European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E131928
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten Ergun S* fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen, auch einen rechtskräftigen Schuldspruch des Mitangeklagten Hermann P* enthaltenden Urteil wurde Ergun S* im zweiten Rechtsgang (zum ersten vgl 12 Os 148/19k) des Verbrechens der Veruntreuung nach §§ 133 Abs 1 und 2 zweiter Fall, 12 zweiter Fall StGB (A./I./ und II./) schuldig erkannt und unter Einbeziehung der im ersten Rechtsgang rechtskräftig gewordenen Schuldsprüche zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.
[2] Danach hat er in W* vom 1. Jänner 2009 bis zum 6. März 2009 und vom 11. Februar 2010 bis zum 13. Juli 2013 als eingetragener Geschäftsführer sowie vom 6. März 2009 bis zum 11. Februar 2010 sowie vom 13. Juli 2013 bis 2016 als faktischer Geschäftsführer der E* GmbH und vom 31. März 2010 bis zum 21. April 2016 als faktischer Geschäftsführer der EC* GmbH
A./ ein ihm anvertrautes Gut im Wert von mehr als 300.000 Euro, nämlich Geldbeträge, die von Anlegern für den Ankauf von Edelmetallen anvertraut worden und von Hermann P* und Ergun S* verwahrt worden waren, sich oder Dritten mit dem Vorsatz zugeeignet, sich oder Dritte unrechtmäßig zu bereichern, indem er entgegen der konkreten Verwendungsbestimmung, nämlich in unmittelbarer zeitlicher Nähe zur Übergabe der Geldbeträge für die Anleger Edelmetalle anzukaufen, das ihm übergebene Geld nicht für den Kauf von Edelmetallen verwendete, sondern in nachstehend angeführten Beträgen anderwertig investierte oder verwendete, und zwar zum Ankauf von Edelmetallen namens der genannten Unternehmen sowie zur Deckung der laufenden Kosten der genannten Unternehmen und anderer, Ergun S* zuzurechnender Gesellschaften und zur Entwicklung neuer Produkte und Projekte, wobei Ergun S* bei der EC* GmbH als faktischer Geschäftsführer den jeweils eingetragenen Geschäftsführer zu den Tathandlungen bestimmte, indem er diesen aufforderte, Rechnungen zu bezahlen und Gelder zweckwidrig freizugeben, und zwar
I./ als Bestimmungstäter (§ 12 zweiter Fall StGB) im Hinblick auf die faktische und psychische Einwirkung auf Hermann P* betreffend die Anleger bei der EC* GmbH einen Betrag von 1,39 Millionen Euro und
II./ betreffend die Anleger bei der E* GmbH einen Betrag von 668.359,50 Euro.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die auf Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Ergun S*.
[4] Der Mängelrüge (Z 5) ist vorauszuschicken, dass eine Sache dann „anvertraut“ im Sinne des § 133 StGB ist, wenn der Täter sie in seiner Verfügungsmacht hat und ihn zudem spezifische gutsbezogene Fürsorgepflichten hinsichtlich der Sache treffen (Salimi in WK2 StGB § 133 Rz 28). Die Verfügungsgewalt über die Sache muss aufgrund eines Rechtsgeschäfts oder eines vertragsähnlichen Rechtsverhältnisses mit der Verpflichtung erlangt worden sein, diese Verfügungsmacht entsprechend der vereinbarten Rückstellungs- oder Verwendungspflicht nur im Sinne des Gewaltgebers zu den von ihm bezeichneten Zwecken zu gebrauchen (12 Os 130/04). Allgemein ist ein Gut daher dann anvertraut, wenn die Verfügungsgewalt darüber auf eine (ganz) bestimmte Verwendungspflicht beschränkt ist (RIS‑Justiz RS0093962). Eine solche Verwendungspflicht liegt vor, wenn vereinbarungsgemäß ausschließlich ein bestimmtes sachbezügliches Vermögensinteresse anderer wahrzunehmen ist (RIS‑Justiz RS0093962 [T3]).
[5] Für ein „Anvertrauen“ ist eine spezifische Verpflichtung wesentlich, die Sache zurückzugeben, an jemanden weiterzugeben oder für jemanden zu verwenden. Aus der allgemeinen Pflicht, einen Vertrag zu erfüllen oder aus dem Umstand, jemandem eine bestimmte Sache oder Summe zu schulden, lässt sich (für sich allein) dagegen noch keine den Erfordernissen des § 133 StGB genügende sachbezogene Verpflichtung ableiten, bestimmte Vermögensinteressen des Berechtigten wahrzunehmen, zumal § 133 StGB keineswegs die Aufgabe hat, Vertragswidrigkeiten als solche zu pönalisieren (RIS‑Justiz RS0094024; 12 Os 152/09h mwN); auch Gelder, die der Täter bis zur vereinbarten Rückgabe, Weitergabe oder Verwendung für sich verwenden und in eigenen Geschäften anlegen darf, sind ihm nicht „anvertraut“ (RIS‑Justiz RS0119788; 15 Os 90/09p).
