OGH 4Ob124/18s

OGH4Ob124/18s23.8.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.‑Prof. Dr. Brenn, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verwertungsgesellschaft Rundfunk GmbH, *****, vertreten durch Korn Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei H***** GmbH, *****, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Rechnungslegung (Streitwert 34.000 EUR) und Leistung (Stufenklage), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. März 2018, GZ 15 R 186/17h‑33, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 28. September 2017, GZ 53 Cg 12/15h‑28, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0040OB00124.18S.0823.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.116,62 EUR (darin enthalten 352,77 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist eine Verwertungsgesellschaft, deren Aufgabe es ist, die Rechte und Ansprüche ihrer Bezugsberechtigten, das sind in- und ausländische Rundfunkunternehmer, wahrzunehmen. Die Beklagte betreibt ein Hotel mit knapp über 100 Hotelzimmern, in denen Fernsehapparate aufgestellt sind, über die die Hotelgäste Fernsehprogramme der Bezugsberechtigten der Klägerin empfangen können. Das Signal der Rundfunkunternehmer wird über einen Signalverteiler der Beklagten an die TV‑Geräte in den Hotelzimmern weitergeleitet. Die Antenne ist vom Standort der am nächsten liegenden Empfangsanlage nicht mehr als 500 m entfernt und es werden keine öffentlichen Wege benützt oder gekreuzt; außerdem sind weniger als 500 Teilnehmeranschlüsse vorhanden. Die Beklagte verlangt von ihren Gästen nur den Zimmerpreis und kein gesondertes Entgelt für die Benützung der TV‑Geräte.

Die Klägerin begehrte – in Form einer Stufenklage – die Beklagte schuldig zu erkennen,

a) ihr Auskunft über die an die TV‑Geräte in den einzelnen Hotelzimmern weitergesendeten Rundfunkprogramme ihrer Bezugsberechtigten (ab 1. 4. 2012) sowie über die Zahl der angeschlossenen Gästezimmer zu erteilen, und

b) ihr für die Wiedergabehandlungen einen– später zu beziffernden – Schadenersatz in Höhe des Doppelten des angemessenen Entgelts zu zahlen.

Dazu brachte sie vor, dass beim Hotelzimmer‑TV der Beklagten zum einen eine öffentliche Wiedergabe gegen Entgelt nach § 76a UrhG vorliege, weil die Ausstattung mit Hotelfernsehen in den Zimmerpreis miteinfließe. Zum anderen greife die Beklagte durch die Weiterleitung der Rundfunkprogramme in die Hotelzimmer in das Weitersenderecht der Bezugsberechtigten nach § 76a iVm § 17 UrhG ein. Die Ausnahmebestimmungen des § 17 Abs 3 UrhG seien unionsrechtswidrig und daher nicht anzuwenden.

Die Beklagte entgegnete, dass eine drahtgebundene Weiterverbreitung über Kabel kein „Senden“ sei. Außerdem seien die Ausnahmetatbestände nach § 17 Abs 3 Z 2 UrhG erfüllt. Da die Vermiet- und Verleih‑Richtlinie 2006/115/EG nur die drahtlose Weitersendung harmonisiere, wirke sich eine allfällige Unionsrechtswidrigkeit des § 17 Abs 3 Z 2 lit b UrhG auf den Anlassfall nicht aus. Beim Hotel der Beklagten sei auch die Ausnahme nach lit a leg cit erfüllt. Diese Ausnahme sei nicht unionsrechtswidrig, weil bei auf zusammenhängenden Grundstücken befindlichen Empfangsanlagen, die von der Antenne nicht mehr als 500 Meter entfernt seien, von einem „Kumulativeffekt“ nicht gesprochen werden könne; es liege daher ein Fall von geringer Bedeutung iSd Art 5 Abs 3 lit o der Info‑Richtlinie 2001/29/EG vor. Schließlich sei keine öffentliche Wiedergabe gegen Zahlung eines Eintrittsgeldes gegeben, weil für den Fernsehempfang von den Hotelgästen kein Entgelt verlangt werde.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Nach dem vorliegenden Sachverhalt seien die Ausnahmetatbestände nach § 17 Abs 3 Z 2 lit a und lit b UrhG erfüllt. Die Entscheidung des EuGH zu C‑138/16 , Zürs.net, beziehe sich nur auf die Ausnahme zu lit b leg cit. Auch eine öffentliche Wiedergabe gegen Zahlung eines Eintrittsgeldes liege nicht vor, weil von den Gästen nur der Zimmerpreis pro Nacht entrichtet werde.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. In der Entscheidung zu C‑138/16 , Zürs.net, habe der EuGH nur ausgesprochen, dass die 500‑Teilnehmer‑Grenze in § 17 Abs 3 Z 2 lit b UrhG unionsrechtswidrig sei. Zu lit a leg cit sei der Beklagten zuzustimmen, dass der vom EuGH zur Begründung der Unionsrechtswidrigkeit herangezogene Kumulativeffekt nicht gegeben sei. Die Revision sei zulässig, weil zur Frage, ob das Anbieten von Hotelzimmer‑TV in eine urheberrechtlich geschützte Rechtsposition des Rundfunkunternehmers iSd § 76a UrhG eingreife, keine höchstgerichtliche Rechtsprechung bestehe.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin, die auf eine Stattgebung des Klagebegehrens abzielt.

