European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0010OB00248.14Y.0303.000
Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung
Nachdem es in dem von der Klägerin betriebenen Heim nach Ansicht der Behörde schon wiederholt zu Missständen gekommen und zuletzt am 19. 11. 2009 nach einer Kontrolle ein Bescheid mit acht Auflagen erlassen worden war, wandten sich drei bei der Klägerin beschäftigte Betreuer an die psychologische Amtssachverständige der Behörde und erklärten unter anderem unter konkreter Darlegung verschiedener Problembereiche, sie müssten seit Monaten unter Bedingungen arbeiten, die keine qualitative Betreuung für die (behinderten) Bewohner mehr zuließen; sie selbst überlegten bereits, ebenfalls zu kündigen, fühlten sich aber den Bewohnern gegenüber verantwortlich. Nach Einholung einer Stellungnahme der psychologischen Amtssachverständigen entzog die Burgenländische Landesregierung der Klägerin mit Bescheid vom 1. 12. 2009 die Betriebsbewilligung mit sofortiger Wirkung und sprach aus, dass die BewohnerInnen vorläufig in zwei näher genannten Behindertenheimen untergebracht würden. In der Bescheidbegründung wird unter anderem ausgeführt, es sei insbesondere aufgrund der unzureichenden Personalsituation davon auszugehen, dass nicht nur die gedeihliche und menschenwürdige Lebensqualität der Bewohner, sondern auch deren Gesundheit und Sicherheit gefährdet seien. Der Verwaltungsgerichtshof hob diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf. Die Behörde sei ihrer Verpflichtung, (der Klägerin) Parteiengehör zu gewähren nicht nachgekommen. Sie habe ihr entgegen den §§ 37 und 45 Abs 3 AVG keine Möglichkeit eingeräumt, vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen sowie ihre Rechte und rechtlichen Interessen geltend zu machen. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Behörde bei einem mangelfreien Verfahren zu einem anderslautenden Bescheid gelangt wäre.
Die Klägerin begehrte zuletzt aus dem Titel der Amtshaftung die Zahlung von 164.267,03 EUR und Zinsen und brachte dazu im Wesentlichen vor, der Bescheid sei nicht nur mangelhaft, sondern auch inhaltlich unrichtig gewesen. Die angenommenen Betreuungsmängel seien in Wahrheit nicht vorgelegen. Es habe auch keine Gefahr in Verzug bestanden, insbesondere nicht für die körperliche Unversehrtheit der Bewohner. Durch die überraschende Schließung des Heims seien der Klägerin näher dargelegte Schäden entstanden.
Die Beklagte wandte dagegen im Wesentlichen ein, der Bescheid sei inhaltlich richtig gewesen und es sei auch Gefahr in Verzug vorgelegen, weshalb das rasche Handeln der Behörde geboten gewesen sei. Der Behörde könne allenfalls vorgeworfen werden, die Bestimmung des § 57 AVG über das Mandatsverfahren im Spruch der Entscheidung nicht erwähnt zu haben. Da es um die körperliche Unversehrtheit der Heimbewohner gegangen sei, sei es gerechtfertigt gewesen, die Rechte dieser Personen den Parteirechten der Klägerin gegenüberzustellen, was zugunsten der Heimbewohner ausgegangen sei. Die Klägerin habe durch Unterlassung eines Antrags auf Zuerkennung aufschiebender Wirkung auch ihre Rettungspflicht nach § 2 Abs 2 AHG verletzt.