[6] Werden jedoch (wie hier) Gelder zur Erfüllung ganz bestimmter Aufgaben für den Treugeber übergeben, dann sind sie „anvertraut“ (vgl 13 Os 171/98; 14 Os 115/09g). Dies ist beispielsweise der Fall, wenn die Gelder vereinbarungsgemäß an einen Dritten weitergeleitet werden sollen (RIS‑Justiz RS0093905). Solche Konstellationen kommen insbesondere bei Kommissions- und Inkassogeschäften vor (Salimi in WK2 StGB § 133 Rz 31). Dem Verkaufskommissionär sind die zum Verkauf bestimmten Waren (wie auch die dafür eingenommenen Gelder) vom Kommittenten „anvertraut“ (RIS‑Justiz RS0093973; 12 Os 85/05z). Dasselbe gilt für die Einkaufskommission: Sowohl die Gelder als auch die gekauften Waren sind dem Kommissionär „anvertraut“ (zum Ganzen jüngst 6 Ob 75/18z; vgl auch 11 Os 53/84; Salimi in WK2 StGB § 133 Rz 64).
[7] Damit bezieht sich der – auf die AGB der EC* GmbH und der E* GmbH gestützte – Einwand der (inhaltsgleich gegen beide Schuldsprüche gerichteten) Mängelrüge (Z 5 fünfter Fall), wonach aufgrund der Kundenverträge das Gold nicht mit Kundengeld gekauft worden sei, sondern die genannte Gesellschaft zunächst „Eigentum an den von den Kunden geleisteten Zahlungen“ sowie den „gekauften Edelmetallen“ erwerbe und diese schließlich den Kunden „übertrage“, auf keine entscheidende Tatsache. Denn auch auf Basis der Argumentation des Beschwerdeführers wurden die jeweiligen Kundengelder anvertraut im Sinne des § 133 Abs 1 StGB.
[8] Soweit der Beschwerdeführer unter dem Aspekt einer Rechtsrüge (Z 9 lit a) ein inhaltsgleiches Vorbringen erstattet, geht er prozessordnungswidrig (RIS-Justiz RS0099810) an den – zum Vorliegen einer Einkaufskommission getroffenen – Feststellungen vorbei (US 5).
[9] Indem die weitere (den Schuldspruch A./I./ betreffende) Mängelrüge (Z 5 dritter Fall) widersprüchliche Konstatierungen (in objektiver Hinsicht und zum Bereicherungsvorsatz) darin erblickt, dass die Tatrichter einerseits vom Unterbleiben des Ankaufs von Edelmetallen ausgingen, aber andererseits feststellten, dass das Kundengeld anderwertig zum „Ankauf von Edelmetallen namens der EC* GmbH“ verwendet worden sei, vernachlässigt sie die Gesamtheit der Entscheidungsgründe (RIS‑Justiz RS0119370). Danach wurde das Kundengeld zur Deckung der laufenden Kosten dieser Gesellschaft, anderen Ergun S* zuzurechnenden Gesellschaften und zur Entwicklung neuer Produkte und Projekte verwendet (vgl US 6 ff).
[10] Soweit die Beschwerde eine Aktenwidrigkeit der „Feststellungen“ zur Bestimmungstäterschaft (Z 5 fünfter Fall – vgl aber RIS-Justiz RS0099524; Hinterhofer/Oshidari, Strafverfahren Rz 9.135) darin erblickt, dass Hermann P* diesbezüglich „ausdrückliche Gespräche“ (wonach man kein Gold ankaufe) mit dem Beschwerdeführer in Abrede gestellt hat, bekämpft er bloß die gegenteilige Beweiswürdigung des Schöffensenats (US 11) nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung.
[11] Die (gegen den Schuldspruch A./I./ gerichtete) Rechtsrüge (Z 9 lit a) verweist darauf, dass der eingetragene Geschäftsführer der EC* GmbH, Hermann P*, keine alleinige Zeichnungsberechtigung an den für die Kundengelder eingerichteten Konten der EC* GmbH hatte, sondern nur mit einer Sekretärin gemeinsam zeichnungsberechtigt war (vgl US 2, 4). Weshalb deshalb eine Bestimmungshandlung (§ 12 zweiter Fall StGB) in Bezug auf einen (von mehreren) Verfügungsberechtigten ausgeschlossen sein soll, macht das Rechtsmittel nicht klar. Bleibt zu den Rechtsmittelausführungen lediglich der Vollständigkeit halber anzumerken, dass das Kriterium der „alleinigen Verfügungsmacht“ auf das Verhältnis zwischen dem Anvertrauenden und dem Täter abstellt (vgl Wach SbgK § 133 Rz 23), während es keineswegs ausgeschlossen ist, dass eine Sache mehreren Personen anvertraut wird (vgl Salimi in WK2 StGB § 133 Rz 35 ff; Wach Sbgk § 133 Rz 24).
[12] Der Einwand der weiteren Rechtsrüge (Z 9 lit a), wonach in Bezug auf den Schuldspruch A./II./ Konstatierungen zum Anvertrauen der Kundengelder an den Angeklagten fehlen würden, verfehlt erneut den im festgestellten Sachverhalt (vgl US 5) gelegenen Bezugspunkt materieller Nichtigkeit.
[13] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
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