OGH 1Ob203/21s

OGH1Ob203/21s16.11.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. Arch. I*, vertreten durch Mag. Andrea Schmid, Rechtsanwältin in St. Pölten, gegen die beklagte Partei E*, vertreten durch Mag. Alois Pirkner, Rechtsanwalt in Tamsweg, wegen 55.024,78 EUR sA, über die außerordentlichen Revisionen beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 23. September 2021, GZ 4 R 142/21s‑33, mit dem das (richtig: End‑)Urteil des Landesgerichts Leoben vom 7. April 2021, GZ 8 Cg 70/19h‑27, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0010OB00203.21S.1116.000

 

Spruch:

Die außerordentlichen Revisionen werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:
Rechtliche Beurteilung

I. Zur Revision der Klägerin:

[1] Bei ihrer Argumentation, es seien für den Verkauf der früher der Klägerin gehörenden Eigentumswohnung als „Kaufpreis“ „die Zahlung von 100.000 EUR und die Zurverfügungstellung der Wohnung für den Zeitraum von zwei Wochen im Jahr über zehn Jahre hinweg“ vereinbart worden, unterläuft der Klägerin insofern eine Fehlbezeichnung, als sie unter „Kaufpreis“ auch das zuvor dargestellte Nutzungsrecht versteht. Der „Kaufpreis“ muss nach § 1054 ABGB aber „im barem Gelde bestehen“. Das Erstgericht hielt fest, dass „als Kaufpreis“ ein Betrag in Höhe von 100.000 EUR vereinbart war und dass „weiters“ vereinbart wurde, dass die Verkäuferin zehn Jahre ab Kaufvertragsunterfertigung zweimal im Jahr je eine Woche die verkaufte Eigentumswohnung benutzen darf.

[2] Das Nutzungsrecht mag daher eine (weitere) Gegenleistung für die verkaufte Eigentumswohnung gewesen sein, es wurde aber mit der Vereinbarung dieses Nutzungsrechts gerade keine Zahlung (Geldleistung), sondern (bloß) eine Naturalleistung vereinbart. Warum dem Berufungsgericht eine „reduzierende“ Vertragsauslegung (weil es den Vertrag so auslegte, dass damit keine „Geldablöse“ vereinbart wurde) vorzuwerfen wäre, erschließt sich nicht. Die ihr nach dem Vertrag zukommende Rechtsposition (eines Anspruchs auf Nutzung) kann die Klägerin nicht im Nachhinein in eine Geldleistung „umwandeln“. Es wurde insoweit keine vertragliche Sicherung der Erfüllung (etwa ein Angeld iSd § 909 ABGB oder eine Konventionalstrafe als pauschalierter Schadenersatz [Ablöse]) vereinbart. Soweit sie darlegt, der Beklagte habe gegen seine Vertragspflicht verstoßen, weshalb sie so zu stellen sei, wie sie stünde, wenn er ordnungsgemäß geleistet hätte, muss ihr vorgehalten werden, dass dies zwar zutrifft, sie aber in diesem Zusammenhang (nur) „wirtschaftlich“ so zu stellen ist (vgl RIS-Justiz RS0104929 [T3, T4] zur Leistungspflicht des Verkäufers). Damit kommt es auf einen Vergleich ihres Vermögens mit und ohne Nutzung der Wohnung an. Hätte der Beklagte ihr die Wohnung zur Verfügung gestellt, hätte sich ihr (Geld-)Vermögen nicht vermehrt. Soweit ihr Vermögen durch die unterbliebene Nutzung wegen Aufwendungen für (tatsächlich) in Anspruch genommene Ersatzquartiere eine Verminderung erlitten hat, haben ihr die Vorinstanzen ohnehin Schadenersatz zuerkannt. Schadenersatz, auf den die Klägerin im vorliegenden Fall zu verweisen ist, dient dem Ausgleich eines tatsächlich eingetretenen Schadens (vgl nur 1 Ob 248/14y mwN); er ist aber nicht Strafe für rechtswidriges Verhalten. Der Geschädigte soll mit der Schadenersatzleistung keinen Gewinn erzielen, sondern den tatsächlich erlittenen (finanziellen) Nachteil ersetzt erhalten. Die Klägerin strebt mit ihrem Begehren nach dem Ersatz fiktiver Aufwendungen offenbar einen (nicht vereinbarten) Ausgleich in Geld für einen bloß ideellen Schaden an, für den sie aber keine gesetzliche Grundlage nennen kann, nicht aber den Ausgleich des in ihrem Vermögen eingetretenen Schadens. Dass für die bloße „Gebrauchsentbehrung“ ([sogar] des Eigentümers, ohne dass dieser finanzielle Aufwendungen für die Herstellung einer Ersatzlage aufgewendet hätte) keine Entschädigung zusteht, hat der Oberste Gerichtshof bereits mehrmals ausgesprochen (RS0038748; zuletzt 1 Ob 32/15k mwN).