Mit ihrer Revisionsbeantwortung beantragt die Beklagte, die Revision zurückzuweisen, in eventu, dieser den Erfolg zu versagen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil zum Leistungsschutzrecht des Rundfunkunternehmers auf Weitersenden nach § 76a iVm § 17 UrhG eine Klarstellung durch den Obersten Gerichtshof geboten ist. Die Revision ist aber nicht berechtigt.

1. Die Klägerin steht in der Revision auf dem Standpunkt, dass

‑ Hotelzimmer‑TV in urheberrechtlich geschützte Rechtspositionen des Rundfunkunternehmers iSd § 76a UrhG eingreife,

‑ auf Basis des festgestellten Sachverhalts die von der Beklagten zur Realisierung ihres Hotelzimmer‑TV verwendete Anlage zwar die Kriterien von Gemeinschaftsantennenanlagen sowohl nach § 17 Abs 3 Z 2 lit a als auch nach lit b UrhG erfülle, diese Ausnahmen (Kleingemeinschaftsantennenanlagen nach lit b und Hausgemeinschaftsantennenanlagen nach lit a) jedoch unionsrechtswidrig seien. Dies führe nach den Regeln der teleologischen, systematischen und verfassungskonformen Interpretation dazu, dass die genannten Ausnahmen einheitlich auf alle Verwertungsrechte – mögen sie unionsrechtlich determiniert sein oder nicht – nur noch in ihrem unionsrechtlich zulässigen Ausmaß (nur hinsichlich Kleinstanlagen, mit denen keine Erwerbszwecke verfolgt werden) angewendet werden dürften.

2.1 Die klagende Verwertungsgesellschaft macht einen Verstoß gegen § 76a Abs 1 UrhG geltend. Diese Norm regelt das Leistungsschutzrecht des Rundfunkunternehmers an seinem Sendesignal (Signalschutz). § 76a Abs 1 UrhG lautet– soweit hier relevant – wie folgt:

„Wer Töne oder Bilder durch Rundfunk oder auf eine ähnliche Art sendet (§ 17, Rundfunkunternehmer), hat mit den vom Gesetz bestimmten Beschränkungen das ausschließliche Recht, die Sendung gleichzeitig über eine andere Sendeanlage zu senden und zu einer öffentlichen Wiedergabe im Sinne des § 18 Abs 3 an Orten zu benutzen, die der Öffentlichkeit gegen Zahlung eines Eintrittsgeldes zugänglich sind.“

§ 76a UrhG dient der Umsetzung von Art 8 Abs 3 der Vermiet- und Verleih‑Richtlinie 2006/115/EG ; diese Bestimmung lautet:

„Die Mitgliedstaaten sehen für Sendeunternehmen das ausschließliche Recht vor, die drahtlose Weitersendung ihrer Sendungen sowie die öffentliche Wiedergabe ihrer Sendungen, wenn die betreffende Wiedergabe an Orten stattfindet, die der Öffentlichkeit gegen Zahlung eines Eintrittsgeldes zugänglich sind, zu erlauben oder zu verbieten.“

Die zuletzt angeführte Bestimmung ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) im Lichte des internationalen Abkommens über den Schutz der ausübenden Künstler, der Hersteller von Tonträgern und der Sendeunternehmen vom 26. 10. 1961 (Rom‑Abkommen) auszulegen (EuGH C‑641/15 , Hettegger Rn 21). Dieses Abkommen normiert in Art 13 das Recht des Sendeunternehmens, zu erlauben, oder zu verbieten:

„a ) die Weitersendung ihrer Sendungen;

[... ]

d ) die öffentliche Wiedergabe ihrer Fernsehsendungen, wenn sie an Orten stattfindet, die der Öffentlichkeit gegen Zahlung eines Eintrittsgeldes zugänglich sind; es obliegt der nationalen Gesetzgebung des Staats, in dem der Schutz dieses Rechts beansprucht wird, die Bedingungen für die Ausübung dieses Rechts zu regeln.“

2.2 § 76a Abs 1 UrhG gewährt dem Rundfunkunternehmer mehrere Nutzungsrechte. Dieser hat– im hier relevanten Zusammenhang – zunächst das ausschließliche Recht, die (Rundfunk‑)Sendung gleichzeitig „über eine andere Sendeanlage“ zu senden (Weitersenderecht).

