OGH 14Os115/09g

OGH14Os115/09g17.11.2009

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. November 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart der Rechtspraktikantin Dr. Walcher als Schriftführerin in der Strafsache gegen Arthur K***** wegen des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 6. Mai 2009, GZ 40 Hv 35/08p-169, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Arthur K***** der Verbrechen des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB (A) und der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB (B) sowie der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (C), der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (D) und des Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB (E) schuldig erkannt.

Danach hat er

A. am 29. Juni 2006 in H***** als Vertreter der E***** GmbH mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz durch Vorspiegelung seiner Bereitschaft, die anlässlich des Erwerbs des Gasthauses „Z*****" durch dieses Unternehmen übernommenen vertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen, Hubert H***** zur Überlassung des Gasthauses samt Inventar im Gesamtwert von 84.000 Euro verleitet, wodurch der Genannte in diesem Betrag am Vermögen geschädigt wurde;

B. im Dezember 2006 Baukostenzuschüsse von insgesamt 96.000 Euro, die ihm als Vertreter der E***** GmbH anlässlich der Anmietung des Mietobjekts „M*****" von Verfügungsberechtigten der Vermieterin, der E***** GmbH, zur Bezahlung von Bauarbeiten am Mietobjekt anvertraut worden waren, sich mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz zugeeignet, indem er die Beträge für widmungswidrige Zwecke verwendete;

C. am 20. Februar 2007 in T***** Erika K***** durch Versetzen mehrerer Faustschläge gegen den Hinterkopf sowie dadurch, dass er sie heftig an der Hand riss, wodurch sie eine Beule am Kopf und Kratzwunden an der Hand erlitt, vorsätzlich am Körper verletzt;

D. zwischen Mitte 2006 und Mitte 2007 in T***** Urkunden, über die er nicht verfügen durfte, nämlich Versicherungs- und Sparverträge sowie einen ungarischen und einen iranischen Reisepass der Erika K*****, mit dem Vorsatz unterdrückt zu verhindern, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechts, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werden, indem er die Urkunden aus dem Verfügungsbereich der Berechtigten entzog;

E. am 28. November 2007 in Wien Gewahrsamsträgern des Unternehmens I***** Rasierklingen im Wert von 64,69 Euro mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz wegzunehmen versucht.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen aus den Gründen der Z 5, 9 lit a, 9 lit b und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu.

Zu der - als mit bloßer „Scheinbegründung" fundiert - gerügten Feststellung der Zurechnungsfähigkeit des Beschwerdeführers im gesamten Tatzeitraum gelangten die Erkenntnisrichter - wie die Beschwerde ohnedies einräumt - aufgrund der festgestellten objektiven Vorgehensweise im Zusammenhang mit der Gründung zahlreicher Unternehmen und der betreffenden Finanzgebarung im Verein mit dem in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck (US 8), was - dem Beschwerdestandpunkt zuwider - unter dem Gesichtspunkt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) nicht zu beanstanden ist. Undeutlich iSd Z 5 erster Fall ist diese Konstatierung keineswegs. Dass im Verfahren AZ 10 P 240/07d des Bezirksgerichts Liesing mit Beschluss vom 27. Februar 2009 ein einstweiliger Sachwalter für den Angeklagten bestellt wurde, steht der kritisierten Feststellung nicht entgegen und war demnach auch nicht erörterungsbedürftig iSd Z 5 zweiter Fall. Das in der Mängelrüge ebenfalls angesprochene, im selben Verfahren eingeholte Gutachten eines neurologischen und psychiatrischen Sachverständigen vom 23. September 2008 ist nach dem darüber aufgenommenen Protokoll in der Hauptverhandlung gar nicht vorgekommen, womit darauf bezogene Unvollständigkeit der Begründung nicht vorliegt (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 427).

