OGH 8Ob137/21m

OGH8Ob137/21m22.2.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Tarmann‑Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely‑Kristöfel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. D* Ges.m.b.H., *, vertreten durch die Gabler Ortner Rechtsanwälte GmbH in Wien, und 2. P* GmbH, *, vertreten durch die Fritzsche Frank Fletzberger Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei E* Aktiengesellschaft, *, vertreten durch die Baker McKenzie Rechtsanwälte LLP & Co KG in Wien, wegen Vornahme von Handlungen und Unterlassung, über die außerordentlichen Revisionen aller Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 8. Oktober 2021, GZ 4 R 96/21y‑29, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0080OB00137.21M.0222.000

 

Spruch:

Die außerordentlichen Revisionen werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Zur außerordentlichen Revision der Beklagten:

Rechtliche Beurteilung

[1] Hat ein Verkäufer seine Liegenschaft (bzw – hier – Wohnungseigentumsobjekte) verkauft (Verpflichtungsgeschäft), so kann nach Rechtsprechung und Lehre der Käufer gegen ihn Klage auf Abgabe der zu ihrer Übereignung (Verfügungsgeschäft) erforderlichen Erklärungen führen (vgl 2 Ob 439/50 = SZ 23/396; 5 Ob 223, 224/70 = SZ 43/171 [620]; RIS‑Justiz RS0011230; P. Bydlinski, Grund‑ und Einzelfragen des Liegenschaftserwerbs, ausgehend vom mündlichen Grundstückskauf, NZ 2015, 281 [290 ff] mwH). Ein auf Abgabe der entsprechenden Erklärungen gerichtetes Klagebegehren widerspricht grundsätzlich nicht den Erfordernissen des § 226 ZPO (vgl 3 Ob 544/57 = JBl 1958, 471; 5 Ob 223, 224/70; RS0037434). All dies gilt auch bei einer – hier von den Vorinstanzen vertretbar angenommenen – Einigung der Parteien auf eine bestimmte (treuhändige) Abwicklung des Kaufs (vgl RS0112406).

[2] Die Verurteilung der Beklagten, für die treuhändige Abwicklung des geschlossenen Kaufvertrags aus einem ihr käuferseits erstatteten Vorschlag von vier Personen (teils Notaren, teils Rechtsanwälten) binnen 14 Tagen bei sonstigem Übergang des Wahlrechts auf die Zweitklägerin einen Treuhänder auszuwählen (Spruchpunkt 1), sämtliche künftigen Rangordnungsbeschlüsse über die beabsichtigte Veräußerung der Wohnungseigentumsobjekte an den Treuhänder auszuhändigen (Spruchpunkt 2) und alle für die Abwicklung des geschlossenen Kaufvertrags notwendigen Erklärungen und Rechtshandlungen vorzunehmen (Spruchpunkt 4), hält sich im Rahmen der Rechtsprechung und ist im Einzelfall nicht korrekturbedürftig. Die Ansicht der Beklagten, es ginge hier nicht nur darum, eine Aufsandungserklärung abzugeben, „sondern neue bzw zusätzliche Verträge zu errichten“, ist nicht nachvollziehbar. Die Beklagte hat ihre Wohnungseigentumsobjekte bereits an die Erstklägerin unter Einräumung eines Rechts an diese, „den Eigentumserwerb durch von ihr neu zu gründende Projektgesellschaften durchführen zu lassen“ (= Zweitklägerin), verkauft. Es geht nur mehr um die Übereignung. Soweit spezielle Vereinbarungen der Parteien nicht vorhanden sind, gilt das dispositive Recht (P. Bydlinski aaO passim).

Zu den außerordentlichen Revisionen der Kläger:

[3] Es steht fest, mit welchen Argumenten die Beklagte in der Vergangenheit (erfolglos) versuchte, sich ihrer Verpflichtung aus dem Kaufvertrag zu entledigen. Die Vorinstanzen wiesen das Begehren, sie für schuldig zu erkennen, es in Hinkunft gegenüber den Klägern zu unterlassen, durch Erklärungen und Handlungen eine Verzögerung oder Vereitelung des geschlossenen Kaufvertrags vorzunehmen (Spruchpunkt 5), mit der Begründung ab, das Begehren liefe auf einen generellen Auftrag, sich „vertragsgemäß“ zu verhalten, hinaus, worauf ein Unterlassungsbegehren nicht gerichtet sein könne.

[4] Diese Beurteilung hält sich im Rahmen der Rechtsprechung.