Wie auch aus dieser Bestimmung zum Ausdruck gelangt, verbreitet der Rundfunkunternehmer TV- oder Hörfunkprogramme über eine Sendeanlage, dh er strahlt die entsprechenden programmtragenden Sendesignale über eine Sendeanlage (ein Rundfunknetz) aus (vgl dazu Fischer, Aktuelle Fragen im Sende- und Weiterleitungsrecht, MR Beilage 3/18, 47; vgl auch EuGH C‑306/05 , SGAE Rn 40; C‑641/15 , Hettegger Rn 18; C‑325/14 , SBS Belgium Rn 18). Inhaber des Leistungsschutzrechts ist demnach der Rundfunkunternehmer (Erstsender), der Rundfunksendungen terrestrisch, über Satellit oder über Leitungen ausstrahlt (vgl Wittmann, Das Leistungsschutzrecht des Rundfunkunternehmers nach § 76a UrhG in der Weitersendung, MR 2014, 1 [5]).

Das Weitersenderecht nach § 76a UrhG bezieht sich nicht nur auf die drahtlose Verbreitung, sondern auch auf die Ausstrahlung über draht-/kabelgebundene Anlagen. Der Oberste Gerichtshof hat dies in der Entscheidung zu 4 Ob 249/15v damit begründet, dass eine Beschränkung auf die drahtlose Weitersendung – mangels Anwendbarkeit der §§ 59a und 59b UrhG in Bezug auf das Leistungsschutzrecht des Sendeunternehmers – bedeuten würde, dass Sendeunternehmer die kabelgebundene Weitersendung ihrer Programme ohne Abgeltung dulden müssten. Ein tragfähiger Grund für eine solche Differenzierung sei weder aus Sicht der Rundfunkunternehmer noch aus Sicht der Weitersendenden zu erkennen. Die von § 76a UrhG als schützenswert erachtete Leistung liege in den für die Sendung erforderlichen aufwendigen Maßnahmen organisatorischer und technischer Art, die sich Dritte nicht mühelos zu nutze machen sollten. Eine sachliche Rechtfertigung liege bei der von Walter (Glosse zu 4 Ob 145/90 in MR 1990, 230) vertretenen Unterscheidung zwischen drahtloser und drahtgebundener Weiterleitung, bei denen es sich um zwei wirtschaftlich gleichwertige Nutzungsformen handle, nicht vor, weil sich in beiden Fällen ein Dritter den Aufwand des Sendeunternehmers zunutze mache. Der Ansicht von Walter (siehe dazu auch dessen Glosse zu 4 Ob 249/15v in GRUR Int 2016, 589) hat sich der Oberste Gerichtshof somit ausdrücklich nicht angeschlossen.

Demgegenüber behält Art 8 Abs 3 der Vermiet- und Verleih‑Richtlinie 2006/115/EG dem Sendeunternehmer nur die drahtlose Weitersendung vor; für das drahtgebundene Weitersenderecht des Rundfunkunternehmers bestehen daher keine unionsrechtlichen Vorgaben. Dies bedeutet, dass der österreichische Gesetzgeber über den unionsrechtlichen (Mindest-)Schutz für Sendeunternehmer (zulässigerweise) hinausgegangen ist (EuGH C‑279/13 , C‑More Entertainment Rn 35; vgl auch Zemann, EuGH zu Ausnahmen vom Senderecht nach § 17 Abs 3 UrhG, ecolex 2017, 693).

2.3 Neben dem Weitersenderecht steht dem Rundfunkunternehmer (unter anderem, dies seit der Urheberrechts-Novelle 2003) das ausschließliche Recht zu, die (Rundfunk-)Sendung gleichzeitig zu einer öffentlichen Wiedergabe an Orten zu benutzen, die der Öffentlichkeit gegen Zahlung eines Eintrittsgeldes zugänglich sind (siehe dazu Art 8 Abs 3 der Vermiet- und Verleih‑Richtlinie 2006/115/EG ). Der Signalschutz des Rundfunkunternehmers besteht im Fall einer sonstigen öffentlichen Wiedergabe (Übertragung ohne Weitersenden) somit nur dann, wenn diese an Orten stattfindet, die der Öffentlichkeit gegen Zahlung eines Entgelts zugänglich sind (Ciresa in Ciresa, Österreichisches Urheberrecht § 76a Rz 4).

