European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0070OB00037.22Z.0427.000
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 626,52 EUR (darin enthalten 104,42 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
[1] Der Kläger schloss mit der Beklagten im Dezember 2005 einen Vertrag über eine fondsgebundene Lebensversicherung mit einer Laufzeit von 1. 2. 2006 bis 1. 2. 2041 und einer monatlichen Prämienzahlung von 100 EUR ab. Das im Versicherungsantrag enthaltene Informationsblatt sah unter Punkt 7. „Rücktritts- und Kündigungsrechte des Versicherungsnehmers“ ua vor:
„Rücktrittsrecht nach § 165a Versicherungsvertragsgesetz:
Sie können binnen 2 Wochen nach dem Zustandekommen des Vertrages von diesem zurücktreten.“
[2] Der Kläger leistete im Zeitraum von 1. 2. 2006 bis zur Prämienfreistellung am 1. 10. 2011 monatlich Prämien in einer Gesamthöhe von 6.900 EUR. Gleichzeitig mit der Prämienfreistellung kaufte der Kläger die Lebensversicherung im Umfang von 400 EUR zurück. Dieser Betrag wurde ihm von der Beklagten ausbezahlt. Die Prämienzahlungen enthielten 265,65 EUR an Versicherungssteuer und 41,43 EUR an Risikokosten.
[3] Mit Schreiben vom 26. 9. 2017 erklärte der Kläger den Rücktritt vom Vertrag und forderte die Beklagte zur Rückerstattung der erbrachten Prämienzahlungen samt Zinsen auf. Die Beklagte lehnte ab.
[4] Der Kläger begehrte die Zahlung von 6.500 EUR (geleistete Prämien von 6.900 EUR abzüglich Rückkaufspreis von 400 EUR) samt Staffelzinsen mit der Behauptung, dass er durch Angabe der unrichtigen Rücktrittsfrist nicht ordnungsgemäß über die ihm zustehende gesetzliche Rücktrittsmöglichkeit nach § 165a VersVG belehrt worden sei. Sein bereicherungsrechtlicher Rückforderungsanspruch umfasse nicht nur die Rückzahlung der Prämien, sondern auch ein Vergütungsentgelt von (pauschaliert) 4 % Zinsen ab Zahlung der jeweiligen Prämie. Weder Versicherungssteuer, noch Risikokosten würden seinen bereicherungsrechtlichen Rückforderungsanspruch mindern.
[5] Die Beklagte bestritt das Klagebegehren. Der Kläger sei ordnungsgemäß über sein Rücktrittsrecht informiert worden. Der Vertrag sei über Vermittlung und Beratung der Versicherungsmaklerin des Klägers zustande gekommen. Die Beklagte habe ihren Versicherungsvermittlern, auch der für den Kläger tätigen Versicherungsmaklerin, stets schriftliche Unterlagen zu ihren jeweiligen Versicherungsprodukten zur Verfügung gestellt und sie angehalten, diese bei Beratungsgesprächen mit den Kunden zu verwenden. Obwohl die Versicherungsmaklerin über die bei Vertragsabschluss aktuelle Version der Unterlagen mit einer Belehrung über eine Rücktrittsfrist von 30 Tagen verfügt habe, habe sie gegenüber dem Kläger eine Version aus dem Jahr 2003 verwendet, die eine der damaligen Rechtslage entsprechende Belehrung mit einer Rücktrittsfrist von 14 Tagen enthalten habe. Selbst im Fall der Wirksamkeit des Rücktritts habe der Kläger nur Anspruch auf den Rückkaufswert gemäß § 176 VersVG. Bei Rückabwicklung nach bereicherungsrechtlichen Regeln müssten jedenfalls die Risikokosten (43,61 EUR), die Versicherungssteuer (265,65 EUR), der bereits erhaltene Teilrückkaufswert (400 EUR) sowie die Abschlusskosten (3.147,26 EUR) und die Verwaltungskosten (770,24 EUR) berücksichtigt werden.
