OGH 8ObS243/00v

OGH8ObS243/00v11.1.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Rohrer und die fachkundigen Laienrichter Dr. Ernst Galutschek und Franz Gansch in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Manfred C*****, vertreten durch Dr. Georg Griesser und andere Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Bundessozialamt Wien, Niederösterreich, Burgenland, 1050 Wien, Geigergasse 5-9, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen S 170.000,-- netto Insolvenz- Ausfallgeld, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 22. Mai 2000, GZ 10 Rs 21/00g-17, mit dem infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 23. September 1999, GZ 23 Cgs 67/99-11, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 9.135,-- (davon S 1.522,50 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war vom 11. 11. 1996 bis 15. 11. 1997 bei der späteren Gemeinschuldnerin, einer Bau-, Planungs- und ErrichtungsgesmbH beschäftigt. Im schriftlichen Dienstvertrag heißt es, dass er "vom 11. 11. 1996 für die Baustelle Kaufhaus CUM, voraussichtlich bis September 1997 ausschließlich für Rußland" geschlossen wird und der Kläger dort als Bauleiter tätig sein soll.

Der Kläger war vom 11. 11. 1996 bis 15. 11. 1997 bei der Wiener Gebietskrankenkasse zur Sozialversicherung angemeldet. Auf dem Beitragskonto der ehemaligen Dienstgeberin haften die Beiträge für den Kläger ab August 1997 unberichtigt aus. Über das Vermögen der ehemaligen Dienstgeberin wurde am 17. 4. 1998 das Konkursverfahren eröffnet.

Außer Streit steht, dass der von der ehemaligen Arbeitgeberin des Klägers geschuldete Betrag von S 170.000,-- netto unberichtigt aushaftet; der Masseverwalter hat diese Forderung anerkannt, nachdem sie der Kläger bereits am 2. 2. 1998 zu 26 Cga 9/98b des ASG Wien eingeklagt hatte.

Die beklagte Partei lehnte den Antrag des Klägers auf Zahlung von Insolvenz-Ausfallgeld mit der Begründung ab, der Kläger sei in Rußland beschäftigt gewesen und der räumliche Geltungsbereich des IESG sei auf im Inland beschäftigte Arbeitnehmer teleologisch zu reduzieren.

