OGH 3Ob161/06g

OGH3Ob161/06g21.12.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Dr. Prückner, Hon. Prof. Dr. Sailer und Dr. Jensik als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel, Kitzbühel, Hinterstadt 28, vertreten durch Univ. Prof. Dr. Hubertus Schumacher, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die verpflichtete Partei Werner-Robert F*****, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr. Manfred Trentinaglia und Dr. Clemens Winkler, Rechtsanwälte in Kitzbühel, wegen Zwangsversteigerung, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 4. Mai 2006, GZ 1 R 117/06x-8, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Kitzbühel vom 10. Februar 2006, GZ 1 E 748/06p-3, abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

1. Die Bezeichnung der betreibenden Partei wird berichtigt auf „Land Tirol".

2. Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 78 EO iVm § 526 Abs 2 erster Satz ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Eine Bezirkshauptmannschaft beantragte mit einem Schriftsatz in einfacher Ausfertigung und ohne Vorlage eines Exekutionstitels beim Erstgericht, das zugleich Buchgericht ist, gemäß § 14 Abs 4 TirGVG die Zwangsversteigerung einer Liegenschaft des Verpflichteten. Einem Verbesserungsauftrag des Exekutionsgerichts (Vorlage der Exekutionstitel, nämlich zweier Bescheide und eines Erkenntnisses [vermeintlich] des Verfassungsgerichtshofs sowie eines Interessentenverzeichnisses) kam die einschreitende Behörde in der Form nach, dass es den gesamten Verwaltungsakt über das grundverkehrsbehördliche Verfahren vorlegte.

Das Erstgericht bewilligte daraufhin der betreibenden Partei zur Durchsetzung des Anspruchs nach § 14 Abs 4 TirGVG die beantragte Exekution.

Das Gericht zweiter Instanz wies den Exekutionsantrag ab und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Seiner Ansicht nach seien Erfordernisse gemeinschaftsrechtlicher wie grundverkehrsrechtlicher Natur für die Exekutionsbewilligung nicht gegeben. Vor allem habe die betreibende Partei die qualifizierte Feststellung der Nichtbefolgung ihres Bescheids iSd § 14 Abs 3 TirGVG vom 2. Juni 2004 weder behauptet noch bewiesen. Ein verbesserungsfähiger Mangel sei nicht vorgelegen, weil es sich nicht um einen der in § 54 Abs 3 EO genannten Inhaltsmängel handle. Im Übrigen sei aber bei Zwangsversteigerungsanträgen beim Buchgericht eine Verbesserung wegen der Gefahr einer unzulässigen Rangverschiebung ausgeschlossen.

Der außerordentliche Revisionsrekurs der betreibenden Partei ist nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Auf die darin geltend gemachten Rechtsfragen kommt es schon deshalb nicht an, weil schon aus formalen Gründen die Bewilligung der Zwangsversteigerung auf Grund des vorliegenden Exekutionsantrags nicht in Betracht kommt.

