OGH 12Os130/04

OGH12Os130/0422.3.2005

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. März 2005 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber, Dr. Philipp, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Petö als Schriftführer, in der Strafsache gegen Peter M***** und Gabriele Ma***** wegen des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1, Abs 2 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten sowie die Berufung des Angeklagten M***** gegen das Urteil des Landesgerichtes Leoben als Schöffengericht vom 22. Juli 2004, GZ 14 Hv 102/04g-29, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Ma***** wird stattgegeben, das angefochtene Urteil auch hinsichtlich des Angeklagten M***** aufgehoben und die Sache zu neuerlicher Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seinen Rechtsmitteln wird der Angeklagte M***** auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Peter M***** und Gabriele Ma***** des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1, Abs 2 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

Danach haben sie sich in der Zeit von August 2000 bis Anfang 2001 in S***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken als unmittelbare Täter ein ihnen in ihrer Eigenschaft als Geschäftsführerin bzw faktischer Geschäftsführer der M***** GmbH anvertrautes Gut in einem 40.000 EUR übersteigenden Wert, nämlich einen von Johann Mar***** der genannten Gesellschaft für den Ankauf von Mobiltelephonen vorausbezahlten Kaufpreis von 1,206.000 S (= 87.643,44 EUR) mit dem Vorsatz zugeeignet, sich „bzw" die M***** GmbH dadurch unrechtmäßig zu bereichern, indem sie das Geld für andere Zahlungen verwendeten.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch bekämpfen die Angeklagten mit Nichtigkeitsbeschwerden, und zwar Peter M***** gestützt auf Z 9 lit a und 11, Gabriele Ma***** aus Z 4, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO, wovon jener der Angeklagten Ma***** im zuletzt genannten Anfechtungspunkt Berechtigung zukommt.

Im Ergebnis zutreffend macht sie nämlich in ihrer Rechtsrüge (Z 9 lit a) geltend, dass die Beurteilung des der M***** GmbH von Johann Mar***** überwiesenen Geldbetrages von 1,206.000 S als anvertrautes Gut rechtlich verfehlt ist.

Nach den Feststellungen des Erstgerichtes (US 5 f) bestellte Johann Mar***** bei der M***** GmbH (deren Geschäfte die damals in Lebensgemeinschaft lebenden Angeklagten führten) am 2. August 2000

1.500 Stück Mobiltelephone der Marke Nokia 5110, erhielt am 3. August 2000 dafür eine Rechnung über 1,206.000 S und überwies diesen Geldbetrag entsprechend den Gepflogenheiten der seit dem Ende der 90er-Jahre bestehenden Geschäftsbeziehung als Kaufpreisvorauszahlung am selben Tag an die genannte Gesellschaft. Nachdem es den Angeklagten nicht gelungen war, die bestellten Geräte zu liefern, wurde Mar***** über die genannte Zahlung eine Gutschrift ausgestellt. Am 23. August 2000 nahm der Besteller ein weiteres Anbot M*****s über die Lieferung von Mobiltelephonen der Marke Motorola V 3688 zu einem Gesamtbetrag von 5,697.000 S an und leistete am 24. August 2000 eine „weitere Anzahlung" von 1 Mio S, sodass „zweckgewidmet für den Ankauf von Handys der Marke Motorola V 3688 eine Anzahlung von 2,206.000 S bei der Firma M***** lag". Da die Angeklagten auch diese Geräte nicht liefern konnten, trat Mar***** vom Vertrag zurück und forderte die „geleistete Anzahlung" ein, wovon er in der Folge einen Teilbetrag von 1 Mio S rücküberwiesen erhielt. Der Restbetrag von 1,206.000 S wurde von den Angeklagten trotz mehrmaliger Aufforderung nicht rückerstattet, „zumal sie ihn zum damaligen Zeitpunkt bereits zur Abdeckung diverser Verbindlichkeiten verbraucht hatten".

