OGH 2Ob509/96

OGH2Ob509/9617.3.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gertrude S*****, vertreten durch Dr. Wilfried Plattner, Rechtsanwalt in Innsbruck, und der Nebenintervenientin auf Seite der klagenden Partei Vinzenz L***** KG, ***** vertreten durch Dr. Gerhard Dorer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei C*****gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Erwin Markl, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Einwilligung in die Ausfolgung eines Erlagsbetrages und Zahlung von S 485.190.- s.A. (Gesamtstreitwert S 2,911.140.-), infolge Revision und Rekurses der beklagten Partei gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 19. Mai 1995, GZ 4 R 76/95-31, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 4. Jänner 1995, GZ 40 Cg 261/93f-23, teilweise abgeändert und teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

I) Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Teilurteil wird aufgehoben und die Rechtssache in diesem Umfang an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

II) Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Mit Unternehmenskaufvertrag vom 30. 6. 1993 erwarb die Beklagte ein zuvor von der Klägerin unter der Etablissementbezeichnung "A*****" betriebenes Cafe-Restaurant um einen Kaufpreis (ohne Warenlager) von S 2,911.140.- inkl. USt. Gegenstand des Vertrages waren die Geschäftseinrichtung laut beigeschlossener Inventarliste, die Mietrechte am Geschäftslokal, der Kundenkreis, die Rechte und Pflichten aus einem Liefer- und Leistungsübereinkommen mit der Bierbrauerei F***** (in das die Käuferin eintrat) sowie das Warenlager, für das ein gesondert zu ermittelnder Kaufpreis zu entrichten war. Der Kaufpreis war mit 1. 7. 1993, dem Tag der Übergabe und Übernahme des Unternehmens, fällig und an den Rechtsanwalt Dr. Markus B***** zu zahlen, der für die Vertragsteile die treuhändige Abwicklung übernommen hatte. Sämtliche bis zum Stichtag der Übergabe entstandenen Verbindlichkeiten aller Art hatte die Verkäuferin zu tragen, die auch die bis dahin entstandenen Forderungen einzuziehen berechtigt war; danach entstehende Forderungen und Verbindlichkeiten sollten die Käuferin treffen. Vereinbart wurde, daß der Treuhänder aus dem erlegten Kaufpreis vorab folgende Verbindlichkeiten, die zum Stichtag 1. 7. 1993 zu Lasten des Unternehmens bestanden, zu tilgen hatte, wobei die Beträge Circabeträge waren, da sie damals teilweise nicht genau feststellbar waren:

Finanzamt S 142.875.-

Tiroler Gebietskrankenkasse S 17.103,98

Fa. L***** S 145.442,35

Fa. P***** S 137.210,88

Fa. W***** GmbH S 20.453,04.

Verbindlichkeiten der Verkäuferin bei ihrer Bank wurden von der Käuferin nicht übernommen; gegen Zahlung eines Betrages von S 1,500.000.- durch die Käuferin erklärte die Bank, ihr gegenüber keine Ansprüche aus den der Käuferin eingeräumten Krediten bzw. dazu vereinbarten Sicherstellungen geltend zu machen. Vereinbart wurde weiters, daß ein Teilbetrag von S 360.000.- für die Dauer eines Jahres beim Treuhänder zu verbleiben habe, damit im Falle der Erhebung weiterer Forderungen gegenüber der Erwerberin, welche aus der Zeit vor der Unternehmensveräußerung stammten, solche Beträge aus diesem Depot getilgt werden können, sofern die Verkäuferin nicht direkte Zahlung an ihre Gläubiger leiste. Der verbleibende Differenzbetrag war binnen einer Woche an die Verkäuferin auszuzahlen.

Nach Unterfertigung des Vertrages am 30. 6. 1993 wurde das Unternehmen am 1. 7. 1993 der Beklagten übergeben. In der Folge forderte die Beklagte eine Anpassung des Kaufpreises auf S 1,478.122.-. Mangels Einigung der Parteien hinterlegte der Treuhänder am 18. 10. 1993 einen Betrag in der Höhe von S 2,425.950.- (Nettokaufpreis) zu 4 Nc 64/93 des BG I*****.

