 8a Abs 1 der Richtlinie genüge eine hinreichend dauerhafte kaufmännische Präsenz im anderen Mitgliedstaat (also nicht im Sitzstaat des Arbeitgebers), etwa durch Zahlung der Löhne und Gehälter in diesem Land, Kontakte zu den Behörden dieses Landes, Entrichtung der Sozialbeiträge in diesem Land oder eine bloß dauernde Tätigkeit des Arbeitnehmers in diesem Land. Diese Voraussetzungen seien gegeben. Es liege auch Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers iSd Art 2 Abs 1 der Insolvenzrichtlinie vor. Eine Ablehnung des Antrags auf Eröffnung des Konkurses mangels hinreichenden Vermögens stehe einer Konkurseröffnung iSd Art 2 leg cit nämlich gleich. Vor diesem Hintergrund könne der Verweis in § 1 Abs 1 letzter Satz IESG auf § 240 IO nur in dem Sinn verstanden werden, dass davon nicht nur in einem anderen Staat eröffnete Insolvenzverfahren, sondern auch Entscheidungen über die Ablehnung der Einleitung eines Insolvenzverfahrens mangels ausreichenden Vermögens erfasst seien. Die Voraussetzungen für die Gewährung von Insolvenzentgelt zugunsten des Klägers seien daher gegeben. Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil sich die Entscheidung des Berufungsgerichts im Rahmen der höchstgerichtlichen Rechtsprechung bewege.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten, mit der sie die Abweisung des Klagebegehrens anstrebt.
Mit seiner ‑ durch den Obersten Gerichtshof freigestellten ‑ Revisionsbeantwortung beantragte der Kläger, die Revision zurückzuweisen, in eventu, dieser den Erfolg zu versagen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, weil zu den unionsrechtlichen Vorgaben aus Art 9 iVm Art 2 Abs 1 der Insolvenzrichtlinie (2008/94/EG) eine Klarstellung durch den Obersten Gerichtshof geboten erscheint. Die Revision der Beklagten ist aber nicht berechtigt.
1. Unstrittig ist, dass aufgrund des Auslandsbezugs des Anlassfalls nach dem Wortlaut der zugrundeliegenden Rechtsvorschriften die Voraussetzungen für einen Insolvenztatbestand nach § 1 Abs 1 IESG iVm § 240 IO nicht gegeben sind. Die EU‑Insolvenzverordnung (1346/2000/EG) ist auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar.
2.1 Ausgangspunkt der Betrachtung ist daher die Insolvenzrichtlinie (2008/94/EG: Neukodifikation der Richtlinie 80/987/EWG idF der Richtlinie 2002/74/EG) , die in Art 9 die Zuständigkeit der Garantieeinrichtung für grenzüberschreitende Fälle regelt. Wie das Berufungsgericht mit zutreffender Begründung dargelegt hat, ist diese Richtlinie für den EWR und damit auch für Liechtenstein relevant.
Art 9 der Insolvenzrichtlinie lautet:
„(1) Ist ein Unternehmen, das im Hoheitsgebiet mindestens zweier Mitgliedstaaten tätig ist, zahlungsunfähig im Sinne von Art 2 Abs 1, so ist für die Befriedigung der nicht erfüllten Arbeitnehmeransprüche die Einrichtung desjenigen Mitgliedstaats zuständig, in dessen Hoheitsgebiet die betreffenden Arbeitnehmer ihre Arbeit gewöhnlich verrichten oder verrichtet haben.
(2) ...
(3) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um sicher zu stellen, dass Entscheidungen, die in den in Abs 1 des vorliegenden Artikels genannten Fällen im Rahmen eines Insolvenzverfahrens gemäß Art 2 Abs 1 ergehen, dessen Eröffnung in einem anderen Mitgliedstaat beantragt wurde, bei der Feststellung der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers im Sinne dieser Richtlinie berücksichtigt werden.“
2.2 In diesem Zusammenhang wird in der Revision der Beklagten die Rechtsfrage aufgeworfen, was unter der Wendung „im Hoheitsgebiet mindestens zweier Mitgliedstaaten tätig sein“ zu verstehen sei.
