European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0060OB00213.20X.1125.000
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 Satz 4 ZPO).
1. Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zu der Frage vorliege, ob der von einem Dritten rechtswidrig und schuldhaft an seiner Gesundheit Geschädigte, der den Täter persönlich kenne (dessen Name und Geburtsdatum ihm bekannt seien) und der auch über den Ursachenzusammenhang voll im Bilde sei, zur Wahrung der dreijährigen Verjährungsfrist des § 1489 ABGB innerhalb von drei Jahren ab dem Schadenseintritt unter gleichzeitiger Beantragung der Bestellung eines Abwesenheitskurators nach § 116 ZPO am Gerichtsstand des Ortes der Schadenszufügung (§ 92a JN) die (Feststellungs-)Klage einbringen müsse, wenn der Täter unbekannten Aufenthalts ist.
Nach § 1489 Satz 1 ABGB ist jede Entschädigungsklage in drei Jahren von der Zeit an verjährt, zu welcher der Schaden und die Person des Beschädigers dem Beschädigten bekannt wurde, der Schaden mag durch Übertretung einer Vertragspflicht oder ohne Beziehung auf einen Vertrag verursacht worden sein.
Zum Beginn der schadenersatzrechtlichen Verjährungsfrist nach § 1489 ABGB existiert reichhaltige Judikatur, von der das Berufungsgericht nicht abgewichen ist. Dass der Umstand, dass der bekannte Schädiger unbekannten Aufenthalts ist, dem Lauf der Verjährungsfrist nach § 1489 ABGB nicht entgegensteht, weil die Bestellung eines Kurators nach § 116 ZPO beantragt werden kann, konnte das Berufungsgericht auf die Entscheidung 10 Ob 288/98w stützen (so auch RS0034765 [T24]). Welchen Gerichtsstand der Geschädigte in Anspruch nehmen kann (ob auch den allgemeinen Gerichtsstand nach §§ 65 f JN), kann auf den Beginn der Verjährungsfrist keinen Einfluss haben. Hier stand der Klägerin – wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat – ohnehin der Gerichtsstand der Schadenszufügung zur Verfügung (§ 92a JN).
2. Auch die Klägerin zeigt in der Revision keine erhebliche Rechtsfrage auf:
2.1. Dass die Klägerin ihren Anspruch (auch) auf § 1328a ABGB stützt, hat auf den Beginn der Verjährungsfrist keinen Einfluss, weil auch diese Norm einen Schadenersatzanspruch regelt, auf den § 1489 ABGB anzuwenden ist, und am Zeitpunkt, zu dem der Klägerin der Schaden und die Person des Schädigers bekannt wurde, nichts ändert. Daher ist auch nicht entscheidungswesentlich, ob für den eingeklagten Schaden § 1328a ABGB taugliche Anspruchsgrundlage ist.
2.2. Dass die Klägerin lange den Aufenthaltsort des ihr bekannten Schädigers nicht kannte, hat auf den Lauf der Verjährungsfrist des § 1489 ABGB keinen Einfluss (vgl Punkt 1.).
2.3. Auch wenn der Schädiger seinen Namen geändert hat, hat dies auf die Kenntnis des Geschädigten von der Person des Schädigers keinen Einfluss.
2.4. Inwiefern eine frühere Klagsführung wegen Aussichtslosigkeit unzumutbar gewesen sein sollte, ist nicht nachvollziehbar, weil die Klägerin ohnehin – wie ausgeführt – auch früher schon in Österreich hätte klagen können und daher nicht auf eine Klagsführung im Irak angewiesen war.
2.5. Die Klägerin war auch über den anspruchbegründenden Sachverhalt hinreichend im Bilde. Denn es kommt nicht auf ihre Kenntnis, welches Schicksal ihre entführten Töchter erlitten, sondern auf die Kenntnis ihrer eigenen Leidenszustände an.
2.6. Ob ein in Österreich erwirktes Urteil im Irak vollstreckt werden könnte, ist für den Beginn der schadenersatzrechtlichen Verjährungsfrist irrelevant, weil generell die Frage der exekutiven Anspruchsdurchsetzbarkeit mit dem Lauf von Verjährungsfristen nichts zu tun hat.