Die Nebenintervenientin besitzt einen vollstreckbaren Titel gegen die Klägerin über S 155.686,21 s.A.; zur Hereinbringung dieser Forderung wurde ihr mit Beschluß vom 8. 10. 1993 die Exekution durch Pfändung und Überweisung zur Einziehung der der Klägerin gegenüber der Beklagten zustehenden Forderung aus dem Kaufvertrag bewilligt. Der zu 4 Nc 64/93 des BG I***** hinterlegte Betrag wurde zur Hereinbringung folgender Beträge gepfändet und der Ausfolgungsanspruch der Klägerin folgenden Gläubigern der Klägerin zur Einziehung überwiesen:

18.10.1993 Finanzamt S***** S 334.059.-

26.11.1993 E***** S 1,689.044,68

04.01.1994 Finanzamt S***** S 295.488.-

28.04.1994 Brauerei F***** S 33.739,39

23.06.1994 Gemeinde V***** S 58.890,86

18.07.1994 E***** S 864.391,52

(Exekution zur Sicherstellung)

Mit Klage vom 9. 11. 1993 begehrt die Klägerin, die Beklagte zur Einwilligung in die Ausfolgung des zu 4 Nc 64/93 des BG I***** erlegten Betrages von S 2,425.950.- zu verpflichten; sie dehnte in der Folge ihr Begehren um ein Zahlungsbegehren von S 485.190.- s.A. aus und stellte ein Eventualbegehren auf Zahlung von S 2,911.140.- s. A. Die Beklagte verweigere unberechtigt die Zustimmung zur Auszahlung des gerichtlich hinterlegten Betrages, obwohl die Klägerin ihre sämtlichen Verpflichtungen aus dem Unternehmenskaufvertrag erfüllt habe.

Die Beklagte beantragt Klageabweisung. Sie wendet ein, der vereinbarte Kaufpreis habe S 3,311.140.- betragen, wovon S 400.000.- bei Unterfertigung der Vertragsurkunde gezahlt und in dieser nicht berücksicht worden seien. Vor Abschluß des Vertrages hätten die Parteien weder eine gemeinsame Inventur der Betriebsausstattung durchgeführt, noch die Funktionstauglichkeit des Zubehörs überprüft. Die Beklagte habe sich auf die Erklärung der Klägerin verlassen, das gesamte Inventar des Lokals stehe - mit Ausnahme eines Barkühlpultes - in ihrem Eigentum, sie habe alle Investitionen auf eigene Kosten durchgeführt, das Zubehör sei mängelfrei. In der Folge habe die Beklagte aber feststellen müssen, daß das laut Inventarliste zum Kaufvertrag mitverkaufte Zubehör teilweise fehle oder nicht funktionstüchtig sei; auch stünden Einrichtungsgegenstände und Geräte im Wert von S 390.760.- im Eigentum der Brauerei F*****, eine Kaffemaschine und eine Kombikühlzelle im Gesamtwert von S 50.000.- stehe im Vorbehaltseigentum der finanzierenden Bank, was die Klägerin arglistig verschwiegen habe. Eine von der Beklagten nachträglich veranlaßte sachverständige Schätzung des mitverkauften Inventars bewerte dieses mit einem Verkehrswert von S 705.860.-. Die Beklagte, die im Hinblick auf die bereits getätigten Dispositionen am Vertrag festhalten wolle, begehre Anpassung des Kaufpreises auf brutto S 1,220.110,70; abzüglich bereits geleisteter S 400.000.- verbleibe eine Kaufpreisrestforderung der Klägerin von S 820.110,70; dieser Betrag sei vereinbarungsgemäß zur Tilgung der vorhandenen unternehmensbezogenen Schulden vor dem Stichtag zu verwenden, deren Bekanntgabe der Höhe nach die Klägerin trotz Aufforderung verweigere. Überdies sei die Beklagte von der Klägerin arglistig über den im Rahmen des erworbenen Unternehmens erzielbaren Geschäftserfolg in Irrtum geführt worden; unter Vorlage vermeintlicher Tagesabrechnungen habe die Klägerin glaubhaft gemacht, daß sie einen Tagesumsatz von etwa S 30.000.- erwirtschaftet habe; nachträglich habe sich herausgestellt, daß tatsächlich nur S 8.000.- zu erzielen seien. Die Klägerin habe auch arglistig verschwiegen, daß eine gewerbliche Betriebsanlagengenehmigung nicht vorliege.

