OGH 1Ob148/06f

OGH1Ob148/06f12.9.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hannelore J*****, vertreten durch Dr. Bernhard Haid, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Ruth B*****, vertreten durch Dr. Markus Heis, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen EUR 11.000 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 12. April 2006, GZ 2 R 43/06z-12, womit das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 30. Dezember 2005, GZ 5 Cg 193/05v-8, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 686,88 (darin enthalten EUR 114,48 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen vierzehn Tagen zu zahlen.

Text

Begründung

Die Klägerin begehrte den Zuspruch von EUR 11.000 sA für die auf wiederholte Wassereintritte zurückzuführende „Minderung der Wohnqualität" ihrer Eigentumswohnung im Zeitraum vom 1. 12. 2003 bis 30. 9. 2005. Sie brachte vor, ihre Eigentumswohnung liege unterhalb der zur Eigentumswohnung der Beklagten gehörigen Terrasse. Da die Beklagte trotz eines Beschlusses der Eigentümergemeinschaft auf Generalsanierung der gesamten Wohnhausanlage eine Isolierung und Sanierung ihrer Terrasse abgelehnt habe, sei es zwischen November 2003 und Juni 2004 zu Wassereintritten in die unterhalb gelegene Wohnung der Klägerin gekommen. De facto sei die Wohnung deswegen viele Monate lang unbewohnbar gewesen. Dennoch sei die Klägerin in der Wohnung verblieben, um im Fall neuerlicher Wassereintritte unverzüglich reagieren zu können. Außerdem sei es ihr nicht möglich gewesen, den gesamten Hausrat an einem anderen Ort einzulagern. Ausgehend von einem angemessenen Mietzins für eine vergleichbare Wohnung in Höhe von zumindest EUR 1.000 sei die durchschnittliche Beeinträchtigung der Wohnqualität bzw Benutzbarkeit mit 50 % zu bewerten. Analog zum Anspruch des Mieters auf Herabsetzung des Mietzinses infolge nicht gänzlich bedingungsgemäßer Gebrauchsmöglichkeit des Bestandobjekts stünden vom 1. 12. 2003 bis 30. 9. 2005 (= 22 Monate) EUR 500 monatlich zu, insgesamt somit EUR 11.000. Ferner stütze sich der Anspruch darauf, dass die Wohnung im Sinne einer Schadensminderungspflicht weiterhin benützt und somit Hotelkosten eingespart worden seien, die den Klagsanspruch bei weitem überstiegen hätten.

Die Beklagte wendete ein, die begehrte Rechtsfolge lasse sich aus dem von der Klägerin vorgetragenen Sachverhalt nicht ableiten. Ein Ungemach, das sich aus einer allfälligen eingeschränkten Benützbarkeit der Wohnung ergeben könnte, sei nicht ersatzfähig. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ohne Aufnahme von Beweisen ab. Auch bei Zugrundelegung der Richtigkeit des Klagsvorbringens bestehe der Anspruch nicht, da eine bloße Minderung der Wohnqualität durch Bau- und Reinigungsarbeiten im Zug von Mängelbehebungen einen immateriellen, nicht ersatzfähigen Schaden darstelle. Nichts anderes könne für die behauptete Minderung der Wohnqualität durch Eindringen von Wasser samt damit verbundenen Behebungsmaßnahmen gelten. Unlustgefühle als spezifische Folge einer Beeinträchtigung der geistigen Gesundheit habe die Klägerin nicht behauptet. Ein Schadenersatzanspruch iSd §§ 1293 ff ABGB komme daher nicht in Betracht. Eine analoge Anwendung des § 1096 ABGB scheitere daran, dass diese Bestimmung schon ihrem klaren Wortlaut nach ausschließlich auf Bestandverhältnisse anzuwenden sei.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte die Revision für zulässig. Mangels einer gesetzlichen Grundlage stelle der von der Klägerin geltend gemachte Schaden einen nicht ersatzfähigen immateriellen Schaden dar. Dem gegenüber finde der Anspruch auf Ersatz für entgangene Urlaubsfreude seine gesetzliche Grundlage in der durch das ZivRÄG 2004 geschaffenen Bestimmung des § 31e Abs 3 KSchG, wenngleich auch schon vor Inkrafttreten des ZivRÄG 2004 in Fällen schwerwiegender Mängel einer Reiseveranstaltung ein Anspruch auf Ersatz entgangener Urlaubsfreude als durchsetzbar erachtet worden sei. Beim Ersatz „fiktiver Reparaturkosten" werde ein Vermögensschaden abgegolten, aber kein immaterieller Schaden. Die Bestandzinsminderungsmöglichkeit beim Mieter beruhe auf ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden - Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) ist die Revision mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Die Zurückweisung der Revision kann sich daher auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