[3] Es bedarf daher keiner Korrektur, wenn ihr wegen der vom Beklagten rechtswidrig unterlassenen Zurverfügungstellung der Wohnung in der Dauer von zwei Wochen in drei Jahren vom Berufungsgericht (nur) Schadenersatz für jene Auslagen zuerkannt wurde (6.648,50 EUR), die sie tatsächlich hatte, um eine adäquate Ersatzlage herzustellen (vgl RS0038748 [T3]), nicht aber zusätzlich ein weiterer (fiktiver) „Ablösebetrag“, für den sie auch keine materielle Rechtsgrundlage nennen kann.

II. Zur Revision des Beklagten:

[4] Der Beklagte wendet sich gegen die ihm auferlegte Verpflichtung 25.369,85 EUR (an noch offenem Kaufpreis) zuzüglich Zinsen bei Gericht zu erlegen sowie gegen die aufgetragene Schadenersatzleistung direkt an die Klägerin, soweit diese den Betrag von 3.243,57 EUR übersteigt. Der Klägerin fehle im Umfang der Pfändung die Aktivlegitimation, weil die vor Klageführung zugunsten des Finanzamts bewirkte Forderungspfändung jede Klage auf Zahlung verhindere. Der Fall, dass die Pfändung vor der Klageeinbringung, eine Überweisung der Forderung aber erst danach erfolgt ist, sei durch den Obersten Gerichtshof zu 2 Ob 509/96 beurteilt worden. Von dieser höchstgerichtlichen Rechtsprechung sei das Berufungsgericht abgewichen. Seine Schadenersatzpflicht im Umfang von 6.648,50 EUR zieht er inhaltlich nicht in Zweifel; zur Anrechnung der Gegenforderung führt er nichts aus.

[5] Wie der Beklagte aus der genannten Entscheidung ableitet, dass damals (es ging um die Ausfolgung des vom Treuhänder wegen Umstimmigkeiten nach dem Kauf hinterlegten Geldbetrags) Forderungspfändung(en) und Überweisung(en) an die Gläubiger zur Einziehung zeitlich (und in Bezug auf die Klageeinbringung) auseinandergefallen sein sollten, erschließt sich nicht. Zum Sachverhalt wurde festgehalten, dass der Nebenintervenientin zur Hereinbringung ihrer (gegen die damalige Klägerin zustehenden titulierten) Forderung „mit Beschluss vom 8. 10. 1993 die Exekution durch Pfändung und Überweisung zur Einziehung [Hervorhebungen durch den erkennenden Senat] der der Klägerin gegenüber der Beklagten zustehenden Forderung aus dem Kaufvertrag bewilligt“ wurde und dass der hinterlegte Geldbetrag zur Hereinbringung von bestimmten (weiteren) Beträgen gepfändet sowie der Ausfolgungsanspruch der Klägerin bestimmten Gläubigern (darunter auch einem Finanzamt) zur Einziehung überwiesen worden sei. Soweit später (möglicherweise sprachlich ungenau) ausgeführt wird, dass die Forderungspfändung vor der Klageeinbringung erfolgt sei, wird mit den nachfolgenden Formulierungen zur „Zustimmung des Überweisungsgläubigers“ die Stellung der damaligen Nebeninterventin als ein solcher „nachgetragen“. Zwischen den Schritten der Pfändung und der Überweisung der Forderungen wurde erkennbar nicht unterschieden. Auch beim Finanzamt (als einer weiteren Gläubigerin) schließen an die Ausführungen zur exekutiven Pfändung des Ausfolgungsanspruchs solche zur fehlenden Zustimmung „dieser Überweisungsgläubigerin“ und zu § 308 EO an (welche Bestimmung bis zur Gesamtreform des Exekutionsrechts mit dem GREx, BGBl I 2021/86, die mit der Überweisung zur Einziehung einhergehenden Rechte des Gläubigers regelte). Zwar ist vom Rechtsübergang auf das Finanzamt dann, wenn „diese Forderungspfändung vor Klageeinbringung bewirkt worden wäre“, die Rede, es war aber – wie aus dem Kontext, insbesondere aus dem Fehlen jedweder Bemerkungen zu einer zeitlich späteren Überweisung der Forderung (etwa nach der AbgEO) und der (erneuten) Umschreibung des Finanzamts als „diese[r] Überweisungsgläubiger[in]“ ersichtlich wird – die Pfändung und Überweisung gemeint. Nach § 303 Abs 2 EO idF BGBl 1991/628 war der Antrag auf Überweisung mit dem Antrag auf Bewilligung der Pfändung zu verbinden und es hatte über diese Anträge das Gericht zugleich zu entscheiden, sodass die Überweisung regelmäßig gleichzeitig zu bewilligen war (s auch 7 Ob 102/18b). Dagegen ist dies im Rahmen einer Exekution nach der AbgEO „geteilt“ möglich (vgl Liebeg, Abgabenexekution § 71 Rz 1 unter Verweis auf §§ 65 und 71 AbgEO) und es ist – anders als nach der EO – mit der Überweisung bis zum Ablauf der Äußerungsfrist zuzuwarten, wenn (wie hier nach der ihrem Wortlaut nach unstrittigen Urkunde [vgl RS0121557 [T3]) dem Drittschuldner ein Auftrag iSd § 70 AbgEO erteilt wurde.