[6] Das Erstgericht verpflichtete die Beklagte zur Zahlung von 6.192,92 EUR samt 4 % Zinsen ab 19. 2. 2015 und wies das Mehrbegehren in Höhe von 307,08 EUR samt 4 % Zinsen ab 19. 2. 2015 sowie jeweils 4 % Zinsen ab Zahlung der monatlichen Versicherungsprämien bis 18. 2. 2015 ab. Der Kläger habe im Zuge der Antragstellung die unrichtige Information erhalten, dass er nach § 165a VersVG binnen zwei Wochen – statt richtig 30 Tagen – nach dem Zustandekommen des Vertrags von diesem zurücktreten könne. Die Verpflichtung zur Belehrung treffe die Beklagte. Es könne daher dahinstehen, durch wen diese unrichtige Aufklärung erfolgt sei, solange der Versicherer selbst nicht aufgeklärt habe. Aufgrund der fehlerhaften Belehrung über die Dauer des Rücktrittsrechts nach § 165a Abs 2 VersVG stehe dem Kläger ein unbefristetes Rücktrittsrecht zu. Der Rücktritt sei daher wirksam erfolgt. Der Kläger habe Anspruch auf Rückzahlung der Nettoversicherungsprämien (ohne Versicherungssteuer und Risikokosten). Das Zinsenmehrbegehren sei wegen Verjährung abzuweisen.
[7] Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil über Berufung der Beklagten teilweise dahin ab, dass es die Beklagte für schuldig erkannte, dem Kläger 6.192,92 EUR samt 4 % Zinsen ab 26. 9. 2017 zu leisten. Die Belehrung im Hinblick auf die Rücktrittsfrist sei unrichtig erfolgt. Die Beklagte habe ihren Mitteilungspflichten als Versicherer nicht schon dadurch entsprochen, dass sie den Versicherungsvermittlern, mit denen sie zusammenarbeite, vollständige und richtige (allgemeine) Informationen über das Rücktrittsrecht übermittle. Vielmehr habe sie vor jedem einzelnen Vertragsabschluss den jeweiligen (zukünftigen) Versicherungsnehmer über die diesem zustehenden Rücktrittsrechte konkret zu informieren. Der Kläger habe infolge der unrichtigen Belehrung über das Rücktrittsrecht nach § 165a VersVG ein unbefristetes Rücktrittsrecht, das er wirksam ausgeübt habe. Er habe einen bereicherungsrechtlichen Anspruch auf Rückzahlung der von ihm geleisteten Versicherungsprämien, abzüglich Risikokosten, Versicherungssteuer und Teilrückkaufswert. Ein Abzug der Verwaltungs‑ und Abschlusskosten habe hingegen nicht zu erfolgen. Das über den Zuspruch der gesetzlichen Zinsen ab Aufforderung des Klägers vom 26. 9. 2017 hinausgehende Zinsenbegehren sei aber ebenfalls abzuweisen.
[8] Das Berufungsgericht änderte über Antrag der Beklagten seinen Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision nachträglich gemäß § 508 Abs 3 ZPO dahingehend ab, dass die ordentliche Revision nach § 502 Abs 1 ZPO zulässig sei. Es bestehe keine oberstgerichtliche Rechtsprechung, ob es für die Beurteilung der Frage nach einem „ewigen“ Rücktrittsrecht des Versicherungsnehmers beachtlich sei, ob und wenn ja, welchem „Dritten“ der Versicherer Informationen über das Rücktrittsrecht erteilt habe.
[9] Gegen den klagsstattgebenden Teil des Urteils wendet sich die Revision der Beklagten mit einem Abänderungsantrag; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
[10] Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr keine Folge zu geben.
[11] Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
[12] 1.1 Der bei Vertragsabschluss geltende § 165a VersVG (in der Fassung BGBl I 2004/62) lautete wie folgt:
„(1) Der Versicherungsnehmer ist berechtigt, binnen 30 Tagen nach dem Zustandekommen des Vertrags von diesem zurückzutreten. …“
1.2 Der bei Vertragsabschluss geltende § 9a Abs 1 VAG (in der Fassung BGBl 1996/447) lautete, soweit hier relevant:
„(1) Der Versicherungsnehmer ist bei Abschluss eines Versicherungsvertrags über ein im Inland belegenes Risiko vor Abgabe seiner Vertragserklärung schriftlich zu informieren über
…
6. die Umstände, unter denen der Versicherungsnehmer den Abschluss des Versicherungsvertrags widerrufen oder von diesem zurücktreten kann.
