OGH 1Ob34/07t

OGH1Ob34/07t11.9.2007

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. E. Solé und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Klaus B*****, vertreten durch Mag. German Bertsch, Rechtsanwalt in Feldkirch, wider die beklagte Partei Stadt Bregenz, vertreten durch Dr. Walter Geißelmann und Dr. Günther Tarabochia, Rechtsanwälte in Bregenz, wegen Unterlassung und Entfernung (Streitwert EUR 5.000), infolge ordentlichen Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch als Rekursgericht vom 14. September 2006, GZ 4 R 168/06w-46, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Bregenz vom 10. April 2006, GZ 4 C 1285/05p-33, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Der Kläger begehrte, die beklagte Partei schuldig zu erkennen,

a) jedwede Eingriffe in die Fischereirechte und das Pachtverhältnis des Klägers und insbesondere das Einschalten eines privaten Wachdienstes im Bereich des Klägers zu unterlassen, sowie

b) die Tafeln mit dem Hinweis auf das Fischereiverbot im Bezug auf die Fischereirechte des Klägers bzw seines Pachtverhältnisses zu entfernen.

Er brachte dazu vor, die beklagte Partei habe auf dem Pachtgegenstand des Klägers Kontrollen und Wachdienste durchgeführt und Tafeln aufgestellt, die darauf hinwiesen, dass im Seeuferbereich das Fischen zu bestimmten Jahres- und Tageszeiten verboten sei. Dadurch werde massiv in das Eigentums- und Fischereirecht sowie das Pachtverhältnis des Klägers eingegriffen, was dieser nicht dulden müsse. Die beklagte Partei wandte unter anderem Unzulässigkeit des Rechtsweges ein und brachte vor, dass auf Grund wiederkehrender Belästigungen von Badegästen durch Fischer bzw Beschwerden dieser Personen eine ortspolizeiliche Verordnung der Landeshauptstadt Bregenz betreffend Einschränkungen der Freizeitnutzung am Bregenzer Seeufer erlassen worden sei. Den aufgestellten Tafeln liege diese ortspolizeiliche Verordnung zu Grunde, sie dienten der Information über die Verordnung. Laufende Kontrollen durch einen privaten Wachdienst fänden lediglich im Bezug auf ein Naturschutzgebiet, das im Zuständigkeitsbereich der Bezirkshauptmannschaft Bregenz liege, statt. Die in diesem Zusammenhang tätig werdenden sog. „Naturwächter" seien hoheitliche Kontrollorgane der Bezirkshauptmannschaft. Allfällige Hinweise dieser Kontrollorgane auf ein Fischereiverbot seien nicht im Auftrag der beklagten Partei erfolgt und Kontrollen der ortspolizeilichen Verordnung von der beklagten Partei nie in Auftrag gegeben oder vollzogen worden.

Das Erstgericht wies die Klage nach Durchführung eines Beweisverfahrens zurück und hob das bis dahin durchgeführte Verfahren als nichtig auf. Es stellte fest, dass mit Beschluss der Stadtvertretung der Landeshauptstadt Bregenz vom 18. 3. 2003 gemäß § 50 Abs 1 lit a Z 10 iVm § 18 GemeindeG, LGBl 1985/40, eine ortspolizeiliche Verordnung betreffend Einschränkungen der Freizeitnutzung am Bregenzer Seeufer erlassen worden sei. Diese Verordnung sei am 3. 4. 2003 an der Amtstafel angeschlagen und kundgemacht worden. Ihr Geltungsbereich umfasse vier Teilstrecken im Uferbereich von Bregenz in einer Gesamtlänge von 1,8 km, bei denen es sich um die von Badegästen am häufigsten frequentierten Küstenstrecken handle. Die vom Kläger in Anspruch genommenen Fischereirechte umfassten auch von dieser Verordnung betroffene Küstengebiete. Zur Information der Bevölkerung und zur Hintanhaltung von Konflikten zwischen Badegästen und Fischern seien in den betroffenen Küstenregionen Tafeln mit dem Hinweis auf die zeitliche Einschränkung der Fischereierlaubnis aufgestellt worden. Unabhängig davon sei auf Grundlage des Gesetzes über Naturschutz und Landschaftsentwicklung von der Landesregierung eine Verordnung über das Naturschutzgebiet „Mehrerauer Seeufer-Bregenzerachmündung" erlassen worden. Dieses Naturschutzgebiet umfasse auch einen Küstenbereich, in dem das vom Kläger behauptete Fischereirecht liege. Mit der Durchführung der Betreuungs- und Kontrolldienste im Naturschutzgebiet seien sogenannte Naturwächter beauftragt. Dabei handle es sich um Privatpersonen, die vor der zuständigen Fachabteilung des Amtes der Landesregierung eine Prüfung ablegten und mit einem Dienstausweis versehen würden. Diese Naturwächter gälten als Organe im Sinne des Landschaftsschutzgesetzes.