1. Wie bereits die Vorinstanzen ausführten, wird ein ideeller, in Geld nicht messbarer Schaden im Allgemeinen nur in den vom Gesetz angeführten Fällen zugesprochen (SZ 62/77; Reischauer in Rummel, ABGB3, Rz 11 zu § 1324 mwN; RIS-Justiz RS0022544). So gewährt zum Beispiel § 1331 ABGB Ersatz des ideellen Schadens, indem der Geschädigte bei besonders qualifiziertem Verschulden des Schädigers nicht nur das Interesse, sondern auch den Wert der besonderen Vorliebe verlangen kann, also denjenigen Wert, der sich unter Bedachtnahme auf die Gefühlsverbundenheit des Beschädigten mit der Sache ergibt (SZ 24/346; Harrer in Schwimann, ABGB3, § 1331 Rz 1; Reischauer aaO § 1331 Rz 2). Es existiert aber keine gesetzliche Grundlage, aus der sich ein Ersatzanspruch für ideelle Schäden wegen des bloßen Verlusts des (vorübergehenden) Gebrauchs einer Sache ableiten ließe. Deswegen wird die Gebrauchsmöglichkeit neben dem Substanzwert des Eigentums nicht als selbstständiger Vermögenswert gesehen, sodass er auch nicht besonders zu ersetzen ist (Koziol/Welser12 II 287). Die Gewährung einer Entschädigung für den bloßen Verlust des Gebrauchs einer Sache infolge der schädigenden Handlung eines anderen wird in ständiger Rechtsprechung abgelehnt (SZ 59/165 ua). Aus denselben Gründen ist aus dem bloßen Gebrauchsverlust einer Wohnung kein selbstständiger Anspruch auf Vergütung in Geld abzuleiten. Verlässt ein Eigentümer seine Wohnung nicht, sondern bewohnt diese weiterhin, obwohl darin (von Dritter Seite zu vertretende) Nässeschäden auftraten, die zu einer ständigen und fortschreitenden Beeinträchtigung der Bewohnbarkeit führten, gibt es keine gesetzliche Grundlage dafür, die wesentliche Minderung der Wohn- und Lebensqualität als einen durch Geldersatz ausgleichbaren Nachteil zu beurteilen (1 Ob 16/95). Der Betroffene kann aus dem Titel des Schadenersatzes nur den Ersatz solcher Auslagen verlangen, die er tatsächlich aufwenden musste, um eine adäquate Ersatzlage zu schaffen (1 Ob 331/98b). Ist kein realer Vermögensschaden - etwa in Form von Aufwendungen für eine Ersatzunterkunft - entstanden, wird keine Entschädigung für die bloße "Gebrauchsentbehrung" gewährt. Soweit ein immaterieller Schaden nicht ersatzfähig ist, kann er auch nicht durch den Rettungsaufwand zu einem ersatzfähigen Vermögensschaden mutieren, hätte es der von immateriellen Nachteilen Bedrohte auf diese Weise sonst jederzeit in der Hand, die fehlende Ersatzfähigkeit des anstehenden immateriellen Schadens zu umgehen und sich vom Schädiger Ersatz zu verschaffen (SZ 2002/128). Mit diesen Grundsätzen stehen die Entscheidungen der Vorinstanzen im Einklang. Der Ersatz jener (konkreten) Aufwendungen, die die Klägerin im Hinblick auf die Nässeschäden tätigen musste, ist mangels entsprechenden Vorbringens im Verfahren erster Instanz nicht Gegenstand dieses Verfahrens.

2. Wenngleich der Gesetzgeber den immateriellen Schaden zum Teil durch Neufassung etablierter Tatbestände (bspw § 1328 ABGB), zum Teil durch Neuregelungen (§ 1328a oder § 31e KschG) aufgewertet hat, wurde durch diese Entwicklung die Ersatzfähigeit immaterieller Schäden nur sachbezogen und punktuell erweitert, eine grundsätzliche Neuorientierung hat der Gesetzgeber nicht beabsichtigt (Harrer aaO § 1293 Rz 23). Dass § 31e Abs 3 KSchG durch das ZivRÄG 2004 geschaffen und damit klargestellt wurde, dass Ersatz für entgangene Urlaubsfreude angesprochen werden kann (EvBl 2005/94; 10 Ob 20/05x), stellt sohin kein Abgehen von der oben dargelegten Rechtsprechung dar. Dass ein durchsetzbarer Anspruch auf Ersatz entgangener Urlaubsfreude bereits vor Inkrafttreten des ZivRÄG 2004 in Fällen schwerwiegender Mängel einer Reiseveranstaltung als bestehend erachtet wurde (SZ 2004/168), ist ausschließlich in dem bereits vor 2004 in Geltung stehenden Art 5 der RL 90/314/EWG („Pauschalreise - RL") begründet (siehe Harrer aaO § 1293 Rz 27), nicht aber darin, dass in der österreichischen Rechtsprechung eine generelle „Trendwende" zur Ersatzfähigkeit ideeller Schäden eingetreten wäre.

3. Die Judikatur zum „Trauerschaden" wurde damit begründet, dass es befremdlich wäre, wenn das Gesetz bei Beschädigung einer Sache gemäß § 1331 ABGB „Gefühlsschäden" ausdrücklich berücksichtige, nicht aber bei Tötung eines geliebten Menschen, sodass nach den Wertungen des Gesetzes eine im Wege der Analogie zu schließende Gesetzeslücke anzunehmen sei (2 Ob 84/01v). Für den hier relevanten Bereich der Sachschäden ist eine planwidrige Unvollständigkeit aber nicht zu erkennen, ist doch gerade aus § 1331 ABGB ableitbar, der Gesetzgeber habe die Berücksichtigung von „Gefühlsschäden" im Zusammenhang mit Schadenersatzansprüchen wegen Sachschäden abschließend geregelt und bei bloßem „Sachgebrauchsverlust" keine Notwendigkeit für ideellen Schadenersatz gesehen. Im Übrigen knüpft § 1331 ABGB an ein besonders schweres Verschulden an; ein solches wird im gegenständlichen Fall nicht einmal behauptet.

4. Aus der Bestimmung des § 1096 ABGB lässt sich für die Klägerin nichts gewinnen, setzt § 1096 ABGB doch das Bestehen einer - hier nicht gegebenen - vertraglichen Beziehung (eines Bestandverhältnisses) voraus und ist als besondere Gewährleistungsbestimmung zu verstehen, die unter bestimmten Voraussetzungen zu einem Anspruch auf Zinsminderung führt (SZ 54/88). Eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO ist nicht zu lösen. Dies führt zur Zurückweisung der Revision. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41 und § 50 Abs 1 ZPO. Die Revisionsbeantwortung diente der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung, weil in ihr auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen wurde.

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