3. Der EuGH war in der vorliegenden Rechtssache bereits mit einem Vorabentscheidungsersuchen befasst (EuGH C‑641/15 , Hettegger). In seiner Entscheidung gelangte der Gerichtshof zusammengefasst zum Ergebnis, dass

‑ die Verbreitung eines Sendesignals mittels in Hotelzimmern aufgestellten Fernseh- und Radiogeräten nicht nur eine öffentliche Wiedergabe iSv Art 3 Abs 1 der Richtlinie 2001/29/EG , sondern gleichermaßen auch eine öffentliche Wiedergabe der Sendungen von Sendeunternehmen iSv Art 8 Abs 3 der Richtlinie 2006/115/EG ist (so auch C‑117/15 , Reha‑Training Rn 31),

‑ die öffentliche Wiedergabe gegen Zahlung eines Eintrittsgeldes iSv Art 8 Abs 1 und 2 der Richtlinie 2006/115/EG eine speziell als (unmittelbare) Gegenleistung für die öffentliche Wiedergabe einer Fernsehsendung verlangte Zahlung erfordert und der Preis für ein Hotelzimmer kein solches Eintrittsgeld ist, weshalb die öffentliche Wiedergabe von Fernseh- und Hörfunksendungen über in Hotelzimmern aufgestellte Fernseh- und Rundfunkgeräte keine solche an einem Ort ist, der der Öffentlichkeit gegen Zahlung eines Eintrittsgeldes zugänglich ist.

Auf den Tatbestand der öffentlichen Wiedergabe gegen Zahlung eines Engelts kann die Klägerin ihre Ansprüche somit nicht mehr stützen.

4.1 Es verbleibt damit die Prüfung der Ansprüche der Klägerin aus dem Weitersenderecht des Rundfunkunternehmers.

Das Weitersenderecht nach § 76a Abs 1 UrhG knüpft tatbestandsmäßig am urheberrechtlichen Sendebegriff des § 17 UrhG (Senderecht des Urhebers) an. Somit sind Inhalt und Umfang des Weitersenderechts nach § 76a Abs 1 UrhG iSd § 17 UrhG zu bestimmen. In diesem Sinn wurde auch in der Entscheidung zu 4 Ob 259/15v ausgesprochen, dass das Weitersenderecht nach § 76a Abs 1 UrhG mit dem Senderecht nach § 17 Abs 1 UrhG inhaltlich übereinstimmt.

4.2 § 17 Abs 1 UrhG lautet:

„Der Urheber hat das ausschließliche Recht, das Werk durch Rundfunk oder auf eine ähnliche Art zu senden.“

Diese Bestimmung setzt (neben § 18 UrhG) Art 3 Abs 1 der Info‑RL 2001/29/EG um, der wie folgt lautet:

„Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass den Urhebern das ausschließliche Recht zusteht, die drahtgebundene oder drahtlose öffentliche Wiedergabe ihrer Werke einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung der Werke in der Weise, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind, zu erlauben oder zu verbieten.“

Davon sind nach Art 5 Abs 3 lit o der Info‑Richtlinie 2001/29/EG folgende Ausnahmen möglich:

„Für die Nutzung in bestimmten anderen Fällen von geringer Bedeutung, soweit solche Ausnahmen oder Beschränkungen bereits in einzelstaatlichen Rechtsvorschriften vorgesehen sind und sofern sie nur analoge Nutzungen betreffen und den freien Waren- und Dienstleistungsverkehr in der Gemeinschaft nicht berühren.“