Diese Konstatierungen vermögen die Schuldsprüche nicht zu tragen:

Anvertraut iSd § 133 Abs 1 StGB ist ein Gut dann, wenn die Verfügungsgewalt darüber aufgrund eines Rechtsgeschäftes oder eines vertragsähnlichen Rechtsverhältnisses mit der Verpflichtung erlangt wird, diese Verfügungsmacht entsprechend der vereinbarten Rückstellungs- oder Verwendungspflicht nur im Sinne des Gewaltgebers zu den von ihm bezeichneten Zwecken zu gebrauchen (EvBl 1969/50; 1974/170; 1987/85 uva; Leukauf/Steininger Komm3 § 133 RN 3). Die sachbezogene Rückstellungs- oder Verwendungspflicht muss daher spätestens mit der Gewahrsamsübertragung begründet worden sein; eine erst nachträglich entstandene entsprechende Verpflichtung genügt diesen Erfordernissen somit nicht (EvBl 1987/85). Vom Besteller einer Sache (ohne eine besondere Zweckwidmung) geleistete Zahlungen darauf sind kein anvertrautes Gut (EvBl 1961/318; 1969/50; 1987/85; Leukauf/Steininger aaO RN 11; Kienapfel BT II3 § 133 RN 23; zur Abgrenzung gegenüber § 134 Abs 2 StGB vgl EvBl 1982/90). Demgemäß war der nach den Urteilsfeststellungen ohne Verwendungsbeschränkung als Vorauszahlung des Kaufpreises für Mobiltelephone der Marke Nokia am 3. August 2000 überwiesene Geldbetrag von 1,206.000 S ungeachtet der nachträglich bedungenen Zweckwidmung für den am 23. August 2000 vereinbarten Ankauf von Mobiltelephonen der Marke Motorola den Angeklagten entgegen der Rechtsansicht des Erstgerichtes nicht „anvertraut", sodass die Tatbeurteilung als Veruntreuung nach § 133 StGB rechtsirrig erfolgte. Die von der Angeklagten Ma***** (im Ergebnis) zutreffend aufgezeigte Urteilsnichtigkeit war zu Gunsten des Angeklagten M*****, der seine Rechtsrüge nicht in diese Richtung ausführte, von Amts wegen wahrzunehmen (§ 290 Abs 1 Satz 2 zweiter Fall StPO). Das Ersturteil war deshalb aufzuheben (und der Angeklagte M***** mit seinen Rechtsmitteln auf diese Erledigung zu verweisen), eine sofortige Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst hat allerdings - worauf die Generalprokuratur zutreffend hinweist - noch nicht einzutreten (§§ 285e, 288 Abs 2 Z 3 StPO; Ratz, WK-StPO § 285e Rz 2, 3, § 288 Rz 25; Mayerhofer StPO5 § 288 E 43):

Denn der Akteninhalt und die Urteilsfeststellungen geben Anlass für eine durch Verfahrenserneuerung zu klärende Prüfung des inkriminierten Tatgeschehens in Richtung einer Verwirklichung des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB. Das festgestellte Wissen der Angeklagten um die prekäre finanzielle Situation der M***** GmbH, die wegen zahlreicher seit 1997 anhängiger Exekutionsverfahren zur rechtzeitigen Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten außer Stande war und „nach der sogenannten Loch auf-Loch zu-Taktik wirtschaftete" (US 7), sowie die Depositionen des Zeugen Johann Mar***** zu hinhaltenden und widersprüchlichen Angaben des Angeklagten M***** zur Verfügbarkeit der umgehend nach Überweisung der Kaufpreisvorauszahlung von 1,206.000 S zu liefernden Mobiltelephonen der Marke Nokia (AS 119 f, 227 f) bieten vor dem Hintergrund des ähnlich gelagerten, zu AZ 13 Hv 1052/01a des Landesgerichtes Leoben ergangenen, den Angeklagten M***** betreffenden (rechtskräftigen) Schuldspruchs, dem die betrügerische Verleitung zur Leistung einer Kaufpreisanzahlung für zu liefernde Mobiltelephone im Februar 2001 zu Grunde lag (US 4), Anhaltspunkte dafür, dass die Angeklagten zum Zeitpunkt der Warenbestellung die Fähigkeit zur Lieferung der bedungenen Mobiltelephone der Marke Nokia bloß dolos vortäuschten, um die sie unrechtmäßig bereichernde und den Zeugen M***** schädigende Kaufpreisvorauszahlung von 1,206.000 S zu erlangen. Dem steht die Urteilsannahme, wonach es den Angeklagten nach Überweisung der Kaufpreisvorauszahlung „in der Folge nicht gelang", die bestellten Mobiltelephone zu liefern (US 5), nicht entgegen, weil sie die Gründe dieses Unvermögens offen lässt.

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