Das Erstgericht sprach mit Zwischenurteil aus, dass das Klagebegehren dem Grunde nach zu Recht bestehe. Der Beklagten sei der Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens verwehrt, weil die Behörde durch einen Verstoß gegen die §§ 37 und 45 Abs 3 AVG das rechtliche Gehör der Klägerin verletzt habe. Bei diesen Bestimmungen handle es sich nicht um „bloße“ Verfahrensvorschriften, sondern vielmehr um eindeutige gesetzliche Vorgaben bei Erlassung eines Bescheids zur Sicherung der Rechte des Bescheidadressaten. Auch die Berufung der Beklagten auf die Möglichkeit des Mandatsverfahrens nach § 57 AVG könne daran nichts ändern, werde in der Begründung des Bescheids doch in keiner Weise von Gefahr in Verzug gesprochen und sei aus dem Bescheid auch ein Vorgehen nach § 57 AVG in keiner Weise ableitbar. Es sei nicht zulässig, sich für eine Verfahrensart zu entscheiden und im Nachhinein zu behaupten, es hätte auch eine andere Verfahrensart gewählt werden können. Angesichts der Erlassung eines („gewöhnlichen“) Bescheids sei der Klägerin auch der vom Gesetzgeber in § 57 Abs 1 AVG gerade zur Wahrung des Parteiengehörs vorgesehene Rechtsbehelf der Vorstellung nicht zur Verfügung gestanden.
Das Berufungsgericht hob über Berufung der Beklagten das erstgerichtliche Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht. Es sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Die Rechtswidrigkeit des Verhaltens der Behörde ergebe sich aus dem bindenden Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs. Der von der Beklagten erhobene Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens werde (nur) dort nicht zugelassen, wo Vorschriften ein mit besonderen Verfahrensgarantien ausgestattetes Verfahren gewährleisten sollten bzw wo ein streng ausgestaltetes Verfahren dem besonderen Schutz hochrangiger Güter diene. Auch im konkreten Fall sei zu prüfen, ob die übertretene Verhaltensnorm von ihrem Schutzzweck her jedes andere Organverhalten ausschließen und deshalb Eingriffe in fremdes Rechtsgut an eine bestimmte Form (ein bestimmtes Verhalten) binden wolle. Bei verfahrensmäßig fehlerhaften Handlungen werde der Einwand, dass auch bei pflichtgemäßem Verhalten derselbe Erfolg herbeigeführt worden wäre, in der Regel zuzulassen sein. Das rechtliche Gehör nehme insoweit eine Sonderstellung ein, als dessen Gewährung zwar eine Verfahrensvorschrift darstelle, die aber auch zu den Grundprinzipien der Rechtsordnung gehöre. Dementsprechend könne in der Regel unabhängig vom geschützten Rechtsgut, der Intensität des Eingriffs und des Umfangs der tatsächlichen Beteiligung der Partei am Verfahren jeder Verstoß gegen das rechtliche Gehör von der Partei auch erfolgreich im Verfahren selbst geltend gemacht werden. In all diesen Fällen von vornherein den Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens auszuschließen, erschiene nicht gerechtfertigt. Insbesondere habe das Schadenersatzrecht nicht die Aufgabe, die Einhaltung verfahrensrechtlicher Normen sicherzustellen. Der Einwand der Beklagten, dass auch ein Mandatsverfahren durchgeführt werden hätte können, sei zwar irrelevant, habe die Behörde doch gerade nicht dieses Verfahren mit den dort vorgesehenen Rechtsschutzmöglichkeiten gewählt. Da aber der Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens nicht ausgeschlossen sei, werde im fortgesetzten Verfahren zu prüfen sein, ob auch eine (den Verfahrensvorschriften entsprechende) Konfrontation der Klägerin mit den Ermittlungsergebnissen ebenfalls zu einer Entziehung der Betriebsbewilligung geführt hätte. Ein Zwischenurteil werde allerdings nur dann gefällt werden können, wenn alle Anspruchsvoraussetzungen geklärt sind. Das Erstgericht werde sich daher auch mit dem Einwand der Verletzung der Rettungspflicht auseinanderzusetzen haben. Da die Klägerin auch vorgebracht habe, dass selbst die Zuerkennung der ‑ von ihr nicht beantragten ‑ aufschiebenden Wirkung die durch die Schließung des Heims und die Verlegung der Heimbewohner bereits eingetretenen Schäden nicht mehr hätte vermeiden können, werde (in einem Beweisverfahren) zu klären sein, inwieweit die Ergreifung eines derartigen Rechtsbehelfs zur Schadensabwehr ungeeignet gewesen wäre. Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil der Frage, ob bei einer Verletzung des rechtlichen Gehörs als tragendem Grundprinzip der Rechtsordnung der Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens grundsätzlich zu versagen sei, über den Einzelfall hinausgehend Bedeutung zukomme.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs der Klägerin ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.