Mit dem den Schuldspruch A betreffenden Einwand, die Feststellung eines Schadenseintritts in Höhe von 84.000 Euro sei zufolge unterlassener Erörterung „vom Sachverständigen bestätigter und vom Gericht festgestellter" Zahlungen des Beschwerdeführers in Höhe von 9.000 Euro und von ihm erbrachter „Dienstleistungen in der Schuldenregulierung in unbekannter Höhe" unvollständig begründet, wird eine bei Berücksichtigung dieser Umstände mögliche Reduktion der Schadenshöhe unter die Wertgrenze des § 147 Abs 3 StGB gar nicht behauptet und damit keine entscheidende Tatsache angesprochen. Im Übrigen sind weder dem Urteil noch den Ausführungen des Sachverständigen Anhaltspunkte für „Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Schuldenregulierung" zu entnehmen. Gleiches gilt für die Argumentation, Hubert H***** hätte zudem seine im Inventarkaufvertrag übernommene Verpflichtung dreijähriger Mitarbeit im Betrieb nicht erfüllt, wobei dem Vertrag im Übrigen bloß zu entnehmen ist, dass der Genannte „per 1. Juli 2007 bei K***** GmbH als gewerberechtlicher Geschäftsführer mit Bezahlung im Rahmen des Kollektivvertrags angestellt" wird (Beilage A zu ON 26).

Die ohne Aktenbezug aufgestellte These, das Inventar sei einerseits verpfändet und andererseits nicht Eigentum des Geschädigten gewesen, wird dem Erfordernis deutlicher und bestimmter Bezeichnung der angeblich zu Unrecht unerörtert gebliebenen Beweisergebnisse nicht gerecht (RIS-Justiz RS0119422; zuletzt: 13 Os 3/09d). Die ebenfalls den Schuldspruch wegen des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB (A) betreffende Rechtsrüge (Z 9 lit a) geht mit ihrer Behauptung fehlenden Sachverhaltsbezugs der Urteilsannahmen zur inneren Tatseite nicht von der Gesamtheit der Entscheidungsgründe aus (vgl US 6), womit sie den vom Gesetz geforderten Bezugspunkt verfehlt (RIS-Justiz RS0099810). Welche über die vom Erstgericht insoweit - im Übrigen zureichend (vgl dazuKirchbacher/Presslauer in WK² § 146 Rz 111 ff) - getroffenen (US 6) hinausgehenden Feststellungen zum „Täuschungs-, Schädigungs- und Bereicherungsvorsatz" zur rechtsrichtigen Subsumtion erforderlich gewesen wären, lässt sie nicht erkennen. Soweit sie den entsprechenden Konstatierungen unter Zugrundelegung der - vom Erstgericht durch eine Vielzahl von Verfahrensergebnissen als widerlegt erachteten (US 9 f) - leugnenden Verantwortung des Beschwerdeführers und auf Basis eigener Schlussfolgerungen aus dem Gutachten des Sachverständigen Mag. Gerhard G***** urteilsfremde Sachverhaltsannahmen gegenüberstellt, bekämpft sie bloß unzulässig die erstgerichtliche Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung. Mit dem Einwand, die Feststellungen würden den Schuldspruch wegen des Verbrechens der Veruntreuung (B) mangels Konstatierungen zur „Wollenskomponente" nicht tragen (Z 9 lit a), lässt die Beschwerde erneut die erforderliche Gesamtbetrachtung der Entscheidungsgründe (US 6 f iVm US 2, 12 f und 14) vermissen.