Diese Frage hat der EuGH in der Entscheidung C‑310/07 ‑ Holmqvist geklärt. Dazu ist darauf hinzuweisen, dass die in Rede stehenden Vorschriften für grenzüberschreitende Fälle mit der Änderungsrichtlinie 2002/74/EG (zur Richtlinie 80/987/EWG) durch Einfügung eines Art 8a in die Richtlinie aufgenommen wurden. In der zitierten Entscheidung führte der Gerichtshof Folgendes aus:
„Das Ziel der Insolvenzrichtlinie (nämlich die Gewährleistung der Rechtssicherheit und die Festigung der Rechte der Arbeitnehmer) lässt sich nur erreichen, wenn die Wendung „im Hoheitsgebiet mindestens zweier Mitgliedstaaten tätig ist“ weit ausgelegt wird (Rn 22). Für die Auslegung dieser Wendung ist vom Begriff „Niederlassung“, den die Rechtsprechung in den Urteilen Mosbaek sowie Everson und Parrass verwendet hat, abzugehen (Rn 25). Daher ist festzustellen, dass nach Art 8a der Richtlinie nicht erforderlich ist, dass ein in einem Mitgliedstaat ansässiges Unternehmen über eine Zweigniederlassung oder eine feste Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat verfügt, damit es als auch im Hoheitsgebiet dieses Staats tätig angesehen wird (Rn 28). Der Begriff „tätig sein“ muss nämlich so verstanden werden, dass er auf Gegebenheiten mit einer gewissen Dauerhaftigkeit im Gebiet eines Mitgliedstaats verweist. Diese Dauerhaftigkeit findet damit ihren Ausdruck, dass ein oder mehrere Arbeitnehmer in diesem Gebiet dauerhaft beschäftigt werden (Rn 30). Damit jedoch das in einem Mitgliedstaat ansässige Unternehmen als im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats tätig angesehen werden kann, muss es im letztgenannten Staat über eine feste wirtschaftliche Präsenz verfügen, die durch das Vorhandensein von Personal gekennzeichnet ist, das es ihm ermöglicht, dort Tätigkeiten zu entfalten (Rn 34). Im Fall eines in einem Mitgliedstaat ansässigen Transportunternehmens lässt sich allein daraus, dass ein von ihm dort angestellter Arbeitnehmer Warenlieferungen zwischen diesem Staat und einem anderen Mitgliedstaat durchführt, nicht schließen, dass das Unternehmen über eine feste wirtschaftliche Präsenz in einem anderen Mitgliedstaat verfügt (Rn 35).“
2.3 Der Kläger hat die Kunden der Gemeinschuldnerin in Österreich nicht nur von Liechtenstein aus betreut. Vielmehr befanden sich sein Wohnsitz, sein Aufenthaltsort und der Ort seiner Arbeitsverrichtung in Österreich. Die Beklagte hat darüber hinaus außer Streit gestellt, dass der Kläger in Österreich als Arbeiter der Gemeinschuldnerin versichert war und als im Inland beschäftigt gilt.
Damit sind die Kriterien für eine feste wirtschaftliche Präsenz der Gemeinschuldnerin in Österreich nach der Rechtsprechung des EuGH erfüllt. Dazu wird darauf hingewiesen, dass nach den Angaben des Klägers die Gemeinschuldnerin in Österreich sogar über ein Büro verfügte.
2.4 Der Hinweis der Beklagten auf das Versicherungsprinzip (Rechtsprechung des EuGH zur Insolvenzrichtlinie in der Stammfassung: C‑117/96 ‑ Mosbaek: Kein Betrieb im anderen Mitgliedstaat und keine Sozialversicherungsbeiträge; C‑198/98 ‑ Everson: Zweigniederlassung im anderen Mitgliedstaat und Sozialversicherungsbeiträge; C‑477/09 ‑ Defossez: Kein Betrieb im anderen Mitgliedstaat und keine Beitragspflicht; vgl auch 8 ObS 18/04m) ist nicht verständlich, zumal der Kläger in Österreich zur Sozialversicherung angemeldet war und in seinem Vorbringen auch deutlich auf seine Beitragsleistung in Österreich hingewiesen hat.