Die Klägerin erwidert, daß die Beklagte vor Vertragsabschluß vom Bestehen des Bierbezugvertrages Kenntnis gehabt habe; der Beklagten stehe es offen, durch dessen Erfüllung das Eigentum an den der Brauerei gehörenden Gegenständen zu erwerben. Gleiches gelte für die Eigentumsrechte der Bank, die erklärt habe, gegen Zahlung von S 1,500.000.- darauf zu verzichten. Der erzielbare Geschäftserfolg sei davon abhängig, wie die Beklagte ihre Kunden behandle und das Unternehmen führe; Umsatzeinbußen habe sich die Beklagte selbst zuzuschreiben. Daß eine Betriebsanlagengenehmigung bis November 1993 bestehe, habe die Klägerin dem Treuhänder mit dem Hinweis mitgeteilt, es müsse um eine Verlängerung angesucht werden.

Das Erstgericht wies Haupt- und Eventualbegehren ab. Es stellte fest, daß die Klägerin anläßlich einer Unternehmensbesichtigung gegenüber der Geschäftsführerin der Beklagten versichert habe, mit Ausnahme eines Bierkühlpultes Eigentümerin des gesamten Inventars zu sein; alle Küchengeräte seien in Ordnung und fast neu; sie habe aber nicht darauf hingewiesen, daß Kaffeemaschine und Kombikühlzelle der Bank gehörten und ein erheblicher Teil des in Küche bzw. Gaststube befindlichen Inventars im Eigentum der Brauerei F***** stehe und erst nach Erfüllung des Bierbezugsvertrages ins Eigentum der Käuferin übergehe. Am 7. 6. 1993 sei in einem Gespräch zwischen den Streitteilen, dem Treuhänder, dem Steuerberater der Klägerin und einer Immobilienmaklerin über die in der Vergangenheit erzielten Umsätze geredet worden. Die dabei vom Steuerberater erteilten Informationen seien nicht erschöpfend und für die Beurteilung zukünftiger Verdienstmöglichkeiten nicht ausreichend gewesen. Der Steuerberater habe die Umsatzzahlen für die Jahre 1989 bis 1991 genannt, die der Treuhänder als nicht vielversprechend beurteilt habe; der Steuerberater und/oder die Klägerin hätten einzelne Kassastreifen mit Tagesumsätzen vorgewiesen, wobei ein Tagesergebnis von entweder S 28.000.- oder S 30.000.- von einem Pfingstmontag gestammt habe; weitergehende Aufklärung sei weder verlangt noch erteilt worden. Spätestens am 21. 6. 1993 habe der Treuhänder über die erste Seite des Lieferungs- und Leistungsübereinkommens mit der Brauerei verfügt, aus der zu ersehen gewesen sei, daß die Brauerei Einrichtungsgegenstände im Wert von S 570.000.- brutto gekauft und der Abnehmerin leihweise und kostenlos ebenso zur Verfügung gestellt habe wie einen Faßbierkühlschrank mit Zapfsäule, eine Gläserdusche und eine Zapfanlage. Der Steuerberater habe dem Treuhänder zur Vertragserstellung ein Schreiben der Brauerei übermittelt, wonach bei sofortiger Abrechnung des Liefervertrages ein Betrag von S 304.050.- zu zahlen sei. Vom Eigentumsvorbehalt an Kaffemaschine und Kombikühlzelle hätten weder die Beklagte noch der Treuhänder vor Vertragserrichtung gewußt. Eine Prüfung des Inventars anhand der dem Kaufvertrag angeschlossenen Inventarliste sei nicht erfolgt. Die Streitteile hätten eine "Schwarzzahlung" außerhalb der Vertragsurkunde in der Höhe von S 400.000.- vereinbart, die die Beklagte auch geleistet habe. Erst nach Vertragsschluß habe die Beklagte von der Brauerei eine Aufstellung des dieser gehörigen Inventars erhalten, dessen Zeitwert ein Sachverständiger mit S 296.460.- geschätzt habe. Für Reparaturen defekter Inventarstücke habe die Beklagte S 18.700.- aufzuwenden gehabt; in der Inventarliste aufscheinende, aber tatsächlich fehlende oder völlig unbrauchbare Stücke hätten einen Wert von S 8.100.-. Im Hinblick auf diese Umstände habe die Beklagte eine Anpassung des Kaufpreises auf S 1,478.122.- gefordert. Infolge fehlender Einigung der Streitteile habe der Treuhänder die Treuhandschaft zurückgelegt und den erhaltenen (Netto)Kaufpreis gerichtlich hinterlegt.

