Spruch:
Der Revision der beklagten Partei wird nicht Folge gegeben.
Die Revisionswerberin hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die in Österreich wohnhafte Klägerin war vom 27. 6. 2001 bis 6. 7. 2001 bei einem englischen Unternehmen in dessen Büro in Wels als Büroangestellte mit einem Nettomonatsgehalt von EUR 1.090,09 beschäftigt. Ein schriftlicher Dienstvertrag wurde nicht abgeschlossen. Der Klägerin wurde kein Dienstzettel ausgehändigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch ungerechtfertigte Entlassung. Die Klägerin war in Österreich zur Sozialversicherung gemeldet; die Sozialversicherungsbeiträge wurden auch tatsächlich entrichtet. Die Niederlassung des englischen Unternehmens in Österreich war nicht in Firmenbuch eingetragen und „wurde auch nicht nach dem österreichischen Handelsrecht errichtet". Am 19. 9. 2001 wurde über das Vermögen der Arbeitgeberin der Klägerin in England das Insolvenzverfahren eröffnet; davon erlangte die Klägerin am 21. 11. 2002 Kenntnis.
Der Antrag der Klägerin vom 28. 11. 2002 auf Gewährung von Insolvenz-Ausfallgeld wurde von der Beklagten mit der Begründung, es mangle an den gesetzlichen Voraussetzungen, abgelehnt.
Mit ihrer am 17. 9. 2003 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte die Klägerin, die Beklagte zur Zahlung eines offenen Gehaltsrestes, des Urlaubszuschusses, der Weihnachtsremuneration, der Urlaubsersatzleistung und der Kündigungsentschädigung im Gesamtbetrag von EUR 4.145 netto schuldig zu erkennen. Bei dem in England eröffneten Verfahren handle es sich um ein klassisches Insolvenzverfahren, sodass bei richtlinienkonformer Interpretation die Voraussetzungen für die Gewährung von Insolvenzausfall gemäß § 1 Abs 1 IESG gegeben seien. Nach der Rechtsprechung des EuGH und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Klägerin ausschließlich in Österreich tätig gewesen sei und dass die Beiträge an den österreichischen Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds abgeführt worden seien, sei die Beklagte zur Befriedigung der Klagsansprüche zuständig.
Die Beklagte, die nicht bestritt, dass für die Klägerin der Zuschlag zum Arbeitslosenversicherungsbeitrag gemäß § 12 Abs 1 Z 4 IESG geleistet worden ist, wendete ein, mit Großbritannien bestehe kein Vertrag über die Anerkennung von Insolvenzverfahren, sodass schon deshalb die Voraussetzungen des § 1 Abs 1 IESG nicht gegeben seien. Die Pflicht zur Anerkennung von Insolvenzen in den anderen nicht durch völkerrechtlichen Vertrag verbundenen EU-Mitgliedsstaaten ergebe sich lediglich aus der EU-Richtlinie 2002/74/EG , welche in Österreich aber noch nicht umgesetzt sei. Auch die zu diesem Thema ergangenen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes könnten den Standpunkt der Klägerin schon deshalb nicht stützen, weil Voraussetzung für die direkte Anwendung der Richtlinie sei, dass es sich um eine im Firmenbuch in Österreich eingetragene Zweigniederlassung handle, welche nach dem österreichischen Handelsrecht errichtet worden sei.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es traf die eingangs wiedergegebenen Feststellungen und führte zur rechtlichen Beurteilung aus, dass davon ausgegangen werden könne, es seien die englischen Rechts- und Verwaltungsvorschriften für das Insolvenzverfahren eingehalten worden. Bei richtlinienkonformer Auslegung des IESG sei der im § 1 Abs 1 letzter Satz normierte Anknüpfungstatbestand als erfüllt anzusehen. Zuständig für die Befriedigung der Ansprüche der Arbeitnehmer sei die Garantieeinrichtung des Mitgliedsstaates, in dem diese ihre