[6] Der Beklagte führt selbst aus, dass die Überweisung der Forderung nach § 71 AbgEO (erst) durch Zustellung des Überweisungsbeschlusses an den Drittschuldner erfolgt und im vorliegenden Fall der Bund (erst) damit nach § 73 Abs 1 AbgEO ermächtigt wurde, namens des Abgabenschuldners vom Drittschuldner die Entrichtung des im Überweisungsbescheid bezeichneten Betrags (nach Maßgabe des Rechtsbestandes der gepfändeten Forderung und des Eintritts ihrer Fälligkeit) zu begehren. Diese Überweisung der Forderung wäre (soweit aufgrund des vom Berufungsgericht festgestellten Inhalts des Bescheids überhaupt eine solche anzunehmen ist) unstrittig erst nach Klageeinbringung und (insofern entscheidend) nach Streitanhängigkeit erfolgt.

[7] Die bloße Pfändung (ohne Überweisung) berechtigt den betreibenden Gläubiger nicht zur Drittschuldnerklage (so schon 1 Ob 208/70 = SZ 43/164). Vor erfolgter Überweisung ist der Verpflichtete in seinen Verfügungen über die gepfändete Forderung nur insoweit beschränkt, als diese mit dem erworbenen Pfandrecht des betreibenden Gläubigers kollidieren; allein die Pfändung schließt eine Klage des Verpflichteten auf gerichtlichen Erlag nicht aus (RS0003969 [bes T4a]). Erst mit der erfolgten Überweisung verliert der Verpflichtete die Legitimation auch zu diesen Rechtshandlungen (3 Ob 53/74 = SZ 47/30; vgl auch RS0003874). Ist (noch) keine Überweisung erfolgt, steht die Pfändung (für sich) der Klageführung nicht entgegen. Die Beschränkung der materiellen Befugnis liegt lediglich darin, dass der Verpflichtete nicht Leistung an sich, sondern bloß Gerichtserlag begehren darf (8 ObA 243/94; 3 Ob 295/03h je mwN; siehe auch 6 Ob 113/02i, wonach für den [vor Klageeinbringung] verpfändeten [jedoch nicht überwiesenen] Forderungsteil [nur] auf Gerichtserlag geklagt werden kann) bzw von Amts wegen statt auf Zahlung an die klagende Partei auf Erlag bei Gericht zu erkennen ist (1 Ob 121/17a). Für die Wirkung der Überweisung (mit der dann grundsätzlich nur mehr dem Überweisungsgläubiger das Recht zusteht, die Forderung einzuziehen: RS0003874) kommt es aber maßgeblich darauf an, ob die Überweisung vor oder nach Eintritt der Streitanhängigkeit der Klage erfolgte, weil die Bestimmung des § 234 ZPO auch auf die exekutive Überweisung von Forderungen nach den §§ 303 ff EO anzuwenden ist (RS0003959 [T2]; RS0039231 [T4]). Erfolgt sie – wie hier (wenn überhaupt) – nach Streitanhängigkeit, bleibt es bei der Aktivlegitimation der Klägerin. Einer Zustimmung der Gläubigerin hätte es daher nur für einen Zuspruch an die Klägerin selbst bedurft. Eine erst nach Streitanhängigkeit erfolgte Überweisung bleibt ohne Auswirkungen auf die Klagelegitmation; die davor bewirkte (bloße) Pfändung führt „nur“ dazu, dass nicht auf Zahlung an den Kläger (den Verpflichteten), sondern auf Erlag bei Gericht zu erkennen ist.

[8] Darin, dass das Berufungsgericht wegen der erst nach Streitanhängigkeit erfolgten Überweisung der Forderung (als Übergang im Wege der Einzelrechtsnachfolge) die Klägerin nach wie vor als aktivlegitimiert angesehen hat und das auf Erlag bei Gericht lautende Urteil des Erstgerichts bestätigte, liegt daher keine erhebliche Rechtsfrage.

[9] Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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