…“
[13] 2.1 Der Versicherungsantrag enthielt die Belehrung, dass der Versicherungsnehmer binnen zweier Wochen nach dem Zustandekommen des Vertrags zurücktreten könne.
[14] 2.2 Die Belehrung über die Dauer der Frist zur Ausübung des Rücktrittsrechts im Antrag entsprach damit – unstrittig – nicht § 165a VersVG (idF BGBl I 2004/62) (vgl 7 Ob 177/20k).
[15] 2.3 Der Senat hat bereits ausgesprochen, dass – von den Entscheidungen des EuGH 19. 12. 2013, C‑209/12 , Endress, und 10. 4. 2008, C‑412/06 , Hamilton, ausgehend – aufgrund einer fehlerhaften Belehrung über die Dauer der Rücktrittsfrist bei richtlinienkonformer Auslegung des § 165a Abs 2 VersVG (hier idF BGBl I 2004/62) dem Versicherungsnehmer ein unbefristetes Rücktrittsrecht zusteht (vgl 7 Ob 40/20p).
[16] 3.1 Den Versicherer trifft die aufsichtsrechtlich in § 9a Abs 1 Z 6 VAG (in der Fassung BGBl 1996/447) verankerte Pflicht, den Versicherungsnehmer über die Umstände zu informieren, unter denen er vom Vertrag zurücktreten kann. Die allgemeine Informationspflicht nach § 9a VAG trifft den Versicherer selbst. Diese hat er jedenfalls eigenverantwortlich zu erfüllen (vgl Karollus/Koziol, Aufklärungspflichten eines Lebensversicherers gegenüber dem Kunden bei Einsatz der Lebensversicherung als Tilgungsträger für einen Kredit. Insbesondere beim Vertrieb des Versicherungsprodukts über Vermittler, ÖBA 2006, 263 [267]). Der Versicherungsnehmer hat damit die Belehrung über die Möglichkeit des Rücktritts – auch nach § 165a VersVG (aF) – vom Versicherer (höchstpersönlich) zu erhalten.
[17] 3.2.1 Der EuGH sprach mit Urteil vom 19. 12. 2019 in den verbundenen Rechtssachen C‑355/18 bis C‑357/18 und C‑479/18 , Rust‑Hackner, bereits aus, dass Art 15 Abs 1 der Richtlinie 90/619 in der durch die Richtlinie 92/96 geänderten Fassung in Verbindung mit Art 31 der Richtlinie 92/96 dahin auszulegen ist, dass, wenn der Versicherer dem Versicherungsnehmer überhaupt keine Informationen über sein Rücktrittsrecht mitgeteilt hat oder die mitgeteilten Informationen derart fehlerhaft sind, dass dem Versicherungsnehmer die Möglichkeit genommen wird, sein Rücktrittsrecht unter im Wesentlichen denselben Bedingungen wie bei Mitteilung zutreffender Informationen auszuüben, die Rücktrittsfrist selbst dann nicht zu laufen beginnt, wenn der Versicherungsnehmer auf anderem Weg von seinem Rücktrittsrecht Kenntnis erlangt hat.
[18] 3.2.2 Der EuGH hat hiezu ausgeführt, dass der Versicherer unionsrechtlich verpflichtet ist, dem Versicherungsnehmer bestimmte Informationen mitzuteilen, unter anderem Informationen über dessen Recht vom Vertrag zurückzutreten. Dass der Versicherungsnehmer genau die Informationen, die er vom Versicherer hätte erhalten müssen, auf anderem Wege erhalten hat, kann im Hinblick auf die Rücktrittsfrist daher nicht dieselben rechtlichen Wirkungen haben wie die insoweit schuldbefreiende Mitteilung dieser Information durch den Versicherer. Etwas anderes wäre nämlich nicht mit dem in Rn 71 des vorliegenden Urteils erwähnten Ziel der Richtlinie 2002/83 zu vereinbaren, nämlich sicherzustellen, dass der Versicherungsnehmer insbesondere über sein Rücktrittsrecht zutreffend belehrt wird. Die entsprechenden Informationen müssen vom Versicherer mitgeteilt werden (Rn 71 und 85 bis 87).
