OGH 8ObS148/99v

OGH8ObS148/99v27.1.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Rohrer als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter OSR Dr. Felix Joklik und Mag. Thomas Kallab in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Wolfgang M*****, vertreten durch Dr. Thomas Stampfer und Dr. Christoph Orgler, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei Bundessozialamt S*****, wegen S 86.254,48 sA Insolvenz-Ausfallgeld, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28. Jänner 1999, GZ 7 Rs 278/98a-13, mit dem infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Leoben als Arbeits- und Sozialgericht vom 22. März 1998, GZ 21 Cgs 93/97t-9, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 14.960,16 (darin S 2.493,36 USt) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Anfang des Jahres 1995 fragte Erich K***** den ihm seit längerer Zeit bekannten Kläger, ob er für ihn arbeiten wolle. Der Kläger war dazu bereit und führte mit Erich K***** in dessen Büro in F*****, wo er unter der Adresse ***** ein Geschäftslokal angemietet und eine Geschäftstätigkeit entfaltet hatte, ein Gespräch. Dabei erklärte Erich K*****, dass er in Deutschland eine Firma habe, er aber auf Grund mehrerer Aufträge, die er in Österreich erwarte, im Raum K***** österreichische Mitarbeiter (gemeint offensichtlich: Mitarbeiter für seine Tätigkeit in Österreich) suche. Nach den daraufhin abgeschlossenen Vereinbarungen sollte der Kläger innerhalb der nächsten 14 Tage seine Arbeitsstelle zu einem Stundenlohn von S 130,-- antreten. Auch eine Anmeldung bei der österreichischen Gebietskrankenkasse sollte erfolgen, was jedoch tatsächlich nicht geschah. Telefonisch teilte Erich K***** dem Kläger mit, dass sich der Auftrag in Österreich etwas verzögern werde, und fragte ihn, ob er bereit wäre, zwischenzeitig auf einer Baustelle in Deutschland zu arbeiten, was der Kläger bejahte. Er war dann für Erich K***** in Deutschland tätig. Für diese im Zeitraum vom 27. 2. 1995 bis 4. 4. 1995 erbrachten Arbeitsleistungen erhielt der Kläger kein Entgelt.

Mit Urteil vom 2. 7. 1996 wurde Erich K***** vom Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz zu 35 Cga 176/95p zur Zahlung von aus dem Arbeitsverhältnis des Klägers resultierenden Ansprüchen in Höhe von S 73.603,50 brutto sA sowie zum Ersatz der Verfahrenskosten verpflichtet. Dem Kläger sind in diesem Verfahren Kosten in Höhe von S 8.840,-- entstanden. Die Kosten in Höhe von S 12.588,48 des für Erich K***** bestellten Prozesskurators wurden diesem als nachträglich entstandene Kosten iSd § 54 Abs 2 ZPO zum Ersatz auferlegt.

Mit Beschluss vom 14. 1. 1997 wies das Landesgericht Leoben als Konkursgericht zu 17 SE 651/96w den Antrag auf Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Erich K*****, Industrieanlagen, Abdichtungstechnik und Maschinenbau mit Sitz in F*****, mangels kostendeckenden Vermögens ab. Eine Firma K***** GesmbH ist weder im Firmenbuch des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz noch des Landesgerichtes Leoben noch des Amtsgerichtes M***** (BRD) eingetragen. Erich K***** ist beim Gewerbeamt der Gemeinde H***** (BRD) seit 1. 1. 1991 als Inhaber eines "Kundendienstes für Industrieanlagen" angemeldet, jedoch seit 31. 12. 1994 polizeilich abgemeldet.

Mit Bescheid vom 15. 4. 1997 lehnte die beklagte Partei den Antrag des Klägers auf Bezahlung von Insolvenz-Ausfallgeld in der Gesamthöhe von S 89.247,48 netto, bestehend aus Dienstnehmeransprüchen, Zinsen und Kosten ab. Es handle sich um keinen gesicherten Anspruch iSd § 1 Abs 1 IESG, weil der Kläger für seinen insolventen Dienstgeber ausschließlich in der BRD tätig gewesen sei.