4.3 Durch die Rechtsprechung des EuGH ist geklärt, dass das Senderecht und damit auch das Weitersenderecht Anwendungsfälle der öffentlichen Wiedergabe sind (EuGH C‑306/05 , SGAE Rn 47 und 54; C‑641/15 , Hettegger Rn 17; vgl auch Riesenhuber, Öffentliche Wiedergabe in der Rechtsprechung des EuGH, MR Beilage 3/18, 19 [22]). Keine öffentliche Wiedergabe liegt hingegen vor, wenn lediglich Einrichtungen bereitgestellt werden, die einen eigenen Empfang ermöglichen (EuGH C‑610/15 , Stichting Brein Rn 38; C‑431/09 , Airfield Rn 74), oder wenn lediglich der Empfang der Übertragung verbessert wird (EuGH C‑607/11 , ITV Broadcasting Rn 27; C‑403/08 , Premier League Rn 194; vgl auch C‑325/14 , SBS Belgium Rn 31). In diesem Sinn wurde auch in der Entscheidung zu 4 Ob 249/15v, Preroll-Werbung, beurteilt, dass das Senderecht nach § 17 Abs 1 UrhG unter den unionsrechtlichen Überbegriff der öffentlichen Wiedergabe iSv Art 3 Abs 1 der Info-Richtlinie 2001/29/EG fällt. Der Überbegriff der öffentlichen Wiedergabe ist sowohl in der Info‑Richtlinie 2001/29/EG als auch in der Vermiet- und Verleih‑Richtlinie 2006/115/EG ident (EuGH C‑641/15 , Hettegger Rn 19; C‑117/15 , Reha Training Rn 31).

4.4 Senden (§ 17 UrhG) und damit auch Weitersenden durch den Erstsender (§ 76a UrhG) sind nach den unionsrechtlichen Vorgaben somit Anwendungsfälle der öffentlichen Wiedergabe von Rundfunksendungen (hier Fernsehen) durch Ausstrahlen bzw Verbreiten der Sendesignale über eine Sendeanlage (Rundfunknetz).

5.1 Im Anlassfall stellt sich die Frage, ob die Beklagte in das Weitersenderecht der Bezugsberechtigten der Klägerin (Erstsender) eingegriffen hat. Ein solcher Eingriff setzt eine vom Erstsender nicht genehmigte öffentliche Wiedergabe durch Weitersenden über eine andere Sendeanlage voraus.

5.2 Die öffentliche Wiedergabe nach Art 3 Abs 1 der Info‑RL 2001/29/EG ist ein unionsautonomer Begriff (EuGH C‑306/05 SGAE Rn 31; C‑403/08 , Premier League Rn 185); dieser Begriff ist weit auszulegen (EuGH‑610/15, Stichting Brein Rn 22; C‑117/15 , Reha Training Rn 36; C‑325/14 , SBS Belgium Rn 14). Davon ausgehend handelt es sich nach der Rechtsprechung des EuGH bei der öffentlichen Wiedergabe um einen zweigliedrigen Tatbestand, der sich aus den Elementen „Handlung der Wiedergabe“ und „Öffentlichkeit der Wiedergabe“ zusammensetzt. „Wiedergabe“ ist dabei jede (technische) Übertragung geschützter Werke unabhängig vom eingesetzten technischen Mittel oder Verfahren (EuGH C‑403/08 , Premier League Rn 193; C‑117/15 , Reha Training Rn 38; Riesenhuber, MR Beilage 3/18, 37), wobei die Wiedergabe an einem anderen als dem Ursprungsort erfolgt (EuGH C‑403/08 , Premier League Rn 198); Ursprungsort ist dabei der Ort, an dem das Werk aufgenommen wurde (Riesenhuber in MR Beilage 3/18, 24 unter Hinweis auf EuGH C‑403/08 , Premier League).

Die öffentliche Wiedergabe muss sich an eine (anfänglich) unbestimmte Zahl potentieller Adressaten richten, wobei es sich (im Sinn einer de minimis‑Regel) nicht bloß um eine allzu kleine oder gar unbedeutende Mehrzahl betroffener Personen handeln darf (EuGH C‑607/11 , ITV Broadcasting Rn 33; C‑351/12 , OSA Rn 28; C‑610/15 ; Stichting Brein Rn 41; Riesenhuber, MR Beilage 3/18, 26).

Für die sekundäre (wiederholte) Wiedergabe durch den Zweitsender (Weitersenden) hat der EuGH zwei besondere Kriterien aufgestellt, die alternativ erfüllt sein müssen. Demnach muss entweder ein neues Publikum (konkret am fraglichen Ort) erschlossen werden, das der Urheber bei seiner Zustimmung noch nicht berücksichtigt hat (EuGH C‑607/11 , ITV Broadcasting Rn 37; C‑527/15 , Stichting Brein, Rn 33; Riesenhuber, MR Beilage 3/18, 27 f), oder ein spezifisches (anderes) technisches Verfahren verwendet werden, das von der Bewilligung der Erstsendung nicht erfasst ist (EuGH C‑607/11 , ITV Broadcasting, Rn 37; C‑527/15 , Stichting Brein Rn 33).