Rechtlich stellte das Erstgericht folgende Rechnung auf: Nach der vertraglichen Vereinbarung sei nur jener Teil des Kaufpreises von S 2,911.140.- an die Beklagte auszuzahlen, der sich nach Abzug aller Forderungen der im Vertrag namentlich angeführten Gläubiger E*****, Tiroler Gebietskrankenkasse, Fa. P***** sowie Fa. W***** (das sind S 1,674.767,90) sowie eines Depots von S 360.000.- für ein Jahr ergäbe; für jene Beträge, zu deren Hereinbringung Gläubigern vor oder während des Rechtsstreites die Exekution auf den gerichtlichen Erlag bewilligt worden sei (das sind S 920.376,58.-), fehle der Klägerin die Legitimation im Prozeß. Weitere Abzugsposten bildeten der Zeitwert des im Eigentum der Brauerei F***** stehenden Inventars in der Höhe von S 296.460.-, die von der Beklagten aufgewendeten Reparaturkosten für technische Geräte von S 18.700.- sowie S 8.100.- für fehlende bzw. unbrauchbare Geräte. Die Summe aller Abzugsposten (S 2,918.404,48) übersteige den vereinbarten Kaufpreis, was zur Abweisung des Klagebegehrens führen müsse.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil dahin ab, daß es die Beklagte - mit Teilurteil - zur Einwilligung in die Ausfolgung eines Betrages von S 525.342,80 verpflichtete; im übrigen, also hinsichtlich der Abweisung des verbleibenden Hauptbegehrens sowie des Eventualbegehrens samt Kostenentscheidung, hob es das Ersturteil auf und verwies die Rechtssache in diesem Umfang zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Das Berufungsgericht sprach aus, daß die (ordentliche) Revision gegen den abändernden Teil und der (richtig:) Rekurs gegen den aufhebenden Teil seiner Entscheidung zulässig sei, da höchstgerichtliche Rechtsprechung dazu fehle, welchen Einfluß eine exekutive Pfändung des Ausfolgungsanspruches auf die Klageführung auf Zustimmung des Erlagsgegners zur Ausfolgung eines gerichtlich hinterlegten Betrages ausübe bzw. ob einer solchen Klage eine Pfändung der der Hinterlegung zugrundeliegenden Forderung dann entgegenstehe, wenn der Überweisungsgläubiger dem Verfahren als Nebenintervenient auf Seite des Klägers beigetreten ist. Rechtlich führte das Berufungsgericht aus, daß der (von der Beklagten selbst zugestandene) Mindestkaufpreis in der Höhe von S 1,220.110,70 um die erfolgte Teilzahlung der Beklagten von S 400.000.-, die vertraglich vorweg zu leistende Provisionszahlung von S 120.000.- sowie um die weiteren vertraglich bedungenen Zahlungen an die Gläubiger Tiroler Gebietskrankenkasse, Fa. P***** und Fa. W***** zu kürzen sei; im Umfang des sich danach ergebenden Restbetrages von S 525.342,80 sei die Beklagte jedenfalls zur Zustimmung zur Ausfolgung aus dem gerichtlichen Erlag verpflichtet. Die exekutiven Pfändungen des Erlagsbetrages hinderten die Fortsetzung des Prozesses durch die Klägerin nicht, sei doch trotz Pfändung die Zustimmung der Beklagten zur Auszahlung des hinterlegten Betrages an die Überweisungsgläubiger weiterhin notwendig; die Nebenintervenientin, die nicht den Ausfolgungsanspruch gepfändet habe, habe durch ihren Beitritt im Prozeß ihre Zustimmung zur Klageführung dokumentiert, sodaß auch ihr gegenüber das Klagebegehren nicht auf Zahlung an sie oder Erlag zu ihren Gunsten umzustellen sei. Keine Vertragswidrigkeit liege in der Nichtverschaffung des Eigentums an den der Brauerei bzw. der Bank gehörenden Gegenständen des Inventars, sei doch die Beklagte in den Bierbezugsvertrag eingetreten, nach dessen Erfüllung sie Eigentümerin der von der Brauerei angeschafften Gegenstände werde; auch habe sie sich zur Zahlung von S 1,500.000.- an die Bank verpflichtet, womit ihr das Eigentum an den der Bank gehörenden Gegenständen verschafft werde. Zum Einwand der Vertragsanpassung wegen Irrtums reichten die Feststellungen für eine abschließende Beurteilung hingegen nicht aus; insbesondere sei die angemessene Vergütung des § 872 ABGB nach der relativen Berechnungsmethode zu ermitteln, wofür es einer Verbreiterung der Sachverhaltsgrundlage dahin bedürfe, ob und inwieweit die Mängel an Gegenständen des Inventars bzw. der Betriebsbewilligung den Kaufpreis beeinflußten. Zum Thema der Gewährleistung werde im zweiten Rechtsgang auch zu prüfen sein, ob eine Verletzung der handelsrechtlichen Rügepflicht, die die Beklagte in der Berufung eingewendet habe, vorliege. Die vertragliche Sicherstellung von S 360.000.- werde hingegen infolge Ablaufs der Jahresfrist nicht mehr zu berücksichtigen sein.