Als einer sachbezogenen Erörterung nicht zugänglich erweist sich das Vorbringen der Rechtsrüge (Z 9 lit a) zu den Schuldsprüchen C und D, das sich in theoretischen Ausführungen zur rechtsrichtigen Feststellung der inneren Tatseite der zur Verurteilung gelangten Vergehen erschöpft, gleichzeitig die - den geforderten Formulierungen übrigens zum Großteil exakt entsprechenden und zureichenden - Urteilsannahmen zitiert (zu D: US 7, zu E: US 8) und daraus jeweils den Schluss zieht, diese würden zur rechtsrichtigen Subsumtion des Täterverhaltens nicht ausreichen, ohne darzulegen, welche zusätzlichen Konstatierungen erforderlich gewesen wären. Mit der Wiedergabe der vom Erstgericht mit mängelfreier Begründung als unglaubwürdige Schutzbehauptung angesehenen Verantwortung des Beschwerdeführers zum Vorwurf des Diebstahls (Schuldspruch E), er sei an diesem Tag verwirrt gewesen und habe bloß vergessen, die Rasierklingen zu bezahlen (US 12), wird einmal mehr unzulässig die tatrichterliche Beweiswürdigung bekämpft. Die in diesem Zusammenhang aufgestellte Behauptung substanzlosen Gebrauchs der verba legalia zum Bereicherungsvorsatz argumentiert nicht auf Basis der - in der Beschwerde ohnehin zitierten - diesbezüglichen Urteilsfeststellungen (US 7).

Die - teils nominell auf Z 5 gestützte - Rechtsrüge (der Sache nach Z 9 lit b) leitet nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab, aus welchem Grund es neben der eindeutigen Konstatierung der Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten im Tatzeitraum (US 8) zusätzlicher Feststellungen zu seiner Dispositions- und Diskretionsfähigkeit bedurft hätte. Soweit der Sache nach - unter erneutem Verweis auf in der Hauptverhandlung nicht vorgekommene Verfahrensergebnisse aus dem beim Bezirksgericht Liesing anhängigen Pflegschaftsverfahren - ein Aufklärungsdefizit in Bezug auf die Frage der Zurechnungsfähigkeit angesprochen wird, ist der Beschwerdeführer auf die gefestigte Rechtsprechung zu verweisen, wonach der Nichtigkeitsgrund der Z 5a unter dem Aspekt der Sachverhaltsermittlung subsidiär gegenüber jenem der Z 4 des § 281 Abs 1 StPO ist. Aus dem Erstgenannten können diesbezügliche Mängel daher nur mit der - hier nicht aufgestellten - Behauptung gerügt werden, dass der Beschwerdeführer an einer darauf abzielenden Antragstellung (§ 281 Abs 1 Z 4 StPO) gehindert war (RIS-Justiz RS0115823).

Die - das Vorbringen der Mängelrüge teils wiederholende - Subsumtionsrüge (Z 10) zum Schuldspruch A, mit der Feststellungen zur vorsätzlichen Herbeiführung eines 50.000 Euro übersteigenden Schadens vermisst werden, zielt neuerlich nicht auf den vom Gesetz verlangten Vergleich von festgestellten Tatsachen und darauf angewendetem Gesetz ab (vgl nämlich US 6).

Dass der vom Schuldspruch B umfasste Sachverhalt bei rechtsrichtiger Beurteilung „nur unter § 133 Abs 2 erster Fall StGB, in zwei Fällen" zu subsumieren sei (Z 10), weil - was dem Urteil übrigens nicht zu entnehmen ist - die Gesamtsumme von 96.000 Euro dem Beschwerdeführer in zwei Teilbeträgen à 48.000 Euro anvertraut wurde, auch die Zueignung jeweils getrennt an verschiedenen Tagen erfolgte und „das Gesetz Bereicherungsabsicht zum Zeitpunkt der Zuwendung verlange", wird erneut bloß behauptet, nicht aber methodengerecht aus dem Gesetz abgeleitet (vgl dagegen die in § 29 StGB angeordnete Zusammenrechnung sowie den Wortlaut des § 133 StGB, der Zueignung mit Bereicherungsvorsatz verlangt). Dass der Vorsatz des Angeklagten nach den Urteilsfeststellungen die Veruntreuung eines insgesamt 50.000 Euro übersteigenden Betrags umfasste (US 6 f iVm US 2, 10 f, 14), bestreitet das Rechtsmittel übrigens nicht.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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