Der Kläger begehrt mit der vorliegenden Klage S 170.000,-- netto mit der Begründung, dass er von seiner ehemaligen Arbeitgeberin als Bauleiter nach Moskau entsandt worden sei. Sein Gehalt sei jedoch in österreichischer Währung ausbezahlt und es seien Sozialversicherungsbeiträge in Österreich entrichtet wurden. Nach dem für das Sozialversicherungsrecht geltenden Versicherungsprinzip, wonach grundsätzlich nur derjenige Anspruch hat eine Leistung habe, der Beiträge geleistet habe oder für den Beiträge geleistet worden seien, stehe ihm gemäß § 1 IESG Insolvenz-Ausfallgeld zu.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wandte ein, dass im Sozialversicherungsrecht das Territorialitätsrecht gelte. Territorialer Anknüpfungspunkt bei unselbstständig Beschäftigten sei die Beschäftigung im Inland. Der Anwendungsbereich des IESG sei teleologisch auf Arbeitnehmer zu reduzieren, deren Beschäftigungsverhältnisse in die allgemeine österreichische Sozialversicherung fallen würden, wobei unter dem Begriff des ins Ausland übersendeten Arbeitnehmers iSd § 3 Abs 2 lit d ASVG nach herrschender Rechtsprechung ein in Österreich wohnhafter Dienstnehmer zu verstehen sei, der vom Dienstgeber gewöhnlich in Österreich beschäftigt und ins Ausland lediglich entsandt werde. Im Dienstvertrag des Klägers sei ausschließlich eine Tätigkeit in Rußland vorgesehen gewesen; es könne daher nicht von einer Entsendung des Dienstnehmers ausgegangen werden.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt; es ging davon aus, dass der Kläger von seinem ehemaligen Dienstgeber zur Erledigung einer bestimmten und gelegentlichen Arbeit entsendet und daher für ihn gemäß § 3 Abs 2 lit d ASVG Beiträge zur Sozialversicherung zu leisten gewesen seien.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts, wobei es sich ausführlich mit der bisherigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Entsendung iSd § 3 Abs 2 lit d ASVG und der inzwischen geänderten Rechtsprechung des VwGH (Zl. 95/08/0293) zu dieser Frage auseinandersetzte. Es kam zusammengefasst zum Ergebnis, dass Zweck der Bestimmungen der §§ 1 und 3 ASVG eine durchgehende Pflichtversicherung im Inland auch für Arbeitnehmer sei, die für eine gewisse Zeit für einen inländischen Arbeitgeber im Ausland arbeiteten. Dass dies nur dann der Fall sein solle, wenn der Arbeitnehmer vorher oder nachher beim selben Arbeitgeber im Inland beschäftigt gewesen sei, entspreche nicht den Intentionen des Gesetzes und führe zu einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern, die vorher bereits beim selben Arbeitgeber im Inland beschäftigt waren, und solchen, bei denen dies nicht zutreffe. Diese Überlegungen hätten auch für den Bereich des IESG zu gelten. Auch hier solle der Schutz, den das IESG biete, gewahrt bleiben. Die Interessenlage nach dem ASVG bzw IESG sei zweifelsfrei eine andere als nach dem IPRG. § 44 IPRG regle, welches Arbeitsrecht bei einer Beschäftigung im Ausland zur Anwendung komme. Hier sei der Maßstab für die Dichte der Inlandsbeziehungen höher als in sozialversicherungsrechtlicher Sicht. Aus dem zwischen dem Kläger und seiner ehemaligen Dienstgeberin geschlossenen Dienstvertrag ergebe sich, dass der Kläger damals seinen Wohnsitz im Inland hatte; weiters, dass er nur für eine bestimmte Zeit, nämlich für die Renovierung des Kaufhauses CUM, Moskau, in Rußland beschäftigt sein sollte. Damit lägen aber die Voraussetzungen, die nach der Judikatur des VwGH erforderlich seien, um von einer Entsendung sprechen zu können, vor. Das Schwergewicht der Beschäftigung sei im Inland gelegen, da für den Kläger hier Sozialversicherungsbeiträge bezahlt worden seien und auch der Dienstgeber vom Inland aus agiert habe. Dass die Tätigkeit nicht auf Dauer vorgesehen gewesen sei, ergebe sich eindeutig aus dem Dienstvertrag. Damit sei aber beim Kläger von einer Entsendung iSd § 3 Abs 2 lit d ASVG auszugehen, woraus folge, dass er in die allgemeine österreichische Sozialversicherung und damit in den Anwendungsbereich des IESG falle.

Die Revision ließ das Berufungsgericht zu, weil es von der bisherigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes unter Bezugnahme auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes abgegangen sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im klagsabweisenden Sinn abzuändern.

Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht angeführten Grund zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

Vorauszuschicken ist, dass unstrittig ist, dass der Anwendungsbereich des IESG grundsätzlich (Ausnahmen können sich aus internationalem Abkommen oder EU-Recht ergeben) teleologisch auf Arbeitnehmer zu reduzieren ist, deren Beschäftigungsverhältnisse nach den §§ 1, 3 und 30 Abs 2 ASVG in die allgemeine österreichische Sozialversicherung fallen (9 ObS 32/93 = SZ 67/41 ua). Sie ist aber - auch nach Ansicht der beklagten Partei - nicht darüber hinaus zu reduzieren, weil die Sicherung der Entgeltansprüche des Arbeitnehmers bei Insolvenz des Arbeitgebers Teil des gesetzlichen Sozialversicherungsrechts ist.

Die beklagte Partei verneint den Anspruch des Klägers lediglich im Hinblick auf die bisherige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Entsendung, setzt sich aber mit keinem Wort mit den Argumenten des Berufungsgerichtes auseinander, wonach diese in Hinblick auf die geänderte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht beibehalten werden könne.