Tätigkeit ausgeübt habe. In diesem Sinne habe auch der Verfassungsgerichtshof judiziert, der unter anderem ausgesprochen habe, dass es unsachlich und gleichheitswidrig sei, einem in Inland tätigen und wohnhaften Arbeitnehmer die Sicherung vor den Folgen der Insolvenz nur deshalb zu versagen, weil der Arbeitgeber in Österreich keine Niederlassung oder Betriebsstätte und kein Vermögen habe. Gleiches müsse auch gelten, wenn es sich - wie im vorliegenden Fall - bei der Zweigniederlassung um eine im Firmenbuch nicht registrierte bzw „nicht nach österreichischem Handelsrecht begründete" handle. Werde für Arbeitnehmer, die von einem inländischen Wohnsitz aus ihre Beschäftigung in Österreich ausüben, der Beitrag zum Aufwand des Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds geleistet, könne auch das Fehlen einer inländischen Betriebsstätte die Versagung von Ausfallgeld nicht rechtfertigen. Da außer Streit gestellt worden sei, dass für die Klägerin die Beiträge gemäß § 12 Abs 1 Z 4 IESG von ihrem Arbeitgeber geleistet worden seien, liege der Anknüpfungstatbestand im Sinn des § 1 Abs 1 IESG bei richtlinienkonformer Auslegung vor. Der Anspruch auf Kündigungsentschädigung sei nicht gemäß § 34 AngG verfallen, weil der Geschäftsführer des englischen Unternehmens in einem von der Klägerin, wenngleich mangels Betriebsübergangs nicht gegen ihren wahren Arbeitgeber geführten, Zivilverfahren jedenfalls von den Forderungen der Klägerin erfahren habe.
Das Gericht zweiter Instanz änderte dieses Urteil dahin ab, dass es die Beklagte zur Zahlung eines Betrages von EUR 460 netto sA schuldig erkannte und das Mehrbegehren von EUR 3.472 abwies. Aus der Rechtsprechung des EuGH könne nur die logische Schlussfolgerung gezogen werden, dass diejenige Garantieeinrichtung an den Arbeitnehmer zahlen solle, die zuvor die Beiträge erhalten habe. Dies entspreche auch dem in den Mitgliedsstaaten geltenden Versicherungsprinzip. Anderenfalls hätten gemäß § 3 Abs 3 ASVG versicherte Arbeitnehmer trotz Beitragszahlungen in Österreich keine Ansprüche gegenüber der Beklagten. Eine gemeinschaftsrechtskonforme Beurteilung führe zu dem Ergebnis, dass die Zuständigkeit der Beklagten gegeben sei und der Klägerin ihr gegenüber Ansprüche dem Grunde nach zustünden.
Allerdings sei die geltend gemachte Kündigungsentschädigung von EUR 3.472 netto verfallen, weil die Klagsführung gegen ein Unternehmen, das in Wahrheit nicht Arbeitgeber der Klägerin gewesen sei, die Frist des § 34 AngG nicht habe unterbrechen können.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen von der Beklagten erhobene Revision ist zulässig, es kommt ihr jedoch keine Berechtigung zu.
Da die Klägerin die Abweisung ihres Begehrens auf Zuerkennung von Kündigungsentschädigung hat in Rechtskraft erwachsen lassen, ist im Revisionsverfahren nur mehr strittig, ob die darüber hinaus von ihr geltend gemachte Gehaltsdifferenz zuzüglich aliquoter Sonderzahlungen und Urlaubsersatzleistungen im Sinn des § 1 Abs 1 IESG gesichert ist.
Nach dem letzten Satz der genannten Gesetzesstelle besteht Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld nach Maßgabe des IESG auch dann, wenn ein ausländisches Gericht eine der in Z 1 bis 6 des § 1 Abs 1 IESG genannten Entscheidungen getroffen hat, die aufgrund von völkerrechtlichen Verträgen im Inland anerkannt werden. Ein derartiger Vertrag besteht zwischen Großbritannien und Österreich nicht (Mohr, Die Konkurs-, Ausgleichs- und Anfechtungsordnung9 Anm 1 zu dem hier grundsätzlich noch anwendbaren § 180 KO; Wiesbauer, Internationales Insolvenzrecht § 180 KO Anm 3).