Der Kläger begehrt mit seiner Klage nach Einschränkung die Bezahlung eines der Höhe nach unbestrittenen Betrages von insgesamt S 86.253,48 netto sA. Er sei nur vorübergehend auf eine Baustelle, die der Gemeinschuldner in der BRD betrieben habe, gesendet worden. Nach den Vereinbarungen hätte der ständige Dienstort Österreich sein sollen, wo auch der Arbeitsvertrag abgeschlossen worden sei. Erich K***** habe im Inland auch einen Betriebsstandort bzw ein Büro eröffnet. Die Insolvenzrichtlinie 80/987/EWG des Europäischen Rates vom 20. 10. 1980 verpflichte die Mitgliedstaaten zu einer richtlinienkonformen Errichtung von Garantieeinrichtungen zur Sicherung des Entgeltes bei Insolvenzen. Die Beschäftigung im Inland sei keine notwendige Voraussetzung. Es genüge die Beschäftigung eines inländischen Arbeitnehmers im EU-Ausland bei Zahlungsunfähigkeit eines inländischen Dienstgebers. Die Rechtsprechung, die auf das sozialversicherungsrechtliche Territorialitätsprinzip abstelle, sei vor dem Beitritt Österreichs zum EWR ergangen und widerspreche einer richtlinienkonformen Interpretation.

Die beklagte Partei beantragt Klagsabweisung. Es fehle die nötige Nahebeziehung zum österreichischen Sozialversicherungsrecht. Auch für das IESG gelte das Territorialitätsprinzip. Der Arbeitgeber des Klägers sei weder in einem inländischen Firmenbuch eingetragen noch habe eine sozialversicherungsrechtliche Anmeldung in Österreich vorgelegen. Auch eine Gewerbeberechtigung sei Erich K***** nie erteilt worden, vielmehr sei das Geschäftslokal 1995 leergestanden. Der Kläger habe Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld in der BRD, jedoch nicht in Österreich. Die Eröffnung des Konkurses stelle für sich allein noch keinen Anknüpfungstatbestand für den Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld dar.