5.3 In der Rechtsprechung des EuGH ist dazu geklärt, dass die (Weiter-)Verbreitung von Sendesignalen an Fernsehapparate in Hotelzimmern als öffentliche Wiedergabe (im Sinn einer sekundären Wiedergabe der Rundfunksendungen) anzusehen ist (EuGH C‑306/05 , SGAE; C‑403/08 , Premier League).

In der Entscheidung zu C‑306/05 , SGAE Rn 40, hat der EuGH zudem ausgesprochen, dass bei einem Empfang der Sendesignale mittels Antenne und anschließendem Überspielen der Signale mittel Koaxialkabel in die Hotelzimmer eine Wiedergabe durch eine weiterverbreitende Sendeanstalt (Zweitsender) erfolgt. Damit nimmt der Gerichtshof auf das Weitersenderecht nach Art 11bis Abs 1 Nr 2 RBÜ Bezug (vgl Riesenhuber, MR Beilage 3/18, 27). Für das Weitersenden ist demnach entscheidend, dass die vom Erstsender öffentlich ausgestrahlten programmtragenden Sendesignale vom Weitersender (Zweitsender) empfangen und als Betreiber eines Rundfunknetzes (zB Kabelnetzes) über das eigene Netz an seine Kunden weitergeleitet werden (vgl dazu Fischer, MR Beilage 3/18, 47; vgl auch EuGH C‑431/09 , Airfield Rn 30 und 67; C‑325/14 , SBS Belgium). Dadurch wird ein neues Publikum erschlossen, das sonst in der konkreten Situation keinen Zugang zu den Rundfunksendungen hätte.

Unter diesen Voraussetzungen liegt beim Hotelzimmerfernsehen somit ein Weitersenden als Anwendungsfall der öffentlichen Wiedergabe vor.

5.4 Im Anlassfall wird das Sendesignal der Bezugsberechtigten der Klägerin (Erstsender) über einen Signalverteiler der Beklagten an die TV‑Geräte in den einzelnen Hotelzimmern weitergeleitet. Die Beklagte führt gar nicht aus, warum sie aufgrund dieser technischen Umsetzung nicht als Betreiberin eines Kabelnetzes anzusehen sei. Vielmehr bringt sie (zur Ausnahme nach § 17 Abs 3 Z 2 lit a UrhG) selbst vor, dass die „Empfangsanlagen“ von der Antenne nicht mehr als 500 Meter entfernt seien.

5.5 Als Zwischenergebnis ist somit festzuhalten, dass die Beklagte als Zweitsenderin mit ihrem (kabelgebundenen) Hotelfernsehen eine öffentliche Wiedergabe durch Weitersenden der Sendesignale der Erstsender mit Hilfe einer anderen Sendeanlage (Kabelnetz) vornimmt.

6.1 Aus der Entscheidung des EuGH zu C‑138/16 , Zürs.net, kann nichts Gegenteiliges abgeleitet werden. Diese Entscheidung betrifft zwar auch Hotelfernsehen durch Kabelweiterleitung. In dieser Entscheidung hat der EuGH das Vorliegen einer öffentlichen Wiedergabe allerdings nur deshalb verneint, weil er das Vorbringen der dortigen Beklagten als unbestritten unterstellt hat, dass alle Hotelgäste in der konkreten Situation auch ohne das Hotelfernsehen Zugang zu den fraglichen Rundfunksendungen gehabt hätten; davon ausgehend hat der EuGH das Hotelpublikum nicht als neues Publikum angesehen (Rn 29). Die Beurteilung des EuGH ist somit nur darauf zurückzuführen, dass der Sachverhalt nicht ausreichend klar war (siehe dazu jedoch EuGH C‑306/05 , SGAE Rn 42). Hinzu kommt, dass für das Weitersenden auch vom dortigen Hotelbetreiber ein anderes technisches Verfahren eingesetzt wurde.

6.2 Entgegen der Ansicht der Beklagten ist „Senden“ auch nicht etwas anderes als „öffentliche Wiedergabe“. Vielmehr ist die öffentliche Wiedergabe der Überbegriff, der in „Senden“ und in „sonstige öffentliche Wiedergabe“ (sonstige technische Übertragung) unterteilt werden kann (siehe Pkt 4.3). Wenn der EuGH Hotelzimmer‑TV als öffentliche Wiedergabe qualifiziert, so bezieht sich diese Einordnung auf den Überbegriff. Im Fall zu C‑138/16 , Zürs.net, handelte es sich beim Hotelzimmer‑TV um eine Weiterverbreitung der Sendesignale über eine kabelgebundene Sendeanlage (Kabelnetz). In diesem Sinn bezog sich der EuGH auch ausdrücklich auf die Ausnahme für Kleingemeinschaftsantennenanlagen nach § 17 Abs 3 Z 2 lit b UrhG; § 76a UrhG verweist auf § 17 UrhG.