Wie der erkennende Senat in seiner Entscheidung 8 Ob 580/93 zu dem in der zuletzt zitierten Fundstelle genannten zwischen Österreich und Großbritannien abgeschlossenen Anerkennungs- und Vollstreckungsabkommen (BGBl 1962/224) ausgeführt hat, werden von diesem Abkommen grundsätzlich nur die zwischen den Parteien ergehenden Sachentscheidungen erfasst. Es erstreckt sich jedoch nicht auf den Konkurseröffnungsbeschluss. Dieses Abkommen kann daher nicht zu den in § 1 Abs 1 letzter Satz IESG genannten völkerrechtlichen Verträgen gezählt werden.
Die Verordnung (EG) Nr 1346/2000 des Rates vom 29. 5. 2000 über Insolvenzverfahren (EuInsVO), die in ihrem Artikel 16 Abs 1 den Grundsatz der Anerkennung der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens durch das zuständige Gericht eines Mitgliedsstaats in allen übrigen Mitgliedsstaaten prägt, ist gemäß Art 43 und Art 47 nur auf solche Insolvenzverfahren anzuwenden, die nach dem Inkrafttreten am 31. 5. 2002 eröffnet wurden. In Anbetracht der Konkurseröffnung in Großbritannien am 19. 9. 2001 scheidet hier somit auch die Anwendbarkeit der EuInsVO aus. Schließlich kann als Entscheidungsgrundlage auch nicht die Richtlinie 2002/74/EG vom 23. 9. 2002 zur Änderung der Richtlinie 80/987 EWG herangezogen werden, weil sie erst einige Zeit nach der hier relevanten Konkurseröffnung beschlossen wurde, sodass sich die Frage einer allfälligen richtlinienkonformen Interpretation bereits vor Ablauf der Umsetzungsfrist nicht stellt (8 ObS 21/03a).
Gemäß Art 1 der hier somit allein maßgeblichen Richtlinie 80/987 EWG des Rates vom 20. 10. 1980 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers (im Folgenden nur: Richtlinie) gilt diese für Ansprüche von Arbeitnehmern aus Arbeitsverträgen oder Arbeitsverhältnissen gegen Arbeitgeber, die zahlungsunfähig im Sinn des Art 2 Abs 1 sind. Nach letztgenannter Bestimmung gilt ein Arbeitnehmer als im Sinn der Richtlinie zahlungsunfähig a) wenn die Eröffnung eines nach den Rechts- und Verwaltungsvorschriften des betreffenden Mitgliedsstaats vorgesehenen Verfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers zur gemeinschaftlichen Befriedigung seiner Gläubiger beantragt worden ist, das die Berücksichtigung der in Art 1 Abs 1 genannten Ansprüche gestattet und b) wenn die aufgrund der genannten Rechts- und Verwaltungsvorschriften zuständige Behörde - entweder die Eröffnung des Verfahrens beschlossen hat, - oder festgestellt hat, dass das Unternehmen oder der Betrieb des Arbeitgebers endgültig stillgelegt worden ist und die Vermögensmasse nicht ausreicht, um die Eröffnung des Verfahrens zu rechtfertigen. Die Richtlinie stellt somit lediglich auf Ansprüche aus Arbeitsverträgen gegen Arbeitgeber ab, spricht aber nicht vom Ort des Abschlusses des Arbeitsvertrages oder vom Ort der Beschäftigung (8 ObS 148/99v).
