OGH 1Ob32/15k

OGH1Ob32/15k19.3.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** S*****, vertreten durch Dr. Thomas Bestebner, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1, Singerstraße 17‑19, wegen 1.302.763,75 EUR und Feststellung, über die „außerordentliche“ Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 18. November 2014, GZ 4 R 186/14x‑38, mit dem das Teil‑ und Zwischenurteil des Landesgerichts Salzburg vom 29. August 2014, GZ 12 Cg 79/13k‑33, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0010OB00032.15K.0319.000

 

Spruch:

1. Die außerordentliche Revision wird im Umfang der Zahlungsbegehren von 109.888 EUR und 157.500 EUR gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

2. Im Übrigen ‑ hinsichtlich der weiteren Zahlungsbegehren von 17.451 EUR und 15.284 EUR ‑ wird der Akt dem Erstgericht zur Herbeiführung einer Entscheidung iSd § 508 ZPO zurückgestellt.

Text

Begründung

Der Kläger begehrt aus dem Titel der Amtshaftung insgesamt 1.302.763,75 EUR sA an Schadenersatz und die Feststellung der Haftung der Beklagten für künftige Schäden, die er im Wesentlichen aus rechtswidrigen Steuerbescheiden und deren Vollstreckung ableitet. Dazu brachte er ‑ soweit für das Revisionsverfahren von Relevanz ‑ zusammengefasst vor, die Vollstreckung des Bescheids vom 4. 7. 2008 habe zur Folge gehabt, dass er zahlungsunfähig geworden und um seine Existenz gebracht worden sei. Beim Vollzug des Vollstreckungsbescheids seien Finanz- und auch Polizeibeamte am 9. 7. 2008 sogar in das Schlafzimmer eingedrungen, wo seine Frau das gemeinsame Kind gestillt habe. Dadurch habe sie ein Trauma erlitten und sei nicht mehr bereit gewesen in Österreich zu bleiben. Sie sei in ihre Heimat nach Peru übersiedelt, wohin er seiner Familie folgen habe müssen. Dadurch seien Übersiedlungskosten und eine Einfuhrsteuer angefallen. Auch sei er deshalb gezwungen gewesen diverse Möbel und Gebrauchsgegenstände zu verschenken oder weit unter ihrem Wert zu veräußern. Der daraus resultierende Schaden belaufe sich insgesamt auf 109.888 EUR.

Nach Verkauf der Liegenschaft habe die Beklagte die Treuhänderin des Erlöses durch Fehlinformation zu einer schädigenden gerichtlichen Hinterlegung eines Teiles des Kaufpreises von 15.284 EUR veranlasst. Ohne das schädigende Verhalten der Beklagten hätte er die Liegenschaft nicht veräußern müssen und bis 1. 11. 2013 einen Mietertrag von monatlich 2.500 EUR, gesamt 157.284 EUR erzielen können. Im finanzbehördlichen Berufungsverfahren sei er steuerlich vertreten gewesen, wofür ihm Kosten von 17.451 EUR entstanden seien.

Mit seinem Teil- und Zwischenurteil verwarf das Erstgericht die von der Beklagten erhobene Verjährungseinrede hinsichtlich eines Betrags von 434.150 EUR, den der Kläger als Schaden aus der Veräußerung der Liegenschaft geltend macht, und wies einen Teil des Zahlungsbegehrens von insgesamt 300.115 EUR sA teils wegen Verjährung, teils wegen Unschlüssigkeit bzw Verletzung der Rettungspflicht ab.

Das Berufungsgericht bestätigte diese im Umfang der Klageabweisung bekämpfte Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Dagegen richtet sich die „außerordentliche“ Revision des Klägers.

Rechtliche Beurteilung

Zur Aktenrückleitung:

1. Übersteigt der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR kommt eine Revision nur in Betracht, wenn das Berufungsgericht die ordentliche Revision entweder von vornherein für zulässig erklärt oder aber seinen ursprünglich gegenteiligen Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision über Antrag nachträglich abändert (§ 508 Abs 3 ZPO). Bilden mehrere Ansprüche den Entscheidungsgegenstand des Berufungsgerichts, hat eine Zusammenrechnung nur zu erfolgen, wenn die Voraussetzungen des § 55 Abs 1 JN erfüllt sind (§ 55 Abs 4 JN). Danach sind mehrere in einer Klage geltend gemachte Forderungen zusammenzurechnen, wenn sie in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen.