Mit dem angefochtenen Urteil gab das Erstgericht dem Klagebegehren im gesamten Umfang statt. Es meinte, nach der hier anzuwendenden Richtlinie sei entgegen der bisherigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht mehr vom Territorialitätsprinzip auszugehen; es sei also bedeutungslos, ob der Kläger in Österreich oder in der BRD beschäftigt gewesen sei. Entscheidend sei vielmehr, dass der Antrag auf Eröffnung des Konkurses in Österreich abgewiesen worden sei; dies reiche als Anknüpfungspunkt aus. Dem Kläger stehe daher ungeachtet dessen, dass eine Bindungswirkung gemäß § 7 Abs 1 IESG aus dem im Verfahren zwischen Erich K***** und dem Kläger erflossenen Urteil nicht gegeben sei, Insolvenz-Ausfallgeld in der begehrten Höhe zu.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge und änderte das angefochtene Urteil im klagsabweisenden Sinn ab. Es meinte in rechtlicher Hinsicht, dass die genannte Richtlinie über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers im vorliegenden Fall nicht anwendbar sei, weil der Europäische Gerichtshof in seinem Erkenntnis vom 17. 9. 1997, C-117/96 , festgeschrieben habe, dass für die Befriedigung der Ansprüche des Arbeitnehmers im Fall der Zahlungsunfähigkeit seines Arbeitgebers die Einrichtung jenes Staates die zuständige Garantieeinrichtung bilde, in dem iSd Art 2 Abs 1 der Richtlinie entweder die Eröffnung des Verfahrens zur gemeinschaftlichen Gläubigerbefriedigung beschlossen oder die Stilllegung des Unternehmens oder des Betriebes des Arbeitgebers festgestellt worden sei. Die fehlende Vermögensmasse werde als Kriterium nicht erwähnt. Nur wenn eine gerichtliche Entscheidung dieser Art vorliege, seien die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit der genannten Richtlinie gegeben. Dies sei hier nicht der Fall. Die hier maßgebliche Entscheidung bilde der Beschluss des Landesgerichtes Leoben als Konkursgericht vom 14. 1. 1997, mit dem der Antrag des Klägers auf Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Erich K***** gemäß § 72 KO mit der Begründung abgewiesen worden sei, dass ein zur Deckung des Konkursverfahrens hinreichendes Vermögen nicht vorhanden sei. Dieser Beschluss enthalte weder in seinem Spruch noch in der Begründung einen Hinweis, dass damit eine allfällige Stilllegung des arbeitgeberischen Betriebes erfolgt wäre. Weder die angewendete Bestimmung des § 72 KO, die das fehlende kostendeckende Vermögen lediglich als Konkurshindernis enthielt, noch § 71 Abs 1 KO idF des IRÄG 1997, nach welcher Bestimmung die Existenz eines kostendeckenden Vermögens eine Voraussetzung für die Konkurseröffnung bilde, enthielten Regelungen, dass die Stilllegung des arbeitgeberischen Betriebes festzustellen sei. Der genannte Beschluss des Konkursgerichtes treffe eine solche Feststellung nicht und entspreche damit auch nicht den Anforderungen, die die Richtlinie für deren Anwendung voraussetze. Aus diesem Grund sei es unerheblich, ob mit dem Erkenntnis des Europäischen Gerichtshofes eine Abkehr von der bisherigen Judikatur des Obersten Gerichtshofes im Sinne einer Durchbrechung des Territorialitätsprinzipes bzw Versicherungsprinzipes stattgefunden habe, weil die Richtlinie, das - hier nicht erwiesene - Vorliegen von Zahlungsunfähigkeit voraussetze. Ebensowenig sei erwiesen, dass überhaupt ein still zu legendes Unternehmen bzw im Betrieb im Inland bestanden habe. Dies bedeute, dass der gegenständliche Sachverhalt in Anwendung der Grundsätze des österreichischen Sozialversicherungsrechts und damit im Lichte der Judikatur des Obersten Gerichtshofes zu beurteilen sei. Damit habe die teleologische Reduktion des Anwendungsbereiches des IESG auf Arbeitnehmer stattzufinden, deren Beschäftigungsverhältnisse nach den einschlägigen Bestimmungen des ASVG in die allgemeine österreichische Sozialversicherung fallen. Dies bedinge die Anwendung des Territorialitätsprinzips, also die Anknüpfung bei unselbständig Beschäftigten an die Beschäftigung im Inland, sowie des Versicherungsprinzips, wonach nur derjenige Anspruch auf eine Leistung habe, der Beiträge geleistet habe oder für den Beiträge geleistet worden seien. Würde man - der Rechtsansicht des Erstgerichtes folgend - nur darauf abstellen, ob ein österreichisches Gericht über einen Konkurseröffnungsantrag - in welcher Form immer - entschieden habe, könnte jeder (ausländische) Arbeitgeber die Verpflichtung zur Lohnzahlung auf den Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds in Österreich schon dadurch überwälzen, dass er seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkomme und daraufhin der Arbeitnehmer, der nicht in Österreich beschäftigt gewesen sei, bei einem inländischen Landesgericht einen Konkursantrag stelle, der allenfalls schon mangels inländischer Gerichtsbarkeit gemäß § 63 KO zurückgewiesen werden müsste. Diese Konsequenz würde auch dann eintreten, wenn der Dienstgeber keinerlei Mittel zur Risikoversicherung des Arbeitnehmers gemäß § 12 Abs 1 Z 4 IESG beitrage. Dem Kläger stehe daher nach der hier anzuwendenden Vorschrift des § 1 Abs 1 IESG Insolvenz-Ausfallgeld nicht zu.