Vorerst ist aber klarzustellen, dass betreibende Partei des Exekutionsverfahrens nicht die antragstellende Bezirkshauptmannschaft sein kann. Auch im Exekutionsverfahren ist ja die Parteifähigkeit eine Prozessvoraussetzung, die vom Bewilligungsgericht zu prüfen ist (zuletzt 3 Ob 122/06x; RIS-Justiz RS0108524). Die Exekutionsordnung (EO) enthält keine Sonderregeln über die Parteifähigkeit, weshalb auf die Rsp zur ZPO zurückzugreifen ist, wonach Behörden und Ämtern in Österreich keine Rechtspersönlichkeit haben (4 Ob 317/77) und damit auch - abgesehen von hier nicht ersichtlichen ausdrücklichen gesetzlichen Anordnungen - auch nicht parteifähig sind (5 Ob 555/81 = SZ 54/61; RIS-Justiz RS0035127). Es ist daher nach § 78 EO iVm § 6 und § 235 Abs 5 ZPO die Parteibezeichnung auf den Rechtsträger, also das betreffende Bundesland, richtig zu stellen (RS0035127 [T1]). Mit ihrem Vorgehen iSd § 14 Abs 4 TirGVG 1996 strebt die in Wahrheit als Partei fungierende Gebietskörperschaft offenbar die Vollstreckung des Bescheids der für sie einschreitenden Behörde vom 2. Juni 2004 an, womit diese dem Verpflichteten geboten hatte, die unzulässige Verwendung eines Einfamilienhauses als Freizeitwohnsitz mit sofortiger Wirkung zu unterlassen. Mangels näherer landesgesetzlicher Bestimmungen zum Verfahren über die nach dieser Norm zu beantragende gerichtliche „Zwangsversteigerung" kommt als Rechtsquelle für dieses nur die EO in Betracht. Die Zwangsversteigerung ist kein Exekutionsmittel iSd § 374 EO und somit im Rahmen einer Exekution zur Sicherstellung nicht bewilligungsfähig. Dass die betreibende Partei nur eine solche beantragt hätte, ist auch nach dem Inhalt ihres Antrags in keiner Weise erkennbar. Dieser ist daher nach den Regeln des ersten Teils der EO („Exekution") zu prüfen. Aus den §§ 1, 7, 54 EO ist nun abzuleiten, dass die Bewilligung der Exekution „zur Befriedigung" (Jakusch in Angst, EO, § 1 Rz 1) einen Exekutionstitel voraussetzt (Jakusch aaO § 7 Rz 2). Dieser ist nach § 54 Abs 1 Z 2 EO im Exekutionsantrag bestimmt anzugeben. Dessen Abs 2 verlangt weiters idR die Vorlage einer vollstreckbaren Ausfertigung des Titels, lässt es aber in der im vorliegenden Verfahren bereits anzuwendenden Fassung nach der EO-Nov 2005 bei betreibenden Parteien, die den Titel selbst „ausgestellt" haben, genügen, den Inhalt des Titels in ihren Antrag aufzunehmen (vgl Fucik in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO, § 54 Rz 17). Offenbar soll damit auch das Erfordernis einer Vollstreckbarkeitsbestätigung iSd § 54 Abs 1 erster Satz EO entfallen. Wie aus den ErläutRV der EO-Nov 2005 (928 BlgNR 22. GP, 6) hervorgeht, dachte der Gesetzgeber bei der Konzipierung der neuen Bestimmung praktisch allein an die in § 1 Z 13 EO genannten Rückstandsausweise. Nur bei solchen ist auch der Terminus „ausgestellt" verständlich (vgl. auch die Wortwahl Jakuschs „Ausstellung" in diesem Zusammenhang aaO § 1 Rz 79), der dem Vorgang der Erlassung eines förmlichen, rechtskraftfähigen und anfechtbaren Bescheids im Verwaltungsverfahren in keiner Weise gerecht würde, dagegen der Bezeichnung „ausgefertigten" für die Rückstandsausweise in § 1 Z 13 EO entspricht. Anders als bei diesen bloßen Auszügen aus Büchern ohne Leistungsbefehl, die auch vor der Exekution nicht zugestellt werden müssen (Jakusch aaO Rz 77 mwN), nicht rechtskraftfähig (8 Ob 632/92) und nur öffentliche Urkunden über den Stand der offenen Zahlungsverbindlichkeiten eines Beitrags[oder Abgaben-]schuldners sind (10 ObS 146/93 = SZ 66/134), sind nur rechtskräftige vollstreckbare Bescheide von Verwaltungsbehörden in Angelegenheiten des öffentlichen Rechts (wie hier des Grundverkehrs mit Baugrundstücken) Exekutionstitel nach § 1 Z 12 EO. Zutreffend führt Jakusch dazu aus, dass solche Titel, wie sich für Geldleistungen auch ausdrücklich aus dem nach wie vor unveränderten § 3 Abs 2 VVG ergibt, zur Vollstreckbarkeit der Bestätigung der Rechtskraft bedürfen (aaO § 1 Rz 76 iVm 63; iglS Meinhart in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO § 1 Rz 47; Rechberger/Oberhammer, Exekutionsrecht4 Rz 80), weil deren Eintritt schon wegen des Grundsatzes der Gewaltentrennung nicht vom Exekutionsgericht zu prüfen ist (s auch zum Grundbuchsverfahren 5 Ob 313/00s = NZ 2002, 124 [zust Hoyer] mwN).

Aus all dem ist insgesamt abzuleiten, dass die Privilegierung jener betreibenden Parteien, die Exekutionstitel selbst „ausstellen", förmliche Bescheide der Verwaltungsbehörden idR nicht umfasst, weshalb auch zur neuen Rechtslage daran festzuhalten ist, dass Ausfertigungen solcher Titel mit dem Exekutionsantrag vorzulegen sind. Zudem benötigen sie wie dargelegt die Bestätigung ihrer Rechtskraft.

Solche Ausfertigungen legte die betreibende Partei im vorliegenden Verfahren nicht vor, auch nicht mit dem gesamten Verwaltungsakt, den es in scheinbarer Befolgung des - wie schon vom Rekursgericht zutreffend dargelegt - unzulässigen Verbesserungsauftrags des Exekutionsgerichts diesem vorlegte.

Damit ist aber entgegen § 54 Abs 2 EO dem Exekutionsantrag kein zu bewilligender Exekutionstitel angeschlossen worden. Eine (weitere) Verbesserung ist aber im Zwangsversteigerungsverfahren wegen der drohenden Rangverschiebung nach wie vor unzulässig. Schon deshalb entspricht die in Abänderung des erstgerichtlichen Beschlusses erfolgte Abweisung des Antrags in zweiter Instanz der Rechtslage; damit stellen sich die im außerordentlichen Revisionsrekurs aufgeworfenen Rechtsfragen nicht mehr. Es ist daher auch nicht auf die mit beachtlichen Argumenten von Bock (Grundverkehrsrecht in Österreich unter besonderer Berücksichtigung Tirols 183 ff) wegen Verstoßes gegen die bundesstaatliche Kompetenzverteilung vertretene mögliche Verfassungswidrigkeit des § 14 Abs 4 TirGVG einzugehen. Auch die dem System der EO (vgl nur §§ 355 ff EO und § 133 Abs 1 EO) völlig widersprechende Anordnung der an sich zur Hereinbringung von Geldforderungen dienenden Zwangsversteigerung zur Durchsetzung einer Unterlassungs- (allenfalls in Wahrheit Handlungs-)pflicht in diesem Landesgesetz und die sich daraus ergebenden Folgen sind somit nicht zu erörtern. Nichts anderes gilt für die Fragen, ob die Regelung europarechtskonform sei, ob bereits der Unterlassungsbescheid einen tauglichen Exekutionstitel bilde, und ob, wie die zweite Instanz vertrat, zusätzlich ein weiterer Bescheid über das Zuwiderhandeln/die Nichtbefolgung des Auftrags Exekutionsvoraussetzung sei.

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