Rechtlich gelangte das Erstgericht zum Ergebnis, dass das angerufene Gericht gemäß § 42 Abs 1 JN in jeder Lage des Verfahrens seine Unzuständigkeit und die Nichtigkeit des vorangegangenen Verfahrens mit Beschluss auszusprechen habe, wenn die anhängig gewordene Rechtssache der inländischen Gerichtsbarkeit oder doch den ordentlichen Gerichten entzogen sei. Die vom Stadtrat der Landeshauptstadt Bregenz beschlossene ortspolizeiliche Verordnung sei ein Akt der Hoheitsverwaltung, von dem die Bevölkerung durch die inkriminierten Tafeln in Kenntnis gesetzt werde. Auch das Aufstellen dieser Tafeln sei daher der Hoheitsverwaltung zuzuordnen. Das Klagebegehren sei darauf gerichtet, diese Verordnung bzw deren Auswirkungen zu beseitigen, wofür der Rechtsweg nicht zulässig sei. Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach letztlich aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Für die Zulässigkeit des Rechtswegs komme es nicht darauf an, ob der Kläger selbst durch entsprechende Formulierung seines Vorbringens behaupte, er greife nicht in die Hoheitsverwaltung ein, sondern mache er privatrechtliche Ansprüche geltend. Es müsse nicht nur der Wortlaut des Klagebegehrens, sondern auch die Natur des geltend gemachten Anspruchs berücksichtigt werden. Bei der ortspolizeilichen Verordnung der Landeshauptstadt Bregenz über die Einschränkung der Freizeitnutzung am Bregenzer Seeufer handle es sich um einen Akt der Hoheitsverwaltung. Sowohl das Aufstellen entsprechender Hinweistafeln als auch das Einschreiten von allenfalls im Auftrag der beklagten Partei tätig gewordenen Personen stelle lediglich eine Ausformung hoheitlichen Handelns dar, weshalb der Rechtsweg nicht zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 526 Abs 2 ZPO) - Ausspruch des Rekursgerichts hängt die Entscheidung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO ab:

Gemäß § 42 Abs 1 JN hat dann, wenn eine anhängig gewordene Rechtssache der inländischen Gerichtsbarkeit oder doch den ordentlichen Gerichten entzogen ist, das angerufene Gericht in jeder Lage des Verfahrens seine Unzuständigkeit und die Nichtigkeit des vorangegangenen Verfahrens sofort durch Beschluss auszusprechen und ist nach § 230 Abs 3 ZPO die Unzulässigkeit des Rechtswegs jederzeit von Amts wegen (oder auf Grund einer Einwendung), zu berücksichtigen. In diesem Zusammenhang gilt der Grundsatz der perpetuatio fori gemäß § 29 JN nicht. Das Fehlen dieser absoluten Prozessvoraussetzung führt zur Nichtigerklärung eines allenfalls bereits durchgeführten Verfahrens und zur Zurückweisung der Klage (Mayr in Fasching/Konecny2 III § 230 ZPO Rz 22).

Das Rechtsmittel legt zwar die Judikatur zur Zulässigkeit des Rechtswegs nach § 1 JN richtig dar, wonach es - zusammengefasst - in erster Linie auf den Wortlaut des Klagebegehrens und den Klagssachverhalt (die Klagsbehauptungen) sowie die Natur bzw das Wesen des geltend gemachten Anspruchs ankommt, wofür wiederum der geltend gemachte Rechtsgrund von ausschlaggebender Bedeutung ist, und dagegen ohne Einfluss bleibt, was die beklagte Partei einwendet, oder ob der behauptete Anspruch auch begründet ist (vgl RIS-Justiz RS0045584, RS0045718, RS0038200, RS0045491 und RS0005896). Nun ist aber der Rechtsweg auch ausgeschlossen, wenn zwar ein privatrechtlicher Eingriff behauptet wird, das Begehren auf Unterlassung aber zeigt, dass in Wahrheit der beklagten Partei hoheitliches Handeln untersagt werden soll (RIS-Justiz RS0010522). Einem Begehren, wonach die Gerichte einem Rechtsträger ein bestimmtes Tun oder eine bestimmte Unterlassung auftragen sollen, steht der Grundsatz der Trennung von Justiz und Verwaltung entgegen. Der Rechtsweg ist daher immer unzulässig, wenn mit dem begehrten gerichtlichen Vorgehen in Wirklichkeit die Vornahme oder Rückgängigmachung eines Hoheitsaktes einer Verwaltungsbehörde angestrebt wird oder sonst auf deren hoheitliches Handeln Einfluss genommen werden soll (10 Ob 86/05b; 16 Ok 3/03).

Wenn sich erst im Laufe des Verfahrens ergibt, dass die begehrte Handlung oder Unterlassung in Wahrheit im Rahmen faktischen Handelns im Dienste der Erreichung hoheitlicher Zielsetzungen einer Verwaltungsbehörde - wie zB zur Durchsetzung einer Verordnung - erfolgen soll (vgl RIS-Justiz RS0049897), hat das Gericht die sich daraus ergebende Unzulässigkeit des Rechtswegs in jeder Lage des Verfahrens wahrzunehmen, ohne dass es auf die unvollständigen, den hoheitlichen Aspekt der begehrten Handlung oder Unterlassung vernachlässigenden Klagsbehauptungen ankäme.

Der Revisionsrekurs ist in Anbetracht der zitierten Judikatur mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO zurückzuweisen (§ 528a ZPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40, 50 Abs 1 ZPO. Da die beklagte Partei in ihrer Revisionsrekursbeantwortung nicht auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen hat, dient ihr Schriftsatz nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung.

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