[5] Nach ständiger Rechtsprechung kann Unterlassungsbegehren eine allgemeinere Fassung gegeben werden, um Umgehungen zu vermeiden. Das verbotene Verhalten muss aber so deutlich umschrieben sein, dass es dem Beklagten als Richtschnur für sein künftiges Verhalten dienen kann. Es muss in einer für das Gericht und die Parteien unverwechselbaren Weise feststehen, was geschuldet wird. Dementsprechend ist es zulässig, die konkrete Verletzungshandlung zu nennen und das Verbot auf ähnliche Eingriffe zu erstrecken, oder das unzulässige Verhalten verallgemeinernd zu umschreiben und durch „insbesondere“ aufgezählte Einzelverbote zu verdeutlichen. Immer muss der Spruch aber den Kern der Verletzungshandlung erfassen (4 Ob 138/20b [Rz 55] mwN).

[6] Die Abgrenzungskriterien müssen stets derart bestimmt angegeben sein, dass es zu keiner Verlagerung des Rechtsstreits in das Exekutionsverfahren kommt (RS0000878 [T7]). So wie einem Beklagten nicht generell aufgetragen werden kann, sich rechtmäßig zu verhalten (RS0119807 [T3]), würde eine generelle Verpflichtung zur Unterlassung – zB von „Handlungen zu Zwecken des Wettbewerbs, die gegen die guten Sitten verstoßen“ (4 Ob 140/06a) – keinen ausreichend bestimmten Exekutionstitel bilden (RS0000771).

Die in den Revisionen der Kläger ins Treffen geführten Entscheidungen widersprechen dem nicht:

[7] a) In 8 Ob 510/95 erkannte der Oberste Gerichtshof die Beklagte schuldig, eine bestimmte Handlung zu unterlassen, nämlich das Gespräch von Gästen in einem Gastgarten durch das Errichten von Mikrophonen abzuhören.

[8] b) Gleiches gilt für die Entscheidung 7 Ob 84/97x, mit der ein Unterlassungsanspruch der Kläger auf Geltendmachung eines über 200.000 USD ergangenen Urteils in einem 40.000 USD übersteigenden Ausmaß durch den Beklagten bestätigt wurde.

[9] c) Ebenso lässt sich für die Berechtigung des Unterlassungsbegehrens nichts aus der Entscheidung 6 Ob 7/60 = MietSlg 8403 = RS0000771 (T2) gewinnen, in welcher es um den einem Kläger verweigerten Zutritt zu dem von ihm gemieteten Geschäftslokal ging. Der Oberste Gerichtshof ließ das Begehren, die Beklagten seien schuldig, sich jeder Störung und jedweden Eingriffs in die konkret bezeichneten Mietrechte des Klägers zu enthalten, trotz seiner allgemeinen Formulierung zwar unbeanstandet. Er begründete dies aber insbesondere damit, dass vom Kläger „ähnlich wie in Fällen von Besitzstörungen“ nicht verlangt werden könne, bereits im Klagebegehren einzelne konkrete Störungen und Eingriffshandlungen aufzuzählen, weil es die Beklagten sonst in der Hand hätten, durch Setzung immer neuer Störungen und Eingriffshandlungen den auf bestimmte einzelne Unterlassungen abgestellten Exekutionstitel für die Zwangsvollstreckung unwirksam zu machen. Abgesehen davon, dass in der späteren Entscheidung 1 Ob 27/91 – worauf jüngst in 6 Ob 149/19h (Pkt 1.2.2.) hingewiesen wurde – das (ebenso allgemeine) Begehren, die Beklagten hätten alle Maßnahmen zu unterlassen, die die Beeinträchtigung näher bezeichneter Wasserbenützungsrechte der Klägerin herbeiführen, für zu unbestimmt erachtet wurde, liegt hier weder ein einer Besitzstörung ähnlicher Fall noch ein Eingriff in ein Dauerschuldverhältnis vor.

[10] Nur wenn eine Partei wissentlich falsche Tatsachenbehauptungen aufstellt (oder Anschuldigungen macht), kann nach der (zu § 1330 ABGB ergangenen) Rechtsprechung eine Prozessführung keinen Rechtfertigungsgrund mehr für eine (herabsetzende) Tatsachenbehauptung darstellen und damit ein Unterlassungstitel geschaffen werden (RS0022784; jüngst 6 Ob 16/21b [Rz 29] vgl auch Art 6 MRK).

[11] Da es den Parteien in ihren außerordentlichen Revisionen nicht gelingt, eine Rechtsfrage von der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität darzulegen, sind ihre Rechtsmittel zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Zurückweisungsbeschluss nicht (§ 510 Abs 5 Satz 4 ZPO).

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