[19] 3.2.3 Vor diesem Hintergrund hat auch der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen, dass die Rücktrittsfrist dann nicht zu laufen beginnt, wenn der Versicherungsnehmer auf anderem Weg – also nicht durch die Belehrung seitens des Versicherers – von seinem Rücktrittsrecht Kenntnis erlangt (7 Ob 15/20m).
[20] 4. Die Beklagte argumentiert, sie habe den Kläger ohnedies richtig über sein Rücktrittsrecht belehrt. Der Vertrag sei über Vermittlung einer Versicherungsmaklerin zustande gekommen, die im Namen und Auftrag des Klägers tätig geworden sei. Die Beklagte habe ihren Versicherungsvermittlern (so auch der für den Kläger tätigen Versicherungsmaklerin) stets schriftliche Unterlagen zu ihren jeweiligen Versicherungsprodukten zur Verfügung gestellt und diese angehalten, die Unterlagen zu verwenden. Obwohl die Versicherungsmaklerin über die bei Vertragsabschluss aktuelle Version der Unterlagen mit einer Belehrung über ein Rücktrittsrecht von 30 Tagen verfügt habe, habe sie dem Kläger gegenüber eine veraltete Version aus 2003 mit einer der damaligen Rechtslage entsprechenden Belehrung verwendet. Hätte das Erstgericht es nicht unterlassen, Feststellungen zu diesem Vorbringen zu treffen, hätte sich ergeben, dass die Beklagte den Kläger richtig belehrt habe, weil sie dessen Versicherungsmaklerin richtig und vollständig aufgeklärt habe.
[21] 5.1 Der Versicherungsmakler schließt zur Vermittlung eines Versicherungsvertrags sowohl mit dem Versicherungskunden als auch mit dem Versicherer einen Maklervertrag ab. Er steht daher sowohl mit dem Versicherer als auch mit dem Versicherungskunden in einer Rechtsbeziehung. Der Versicherungsmakler ist im Sinn der §§ 26 ff MaklerG damit regelmäßig Doppelmakler, ihn treffen also sowohl gegenüber dem Versicherer als auch gegenüber dem Versicherungskunden Interessenwahrnehmungspflichten.
[22] 5.2.1 Der chronologisch erste Maklervertrag, den der Versicherungsmakler in einem typischen Vermittlungsszenario abschließt, ist jener mit dem Versicherungskunden (Knotzer in Straube/Ratka/Rauter, UGB I4 § 26 MaklerG [Stand 1. 10. 2020, rdb.at] Rz 5).
[23] 5.2.2 Der Versicherungsmakler arbeitet im Auftrag des Versicherungskunden und wird von ihm bevollmächtigt, tätig zu werden. Aus diesem Auftragsverhältnis ergibt sich eine gewisse passive Vertretungsmacht des Versicherungsmaklers für den Versicherungskunden. Das bedeutet, dass der Versicherungsmakler Erklärungen des Versicherers für den Versicherungskunden entgegennehmen kann und dass der Versicherungskunde den Zugang an den Versicherungsmakler gegen sich wirken lassen muss. Die Erklärungen des Versicherers gelten als dem Versicherungskunden rechtlich zugegangen, sobald sie in die Dispositionssphäre des Versicherungsmaklers gelangen (Koban in Fenyves/ Perner/Riedler Versicherungsvertragsgesetz [Oktober 2014] Anhang zu §§ 43–48 VersVG: Der Versicherungsmakler Rz 22; Gartner/Karandi, MaklerG3 [Stand 1. 7. 2016, rdb.at] § 27 MaklerG Rz 5; Fromherz, Kommentar zum Maklergesetz § 27 Rz 5).