Ein wesentlicher Grundsatz der gesetzlichen Verschuldenshaftungstatbestände ‑ und damit auch des § 1 Abs 1 AHG ‑ ist, dass (nur) für durch rechtswidriges Verhalten schuldhaft zugefügte Schäden zu haften ist (vgl Reischauer in Rummel ³ § 1295 ABGB Rz 1, 1a). Dann soll der Geschädigte so gestellt werden, wie er stünde, wenn das rechtswidrige Verhalten unterblieben wäre. Diese notwendigerweise hypothetische Beurteilung besteht in einem Vergleich zwischen den Folgen des tatsächlich gesetzten rechtswidrigen Verhaltens (Handlung oder Unterlassung) und jenen rechtmäßigen Vorgehens. Wäre der eingetretene Schaden auch bei gebotenem bzw rechtmäßigem Verhalten eingetreten, steht dem Schädiger in der Regel konsequenterweise der sogenannte Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens zu, also der Hinweis darauf, dass dem Geschädigten nach dem erwähnten Haftungsregime Schadenersatz zu versagen ist, wenn bzw soweit der erlittene Nachteil jedenfalls eingetreten wäre, nämlich auch bei rechtmäßigem Vorgehen des (realen) Schädigers (vgl nur Koziol , Haftpflichtrecht I 3 Rz 8/64; Karner in KBB 4 § 1295 ABGB Rz 14, jeweils mwN). Dies erscheint vor allem aus dem Blickwinkel des (zentralen) Ausgleichsgedankens des Schadenersatzrechts (vgl Koziol aaO Rz 1/13) konsequent. Die gelegentlich geäußerte Befürchtung, die Zulassung dieses Einwands könnte wegen der Notwendigkeit der Beurteilung hypothetischer Sachverhalte die Rechtsposition des Geschädigten aushöhlen (vgl nur Kleewein , Hypotetische Kausalität und Schadensberechnung [1993] 177 f und dessen Hinweis auf Lehrmeinungen zum deutschen Recht in FN 10), ist schon deshalb grundsätzlich unberechtigt, weil nach herrschender Lehre und Judikatur stets der Schädiger die Behauptungs‑ und Beweislast dafür trägt, dass auch das gebotene bzw rechtmäßige Verhalten zum selben Ergebnis geführt hätte. Angesichts der dargelegten Grundsätze bedarf der (etwa von Harrer in Schwimann ³ §§ 1301, 1302 ABGB Rz 54 ff überhaupt abgelehnte) Ausschluss der Einwendung rechtmäßigen Alternativverhaltens daher einer besonderen Begründung und ist auf einen sehr engen Bereich zu beschränken.
Gerade auf dem Gebiet der Amtshaftung hat die Rechtsprechung immer wieder versucht, besondere Konstellationen zu umschreiben, in denen dem schuldhaft rechtswidrig handelnden Rechtsträger der Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens nicht zustehen soll. So wird etwa für die Fälle einer ohne richterlichen Befehl vorgenommenen Freiheitsentziehung seit 1 Ob 35/80 (SZ 54/108 = JBl 1982, 259 = EvBl 1981/208) judiziert, dass sich der beklagte Rechtsträger nicht darauf berufen kann, die Haft wäre auch vom zuständigen Richter verhängt worden und dabei derselbe Schaden eingetreten (s auch RIS‑Justiz RS0027498). Da der Gesetzgeber hier die Einhaltung bestimmter Verfahrensvorschriften zwingend vorsehe, erfülle der Schadenersatzanspruch auch eine Sanktions‑ und Präventionsfunktion, sodass bei Nichtbeachtung des vorgesehenen Verfahrens der Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens unbeachtlich sei.