2.7. Die Beantragung eines Kurators nach § 116 ZPO wäre der Klägerin wirtschaftlich zumutbar gewesen, weil die Klägerin gegebenenfalls im Rahmen der Verfahrenshilfe diese Kosten nicht hätte tragen müssen (§ 64 Abs 1 lit e ZPO). Auch die Erhebung einer Feststellungsklage wäre gegebenenfalls mit Verfahrenshilfe möglich gewesen.
2.8. Das Berufungsgericht hat unter Hinweis auf die Entscheidung 1 Ob 21/87 ausgeführt, von einer fortgesetzten Schädigung könne nicht gesprochen werden, wenn ein Schaden eingetreten sei, der sich nur wegen Fortdauer des schädigenden Verhaltens vergrößere. Eine fortgesetzte Schädigung liege hier nicht vor, sondern vielmehr ein einheitlicher Schaden, der sich durch die Aufrechterhaltung des rechtswidrigen Zustands (Vorenthalten der Kinder) im Lauf der Zeit vergrößert habe.
Die Revisionswerberin führt dagegen die Entscheidung 10 Ob 72/07x ins Treffen: Danach sei bei fortgesetzter Schädigung der Kläger nicht verpflichtet, innerhalb von drei Jahren nach dem Eintritt des Primärschadens eine Feststellungsklage zur Wahrung seines Anspruchs für künftige Schäden einzubringen.
Selbst wenn man diese Rechtsprechung hier anwenden wollte, wäre für die Klägerin nichts gewonnen. Schon das Berufungsgericht hat – in der Revision unwidersprochen – darauf hingewiesen, dass im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für die Globalbemessung des Schmerzengeldes gegeben sind: Das Schmerzengeld soll grundsätzlich eine einmalige Abfindung für Ungemach sein, das der Verletzte voraussichtlich zu erdulden hat. Es soll den gesamten Komplex der Schmerzempfindungen, auch so weit es für die Zukunft beurteilt werden kann, erfassen (RS0031307). Somit lief die Verjährungsfrist auch für die für die Zukunft beurteilbaren Schmerzen schon ab diesem Zeitpunkt der Beurteilbarkeit. Die Grundsätze der Entscheidung 10 Ob 72/07x sind daher bei Schmerzengeldbemessung nicht anwendbar.
2.9. Wenn der Beklagte bereits die Verjährungseinrede erhoben hat, muss er nach Klagsausdehnung, die nach der Rechtsprechung eine noch spätere Geltendmachung bedeutet (RS0019184 [T7]), für den ausgedehnten Betrag nicht noch einmal die Verjährungseinrede erheben.
2.10. Aus der Entscheidung 2 Ob 68/18s ist für die Klägerin nichts gewonnen. Dort wurde Folgendes ausgesprochen: Bei Verbindung einer rechtzeitigen Leistungsklage mit einer später erfolgreichen Feststellungsklage wird die nach Ablauf der ursprünglichen Verjährungsfrist erfolgte Ausdehnung eines Schmerzengeldbegehrens auch dann als zulässig angesehen, wenn sie nicht auf neue Schadenswirkungen, sondern auf die Ergebnisse eines für den Kläger (unverhofft) günstigen Sachverständigengutachtens gestützt wird (2 Ob 33/09f mwN; RS0031702 [T3]). Das bedeutet, dass sich die Unterbrechungswirkung des Feststellungsbegehrens auch auf die erst im Wege der Klageausdehnung geltend gemachten Schmerzengeldansprüche bezieht (2 Ob 167/11i).
Hier fehlt es sowohl an der rechtzeitigen Leistungsklage als auch an der Feststellungsklage.
3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 40, 50 ZPO. Der Beklagte hat den Antrag gestellt „auf Zulassung der Revision ab- bzw zurückzuweisen“, ohne auf die Unzulässigkeit der Revision hinzuweisen.
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