7.1 Ob die öffentliche Wiedergabe der Beklagten durch Weitersenden der Sendesignale der Erstsender in ihrem Kabelnetz einen Eingriff in das Leistungsschutzrecht der Erstsender an ihrem Sendesignal (Signalschutzrecht) begründet, hängt nach der bisherigen Beurteilung davon ab, ob eine Ausnahme nach § 17 Abs 3 UrhG vorliegt.

Im Anlassfall kommt (zunächst) die Ausnahme nach § 17 Abs 3 Z 2 lit b UrhG in Betracht; diese Bestimmung sieht eine Ausnahme für Kleingemeinschaftsantennenanlagen vor.

In der Entscheidung zu C‑138/16 , Zürs.net, hat der EuGH ausgesprochen, dass die in Rede stehende Ausnahmebestimmung mit der unionsrechtlichen Ausnahmemöglichkeit nach Art 5 Abs 3 lit o der Info‑RL 2001/29/EG schon aufgrund der darin normierten Teilnehmergrenze („nicht mehr als 500 an die Gemeinschaftsantennenanlage angeschlossenen Teilnehmer“) nicht im Einklang steht, ohne dass die übrigen Voraussetzungen der Ausnahmemöglichkeit geprüft werden müssten. Dazu verneint der EuGH das Vorliegen von „Fällen von geringer Bedeutung“ und verweist in dieser Hinsicht auf die kumulierte Anzahl der möglichen Adressaten, die bei Tätigwerden mehrerer Klein-Zweitsender parallel Zugang zum selben geschützten Werk haben können (Kumulativeffekt: Rn 41 und 42).

7.2 Die in dieser Entscheidung angesprochene Richtlinienwidrigkeit betrifft die Info‑RL 2001/29/EG , um die es im Anlassfall aber nicht geht, regelt doch diese Richtlinie nicht das Leistungsschutzrecht des Rundfunkunternehmers, sondern das Recht des Urhebers. Die Beklagte weist zutreffend daraufhin, dass nach der Vermiet- und Verleih‑Richtlinie 2006/115/EG nur das drahtlose Weitersenderecht des Rundfunkunternehmers harmonisiert ist, nicht aber das draht-/kabelgebunde Weitersenderecht, das hier allein gegenständlich ist.

Allerdings ist zu berücksichtigen, dass § 76a UrhG auf § 17 UrhG verweist und daher nach dem Willen des nationalen Gesetzgebers das Signalschutzrecht des leistungsschutzberechtigten Rundfunkunternehmers und das (Weiter‑)Senderecht des Urhebers inhaltsgleich sein sollen. Der nationale Gesetzgeber räumt also – ohne unionsrechtliche Verpflichtung dazu – den leistungsschutzberechtigten Rundfunkunternehmen auch für die kabelgebundene Weitersendung einen Anspruch ein, der durch Unionsrecht determiniert ist. Dies hat zur Folge, dass der nationale Gesetzgeber den Anwendungsbereich des Unionsrechts kraft autonomer Entscheidung, also freiwillig eröffnet.

7.3 Es stellt sich daher die Frage, ob eine Interpretation der Ausnahmeregelung des § 17 Abs 3 Z 2 lit b UrhG iSd Unionsrechts möglich ist.

Hinsichtlich der Verpflichtung zur richtlinienkonformen Interpretation verweist der EuGH auf den Methodenkatalog des nationalen Rechts (EuGH C‑397/01 , Pfeiffer; C‑212/04 , Adeneler). Die Pflicht zur richtlinienkonformen Interpretation reicht somit grundsätzlich bis zur Grenze der äußersten Wortlautschranke, erstreckt sich aber zudem auf die nach dem innerstaatlichen interpretativen Methodenkatalog zulässige Rechtsfortbildung durch Analogie oder teleologische Reduktion im Fall einer planwidrigen Umsetzungslücke (8 ObA 47/16v mwN). Eine „interprétation conforme“ der geltenden nationalen Rechtsvorschriften ist aber unzulässig, wenn diese zu einer Auslegung contra legem führen würde. Ebenso darf es nicht über diesen Umweg zu einer – sonst unzulässigen – unmittelbaren Wirkung von Richtlinienbestimmungen im horizontalen Verhältnis kommen.