Nach anderen höchstgerichtlichen Entscheidungen kommt es darauf an, ob Vorschriften ein mit besonderen Sicherheitsgarantien ausgestattetes Verfahren gewährleisten sollen bzw ob ein streng ausgestaltetes Verfahren dem besonderen Schutz hochrangiger Güter dient (5 Ob 52/11z mwN). Dem im Amtshaftungsprozess Beklagten soll die Einwendung rechtmäßigen Alternativverhaltens dann verwehrt sein, wenn die übertretene Verhaltensnorm von ihrem Schutzzweck her jedes andere Organverhalten ausschließen und deshalb Eingriffe in fremdes Rechtsgut an eine bestimmte Form (ein bestimmtes Verhalten) binden will (RIS‑Justiz RS0022911). Ob einer Schutznorm die Anordnung entnommen werden kann, dass pflichtgemäßes Alternativverhalten außer Betracht zu bleiben hat, ist im Einzelfall zu prüfen (RIS‑Justiz RS0027498). Der Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens ist allerdings bei einer Verletzung „bloßer“ Verfahrensvorschriften grundsätzlich zulässig; es kann aber die Verletzung grundlegender Verfahrensvorschriften, die insbesondere das rechtliche Gehör betreffen, ein anderes Ergebnis rechtfertigen (1 Ob 12/10m = RIS‑Justiz RS0125828 = SZ 2010/21).
Lässt sich im Einzelfall ein besonderer Schutzgesetzcharakter einer verletzten Verfahrensvorschrift ‑ anders als im zuletzt zitierten Fall der Erlassung einer Verordnung ohne das (sondergesetzlich) angeordnete Anhörungsverfahren ‑ nicht finden, insbesondere, wenn es sich ‑ wie hier ‑ um eine Norm handelt, die für eine Vielzahl von unterschiedlichsten Verfahrensinhalten gilt, kommt der Ausschluss des Einwands rechtmäßigen Alternativverhaltens regelmäßig nur in Betracht, wenn der Verfahrensverstoß geeignet ist, besonders hochrangige Rechtsgüter zu beeinträchtigen. Dies ergibt sich schon daraus, dass dem Schadenersatzrecht in erster Linie Ausgleichsfunktion zukommt, also im Vordergrund das Bestreben steht, den Geschädigten so zu stellen wie bei rechtmäßigem Verhalten (darauf weist insbesondere Harrer in Schwimann 3 , §§ 1301 f ABGB Rz 55 hin). Eine Sanktionsfunktion ist dem österreichischen Schadenersatz-recht ‑ und damit auch dem Amtshaftungsrecht ‑ weitgehend fremd. Eigenständige Bedeutung kann hingegen ‑ gerade im hier zu untersuchenden Zusammenhang ‑ der (gelegentlich als bloße Reflexwirkung angesehenen) Präventionsfunktion zukommen, also dem Gedanken, der potentielle Schädiger solle durch ihm drohende Schadenersatzpflichten zusätzlich dazu angehalten werden, sich rechtmäßig zu verhalten (vgl zu all dem Harrer aaO Vor §§ 1293 ff Rz 4; Koziol aaO Rz 1/16 f, je mwN, letztere mit der sich aus § 1324 ABGB ergebenden Einschränkung). Gerade im Rahmen der Amtshaftung, wo hoheitlich handelnde Rechtsträger dem Rechtsunterworfenen gegenüberstehen, kann dieser Präventionsfunktion durchaus ein eigenständiger Wert beigemessen werden (s dazu auch Koziol , Rechtmäßiges Alternativverhalten ‑ Auflockerung starrer Lösungsansätze, FS Deutsch [1999] 179 [184]). Bei Verletzung allgemeiner Verfahrensvorschriften, auch wenn in ihnen ‑ wie häufig ‑ das Prinzip des Rechts jeder Partei auf (ausreichendes) rechtliches Gehör zum Ausdruck kommt, ist ‑ mangels eines in eine besondere Richtung gehenden Schutzzwecks ‑ im Regelfall aber auch die Gefährdung bzw Verletzung hochrangiger Rechtsgüter (Leben, Freiheit, körperliche und seelische Unversehrtheit) zu fordern (5 Ob 52/11z unter Hinweis auf Koziol , Grundfragen des Schadenersatzrechts Rz 7/32, und Karollus , Funktion und Dogmatik der Haftung aus Schutzgesetzverletzung 405 f), um den Ausschluss des Einwands rechtmäßigen Alternativverhaltens zu begründen.