Die Beklagte erhebt Revision und Rekurs gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes. Beide Rechtsmittel sind aus den vom Berufungsgericht aufgezeigten Gründen zulässig (der von der Revisionsbeantwortung zitierten Entscheidung SZ 52/61 liegt ein anderer Sachverhalt zugrunde, weil dort die aktive Klagelegitimation nach Pfändung und Überweisung des Ausfolgungsanspruchs nicht bestritten worden ist); sie sind auch teilweise berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Zur Revision:

Zutreffend bemängelt die Beklagte, daß in der vom Berufungsgericht aufgestellten Rechnung die im Kaufvertrag genannten Verbindlichkeiten des Finanzamtes S***** und der Firma L***** überhaupt nicht, die der übrigen dort namentlich aufgezählten Gläubiger aber nur mit den im Vertrag genannten Beträgen als Abzugsposten berücksichtigt worden sind, obwohl es sich ausdrücklich um "Circabeträge" handelt. Dem Vertrag ist der insofern eindeutige Parteiwille zu entnehmen, daß die Erwerberin des Unternehmens davor geschützt werden soll, mit vor dem Übergabestichtag entstandenen Verbindlichkeiten belastet zu werden. Gläubiger solcher Unternehmensschulden sollen deshalb nach Möglichkeit vorab in Höhe ihrer gesamten Forderung aus dem beim Treuhänder erliegenden Kaufpreis befriedigt werden, weil nur auf diese Weise der dargestellte Vertragszweck zu erreichen ist. Es wird daher im fortgesetzten Verfahren notwendig sein, die Höhe der jeweils tatsächlich aushaftenden Schulden exakt festzustellen und den so ermittelten Betrag bei Berechnung des an die Klägerin auszuzahlenden Kaufpreisrestes in voller Höhe in Abzug zu bringen. Bei dieser Rechnung werden aber - entgegen der nicht näher begründeten Ansicht des Berufungsgerichts - als Abzugsposten nicht nur die Forderungen der Tiroler Gebietskrankenkasse und der Firmen P***** sowie W***** GmbH, sondern auch jene des Finanzamtes S***** sowie der Firma L***** (als im Vertrag ausdrücklich genannte "privilegierte" Gläubiger) zu berücksichtigen sein.

Auch in der Beurteilung der Auswirkungen der mehrfach erfolgten

exekutiven Pfändungen und Überweisungen des Ausfolgeanspruchs der

Klägerin bzw. ihrer aus dem Kaufvertrag entspringenden Rechte auf die

aktive Klagelegitimation erweist sich das Berufungsurteil nur

teilweise als zutreffend. Soweit die Forderungspfändungen im

laufenden Verfahren, somit erst nach Klageeinbringung, erfolgt sind

(dies trifft jedenfalls auf alle festgestellten Überweisungsgläubiger

mit Ausnahme der Nebenintervenientin, möglicherweise auch des

Finanzamtes S*****, zu), berühren sie die Sachlegitimation der Klägerin gemäß § 234 erster Satz ZPO nicht, findet doch diese Bestimmung auf jede Art von Einzelrechtsübergang während des Prozesses, also auch auf die exekutive Überweisung von Forderungen nach den §§ 303ff EO, Anwendung (Fasching LB**2 Rz 1195; Rechberger in Rechberger § 234 ZPO Rz 2). Folge der Forderungspfändungen ist aber, daß im Falle eines Leistungsbegehrens statt auf Zahlung auf gerichtlichen Erlag zu erkennen ist (JBl 1952, 444; JBl 1971, 572; 7 Ob 631/76; 1 Ob 12/91), worauf das Erstgericht im fortgesetzten Verfahren allenfalls Bedacht zu nehmen haben wird.

