OGH 8ObS21/03a

OGH8ObS21/03a29.4.2004

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer und Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Zeitler und Dr. Vera Moczarski als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Andreas H*****, Schalzimmerer, *****, vertreten durch Stampfer, Orgler & Partner, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei IAF-Service GmbH, Geschäftsstelle Graz, 8020 Graz, Europaplatz 12, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17-19, wegen EUR 4.427,55 netto sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 9. Oktober 2003, GZ 7 Rs 108/0m-11, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 27. März 2003, GZ 37 Cgs 25/03g-7, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat ihre Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Begründung

Der Kläger war von März 1998 bis zu seinem Austritt nach § 25 KO am 26. 7. 2002 bei der späteren Gemeinschuldnerin als Schalzimmerer beschäftigt. Er arbeitete in einer Partie von sechs Schalzimmerern unter Anweisung eines seinem Bruder unterstellten Partieführers wie die anderen Schalzimmerer mit. Er war auch nicht für die Leitung und die kaufmännischen Belange der Gemeinschuldnerin zuständig. Allerdings war er an dieser mit einer Stammeinlage von 70 % beteiligt, die er aufgrund eines Treuhandvertrages vom 30. 1. 1998 treuhändig für seinen Bruder hielt. Dieser war bereits davor in Konkurs gegangen sollte aber im Hintergrund die Entscheidungen treffen. Die vom Kläger im Konkursverfahren angemeldeten Ansprüche auf offenes Entgelt in Höhe von EUR 4.754,80 wurden vom Masseverwalter anerkannt. Die Beklagte lehnte den Antrag auf Insolvenzausfallgeld mit der Begründung ab, dass der Kläger einen beherrschenden Einfluss gehabt habe.

Der Kläger begehrt nunmehr die Zuerkennung von Insolvenz-Ausfallgeld in dieser Höhe. Er sei aufgrund des Treuhandvertrages zu keiner freien Stimmrechtsausübung fähig gewesen und habe aus den Anteilen auch sonst keine Vorteile oder Mitspracherechte gehabt.

Die Beklagte wendete zusammengefasst ein, dass entscheidend nur die Stellung als Mehrheitsgesellschafter sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es ging rechtlich davon aus, dass der Kläger infolge der unwiderruflichen Bevollmächtigung seines Bruders mit der Ausübung des Stimmrechtes keinen beherrschenden Einfluss im Sinne des § 1 Abs 6 Z 4 IESG gehabt habe.

Das Berufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufung der Beklagten Folge und wies das Klagebegehren ab. Nach § 1 Abs 6 Z 4 IESG hätten Gesellschafter, denen ein beherrschender Einfluss auf die Gesellschaft zustehe, keinen Anspruch auf IESG. Dies gelte auch, wenn die Gesellschafterstellung durch Treuhandverträge eingeschränkt sei. Es sprach aber aus, dass die Revision an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil sich die Frage stelle, ob das IESG nicht bereits jetzt im Sinne der neuen Richtlinie 2002/74/EG auszulegen sei.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil erhobene Revision ist ungeachtet das den Obersten Gerichtshofes nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichtes mangels Darstellung einer Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

Die Revision releviert im Wesentlichen ausschließlich die Frage, inwieweit bereits vor Ablauf der Umsetzungsfrist im Rahmen der sogenannten richtlinienkonformen Interpretation die neue Richtlinie heranzuziehen sei. Es ist nun zutreffend, dass es durch die neue Richtlinie 2002/74/EG vom 23. September 2002 zur Änderung der Richtlinie 80/987/EWG zu einer Ausweitung der anspruchsberechtigten Personen - zumindest hinsichtlich der von der Richtlinie garantierten Mindestansprüche - kommen wird (vgl dazu etwa ausführlich Liebeg, Neue gemeinschaftsrechtliche Vorgaben für den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers, wbl 2003, 157 ff). Auf die Frage einer allfälligen richtlinienkonformen Interpretation bereits vor Ablauf der Umsetzungsfrist (vgl dazu etwa RIS-Justiz RS0110869 mwN) ist hier aber schon deshalb nicht einzugehen, weil die neue Richtlinie überhaupt erst einige Zeit nach Konkurseröffnung (Juli 2002) beschlossen wurde.

Sonst zeigt die Revision ausgehend von der Rechtsprechung, wonach es nur auf die mit der Gesellschafterstellung typischerweise verbundenen Einfluss- und Informationsmöglichkeiten, nicht aber auf allfällige Gründe für die mangelnde Ausübung dieser Möglichkeiten ankommt (vgl RIS-Justiz RS0077381; OGH 8 ObS 200/99s; vgl auch Holzer/Reissner/Schwarz, Die Rechte des Arbeitnehmers bei Insolvenz, 86 - zur Beherrschung durch den Treuhänder), und der Stellung des Klägers als mit 70 % beteiligten Gesellschafters aber keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO auf.

Die Revision war daher ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichtes (vgl § 508a Abs 1 ZPO) zurückzuweisen.

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