Zweck des IESG ist die sozialversicherungsrechtliche, sich weitgehend an die Einrichtung der Arbeitslosenversicherung anschließende Sicherung gegen die von den Arbeitnehmern typischerweise nicht selbst abwendbare und absicherbare Gefahr des gänzlichen oder teilweisen Verlustes ihrer Entgeltansprüche, auf die sie typischerweise zur Bestreitung des eigenen Lebensunterhalts sowie des Lebensunterhalts ihrer unterhaltsberechtigten Angehörigen angewiesen sind (RV 464 BlgNR 14. GP 6 f). Im Sozialversicherungsrecht gilt grundsätzlich das Territorialitätsprinzip, wobei nach der dieses allgemeine Prinzip für Arbeitsverhältnisse konkretisierenden Norm des § 1 ASVG territorialer Anknüpfungspunkt bei unselbstständig Erwerbstätigen die Beschäftigung im Inland ist. Darüber hinaus gilt für das Sozialversicherungsrecht im Allgemeinen das Versicherungsprinzip, wonach grundsätzlich nur der Anspruch auf Leistung hat, der Beiträge geleistet hat oder für den Beiträge geleistet wurden. Gemäß § 12 Abs 1 Z 4 IESG ist der Versicherungsbeitrag in Form eines Zuschlages zu dem vom Arbeitgeber zu leistenden, von den Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung einzuhebenden Anteil des Beitrages zur Arbeitslosenversicherung zu leisten. Arbeitslosenversicherungspflichtig sind Dienstnehmer, die in der Krankenversicherung pflichtversichert sind (9 ObS 32/93 = SZ 67/41).

Maßgeblich ist daher, ob der Kläger in Österreich nicht nur tatsächlich sozialversichert war (was unstrittig ist), sondern ob auch eine Versicherungspflicht bestand. Ist dies der Fall, steht ihm bei Vorliegen der sonstigen (hier unstrittig gegebenen) Voraussetzungen auch Insolvenz-Ausfallgeld zu.

Nach § 1 ASVG regelt dieses Bundesgesetz die allgemeine Sozialversicherung im Inland beschäftigter Personen. Gemäß § 3 Abs 1 ASVG gelten als im Inland beschäftigt unselbstständig Erwerbstätige, deren Beschäftigungsort (§ 30 Abs 2) im Inland gelegen ist.

§ 3 Abs 2 ASVG sieht sodann Ausnahmen vom Territorialtitätsgrundsatz vor und regelt eine Reihe von Tatbeständen, denen zufolge Dienstnehmer auch dann, wenn die Voraussetzungen nach § 3 Abs 1 ASVG nicht erfüllt sind, als im Inland beschäftigt gelten; hiezu zählen gemäß § 3 Abs 2 lit d ASVG die ins Ausland entsendeten Dienstnehmer bis zur Dauer von ursprünglich einem Jahr, diese Frist wurde sodann auf zwei Jahre und nunmehr auf fünf Jahre verlängert. In § 3 Abs 3 ASVG wird sodann korrespondierend zu dieser zuletzt genannten Ausnahmebestimmung klargestellt, dass insbesondere Dienstnehmer inländischer Betriebe für die Zeit ihrer dauernden Beschäftigung im Ausland als nicht im Inland beschäftigt gelten, dies ungeachtet und unvorgreiflich einer anderen zwischenstaatlichen Regelung.

Zwischen Rußland und der Republik Österreich besteht keine solche Regelung, weshalb von der uneingeschränkten Geltung der zitierten Bestimmung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes auszugehen ist.

Zu prüfen ist daher, ob der Kläger ins Ausland iSd § 3 Abs 2 lit d ASVG entsendet wurde.

Das Vorliegen dieser Voraussetzungen wurde - wie das Berufungsgericht ausführlich dargelegt hat - vom Obersten Gerichtshof bisher einerseits anknüpfend an die Rechtsprechung zu § 44 IPRG (14 Ob 81/86 = SZ 59/91 = ZAS 1987, 50 [Beck-Mannagetta/Mayer-Maly]) und andererseits in weitgehendem Einklang mit der damaligen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verneint. Es wurde davon ausgegangen, dass das Arbeitsverhältnis seinen Schwerpunkt im Entsendungsstaat behalten muss. Hiezu wurde gefordert, dass mindestens das Bestehen eines gewöhnlichen Arbeitsortes vor der Entsendung, wenn auch nicht unbedingt vorherige tatsächliche Arbeitsleistungen im Ausgangsstaat (aber wohl die Regel sei) gegeben sein müsse, sowie die Absicht beider Parteien, die Arbeit in absehbarer Zukunft im Ausgangsstaat fortzusetzen. Der Arbeitnehmer müsse dem entsendenden Betrieb entweder organisatorisch zugeordnet bleiben (zB Inspektor von Auslandsfilialen), oder es müsse nach der Parteienabsicht der überwiegende Teil der Beschäftigungsdauer nach Rückkehr im Entsendungsstaat absolviert werden. Diese Rechtsprechung hielt der Oberste Gerichtshof in der Folge aufrecht (vgl insb 9 ObA