Zu der hier interessierenden Frage, welche Garantieeinrichtung zur Befriedigung unberichtigter Ansprüche des Arbeitnehmers bei Insolvenz des Arbeitgebers zuständig ist, hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in zwei bereits von den Vorinstanzen zitierten Entscheidungen Stellung genommen. In der Rechtssache C-117/96 - Mosbaek (EuGH Slg 1997, I-05017) wies der Gerichtshof zwar darauf hin, dass dann, wenn vom Arbeitgeber mangels Vorliegens eines Betriebes Sozialversicherungsbeiträge nicht abgeführt wurden, die Garantieeinrichtung jenes Mitgliedsstaates zahlungspflichtig sei, in welchem entweder die Eröffnung des Insolvenzverfahren beschlossen oder die Stillegung des Unternehmens oder des Betriebes des Arbeitgebers festgestellt worden sei. Allerdings hielt er ausdrücklich fest, dass es mangels anderslautender Bestimmungen in der Richtlinie deren Systematik entspreche, dass die für die Befriedigung nicht erfüllter Ansprüche der Arbeitnehmer zuständige Garantieeinrichtung diejenige ist, die die Beiträge vom zahlungsunfähigen Arbeitgeber erhoben hat oder jedenfalls hätte erheben müssen. Letzteren Gedanken führte der Gerichtshof in seinem Urteil in der Rechtssache C-198/98 - Everson (EuGH Slg 1999, I-8903) fort, wo es um die Insolvenz einer irischen Gesellschaft ging, die in Großbritannien eine registrierte Zweigstelle unterhielt, die für die Arbeitnehmer auch die Sozialversicherungsbeiträge abführte. Der Gerichtshof formulierte dort den Rechtssatz, dass die zuständige Garantieeinrichtung für die Befriedigung der Ansprüche von Arbeitnehmern, deren Arbeitgeber zahlungsunfähig geworden ist und die ihre Tätigkeit in einem Mitgliedsstaat in einer Zweigniederlassung einer Gesellschaft ausgeübt haben, die nach dem Recht eines anderen Mitgliedsstaats gegründet wurde, in dem sie ihren Sitz hat und in dem das Insolvenzverfahren über sie eröffnet wurde, die Einrichtung jenes Staates sei, in dem die Arbeitnehmer ihre Tätigkeit ausgeübt haben. Aus beiden Entscheidungen ergibt sich somit die Geltung des Versicherungsprinzips, wonach aus europarechtlicher Sicht die Garantieeinrichtung jenes Mitgliedsstaats zur Zahlung zuständig ist, in dem die Beiträge gemäß Art 5 der Richtlinie entrichtet wurden (siehe auch die Glosse Mayr zur insoweit missverständlichen Entscheidung 8 ObS 148/99v, DRdA 2001/6).
Die Geltung des Versicherungsprinzips hat der erkennende Senat in seiner Entscheidung 8 ObS 243/00v klar hervorgehoben, indem er ausführte, dass der Anwendungsbereich des IESG grundsätzlich teleologisch auf Arbeitnehmer zu reduzieren sei, deren Beschäftigungsverhältnis nach den §§ 1, 3 und 30 Abs 2 ASVG in die allgemeine österreichische Sozialversicherung falle. Neben dem Territorialitätsprinzip gelte das Versicherungsprinzip, wonach grundsätzlich nur der Anspruch auf Leistung habe, der Beiträge geleistet hat oder für den Beiträge geleistet wurden. Gemäß § 12 Abs 1 Z 4 IESG sei der Versicherungsbeitrag in Form eines Zuschlages zu dem vom Arbeitgeber zu leistenden von den Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung einzuhebenden Anteil des Beitrages zur Arbeitslosenversicherung zu leisten. Arbeitslosenversicherungspflichtig seien Dienstnehmer, die in der Krankenversicherung pflichtversichert seien.