Die Revision ließ das Berufungsgericht zu, weil zu der Frage, ob eine konkursgerichtliche Entscheidung iSd § 1 Abs 1 Z 3 IESG iVm § 72 KO idF vor dem IRÄG 1997 bzw § 71b Abs 1 KO in der geltenden Fassung Zahlungsunfähigkeit iSd Art 2 Abs 1 der Richtlinie 80/987/EWG bedeute, höchstgerichtliche Judikatur nicht existiere.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers. Neben der Anregung, gegebenenfalls ein Vorabentscheidungsverfahren gemäß Art 177 EGV einzuleiten, beantragt der Kläger die Entscheidung im Sinn der Wiederherstellung des Ersturteils abzuändern; hilfsweise stellt er auch einen Aufhebungsantrag.

Die beklagte Partei hat keine Revisionsbeantwortung erstattet.

Die Revision ist zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Kläger macht geltend, dass sich das Berufungsgericht in zweifacher Hinsicht geirrt habe. Erstens sei auf Grund der erstgerichtlichen Feststellungen davon auszugehen, dass das zwischen dem Kläger und Erich K***** abgeschlossene Dienstverhältnis nach österreichischem Recht sozialversicherungspflichtig gewesen sei, weil er nur vorübergehend ins Ausland entsendet worden sei und sein ständiger Dienstort Österreich hätte sein sollen, und zweitens sei die Europäische Insolvenz-Richtlinie 80/987/EWG unrichtig interpretiert worden. Das Berufungsgericht habe die Richtlinie insoweit falsch interpretiert, als das österreichische Konkursrecht im Falle der Abweisung eines Konkursantrages mangels kostendeckenden Vermögens nicht vorsehe, dass zusätzlich auch die Schließung des Unternehmens oder des Betriebes des Arbeitgebers festgestellt werde. Mangels einer derartigen nationalstaatlichen Vorschrift komme daher in allen Fällen einer Abweisung eines Konkursantrages mangels kostendeckenden Vermögens die Richtlinie nicht zur Anwendung mit der Folge, dass eine richtlinienkonforme Interpretation ausgeschlossen wäre: Diese endgültige sektorale Ausnahme eines ganz wichtigen Anwendungsfalles käme einer Rechtsverweigerung gleich. Nach § 1 Abs 1 Z 3 IESG sei die Ablehnung eines Antrages auf Eröffnung des Konkursantrages mangels hinreichenden Vermögens ein ausreichender Anknüpfungstatbestand für die Beantragung bzw den Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld.

Da sich - wie in der Folge aufzuzeigen sein wird - der Anspruch des Klägers auf Insolvenz-Ausfallgeld in Österreich bei einer richtlinienkonformen Auslegung unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zu dieser Frage unzuweifelhaft ergibt, erübrigt es sich auf das erstgenannte Argument des Klägers, der Beklagte sei aus dem mit Erich K***** abgeschlossenen Dienstverhältnis in Österreich sozialversicherungspflichtig gewesen, näher einzugehen.

Es trifft zwar zu, dass der Kläger nach der bisherigen (vor Beitritt zum EWR) ergangenen oberstgerichtlichen Rechtsprechung (9 ObS 32/93 =

SZ 67/41; 8 ObS 2141/96b = ZIK 1997, 32; 8 ObS 2242/96f; 8 ObS

2165/96g = ZIK 1997, 68) im Hinblick auf den geforderten

"Inlandbezug" keinen Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld gehabt hätte. Solches gebührte nach dem im Sozialversicherungsrecht bei unselbständig Erwerbstätigen geltenden Territorialitätsprinzip nur bei Beschäftigung im Inland und nach dem hier auch zu beachtenden Versicherungsprinzip nur dann, wenn für den Anspruchswerber Beiträge im Inland geleistet wurden bzw hätten geleistet werden müssen, was nur bei Beschäftigung im Inland der Fall ist.