61/92 = SZ 65/55 = DRdA 1993, 21 [Rebhahn]) und übertrug sie

kurzerhand ohne nähere Begründung auf das IESG (9 ObS 32/93 = SZ

67/41 [Verkaufsleiter in Deutschland, der dort steuer- und sozialversicherungspflichtig war]; 8 ObS 2165/96g [Rückforderung aus Darlehen eines Hotelmanager in Kreta]; 8 ObS 2242/96 f [selbstständiger Handelsreisender in der Schweiz]; 8 ObS 2141/96b [Bauarbeiter in Deutschland vor dem EU-Beitritt Österreichs]). Schon aus den diesen Entscheidungen zugrunde liegenden Sachverhalten ergibt sich, dass diese (mit Ausnahme der letzten) mit dem Vorliegendem nur schwer vergleichbar sind.

Zwischenzeitig ist der Verwaltungsgerichtshof (28. 10. 1997, Zl 95/08/0293 = RdW 1998, 89 = ZAS 1999, 54 [Spitzl]) neue Wege gegangen. Er führte in einer ebenfalls die Baubranche betreffenden Entscheidung (für Malerarbeiten in Rußland aufgenommene Beschäftigte) zur Versicherungspflicht unter ausführlicher Darlegung der historischen Entwicklung in Fällen mit Auslandsbeziehung (§ 1a Abs 1 PVG, RGBl 1/1907 idF 138/1914; § 1 Abs 6 AngestelltenversicherungsG 1926; § 1 Abs 5 AngestelltenversicherungsG 1928; § 223 Abs 5 GSVG 1934) sowie Hinweisen auf die deutsche Rechtslage zusammengefasst aus:

Aus der historischen, systematischen und grammatikalischen Interpretation ergibt sich, dass eine zeitlich befristete oder sonst vorübergehende Beschäftigung im Ausland - sofern sie die gemäß § 3 Abs 2 lit d ASVG höchstzulässige Dauer nicht überschreitet - nicht als dauernde Auslandsbeschäftigung angesehen werden kann ("Ausstrahlungsprinzip").

§ 3 Abs 3 ASVG entspricht den zuvor zitierten Bestimmungen des österreichischen Sozialversicherungsrechts vor 1939. Es spricht nichts dafür, dass der Gesetzgeber des ASVG von dem in Lehre und Rechtsprechung entwickelten Ausstrahlungsprinzip, wonach vorübergehende Beschäftigungen im Ausland dann, wenn weder Arbeitnehmer noch Arbeitgeber den Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen im Ausland haben, die Zugehörigkeit zum innerstaatlichen System der sozialen Sicherheit nicht aufheben, abgehen wollte, sondern alles dafür, dass er es erstmals positivrechtlich verankern wollte. Nach den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage der Stammfassung des ASVG (599 BlgNR VII. GP, 3) sollte sich vielmehr der Versicherungsschutz ins Ausland entsendeter Arbeitnehmer auch auf Fälle erstrecken, in denen die Beschäftigung im Ausland die Dauer (nach der damaligen Fassung) eines Jahres oder die im Bundesministerium für soziale Verwaltung verlängerte Frist nicht übersteigt. Dies bedeute - so die Erläuterungen aaO - "eine Erweiterung des Versicherungsschutzes für die betroffenen Arbeitnehmer gegenüber dem derzeit geltenden Recht". Der Gesetzgeber hat neben dem Erfordernis eines Sitzes des Arbeitgebers im Inland gleichzeitig auf den Wohnsitz des Arbeitnehmers in den Fällen des Schiffahrtspersonals (§ 3 Abs 2 lit a ASVG) und des fliegenden Personals (§ 3 Abs 2 lit c ASVG), aber auch der für den Dienst im Ausland bestellten Reisenden (§ 3 Abs 2 erster Satz ASVG arg e contrario) als Voraussetzung für eine inländische Versicherungspflicht bei typischerweise im Ausland zu verrichtenden Tätigkeiten abgestellt. Er hat damit zum Ausdruck gebracht, dass er den Schwerpunkt eines Beschäftigungsverhältnisses, wenn dieses typischerweise für im Ausland zu erbringende Tätigkeiten auf Rechnung eines inländischen Arbeitgebers begründet wird, dann als im Inland gelegen ansieht, wenn auch der Arbeitnehmer seinen Wohnsitz im Inland hat. Wenngleich ein Wohnsitz des Arbeitnehmers im Inland im Falle des § 3 Abs 2 lit d ASVG nicht ausdrücklich vorgesehen ist, so kann nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes kein Zweifel bestehen, dass zumindest das Erfordernis des gewöhnlichen Aufenthaltsortes (sieht man von dem durch die Entsendung bedingten Ortswechsel einmal ab) im Begriff der Entsendung eingeschlossen ist, da ein Arbeitnehmer mit Aufenthaltsort im Ausland schon begrifflich nicht in ein Gebiet außerhalb des örtlichen Geltungsbereiches des ASVG (und nur darum kann es in § 3 Abs 2 lit d ASVG gehen) entsendet werden kann.