Anderes gilt für die vor Klageeinbringung erfolgte Forderungspfändung der Nebenintervenientin in bezug auf das Zahlungs- bzw. Eventualbegehren: Zwar bewirkt nach der Rsp die Überweisung einer gepfändeten Forderung zur Einziehung gem. § 308 EO, daß grundsätzlich nur noch der Überweisungsgläubiger berechtigt ist, die überwiesene Forderung gegen den Drittschuldner geltend zu machen (SZ 15/21; EvBl 1965/223; SZ 27/271; SZ 39/177; EvBl 1977/114); mit Zustimmung des Überweisungsgläubigers bleibt aber der Verpflichtete weiterhin zur Geltendmachung des überwiesenen Anspruches befugt (3 Ob 119/77; 5 Ob 529/91; 6 Ob 4/93 ua). Tritt der Überweisungsgläubiger im Prozeß des Verpflichteten gegen den Drittschuldner auf Seite des Klägers als Nebenintervenient in den Prozeß ein, ist darin seine Zustimmung zur weiteren Prozeßführung zu erblicken, sodaß in einem solchen Fall die Klagelegitimation des Verpflichteten auch im Umfang der exekutiven Überweisung weiterhin zu bejahen ist.

Anders ist die Sachlage hingegen zu beurteilen, soweit sie die

exekutive Pfändung des Ausfolgungsanspruches der Klägerin durch das

Finanzamt S***** betrifft. Eine Zustimmung dieser

Überweisungsgläubigerin zur Klageführung ist dem Akt nicht zu

entnehmen. Ermächtigt aber § 308 Abs 1 EO den betreibenden Gläubiger,

namens des Verpflichteten nicht nur die Entrichtung des im

Überweisungsbeschluß bezeichneten Betrages zu begehren, sondern auch

den Eintritt der Fälligkeit durch Einmahnung oder Kündigung

herbeizuführen und alle zur Erhaltung und Ausübung des

Forderungsrechtes notwendigen Präsentationen, Protesterhebungen,

Notifikationen und sonstigen Handlungen vorzunehmen, so ist daraus

abzuleiten, daß seine Rechtsstellung auch das Recht umfaßt, namens

des Verpflichteten den Erlagsgegner zur Zustimmung zur Ausfolgung

eines gem. § 1425 ABGB gerichtlich hinterlegten Betrages aufzufordern

und ihn im Falle der Verweigerung darauf gerichtlich in Anspruch zu

nehmen. Daraus folgt aber, daß im Ausmaß des Rechtsüberganges auf das Finanzamt S***** der Klägerin dann die aktive Klagelegitimation fehlte, wenn diese Forderungspfändung vor Klageeinbringung bewirkt worden wäre (vgl. EvBl 1959/141; 8 Ob 637/86). Da das Pfandrecht an Forderungen aber erst mit der Zustellung des Zahlungsverbotes an den Drittschuldner begründet wird (§ 294 Abs 1 EO), ist nur dieser Zeitpunkt für die aktive Klagelegitimation ausschlaggebend. Mangels Feststellungen dazu, wann dem Verwahrschaftsgericht der (erste) Exekutionsbewilligungsbeschluß hinsichtlich der Pfändung durch das Finanzamt S***** zugestellt worden ist, ist die Rechtssache damit auch in diesem Umfang noch nicht spruchreif im Sinne einer Klageabweisung. Nur ergänzend ist dazu auszuführen, daß die Klägerin mit (auch nachträglich eingeholter) Zustimmung dieses Überweisungsgläubigers selbst im Umfang einer vor Klageeinbringung erfolgten Pfändung aktiv legitimiert bliebe.

Nicht zu beanstanden ist hingegen die von der Revision in Frage gestellte Rechtsmeinung des Berufungsgerichtes, daß der Zahlung der Beklagten an den Treuhänder deshalb keine schuldbefreiende Wirkung zukomme, weil die Beklagte in der Folge die Zustimmung zur Ausfolgung des gerichtlich hinterlegten Betrages an die Klägerin verweigert hat:

Eine Leistung des Geschuldeten an den Gläubiger liegt damit noch nicht vor, nur eine solche bewirkt aber ein Erlöschen der Schuld (§ 1412 ABGB). Die Revision erweist sich damit nur im aufgezeigten Umfang als begründet.

Der Kostenvorbehalt für das Revisionsverfahren beruht auf § 52 Abs 1 zweiter Satz ZPO.