Diese Rechtsprechung ist nunmehr im Hinblick auf die Insolvenz-Richtlinie (Richtlinie 80/987/EWG des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers vom 20. 10. 1980, ABl Nr L 283 vom 28. 10. 1980, S 23) als überholt anzusehen (Liebeg IESG2 97).

Nach Art 1 gilt diese Richtlinie für Ansprüche von Arbeitnehmern aus Arbeitsverträgen oder Arbeitsverhältnissen gegen Arbeitgeber, die zahlungsunfähig iSd Art 2 Abs 1 dieser Richtlinie sind. Sie stellt lediglich auf Ansprüche aus Arbeitsverträgen gegen Arbeitgeber ab, spricht aber nicht zB vom Ort des Abschlusses des Arbeitsvertrages oder - im Unterschied zB zu Art 13 VO 1408/71 /EWG zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit der Arbeitnehmer und deren Familien, der an den Ort der (dauernden) Beschäftigung anknüpft - vom Ort der Beschäftigung (Liebeg, IESG2 97; Weber, ZIK 1997, 408 ff).

Nach Art 2 Abs 1 der Richtlinie gilt ein Arbeitgeber als zahlungsunfähig,

a) wenn die Eröffnung eines nach den Rechts- oder Verwaltungsvorschriften des betreffenden Mitgliedsstaates vorgesehenen Verfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers zur gemeinschaftlichen Befriedigung seiner Gläubiger beantragt worden ist, das die Berücksichtigung der in Art 1 Abs 1 genannten Ansprüche gestattet, und

b) wenn die auf Grund der genannten Rechts- und Verwaltungsvorschriften zuständige Behörde

Unter Berücksichtigung des Wortlautes des Art 1 der Richtlinie und deren Entstehungsgeschichte (vgl Holzer in Runggaldier, Österreichisches Arbeitsrecht und das Recht der EG 259 ff) ist davon auszugehen, dass alle Arbeitnehmer eines Mitgliedstaates der EU, die bei einem österreichischen Arbeitgeber beschäftigt sind, bei Konkurseröffnung oder Verwirklichung eines gleichgestellten Tatbestandes in Österreich Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld haben, gleichgültig, wo sie beschäftigt sind.

In diesem Sinn hat auch der EuGH in seiner Entscheidung vom 17. 9. 1997, C-117/96 -Carina Mosbaek (veröffentlicht in Österreich in WBl 1997, 474 = ZIK 1997, 190 = RdW 1997, 679; zustimmend Weber ebendort

678) ausgeführt, dass dann, wenn der Arbeitgeber in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen niedergelassen ist, in dem der Arbeitnehmer wohnt und seine Arbeitnehmertätigkeit ausübt, die nach Art 3 der Richtlinie für die Befriedigung der Ansprüche dieses Arbeitnehmers im Fall der Zahlungsunfähigkeit seines Arbeitgebers zuständige Garantieeinrichtung die Einrichtung jenes Staates ist, in dem gemäß Art 2 Abs 1 der Richtlinie entweder die Eröffnung des Verfahrens zur gemeinschaftlichen Gläubigerbefriedigung beschlossen oder nach Abs 1 lit b zweiter Fall vorgegangen worden ist (in diesem Sinn ausdrücklich auch Liebeg aaO 97). Die Einholung einer Vorabentscheidung erübrigt sich daher.

Im vorliegenden Fall war der (im Übrigen in Österreich wohnhafte) Kläger (vorübergehend) für einen inländischen Unternehmer in der BRD tätig, über dessen Vermögen in Österreich der Antrag auf Konkurseröffnung mangels kostendeckenden Vermögens abgewiesen wurde.

Zuständig zur Zahlung von Insolvenz-Ausfallgeld ist daher der österreichische Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds, gleichgültig ob der Kläger in Österreich gearbeitet hat (Territorialitätsprinzip) oder ob für ihn in Österreich Beiträge zu leisten gewesen wären (Versicherungspflicht).