2. Ein tatsächlicher Zusammenhang mehrerer Ansprüche liegt vor, wenn alle Ansprüche aus demselben Sachverhalt abgeleitet werden, also schon das für einen Anspruch erforderliche Sachvorbringen zur Gänze ausreicht, um auch über die anderen Ansprüche entscheiden zu können. Ein rechtlicher Zusammenhang ist zu bejahen, wenn die Ansprüche auf einem Vertrag beruhen oder ihnen die gleiche(n) Rechtsnorm(en), die auf einen einheitlichen Sachverhalt anzuwenden ist (sind), zugrunde liegt(en). Die Voraussetzungen für die Zusammenrechnung mehrerer gemeinsam erhobener Ansprüche ist daher zu verneinen, wenn die Ansprüche nicht aus für sie gemeinsamen Tatsachen und Rechtsgründen abgeleitet werden, demgemäß jeder Anspruch unabhängig von den anderen besteht und ein verschiedenes rechtliches Schicksal haben kann (Mayr in Rechberger, ZPO4 Rz 2f zu § 55 JN mwN aus der Rsp).

3. Der Kläger macht, wie sich aus der einleitenden Wiedergabe seines Vorbringens ergibt, Ansprüche geltend, die zum Einen aus seiner Vertretung im finanzbehördlichen Berufungsverfahren resultieren (17.451 EUR) und sich damit auf den Rettungsaufwand zur Vermeidung eines Steuerschadens beziehen und zum Andern daraus abgeleitet werden, dass die Beklagte „rechtswidrig“ auf die Treuhänderin eingewirkt und diese dadurch zum gerichtlichen Erlag eines Teils des Erlöses aus der Liegenschaftsveräußerung von 15.284 EUR veranlasst habe. Diese beiden Ansprüche stehen nach den oben wiedergegebenen Grundsätzen weder zueinander noch mit den übrigen im Revisionsverfahren relevanten Ansprüchen in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang. Sie beruhen weder auf insgesamt gemeinsamen Tatsachen noch auf gleichen Rechtsgründen. Der Rettungsaufwand im finanzbehördlichen Berufungsverfahren zur Vermeidung eines „Steuerschadens“ unterscheidet sich rechtlich von dem durch eine unrichtig festgestellte Steuerschuld oder aus deren Vollstreckung verursachten Schaden, der ‑ nach den Klagebehauptungen ‑ ebenso unabhängig vom Erfolg oder Misserfolg der Berufung im finanzbehördlichen Verfahren jedenfalls eintrat wie der behauptete „fiktive“ Mietentgang (vgl auch 1 Ob 199/00x). Mit der Behauptung, die Beklagte habe auf die Treuhänderin rechtswidrig eingewirkt, macht der Kläger eine selbständige schädigende Handlung geltend, die nach seiner Darstellung losgelöst von der unrichtig festgestellten Steuerschuld bzw deren Vollstreckung mit Bescheids vom 4. 7. 2008 zu einem Schaden geführt haben soll und auch in keinem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang mit dem geltend gemachten Rettungsaufwand oder dem begehrten fiktiven Mietertrag steht. Diese Ansprüche bestehen daher unabhängig voneinander und können ein verschiedenes rechtliches Schicksal haben.

4. Da die Ansprüche auf Ersatz des Rettungsaufwands bzw aus der gerichtlichen Hinterlegung jeweils 30.000 EUR nicht übersteigen, wäre das Rechtsmittel insoweit dem Berufungsgericht vorzulegen gewesen. Dies wird das

Erstgericht nunmehr nachzuholen haben. Ob die im Schriftsatz enthaltenen Ausführungen, wonach die Revision zulässig sei, den Erfordernissen des § 508 Abs 1 ZPO entsprechen, bleibt der Beurteilung der Vorinstanzen vorbehalten (RIS‑Justiz RS0109623 [T5]; RS0109501 [T12]).

Im Umfang von 267.380 EUR ist das außerordentliche Rechtsmittel des Klägers zurückzuweisen, weil er keine Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung gemäß § 502 Abs 1 ZPO aufzeigt:

1. Gemäß § 6 Abs 1 Satz 1 AHG verjähren Ersatzansprüche nach § 1 Abs 1 leg cit in drei Jahren nach Ablauf des Tages, an dem der Schaden dem Geschädigten bekannt geworden ist, keinesfalls aber vor einem Jahr nach Rechtskraft einer rechtsverletzenden Entscheidung oder Verfügung. Der zweite Halbsatz dieser Regelung sieht ähnlich § 1494 ABGB eine Ablaufhemmung vor (RIS‑Justiz RS0114221 [T1]).