[24] 5.2.3 Da der Versicherungsmakler als Hilfsperson des Versicherungsnehmers dessen Sphäre zuzurechnen ist und überwiegend die Interessen des Versicherungsnehmers zu wahren hat (vgl RS0114041), muss sich der Versicherungsnehmer in der Regel auch das Wissen und Verhalten seines Maklers als Erfüllungsgehilfe zurechnen lassen (7 Ob 27/07g; 7 Ob 224/08d).
5.3.1 Beim Rechtsverhältnis Versicherungsmakler – Versicherer ist zwischen dem Maklervertrag einerseits und der Rahmenprovisionsvereinbarung andererseits zu unterscheiden. Als Rahmenprovisionsvereinbarung gilt jener Vertrag, der die Bedingungen regelt, unter denen der einzelne Maklervertrag zwischen dem Versicherungsmakler und dem Versicherer geschlossen wird. Sie stellt in der Regel noch keinen Maklervertrag, aber eine Ermächtigung des Versicherungsmaklers durch den Versicherer dar, für diesen als Versicherungsmakler tätig zu werden (Koban, aaO Rz 62; Gartner/Karandi, aaO § 26 MaklerG Rz 12; Knotzer, aaO § 26 MaklerG Rz 6).
[25] 5.3.2 Der Maklervertrag mit dem Versicherer kommt regelmäßig dadurch zustande, dass der Versicherungsmakler dem Versicherer mit der Übermittlung des Versicherungsantrags schlüssig den Abschluss eines Maklervertrags anbietet und der Versicherer dieses Anbot durch Übermittlung der Versicherungspolizze an den Versicherungsmakler schlüssig annimmt (RS0116570; Koban aaO Rz 63; Gartner/Karandi, aaO § 26 MaklerG Rz 13; Knotzer aaO § 26 MaklerG Rz 6).
[26] 6.1 Ob der Grundsatz, dass der Versicherungsmakler als unabhängige Vertriebsstelle agiert und sein Wissen der Sphäre des Versicherungskunden und nicht jener des Versicherers zugeordnet wird, eine Einschränkung erfährt, wenn sich der Versicherer zur Erfüllung der ihm obliegenden Aufklärungs- und Beratungspflichten der Person des Versicherungsmaklers bedient (vgl Koban aaO Rz 54 mwN), kann hier dahingestellt bleiben.
[27] 6.2 Die Beklagte behauptet nicht, der Versicherungsmaklerin des Klägers die Rücktrittsbelehrung im Hinblick auf den bereits konkret abzuschließenden Versicherungsvertrag mitgeteilt zu haben. Vielmehr brachte sie vor, dass sie ihren Versicherungsvermittlern, also offenbar jenen, mit denen sie eine Rahmenprovisionsvereinbarung abgeschlossen hat, stets die schriftlichen Unterlagen zu ihren jeweiligen Versicherungsprodukten zur Verfügung gestellt und sie angehalten habe, diese – die richtige Belehrung enthaltenden – Unterlagen zu verwenden
[28] 7.3 Damit stellt sich hier nicht die Frage, ob der Versicherer sich zur Erfüllung der ihm obliegenden Pflichten der Person des Versicherungsmaklers bediente, sondern jene, ob die allgemeine Übermittlung richtiger Unterlagen an den Versicherungsmakler zu einem Zeitpunkt, in dem noch kein Maklervertrag mit dem zukünftigen Versicherungskunden abgeschlossen war eine richtige und vollständige Belehrung des Versicherers gegenüber dem Versicherungsnehmer darstellt. Dies ist zu verneinen:
[29] 7.4 Erfolgt die Übermittlung der Versicherungsunterlagen – wie hier behauptet – in einer Phase, in der noch kein Maklervertrag mit dem Versicherungskunden, sondern nur die Rahmenprovisionsvereinbarung mit dem Versicherer besteht, dann bleibt kein Platz für die Annahme, dass der Versicherungsmakler gerade als Vertreter des – noch gar nicht bekannten und zukünftigen – Versicherungskunden auftritt. Ohne Maklervertrag zwischen Versicherungsmakler und Versicherungskunden ist auch eine passive Vertretungsmacht für den Versicherungskunden nicht denkbar. Die Entgegennahme der Unterlagen vom Versicherer erfolgt hier in Bezug auf die Rahmenprovisionsvereinbarung mit dem Versicherer und nicht im Hinblick auf erst in Zukunft bekannt werdende Versicherungskunden.
