OGH 7Ob35/22f

OGH7Ob35/22f30.3.2022

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat Mag. Dr. Wurdinger als Vorsitzenden und die Hofrätinnen und Hofräte, Mag. Malesich, MMag. Matzka, Dr. Faber und Dr. Weber als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Minderjährigen A* K*, geboren am * 2013, Mutter D* K*, alle *, vertreten durch Forsthuber & Partner Rechtsanwälte in Baden, Antragsgegnerin Republik Österreich (Bund), über den Revisionsrekurs der Minderjährigen gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom 12. Jänner 2022, GZ 23 R 3/22x‑9, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Neulengbach vom 20. Dezember 2021, GZ 1 Ps 240/13g‑5, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0070OB00035.22F.0330.000

 

Spruch:

I. Der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Revisionsrekursverhandlung wird abgewiesen.

II. Die Bezeichnung der Antragsgegnerin wird berichtigt auf „Republik Österreich (Bund)“.

III. Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Das Erstgericht wies den Antrag, „das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung, vertreten durch die Bildungsdirektion für Niederösterreich, vertreten durch die Schulleitung der Volksschule E*, habe es gegenüber der Minderjährigen ab sofort zu unterlassen, dieser – im Rahmen der Pandemiebekämpfung – in der von ihr besuchten Schule Maßnahmen anzuordnen oder vorzuschreiben, die die Gefährdung ihres Kindeswohls bewirken, wie insbesondere a) im Unterricht und auf dem Schulgelände Gesichtsmasken aller Art, insbesondere Mund‑Nasen‑Schutz (MNS), sogenannte qualifizierte Masken (OP‑Maske, FFP1‑ oder FFP2‑Maske) oder andere zu tragen; b) Mindestabstände untereinander oder zu anderen Personen einzuhalten, die über das vor dem Jahr 2020 Gekannte hinausgehen; c) an Schnelltests oder PCR‑Tests zur Feststellung des Virus SARS‑CoV‑2 teilzunehmen; und die Minderjährige bei Nichteinhaltung der angeführten Maßnahmen vom Präsenzunterricht auszuschließen“, wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs a limine zurück.

Rechtliche Beurteilung

[2] Das Rekursgericht gab dem dagegen erhobenen Rekurs nicht Folge. Es ließ den Revisionsrekurs zu, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage fehle, ob die Zivilgerichte zur Wahrung des Kindeswohls Maßnahmen setzen könnten, die in behördliches Handeln (insbesondere) der Schulbehörden eingreifen würden.

Zu I.:

[3] Der Antrag auf Durchführung einer Revisionsrekursverhandlung ist abzuweisen, weil der Oberste Gerichtshof auch im Außerstreitverfahren nicht Tatsachen‑, sondern ausschließlich Rechtsinstanz ist, Beweisaufnahmen oder -ergänzungen vor dem Obersten Gerichtshof nicht stattzufinden haben und die Rechtsmittelwerberin in ihrem Rechtsmittel ausreichend Gelegenheit zur Darlegung ihres Rechtsstandpunkts hatte (vgl RS0043689 [T4]).

Zu II.:

[4] Behörden und Ämter von Gebietskörperschaften sind nicht parteifähig (RS0035127). Es ist daher offenkundig, dass lediglich eine in jeder Lage des Verfahrens der Richtigstellung zugänglich verfehlte Bezeichnung der Prozesspartei vorliegt, wenn anstelle des Rechtsträgers dessen Amt oder Behörde geklagt wird (vgl RS0035127 [T1]; 3 Ob 161/06g). Die im Revisionsrekurs beantragte Richtigstellung der Antragsgegnerin von „Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung“ auf „Republik Österreich“ ist vorzunehmen. An der im Revisionsrekursverfahren zu klärenden Frage der Rechtswegzulässigkeit ändert dies aber nichts.

Zu III.:

[5] Der Revisionsrekurs ist – entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig.

[6] 1. Nach ständiger Rechtsprechung wird die Erteilung des Unterrichts einschließlich der Beaufsichtigung der Schüler hoheitlich ausgeübt (vgl RS0049933; RS0022978; RS0050061 [insbesondere T1]). Ist eine Aufgabe ihrem Wesen nach hoheitlicher Natur, sind auch alle mit ihrer Erfüllung verbundenen Verhaltensweisen als in Vollziehung der Gesetze erfolgt anzusehen, wenn sie nur einen hinreichend engen inneren und äußeren Zusammenhang mit der hoheitlichen Aufgabe aufweisen (RS0049948; vgl auch RS0049897; RS0050075).

[7] 2. Die von der Rechtsmittelwerberin bekämpften Maßnahmen sind schulische Sicherheitskonzepte im Kontext der epidemiologischen Situation in Österreich und speziell an Schulen. Diese beruhen auf einer entsprechenden Verordnung des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung zur Bewältigung der COVID‑19‑Folgen im Schulwesen für das Jahr 2021/2022 (COVID‑19-Schulverordnung 2021/22) und sind damit Ausfluss der Verwaltung (vgl auch VfGH V 155/2021).

[8] 3. Das Rechtsmittel legt zwar die Judikatur zur Zulässigkeit des Rechtswegs nach § 1 JN richtig dar, wonach es – zusammengefasst – in erster Linie auf den Wortlaut des Begehrens und die Behauptungen sowie die Natur bzw das Wesen des geltend gemachten Anspruchs ankommt, wofür wiederum der geltend gemachte Rechtsgrund von ausschlaggebender Bedeutung ist, und dagegen ohne Einfluss bleibt, wasder Gegner einwendet, oder ob der behauptete Anspruch auch begründet ist (vgl RS0045584; RS0045718; RS0045491 und RS0005896). Nun ist aber der Rechtsweg auch ausgeschlossen, wenn zwar ein privatrechtlicher Eingriff behauptet wird, das Begehren auf Unterlassung aber zeigt, dass in Wahrheit einem Rechtsträger hoheitliches Handeln untersagt werden soll (RS0010522). Einem Begehren, wonach die Gerichte einem Rechtsträger ein bestimmtes Tun oder eine bestimmte Unterlassung auftragen sollen, steht der Grundsatz der Trennung von Justiz und Verwaltung entgegen. Der Rechtsweg ist daher immer unzulässig, wenn mit dem begehrten gerichtlichen Vorgehen in Wirklichkeit die Vornahme oder Rückgängigmachung eines Hoheitsakts einer Verwaltungsbehörde angestrebt wird oder sonst auf deren behördliches Handeln Einfluss genommen werden soll (vgl RS0010522 [T4, T5]; 1 Ob 34/07t).

[9] 4. Im Übrigen hat der Oberste Gerichtshof erst jüngst in seiner Entscheidung 3 Ob 219/21h in einem identen Fall die Zulässigkeit des Rechtswegs verneint.

[10] 5. Die auch vom Rekursgericht aufgeworfene Frage der Zulässigkeit des Rechtswegs ist daher durch bereits vorliegende Rechtsprechungsgrundsätze hinreichend geklärt. Die Zurückweisung des Antrags durch die Vorinstanzen steht mit dieser Rechtsprechung im Einklang und ist daher nicht zu beanstanden.

[11] 6. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Stichworte