3.1 Da die Zuständigkeit der Österreichischen Garantieeinrichtung nach Art 9 der Insolvenzrichtlinie zu bejahen ist, stellt sich die weitere Frage, ob auch Zahlungsunfähigkeit iSd § 2 Abs 1 der Richtlinie besteht. Diese Bestimmung lautet:
„(1) Im Sinne dieser Richtlinie gilt ein Arbeitgeber als zahlungsunfähig, wenn die Eröffnung eines nach den Rechts‑ und Verwaltungsvorschriften eines Mitgliedstaats vorgeschriebenen Gesamtverfahrens beantragt worden ist, das die Insolvenz des Arbeitgebers voraussetzt und den teilweisen oder vollständigen Vermögensbeschlag gegen diesen Arbeitgeber sowie die Bestellung eines Verwalters oder einer Person, die eine ähnliche Funktion ausübt, zur Folge hat, und wenn die aufgrund der genannten Rechts- und Verwaltungsvorschriften zuständige Behörde
a) die Eröffnung des Verfahrens beschlossen hat; oder
b) festgestellt hat, dass das Unternehmen oder der Betrieb des Arbeitgebers endgültig stillgelegt worden ist und die Vermögensmasse nicht ausreicht, um die Eröffnung des Verfahrens zu rechtfertigen.“
3.2 In der Entscheidung 8 ObS 148/99v ging der Oberste Gerichtshof im gegebenen Zusammenhang von folgenden Grundsätzen aus:
„Die Auslegung, dass die Insolvenzrichtlinie 80/987/EWG im vorliegenden Fall nicht anwendbar sei, weil (in der zugrunde liegenden insolvenzgerichtlichen Entscheidung) die Stilllegung des Betriebs im Sinn der Richtlinie nicht festgestellt worden sei, ist unvertretbar, weil dadurch für einen ganz wesentlichen Anwendungsbereich - für alle Fälle, in denen ein Konkursverfahren mangels kostendeckenden Vermögens nicht eröffnet werden kann - die Richtlinie unanwendbar wäre. Es kann daher nicht zweifelhaft sein, dass die Abweisung des Antrags auf Eröffnung eines Konkursverfahrens mangels kostendeckenden Vermögens ausreichend ist, um dem Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenz‑Ausfallgeld zu geben.“
Im Klartext folgt daraus, dass es sich bei einer insolvenzgerichtlichen Entscheidung auf Abweisung der Konkurseröffnung mangels kostendeckenden Vermögens um eine Entscheidung über die Zahlungsunfähigkeit iSd Art 2 Abs 1 lit b der Insolvenzrichtlinie handelt. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist der Oberste Gerichtshof von diesen Grundsätzen in der Folge nicht abgegangen (vgl 8 ObS 18/04m; 8 ObS 17/07v).
Die Auslegung einer Richtlinie hat primär nach ihrer Zweckbestimmung zu erfolgen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die in einer Richtlinie verwendeten Begriffe nicht exakt auf die Nomenklatur der Rechtsordnung in jedem einzelnen Mitgliedstaat abgestimmt sein können. In Art 9 Abs 3 der Insolvenzrichtlinie wird für grenzüberschreitende Fälle hervorgehoben, dass insolvenzgerichtliche (insolvenzbehördliche) Entscheidungen über die Zahlungsunfähigkeit iSd § 2 Abs 1 leg cit von den Mitgliedstaaten (und den EWR-Staaten) berücksichtigt werden. Dieser Bestimmung liegt der Grundsatz der Anerkennung ausländischer gerichtlicher Entscheidungen zugrunde. Für die Anerkennung ist maßgebend, ob es sich bei der insolvenzgerichtlichen Entscheidung in der Form der lex fori der Art nach um eine Entscheidung handelt, wie sie in Art 2 Abs 1 der Insolvenzrichtlinie beschrieben ist. Von lit b leg cit werden daher alle insolvenzgerichtlichen Entscheidungen nach der lex fori erfasst, mit denen die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels kostendeckenden Vermögens abgewiesen wird.
Eine solche Entscheidung liegt im Anlassfall vor. Ob darin auf ein voraussichtlich nicht hinreichendes Vermögen abgestellt wird oder nicht, ist eine Besonderheit des nationalen Verfahrensrechts. Dies ändert nichts am Charakter der Entscheidung, die besagt, dass die Konkurseröffnung mangels kostendeckenden Vermögens unterbleibt.
4.1 Die Frage nach der unmittelbaren Wirkung der Insolvenzrichtlinie (im Fall nicht ordnungsgemäßer Umsetzung) stellt sich hier nicht. Vorrangig besteht nämlich die Verpflichtung zur richtlinienkonformen Interpretation. Nach diesem Grundsatz haben die Gerichte und Behörden der Mitgliedstaaten das nationale Recht soweit wie möglich anhand des Wortlauts und des Zwecks der betreffenden Richtlinien auszulegen. Ein Widerspruch zwischen nationalem Recht und Richtlinie ist tunlichst zu vermeiden. Die Pflicht zur richtlinienkonformen Interpretation beschränkt sich nicht auf Vorschriften, die zur Umsetzung einer Richtlinie erlassen wurden. Sie erstreckt sich vielmehr auf den gesamten Rechtsbestand des Mitgliedstaats (RIS‑Justiz RS0112669). Für die konkrete Umsetzung der richtlinienkonformen Interpretation verweist der EuGH auf den Methodenkatalog des nationalen Rechts (C‑397/01 ‑ Pfeiffer; C‑212/04 ‑ Adeneler ). Die Pflicht zur richtlinienkonformen Interpretation reicht somit grundsätzlich bis zur Grenze der äußersten Wortlautschranke, erstreckt sich aber ebenso auf die nach dem innerstaatlichen interpretativen Methodenkatalog zulässige Rechtsfortbildung durch Analogie oder teleologische Reduktion im Fall einer planwidrigen Umsetzungslücke (EvBl 2011/88; Ohler in Hummer , Neueste Entwicklungen im Zusammenspiel von Europarecht und nationalem Recht der Mitgliedstaaten 165).