Die 500‑Teilnehmer-Grenze in § 17 Abs 3 Z 2 lit b UrhG ist exakt bestimmt. Eine Unterschreitung dieser Grenze auf interpretativem Weg würde zu einer Situation contra legem führen. Davon abgesehen liegen die Voraussetzungen für eine teleologische Reduktion nicht vor. Eine solche ist vom Fehlen einer nach dem Zweck des Gesetzes notwendigen Ausnahme geprägt; der Wortlaut ist im Vergleich zum erkennbaren Zweck des Gesetzes überschießend (RIS‑Justiz RS0008979; 10 ObS 154/16v). Sprechen der Gesetzeswortlaut und die klare gesetzgeberische Absicht gegen eine teleologische Reduktion, so kommt sie nicht in Betracht (10 ObS 61/18w). Im Anlassfall müsste dem Gesetzgeber unterstellt werden, dass er nur bei einer (klar umschriebenen) kleineren Gruppe als jene der 500 Teilnehmer eine Ausnahme vom Senderecht des Urhebers vorsehen wollte. Dies ist nicht möglich; der Gesetzgeber hat trotz Kenntnis der Entscheidung des EuGH zu C‑138/16 , Zürs.net, bisher auch nicht reagiert.

Außerdem könnte die unionsrechtlich zulässige Grenze durch das Gericht gar nicht bestimmt werden, weil die unionsrechtliche Regelung nach Art 5 Abs 3 lit o der Info‑RL 2001/29/EG dafür lediglich von „Fällen von geringer Bedeutung“ spricht. Dieser unbestimmte Gesetzesbegriff kann nur vom Gesetzgeber ausgekleidet werden. Zudem könnte selbst eine herabgesetzte Grenze an der Unionsrechtswidrigkeit nichts ändern, weil das für den EuGH zentrale Element des „Kumulativeffekts“ bestehen bliebe. Eine teleologische Reduktion „auf null“ wäre schon deshalb nicht möglich, weil sie der zu interpretierenden Bestimmung ihren Wesensgehalt nehmen würde; eine Ausnahmeregelung ist nach dem Unionsrecht nicht schlechthin unzulässig.

Angemerkt wird, dass eine unmittelbare Wirkung der fraglichen Richtlinienbestimmung (Ausnahmeregelung nach Art 5 Abs 3 lit o der Info‑RL 2001/29/EG ) im Anlassfall ausscheidet, weil es sich um ein horizontales Rechtsverhältnis zwischen Privaten handelt (EuGH C‑351/12 , OSA Rn 42).

7.4 Als weiteres Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass die Unionsrechtswidrigkeit der Ausnahmebestimmung des § 17 Abs 3 Z 2 lit b UrhG im Anlassfall (also in Ansehung der Signalschutzrechte von Rundfunkunternehmen) nicht beseitigt werden kann; für die Frage, ob ein Eingriff durch die Beklagte in das Leistungsschutzrecht der Bezugsberechtigten der Klägerin vorliegt, hat daher die Grenze von 500 angeschlossenen Teilnehmern maßgeblich zu bleiben.

Hier ist unstrittig, dass die Beklagte mit ihrem Hotelzimmer‑TV knapp mehr als 100 potentielle Teilnehmer erreicht; die Teilnehmergrenze für eine Kleingemeinschaftsanlage wird damit nicht überschritten; ein Eingriff in das Leistungsschutzrecht nach § 76a Abs 1 iVm § 17 UrhG liegt daher nicht vor. Auf die weitere Ausnahme nach § 17 Abs 3 Z 2 lit a UrhG und die Frage nach deren Unionsrechtswidrigkeit kommt es nicht mehr an. Schon aus diesem Grund ist der Anregung der Klägerin auf Einholung einer Vorabentscheidung durch den EuGH nicht näher zu treten.

8. Die von der Klägerin behauptete Verfassungswidrigkeit liegt nicht vor. Der Verfassungsgerichtshof hat § 17 Abs 3 Z 2 lit b UrhG bereits als verfassungskonform beurteilt (B 19/83 = VfSlg 9.888). Der Umstand, dass sich eine sekundärrechtliche Unionsrechtswidrigkeit durch Interpretation und mangels unmittelbarer Wirkung der zugrundeliegenden Richtlinienbestimmung nicht beseitigen lässt, begründet keine Verfassungswidrigkeit, insbesondere keinen Verstoß gegen den Gleichheitssatz.

9. Insgesamt haben die Vorinstanzen das Klagebegehren zu Recht abgewiesen. Der Revision war daher der Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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