2. Zum Rekurs:

Vorauszuschicken ist, daß § 872 ABGB dem Irrenden ein Recht auf Vertragsanpassung nur unter der Voraussetzung gewährt, daß der Irrtum weder die Hauptsache, noch eine wesentliche Beschaffenheit derselben, sondern nur einen Nebenumstand betrifft. Ob der Irrtum der Beklagten als unwesentlich zu beurteilen ist bzw. ob auch bei wesentlichem Irrtum ein unbeschränktes Wahlrecht des Irrenden zwischen Vertragsaufhebung und Vertragsanpassung besteht (vgl. zum Meinungsstand Rummel in Rummel**2 § 872 Rz 7 mwN; Koziol/Welser I10 130), muß aber deshalb nicht näher geprüft werden, da die Klägerin selbst am Vertrag festhalten will und damit zu erkennen gegeben hat, mit der Anpassung einverstanden zu sein.

Bei Berechnung des geminderten Kaufpreises im fortgesetzten Verfahren nach der relativen Berechnungsmethode zur Wiederherstellung der durch den Irrtum gestörten subjektiven Äquivalenz wird - worauf die Beklagte zutreffend hinweist - neben den vom Berufungsgericht aufgezählten Umständen auch ihre Unkenntnis des Fremdeigentums an bestimmten Inventargegenständen einzubeziehen sein. Richtig ist zwar, daß nach den für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen der Vorinstanzen das Eigentum an diesen Gegenständen spätestens mit Erfüllung des Bierbezugsvertrages bzw. Zahlung des vereinbarten Betrages an die Bank auf die Beklagte übergehen wird. Die Beklagte hat daher zwar nur über den Zeitpunkt des Eigentumserwerbs an diesen Gegenständen geirrt, doch kann nicht gesagt werden, daß dieser Irrtum ohne jeden relevanten Einfluß auf die Vorstellung der Beklagten über den angemessenen Kaufpreis für das Unternehmen gewesen ist, ist diese doch zunächst am unbeschränkten Gebrauch der vom Mangel betroffenen Inventarstücke gehindert, die sie vor ihrem Eigentumserwerb etwa weder verkaufen noch verpfänden kann. Die Beklagte muß sich auch die Kenntis oder fahrlässige Unkenntnis des teilweisen Fremdeigentums am Inventar durch den Vertragsverfasser Dr. B***** nicht zurechnen lassen, steht doch nicht fest, daß dieser in ihrem Auftrag tätig geworden ist; daß sie seine Kosten zu tragen hat, reicht im gegebenen Zusammenhang jedenfalls nicht aus.

Ohne Bedeutung sind hingegen Feststellungen über die Ertragsfähigkeit des Unternehmens im Zeitpunkt seines Verkaufes. Der Oberste Gerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, daß eine allgemeine Rechtspflicht, den Geschäftspartner über alle Umstände aufzuklären, die auf seine Entschließung einen Einfluß haben können, nicht besteht (SZ 52/22; SZ 55/51 ua); jeder Teil muß nämlich grundsätzlich selbst seine eigenen Interessen wahrnehmen (JBl 1992, 711). Beim Kauf eines Unternehmens genügt zur Erfüllung der Offenlegungspflicht des Verkäufers im allgemeinen die Überlassung derjenigen Unterlagen, aus denen sich die für die Beurteilung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens wesentlichen Umstände ergeben (WBl 1988, 341). Im vorliegenden Fall steht fest, daß der Beklagten die Umsatzzahlen für die Jahre 1989 bis 1991 genannt wurden und sie weitergehende Aufklärung nicht verlangt hat. Anhand dieser Informationen war es der Beklagten jedenfalls leicht möglich, einen durchschnittlichen Tagesumsatz zu errechnen, sodaß ein von der Klägerin verursachter Irrtum über den zu erwartenden Geschäftserfolg nicht schon allein deshalb vorliegen kann, weil der Beklagten ein Kassastreifen mit einem Tagesumsatz von ca. S 30.000.- vorgewiesen worden ist. Das Berufungsgericht hat deshalb zutreffend eine Verfahrensergänzung in diese Richtung nicht aufgetragen.

Dem Rekurs war deshalb im Ergebnis ein Erfolg zu versagen.

Der Kostenvorbehalt im Rekursverfahren findet seine Begründung in § 52 Abs 1 zweiter Satz ZPO.

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