[30] 7.5 Durch die behauptete Übermittlung der richtigen Unterlagen an die Versicherungsmaklerin des späteren Versicherungskunden erfolgte damit keine Belehrung der Beklagten gegenüber dem Kläger. Auch das lediglich in Bezug auf die mit dem Versicherer bestehende Rahmenvereinbarung und unabhängig vom konkreten Versicherungsverhältnis der Versicherungsmaklerin durch die Beklagte übermittelte Wissen über die richtige Rücktrittsfrist kann dem zukünftigen Versicherungskunden nicht zugerechnet werden und ersetzt nicht die im Rahmen des individuellen Versicherungsvertrags von der Beklagten zu erbringende Belehrung gegenüber dem Kläger über sein Rücktrittsrecht vom konkret geschlossenen Versicherungsvertrag.
[31] 7.6 In der Revision hierzu behauptete primäre und sekundäre Verfahrensmängel liegen nicht vor.
8.1 Aufgrund der Beantwortung der Vorlagefrage 4 durch den EuGH in der Rechtssache C‑355/18 bis C-357/18 und C-479/18 , Rust‑Hackner, judiziert der Fachsenat in ständiger Rechtsprechung wie folgt:
[32] Da im österreichischen Recht (VersVG) die Rechtswirkungen für den Fall, dass dem Versicherungsnehmer keine oder fehlerhafte Informationen über das Rücktrittsrecht mitgeteilt wurden, nicht geregelt sind, löst bei richtlinienkonformer Auslegung des nationalen österreichischen Rechts ein Rücktritt des Versicherungsnehmers nicht die Rechtsfolgen nach § 176 VersVG idF vor BGBl I 2018/51 aus, sondern hat zur bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung des Vertrags zu führen (7 Ob 19/20z; 7 Ob 10/20a; 7 Ob 11/20y; 7 Ob 15/20m; 7 Ob 192/20s; vgl 7 Ob 185/21p). § 1435 ABGB räumt einen Rückforderungsanspruch ein, wenn der zunächst vorhandene rechtliche Grund – wie bei einem Rücktritt – wegfällt; der Wegfall des Vertrags beseitigt bei beiden Parteien den Rechtsgrund für das Behalten der empfangenen Leistungen (vgl 7 Ob 15/20m mwN).
[33] Das bedeutet hier, dass der Kläger aufgrund der infolge des wirksamen Rücktritts vorzunehmenden bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung grundsätzlich Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten (Netto‑)Prämien hat (7 Ob 8/20g; 7 Ob 200/20t).
[34] 8.2 Die Revision und die von ihr zitierte Lehrmeinung Potacs' (Rechtsfolgen eines Rücktrittes von Lebensversicherungsverträgen, VR 3–4/2020, 35), es liege eine Interpretation contra legem vor, zeigen keine neuen Aspekte auf, die der Senat nicht bereits erwogen hätte (vgl 7 Ob 185/21p zu Potacs, Rechtswirkungen eines „Spätrücktrittes“ contra legem? VR 9/2021, 27), oder die ihn zu einem Abgehen von seiner Rechtsprechung veranlassen könnten.
[35] 8.3 Bei der Rückabwicklung von Geldleistungen ist Rückzahlung geschuldet (Rummel in Rummel, ABGB3 § 1437 ABGB [2002] Rz 11); dabei sind redliche Vertragspartner nicht zur Erstattung der von ihnen gezogenen Früchte und Nutzungen verpflichtet (RS0010214 [insb T4, T5]). Letztere werden hier aber gar nicht begehrt, sodass die Frage der Redlichkeit der Beklagten nicht relevant ist.
[36] 8.4 Die Anregung der Beklagten auf neuerliche Befassung des Europäischen Gerichtshofs war nicht aufzugreifen, weil unter Bedachtnahme auf die vom Europäischen Gerichtshof bereits geklärten Fragen in der Revision keine stichhaltigen Zweifel zur Auslegung des Unionsrechts aufgezeigt werden.