Abgesehen von den dargelegten systematischen und historischen Argumenten führt auch die Beachtung des Begriffsinhaltes der Entsendung in sprachlicher Hinsicht zu keinem anderen Ergebnis, bedeutet er doch nichts anderes, als jemanden zur Erfüllung eines Auftrages von einem Ort an einen anderen Ort zu schicken, in der schon im Zeitpunkt der Entsendung bestehenden Erwartung, dass er nach Erfüllung dieses Auftrages wieder an den Ausgangspunkt zurückkehren werde. Dieser Begriff unterscheidet sich von den zuvor dargelegten rechtlichen Voraussetzungen somit insoweit nicht, als von vorneherein klar ist, dass die Beschäftigung im Ausland nur für eine bestimmte Zeit oder einen bestimmten, vorübergehenden Zweck gedacht ist und sie auf Rechnung und Gefahr des im Inland befindlichen Arbeitgebers verrichtet wird. In jenen Fällen, in denen eine dauernde Beschäftigung im Ausland beabsichtigt ist, scheidet der Arbeitnehmer daher schon mit dem Antritt dieser Beschäftigung aus dem Geltungsbereich des ASVG aus (so auch BMS SVSlg 8836).

Eine Beschäftigung, die auf unbestimmte Zeit und auch nicht für eine bestimmte, vorübergehende Aufgabe vereinbart wurde, ist daher auch dann keine Entsendung im Sinne der genannten Bestimmung, wenn sie faktisch schon nach drei Monaten endet, wenngleich einer relativ kurzen Dauer der Auslandsbeschäftigung eine Indizwirkung dahin, dass sie nur als vorübergehende Beschäftigung vereinbart wurde, vor allem dann zukommen wird, wenn nach den Umständen des Einzelfalles der Zeitpunkt der Beendigung der Tätigkeit (zB der konkreten Baustelle) von Anfang an vorhersehbar gewesen ist. Andererseits hat der Gesetzgeber durch Normierung einer höchstzulässigen (gesetzlichen bzw durch die Behörde verlängerten) Frist einer solchen vorübergehenden Auslandsbeschäftigung eine zusätzliche zeitliche Abgrenzung der versicherten von der unversicherten Auslandsbeschäftigung und damit auch eine nähere Bestimmung des Begriffes der dauernden Auslandsbeschäftigung im Sinne des § 3 Abs 3 ASVG vorgenommen.

Die Frage, ob zusätzlich zu den bisher genannten Merkmalen eine zumindest vereinbarte Beschäftigung beim selben Arbeitgeber vor oder nach der Entsendung im Inland erforderlich ist, um von Entsendung sprechen zu können, hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 11. 5. 1993, Zl 90/08/0095, nach dessen Sachverhalt das Beschäftigungsverhältnis mit einer Entsendung begonnen hatte und eine darauffolgende Inlandsverwendung zwar in Aussicht genommen, nicht aber zustande gekommen war, hinsichtlich einer Beschäftigung vor der Entsendung verneint (ebenso BMS, SVSlg 28.568). In dem genannten Erkenntnis bestand zwar sachverhaltsbezogen die Absicht, die Beschäftigung im Inland fortzusetzen, es ist daraus aber nicht explizit zu entnehmen, dass bei Fehlen dieser Absicht schon deshalb die Versicherungspflicht zu verneinen gewesen wäre. Es kann für die Frage, ob bei einer Entsendung das Schwergewicht der Beschäftigung im Inland liegt, nicht auf die Verhältnisse vorher oder nachher, sondern nur auf jene während der Auslandsbeschäftigung ankommen. Die Dichte der Inlandsbeziehungen während der Auslandsbeschäftigung kann zwar durch eine vorherige Beschäftigung beim selben Arbeitgeber, die zur Erwartung einer Weiterbeschäftigung nach dem Auslandseinsatz Anlass gibt, bestimmt werden (an den gewöhnlichen Ort der Beschäftigung knüpft auch die Kollisionsnorm des § 44 Abs 1 IPR-Gesetz an). Nach dem Zweck des Gesetzes kann aber dem Fehlen einer der Entsendung vorangehenden Beschäftigung beim selben Arbeitgeber keine andere Bedeutung zukommen als dem Fehlen einer nachfolgenden Beschäftigung. Es ist, angesichts der Vielfalt der in Betracht kommenden Gestaltungsmöglichkeiten bei völlig gleicher Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers, auch nicht erkennbar, dass der Zweck des Gesetzes nur dann auf eine durchgehende Pflichtversicherung gerichtet sein sollte, wenn vorher oder nachher eine Beschäftigung beim selben Arbeitgeber im Inland erfolgt oder zumindest vereinbart gewesen sein sollte, mag dies auch bisher in der Praxis nicht selten der Fall gewesen sein. Anders als dies, bezogen auf den einzelnen Arbeitsvertrag, für die Frage des auf diesen Vertrag anzuwendenden Rechts der Fall ist, kann es für den Schutz der Sozialversicherung nicht ausschließlich darauf ankommen, ob der vorübergehenden Auslandsbeschäftigung einen zumindest kurze Inlandsbeschäftigung vorangeht oder nachfolgt.