Die Auslegung des Berufungsgerichtes, dass die Richtlinie im vorliegenden Fall nicht anwendbar sei, weil die Stilllegung des Betriebes im Sinn der Richtlinie nicht festgestellt worden sei, ist unvertretbar, weil dadurch für einen ganz wesentlichen Anwendungsbereich - nämlich für alle Fälle, in denen ein Konkursverfahren mangels kostendeckenden Vermögens nicht eröffnet werden kann - die Richtlinie unanwendbar wäre, weil die österreichische Rechtsordnung bei Ablehnung eines solchen Antrages keine Feststellung bezüglich der Schließung des Unternehmens vorsieht. Dass dies nicht die Absicht der Richtlinie gewesen sein kann, ist evident. Eine verständige Umsetzung der Richtlinie ins innerstaatliche Recht kann nie davon ausgehen, dass die in der Richtlinie verwendeten Begriffe mit denen des innerstaatlichen Rechtes völlig ident sind, gilt es doch für die Richtlinie eine Formulierung zu wählen, die sinnvoll in die Rechtsordnungen aller Mitgliedsstaaten umgesetzt werden kann. Das zeigt sich schon daraus, dass die Richtlinie allgemein davon spricht, dass ein Verfahren zur gemeinschaftlichen Befriedigung der Gläubiger des Arbeitgebers beantragt bzw eröffnet worden ist, dennoch wird niemand daran zweifeln, dass damit im Sinn der österreichischen Terminologie die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens (Konkurs- oder Ausgleichsverfahren) gemeint ist. § 1 Abs 1 IESG stellt der Konkurseröffnung in Z 3 die Ablehnung eines Antrages auf Eröffnung des Konkurses mangels hinreichenden Vermögens gleich; weitere Voraussetzungen werden nicht gefordert. In der Regel wird im Übrigen dann, wenn nicht einmal mehr ausreichendes Vermögen vorhanden ist, um die Kosten der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu decken, der Betrieb wohl ohnedies stillgelegt sein.

Es kann daher nicht zweifelhaft sein, dass die von einem österreichischen Gericht erfolgte Abweisung des Antrages auf Eröffnung eines Konkursverfahrens mangels kostendeckenden Vermögens ausreichend ist, um den Arbeitnehmer aus einem EU-Staat (und daher auch einen österreichischen Arbeitnehmer) Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld nach österreichischem Recht zu geben, auch wenn er im Ausland für seinen (ehemaligen) Arbeitgeber tätig geworden ist. Die Ausführungen des Berufungsgerichtes, bei anderer Auslegung der Richtlinie führte dies dazu, dass auch dann der österreichische Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds Zahlungen zu leisten hätte, wenn zB die Konkurseröffnung mangels inländischer Gerichtsbarkeit zurückgewiesen werde, gehen völlig am Kern der Sache vorbei und übersehen, dass in einem solchen Fall selbstredend weder die Richtlinie selbst noch eine hiezu ergangene Rechtsprechung des EuGH einen Anspruch auf Befriedigung aus der Garantieeinrichtung eines solchen Staates vorsieht; vielmehr ist nach Art 2 Abs 1 lit b der Richtlinie ausdrücklich Voraussetzung, dass die "Behörde" zuständig ist.

Auch ein allfälliger Doppelanspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld nach österreichischem und deutschem Recht, der grundsätzlich denkbar ist (Liebeg aaO 98; Weber, ZIK 1997, 408 ff), steht dem Anspruch des Klägers nicht entgegen, weil bei allfälligen Doppelansprüchen sich der Arbeitnehmer im Ausland erwirkte Zahlungen anrechnen lassen muss (Liebeg aaO 98; vgl VfGH 15. 10. 1997, G 1344/95, G 108/96 und G 109/96).

Das Berufungsurteil war daher im Sinn der Wiederherstellung des Ersturteiles abzuändern.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 ASGG.

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