In diesem Sinne hatte im Ergebnis bereits der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 1. 12. 1989 (VfGHSlg 12.230) argumentiert, wenn er ausführte, es wäre denkbar, die Versagung von Ausfallgeld an Arbeitnehmer von Arbeitgebern ohne Niederlassung oder Betriebsstätte in Österreich mit einer etwa fehlenden Beitragsleistung für solche Arbeitnehmer zu rechtfertigen. Werde aber für Arbeitnehmer die von einem inländischen Wohnsitz aus ihre Beschäftigung in Österreich ausüben, ohnehin auch der Beitrag zum Aufwand des Ausfallgeld-Fonds geleistet, dann könne das Fehlen einer inländischen Betriebsstätte die Versagung von Ausfallgeld auch aus dem Blickwinkel der Aufbringung der Mittel nicht rechtfertigen.
Der Vollständigkeit halber ist zu den vorgenannten Entscheidungen anzumerken, dass keineswegs die Rechtsprechung verkannt wird, wonach der Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld im Allgemeinen nicht von der Entrichtung der Beiträge im Sinn des § 12 Abs 1 Z 4 IESG oder der Anmeldung des Arbeitsverhältnisses zur Sozialversicherung abhängig ist (8 ObS 273/01g mwH). Der erkennende Senat hat daher in der bereits zitierten Entscheidung 8 ObS 243/00v auch folgerichtig darauf abgestellt, ob Versicherungspflicht bestand. Nur in diesem Fall stehe bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen auch Insolvenz-Ausfallgeld zu. Dass die Klägerin im Sinn der §§ 3 Abs 1, 4 Abs 1 Z 1 ASVG als im Inland arbeitende unselbständige Erwerbstätige der Versicherungspflicht unterlag, kann nicht zweifelhaft sein.
Wie die Vorinstanzen zutreffend erkannten, war somit § 1 Abs 1 letzter Satz IESG auch vor Inkrafttreten der EuInsVO infolge Einschränkung der Anspruchsvoraussetzung auf diejenigen insolvenzrechtlichen Entscheidungen ausländischer Gerichte, die durch völkerrechtlichen Vertrag anerkannt wurden, europarechtswidrig.
Unter dieser Prämisse tritt aber auch der Umstand, dass dem bereits zitierten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs ein Fall zugrunde lag, in dem ein derartiger völkerrechtlicher Vertrag (zwischen der BRD und Österreich) bestand, an Bedeutung völlig zurück. Als wesentlicher Inhalt bleibt vielmehr, dass es unsachlich und gleichheitswidrig wäre, trotz entsprechender Beitragsleistung (bzw Versicherungspflicht) die Leistung von Insolvenz-Ausfallgeld nur deshalb zu versagen, weil der Arbeitgeber in Österreich keine Niederlassung oder Betriebsstätte oder kein Vermögen hat. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus den beiden bereits zitierten Entscheidungen des EuGH, wird doch in beiden Erkenntnissen das Bestehen oder Nichtbestehen eines Betriebes mit der jeweils daraus resultierenden Entrichtung oder Nichtentrichtung von Sozialabgaben verknüpft.