4.2 In § 1 Abs 1 Z 2 IESG ist dem Insolvenztatbestand der Insolvenzeröffnung die Nichteröffnung des Insolvenzverfahrens mangels kostendeckenden Vermögens gleichgestellt. § 1 Abs 1 letzter Satz IESG lautet:
„Hat ein ausländisches Gericht eine Entscheidung getroffen, die nach der Verordnung 1346/2000 /EG (EU‑Insolvenzverordnung) oder gemäß § 240 IO oder nach den §§ 243 bis 251 IO (betreffend Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen) im Inland anerkannt wird, besteht nach Maßgabe dieses Bundesgesetzes gleichfalls Anspruch auf Insolvenz‑Entgelt, wenn die Voraussetzungen des ersten Satzes mit Ausnahme der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Inland erfüllt sind.“
Nach § 240 Abs 1 IO sind unter bestimmten Voraussetzungen die Wirkungen eines in einem anderen Staat eröffneten Insolvenzverfahrens und die in einem solchen Verfahren ergangenen Entscheidungen in Österreich anzuerkennen.
Mit Rücksicht auf das gewonnene Auslegungsergebnis zu den Vorgaben der Insolvenzrichtlinie ist § 240 IO iVm § 1 Abs 1 Satz 3 IESG dahin richtlinienkonform zu interpretieren, dass auch insolvenzgerichtliche Entscheidungen eines EU‑Gerichts (EWR‑Gerichts), die der Insolvenzeröffnung iSd § 1 Abs 1 Z 2 IESG gleichgestellt sind, in Österreich anerkannt werden müssen, wenn der Gemeinschuldner in Österreich als anderem Staat iSd Art 9 der Insolvenzrichtlinie tätig ist und sich der Ort der gewöhnlichen Arbeitsverrichtung in Österreich befindet.
Entgegen der Argumentation der Beklagten ist eine Besserstellung von EWR‑Bürgern gegenüber EU‑Bürgern (gemeint im Fall einer insolventen EWR‑Gesellschaft) nicht gegeben, weil auch bei einem EU‑Arbeitgeber in der Frage der anerkennungspflichtigen insolvenzgerichtlichen Entscheidungen nicht auf die EU‑Insolvenzverordnung zurückgegriffen werden muss.
5. Zusammenfassend ergibt sich: Die Zuständigkeit der österreichischen Garantieeinrichtung nach Art 9 der Insolvenzrichtlinie 2008/94/EG ist gegeben, wenn der in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Arbeitgeber in Österreich über eine feste wirtschaftliche Präsenz verfügt, indem er hier Personal dauerhaft beschäftigt. Zahlungsunfähigkeit im Sinn der Insolvenzrichtlinie ist gegeben, wenn es sich bei der insolvenzgerichtlichen (insolvenzbehördlichen) Entscheidung in der Form der lex fori der Art nach um eine Entscheidung handelt, wie sie in Art 2 Abs 1 der Insolvenzrichtlinie beschrieben ist. Von lit b leg cit werden alle insolvenzgerichtlichen Entscheidungen nach der lex fori erfasst, mit denen die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels kostendeckenden Vermögens abgewiesen wird. § 240 IO iVm § 1 Abs 1 Satz 3 IESG ist dahin richtlinienkonform zu interpretieren, dass auch insolvenzgerichtliche Entscheidungen eines EU‑Gerichts (EWR‑Gerichts), die der Insolvenzeröffnung iSd § 1 Abs 1 Z 2 IESG gleichgestellt sind, in Österreich anerkannt werden müssen, wenn der Gemeinschuldner in Österreich als anderem Staat iSd Art 9 der Insolvenzrichtlinie tätig ist und sich der Ort der gewöhnlichen Arbeitsverrichtung in Österreich befindet.
Die Entscheidung des Berufungsgerichts steht mit diesen Grundsätzen im Einklang. Der Revision der Beklagten war daher der Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 ASGG.
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