Im vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht zu Recht die Voraussetzungen für einen solchen Einwendungsausschluss verneint. Entgegen der Auffassung der Rekurswerberin kann der Behörde keineswegs vorgeworfen werden, ein Ermittlungsverfahren überhaupt unterlassen zu haben, hatte es doch einerseits kurze Zeit vor dem rechtswidrigen Bescheid eine Nachschau gegeben, die zu zahlreichen bescheidmäßigen Auflagen an die Klägerin geführt hatte, und lagen der Entscheidung über den Entzug der Betriebsbewilligung andererseits die Aussagen von drei Mitarbeitern der Klägerin sowie die fachkundige Stellungnahme der Amtssachverständigen zugrunde. Dass die Bestimmungen des AVG (§ 37, § 45 Abs 3), die in allen Verwaltungsverfahren das ausreichende rechtliche Gehör der betroffenen Parteien sicherstellen sollen, gerade im Bereich des burgenländischen Sozialhilferechts als spezielle Verhaltensnormen anzusehen sein sollten, durch die vor allem eine bestimmte (abweichende) Verhaltensweise ausgeschlossen und der Eingriff in das fremde Rechtsgut unbedingt an ein bestimmtes Verfahren gebunden werden solle, weshalb die Berufung auf rechtmäßiges Alternativverhalten ausgeschlossen sei, ist nicht zu erkennen, geht es doch in erster Linie um das Wohl der Sozialhilfebedürftigen und erst sekundär um die (wirtschaftlichen) Interessen von Heimbetreibern.
Hier hat die Behörde vor Erlassung des inkriminierten Bescheids zahlreiche Ermittlungsschritte gesetzt, diese der Klägerin jedoch vor Bescheiderlassung nicht zur Kenntnis gebracht und ihr damit die Möglichkeit genommen, sie zu widerlegen. Dieses Vorgehen beruhte ‑ wie auch aus der Bescheidbegründung zu ersehen ist ‑ unter anderem auf der Erwägung, es sei rasches Handeln geboten, um drohende Nachteile im Hinblick auf die menschenwürdige Lebensqualität, die Gesundheit und Sicherheit der Heimbewohner abzuwenden. Berücksichtigt man weiter, dass im Falle einer wegen der Unvollständigkeit des Verfahrens möglichen inhaltlich unrichtigen Entscheidung der Klägerin lediglich Vermögensnachteile drohten, entspricht es durchaus den bereits dargestellten schadenersatzrechtlichen Grundsätzen, der Beklagten die Beweisführung zu gestatten, dass auch eine Äußerung der Klägerin im Verfahren ‑ und daran allenfalls anknüpfende weitere Beweiserhebungen ‑ zum selben Ergebnis, nämlich zur „Sperre“ der Einrichtung geführt hätte. Ein besonderes Bedürfnis nach Prävention, das es rechtfertigen würde, in einem solchen Fall der Beklagten den Ersatz von Vermögensnachteilen aufzuerlegen, die auch bei einem mangelfreien Verfahren entstanden wären, ist nicht zu erkennen. Auch wenn die Verletzung grundlegender Verfahrensvorschriften, die insbesondere das rechtliche Gehör betreffen, unter bestimmten Voraussetzungen ein anderes Ergebnis rechtfertigen kann (1 Ob 12/10m), steht doch im Allgemeinen bei bloßen Vermögensschäden dem Schädiger auch im Amtshaftungsrecht der Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens offen.
Da der Rekurs zur Klärung der Rechtslage beigetragen hat, ist die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens iSd § 52 ZPO der abschließenden Sachentscheidung vorzubehalten (RIS‑Justiz RS0035976).
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