Abgesehen davon, hat die Beklagte im Verfahren gar nicht substantiiert bestritten, dass der in Österreich geführte Betrieb des englischen Unternehmens keine Zweigniederlassung desselben wäre. Der Hinweis, es mangle „an einer Errichtung nach dem österreichischen Handelsrecht" geht fehl, da die Rechtspersönlichkeit von Zweigniederlassungen stets nach ihrem eigenen Sitzrecht zu beurteilen ist. Haben sie danach keine eigene Rechtspersönlichkeit, so unterliegen sie in allen organisatorischen (gesellschaftsrechtlichen) Belangen einschließlich der Vertretungsmacht dem Recht am tatsächlichen Hauptverwaltungssitz der juristischen Person oder des sonstigen Gebildes (RIS-Justiz RS0077049). Der Begriff der Zweigniederlassung ist gesetzlich nicht näher definiert. Als Zweigniederlassung wird ein vom Sitz räumlich getrennter organisatorisch weitgehend verselbständigter Teil des Unternehmens verstanden, der unter einer eigenen Leitung tätig wird und auf mehr als nur vorübergehende Dauer angelegt ist (6 Ob 44/04w mwH). Zu Art 5 Nr 5 EuGVÜ definierte der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften den Begriff der Zweigniederlassung, der Agentur oder der sonstigen Niederlassung als dem Mittelpunkt geschäftlicher Tätigkeit der auf Dauer als Außenstelle eines Stammhauses hervortritt, eine Geschäftsführung hat und sachlich so ausgestattet ist, dass er in der Weise Geschäfte mit Dritten betreiben kann, dass diese, obgleich sie wissen, dass möglicherweise ein Rechtsverhältnis mit dem im Ausland ansässigen Stammhaus begründet wird, sich nicht unmittelbar an dieses zu wenden brauchen, sondern Geschäfte an dem Mittelpunkt geschäftlicher Tätigkeit abschließen können, der dessen Außenstelle ist (EuGHSlg 1978, 2183). Art 2 lit h (der hier allerdings noch nicht anzuwendenden) EuInsVO definiert als „Niederlassung" jeden Tätigkeitsort, an dem der Schuldner einer wirtschaftlichen Aktivität von nicht vorübergehender Art nachgeht, die den Einsatz von Personal und Vermögenswerten voraussetzt. Als entscheidend wird insoweit das Vorliegen einer auch nach außen hin wahrnehmbaren Aktivität erkannt, wobei die bloße eigene Tätigkeit des Gemeinschuldners nicht ausreicht. Hingegen würde ein Büro samt Bürokraft („Einmann-Büro") zur Begründung einer Niederlassung ausreichen (Burgstaller/Keppelmüller in Burgstaller/Neumayr, Internationales Zivilverfahrensrecht II Art 2 InsVO Rz 9; 8 Ob 135/04t).
Dass die Arbeitsstätte der Klägerin in diesem Sinne nicht als Zweigniederlassung anzusehen wäre, ist im Verfahren nicht hervorgekommen.
Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin ist auch der zweite Einwand, der Betrieb, in dem die Klägerin beschäftigt war, sei nicht im Firmenbuch registriert gewesen, nicht geeignet, das Bestehen einer Zweigniederlassung in jedem Falle auszuschließen. Gemäß § 107 Abs 1 GmbHG bzw § 254 Abs 1 AktienG je in der Fassung des EuGesRÄG ist eine GmbH (oder ein ihr gleichzuhaltender Rechtsträger) bzw eine Aktiengesellschaft, die ihren Sitz im Ausland, jedoch eine Zweigniederlassung im Inland hat, zur Eintragung in das Firmenbuch anzumelden. Für Anmeldung und Eintragung gilt § 13 Abs 2 und Abs 3 HGB. Die Eintragung in das inländische Firmenbuch ist deklarativ (Schenk in Straube HGB³ § 13 Rz 12). Voraussetzung der Eintragung ist nämlich gemäß § 13 Abs 1 HGB das Bestehen einer Zweigstelle. Zwar müssen die für den tatsächlichen Geschäftsbetrieb der Zweigniederlassung erforderlichen Einrichtungen nicht bereits zur Gänze vorhanden sein, aber es müssen räumliche und organisatorische Vorkehrungen getroffen sein, die Rückschlüsse darauf zulassen, dass tatsächlich eine Betriebsstätte geschaffen wird, die einen fortlaufenden und weitgehend verselbständigten Geschäftsbetrieb im Sinn des Unternehmenszwecks ermöglicht (6 Ob 44/04w).
Für die Annahme des Bestehens einer Zweigniederlassung kommt es daher nicht auf die - bloß deklarative - Eintragung ins Firmenbuch, sondern auf die tatsächliche Errichtung an. Dass eine Organisationseinheit im dargestellten Sinn als Arbeitsstätte der Klägerin bestanden hat, wurde im Verfahren nicht bestritten.
Der Revision ist ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 50, 40 ZPO.
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