2. Der Kläger vertritt in seiner außerordentlichen Revision die Auffassung, es sei für die Frage der Verjährung seiner aus der Auflösung des Haushalts in Österreich und der Übersiedlung nach Peru abgeleiteten Forderungen (gesamt 109.880 EUR) nicht auf den Vollstreckungsbescheid vom 4. 7. 2008 oder dessen Vollzug abzustellen, sondern auf die unrichtigen Einkommensteuerbescheide hinsichtlich welcher nach wie vor ein Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof anhängig sei. Mangels Vorliegens eines rechtskräftigen Einkommensteuerbescheids komme ihm die Ablaufhemmung des § 6 Abs 1 AHG zu Gute.

3. Richtig ist, dass mit Berufungsentscheidung des UFS Salzburg vom 24. 10. 2012 für das Jahr 2004 keine Einkommensteuerpflicht des Klägers angenommen und die Einkommensteuer für die Jahre 2005 und 2006 herabgesetzt wurde sowie darüber nach den Feststellungen ein Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof anhängig ist. Der Kläger übersieht aber, dass er nach seinem Prozessvorbringen in erster Instanz den Schaden aus der Auflösung des Haushalts in Österreich (Mindererlös aus dem Verkauf von Haushaltsgegenständen) und die Kosten der Übersiedlung nach Peru im Jahr 2008 nicht etwa aus der unrichtig festgesetzten Steuerschuld ableitete, sondern aus dem Vollstreckungsbescheid vom 4. 7. 2008 bzw dessen Vollzug, betont er dazu doch, dass einziger Grund für seine Übersiedlung jener gewesen sei, seiner Frau nach Peru zu folgen, welche durch die von ihm näher geschilderten Vorgänge anlässlich des Vollzugs des Bescheids traumatisiert worden sei. Rechtsverletzende Entscheidung oder Verfügung iSd § 6 Abs 1 AHG war nach seinem Vorbringen damit der Vollzug des Bescheids gemäß § 230 Abs 7

BAO, der mit Berufungsentscheidung des UFS Salzburg vom 19. 3. 2009 in Rechtskraft erwuchs. Ausgehend davon konnte sich sein

Wissensstand über das dazu behauptete schadenskausale, rechtswidrige und schuldhafte Organverhalten durch die Berufungsentscheidung des UFS Salzburg im finanzbehördlichen Verfahren auch nicht mehr erhöhen. Damit begründet es entgegen der Ansicht des Klägers auch keine aus Anlass seines Rechtsmittels aufzugreifende Fehlbeurteilung der Vorinstanzen, wenn diese die Verjährung seiner aus der Haushaltsauflösung und Übersiedlung abgeleiteten Ansprüche annahmen.

4. Auch mit seinen Ausführungen zum Ersatz des fiktiven Mietentgangs für das auf der am 7. 5. 2008 verkauften Liegenschaft errichtete Wohnhaus zeigt der Kläger keine Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts auf. Die Gewährung einer Entschädigung für den bloßen Verlust des Gebrauchs einer Sache infolge der schädigenden Handlung eines anderen wird in ständiger Rechtsprechung abgelehnt (8 Ob 573, 574/86 = SZ 59/165; 1 Ob 148/06f ua). Ohne realen Vermögensschaden, der etwa in Form von Aufwendungen für eine Ersatzunterkunft entstanden ist, wird daher auch keine Entschädigung für die bloße „Gebrauchsentbehrung“ gewährt (RIS‑Justiz RS0038748 [T9]). Umso weniger existiert eine gesetzliche Grundlage, aus der sich ein Ersatzanspruch für nach Veräußerung des Objekts fiktiv entgangene Mieteinnahmen ableiten ließe. Soweit der Kläger im Revisionsverfahren geltend macht, dass ihm laufende Erträge entgangen seien und damit auf den Verlust einer Erwerbschance als positiven Schaden abzielt (vgl dazu RIS‑Justiz RS0081773), ist ihm sein eigenes Prozessvorbringen entgegenzuhalten, nach dem er das Haus bis zu dessen Veräußerung mit seiner Familie selbst bewohnte und dieses nicht etwa als Anlageobjekt zur Vermietung nutzte.

5. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Stichworte