[37] 9.1 Der Fachsenat judiziert in ebenfalls ständiger Rechtsprechung, dass im Fall eines (Spät‑)Rücktritts von einer fondsgebundenen Lebensversicherung das Verlustrisiko nicht dem vom Vertrag berechtigt zurückgetretenen Versicherungsnehmer zuzuweisen ist (RS0133371).
[38] 9.2 Der Senat hat weiters bereits ausgesprochen, dass die für die Frage von Fondsverlusten maßgeblichen Erwägungen auch für die Verwaltungskosten des Versicherers gelten; diese haben sich in dessen Vermögen realisiert und ihnen steht auf Seite des Versicherungsnehmers keine zuordenbare Bereicherung gegenüber (vgl 7 Ob 194/20k = RS0133371 [T1]).
[39] 9.3 Wie die Vorinstanzen zutreffend erkannt haben, ist auch in Ansehung der Abschlusskosten keine andere Beurteilung geboten. Der Rücktritt der Klägerin vom mit der Beklagten geschlossenen Geschäft (Versicherungsvertrag) beschränkt sich auf dieses Geschäft, erfasst aber nicht Zahlungen, welche die Beklagte aus diesem Anlass an Dritte geleistet hat; diese beeinflussen die Höhe des Bereicherungsanspruchs des Klägers nicht, da bei Geldleistungen generell die nützliche Verwendung durch den Empfänger unterstellt und daher eine Berufung auf den nachträglichen Wegfall der Bereicherung nicht gestattet wird (7 Ob 117/20m [Pkt 7.] mwN). Zudem würde ein Abzug der Abschlusskosten im Ergebnis zur Entwertung des Rücktrittsrechts und Beschränkung der Rückabwicklung auf den Rückkaufswert führen (vgl Perner/Spitzer, Rücktritt von der Lebensversicherung [2020] 71 f).
[40] 9.4 Nach § 30 Abs 1 MaklerG steht dem Versicherungsmakler aus einem Maklervertrag mit dem Versicherungskunden keine Provision, sonstige Vergütung oder Aufwandsentschädigung zu, wenn nicht ausdrücklich und schriftlich etwas Abweichendes vereinbart ist. Bei erfolgreicher Vermittlung gebührt ihm Provision aus dem mit dem Versicherer geschlossenen Maklervertrag nach § 6, § 7 Abs 2 und § 8 Abs 1 und Abs 3 MaklerG. Eine entsprechende Vereinbarung mit dem Versicherungskunden wurde hier weder behauptet noch festgestellt. Der Anspruch auf Provision entsteht mit der Rechtswirksamkeit des vermittelten Geschäfts, wenn und soweit der Versicherungskunde die geschuldete Prämie bezahlt hat oder zahlen hätte müssen, hätte der Versicherer seine Verpflichtungen erfüllt (§ 30 Abs 2 MaklerG).
[41] Das Argument der Revision, die Beklagte habe mit der Zahlung von Maklerprovisionen eine Verpflichtung erfüllt, welche der Kläger selbst zu begleichen gehabt hätte und ausschließlich zu dessen Vorteil erfolgt sei, ist daher nicht stichhältig. Für die Annahme, dass die Beklagte einen von ihrer Sphäre abtrennbaren Aufwand zur Verfolgung der Interessen des Versicherungsnehmers tätigte und damit einer Geschäftsführung ohne Auftrag bleibt ebenfalls kein Platz (vgl Schurr in Schwimann, ABGB-TaKomm3 § 1035 Rz 3).
[42] 9.5 Zusammengefasst haben sich auch Abschlusskosten – hier die Kosten eines vom Versicherer nach § 30 MaklerG nach Versicherungsabschluss honorierten Maklers – im Vermögen des Versicherers realisiert, und steht ihnen auf Seite des Versicherungsnehmers keine zuordenbare Bereicherung gegenüber; sie schmälern daher seine bereicherungsrechtlichen Rückforderungsansprüche nach berechtigtem (Spät‑)Rücktritt nicht.
[43] 10. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
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