Kommt es somit auf kurzfristige Beschäftigungen beim selben Arbeitgeber vor oder nach der Auslandsbeschäftigung aus den genannten Gründen nicht an, so fehlt für die Auffassung, sozialversicherungsrechtlich sei nur dann eine Entsendung anzunehmen, wenn die Dauer der Inlandsbeschäftigung beim selben Arbeitgeber überwiegt, jeder Ansatzpunkt im Gesetz. Eine solche Auslegung würde auch außer Acht lassen, dass der Gesetzgeber die für die Versicherungspflicht unschädliche Dauer der Auslandsbeschäftigung zunächst auf zwei und seit der Novelle BGBl Nr 411/1996 auf fünf Jahre (bei unveränderter Befugnis des Bundesministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales, auch diese Frist zu verlängern) ausgedehnt und damit wohl auch in Kauf genommen hat, dass eine größere Zahl von Dienstverhältnissen in dieser Frist enden wird, als dies bei einer Frist von einem Jahr (so die Fassung des Stammgesetzes) der Fall gewesen sein mag.

Der erkennende Senat schließt sich diesen Argumenten an. Eine gewöhnliche Inlandsbeschäftigung ist daher (anders als in § 44 Abs 1 IPRG) für eine Entsendung im sozialversicherungsrechtlichen Sinn nicht Voraussetzung. Wesentlich ist vielmehr, wo der Schwerpunkt des Beschäftigungsverhältnisses des Arbeitnehmers - abgesehen von seiner vorübergehenden beruflichen Tätigkeit in Ausland - liegt. Den überzeugenden Darlegungen des Verwaltungsgerichtshofes ist zu folgen, dass dies in solchen Fällen der Ort ist, wo der Arbeitnehmer seinen Wohnsitz bzw gewöhnlichen Aufenthalt hat. Dies war im fraglichen Zeitpunkt und ist noch immer Österreich. Er wurde von einem österreichischen Unternehmen für eine bestimmte, zeitlich auf etwa ein Jahr sich erstreckende Tätigkeit ins Ausland entsandt, kehrte regelmäßig nach Österreich zurück und erhielt hier sein Gehalt. Hieraus folgt, dass der Kläger zu Recht hier auch krankenversichert war, also Versicherungspflicht in Österreich bestand.

Es ist dem Verwaltungsgerichtshof zuzustimmen, dass bei vorübergehenden Beschäftigungen im Ausland dann, wenn weder Arbeitnehmer noch Arbeitgeber den Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen im Ausland haben, die Zugehörigkeit zum innerstaatlichen System der sozialen Sicherheiten nicht aufgehoben werden soll.

Dieser Auslegung des Verwaltungsgerichtshofs hat sich der erkennende Senat aber auch deshalb anzuschließen, weil es anderenfalls zu dem wohl nicht zu billigenden Ergebnis käme, dass zwar für den Arbeitnehmer Beiträge entrichtet werden müssen, er aber im Insolvenzfall keine Leistungen erhielte. Der Beitragspflicht muss korrespondierend das Recht gegenüberstehen, bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen auch Leistungen aus den Versicherungsbeiträgen zu erlangen.

Die Kostentscheidung beruht auf § 77 ASGG.

Stichworte