OGH 10Ob288/98w

OGH10Ob288/98w1.12.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr, Dr. Steinbauer, Dr. Danzl und Dr. Hopf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Firma L*****, Inhaberin Olga L*****, vertreten durch Dr. Hanspeter Pausch, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Theresia G*****, Kauffrau, *****, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr. Norbert Scherbaum ua, Rechtsanwälte in Graz, wegen S 114.660,-- sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 12. Mai 1998, GZ 2 R 73/98t-21, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 3. Februar 1998, GZ 21 Cg 61/93z-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 8.112,-- (darin enthalten S 1.352 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof ist auch an den vom Berufungsgericht gemäß § 508 Abs 3 ZPO nachträglich vorgenommenen Ausspruch, daß die ordentliche Revision doch nach § 502 Abs 1 ZPO zulässig ist, nicht gebunden. Hiedurch wird nämlich der gemäß § 500 Abs 2 Z 3 ZPO vorgenommene Ausspruch geändert und der neue Ausspruch tritt an die Stelle des früheren, weshalb § 508 Abs 1 ZPO für den neuen Ausspruch gilt (RIS-Justiz RS0110704).

Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO):

Eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor. Diese Beurteilung bedarf keiner Begründung (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

Die Vorinstanzen nahmen zutreffend die Verjährung der Klagsforderung an (§ 510 Abs 3 ZPO), der die über Bestellung der Beklagten vom 21. 9. 1992 erfolgte Lieferung von Möbeln durch die Klägerin am 30. 10. 1992 zugrundeliegt. Laut erstinstanzlichem Vorbringen der Klägerin war die eingeklagte restliche Kaufpreisforderung von S 114.660,-- seit 30. 10. 1992 fällig. Die Klage wurde am 11. 2. 1993 beim Erstgericht eingebracht. Nach einem Postfehlbericht betreffend die Unzustellbarkeit der Klage und des Auftrages zur Klagebeantwortung an die Beklagte ("Empf. für längere Zeit im Ausland") unter der in der Klage angegebenen inländischen Anschrift in G*****, wovon der Klagevertreter am 10. 3. 1993 benachrichtigt wurde, stellte die Klägerin erst am 16. 10. 1996 einen neuen Zustellantrag. Nach einem weiteren Fehlbericht vom 21. 3. 1997 und einem Zustellantrag vom 6. 5. 1997 konnte die Zustellung schließlich im Rechtshilfeweg am 17. 11. 1997 an die Beklagte in der Bundesrepublik Deutschland bewirkt werden.

Die Revisionswerberin begründet das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO einerseits damit, daß eine widersprüchliche Judikatur zwischen dem Obersten Gerichtshof und dem Verwaltungsgerichtshof zur Frage der Hinterlegung bei längerer Abwesenheit des Empfängers bestehe, andererseits damit, daß aus der bisherigen Judikatur des Obersten Gerichtshofes keine Gründe erkennbar seien, wann eine gehörige Fortsetzung des Verfahrens vorliege. Die Klägerin hätte sich außergerichtlich bemüht, die neue Zustelladresse der Beklagten auszuforschen. Diese außergerichtlichen Maßnahmen seien äußerst schwierig gewesen. Würde durch diese Bemühungen die Verjährung nicht unterbrochen, hätte die Klägerin keine Möglichkeit, den ihr zustehenden Anspruch zu betreiben.

Der Revisionswerberin ist folgendes entgegenzuhalten:

Kann die Sendung an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, daß sich der Empfänger regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Schriftstück im Fall der Zustellung durch die Post beim zuständigen Postamt zu hinterlegen (§ 17 Abs 1 ZustG; SZ 60/226). Der Zusteller nahm im vorliegenden Fall beim ersten und einzigen Versuch, die Klage unter der von der Klägerin angegebenen Adresse der Beklagten in G***** zuzustellen, keine Hinterlegung vor, sondern retournierte die Sendung an das Erstgericht mit dem bereits erwähnten Postfehlbericht "Empf. für längere Zeit im Ausland". Dafür, daß der Zusteller diese Vorgangsweise gewählt hätte, obwohl ein Grund zur Annahme vorhanden gewesen wäre, die Beklagte halte sich ohnehin regelmäßig an der Abgabestelle auf, besteht nach dem Akteninhalt nicht der geringste Anhaltspunkt. Ob die Abwesenheit der Beklagten von einer Dauer war, die bloß der Hinterlegung im damaligen Zeitpunkt entgegenstand oder überhaupt bereits das Bestehen einer Abgabestelle aufhob (RdW 1987, 374; EvBl 1994/10), ist im vorliegenden Fall für die entscheidende Frage der Verjährung irrelevant. Auf die von der Revisionswerberin behauptete Diskrepanz zwischen der Judikatur zweier Höchstgerichte braucht demnach nicht eingegangen werden. Es sei nur angemerkt, daß eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO - soweit hier relevant - nur dann begründet sein könnte, wenn die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes selbst uneinheitlich wäre, was jedoch nicht der Fall ist.

Entscheidend für den Verfahrensausgang ist der Umstand, daß die Klägerin nach der Benachrichtigung vom Zustellanstand, die dem Klagevertreter wie bereits erwähnt am 10. 3. 1993 zuging, - im Verfahren selbst - mehr als drei Jahre lang, nämlich bis zum 16. 10. 1996, gänzlich untätig blieb. Es wird nicht verkannt, daß einer Prozeßhandlung vielfach schwierige außergerichtliche Maßnahmen vorhergehen können (und müssen). Mit ihrem Versuch, ihre mehr als dreijährige Untätigkeit im Verfahren allein mit außergerichtlichen Erhebungen zu rechtfertigen, läßt die Revisionswerberin allerdings die ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Unterbrechung der Verjährung durch Einleitung und Fortsetzung des Verfahrens unbeachtet.

Auszugehen ist zunächst davon, daß die Forderung für Lieferung von Sachen in einem Geschäftsbetrieb in drei Jahren verjährt (§ 1486 Z 1 ABGB; Schubert in Rummel, ABGB2 Rz 2 und 4 zu § 1486). Die Verjährung wird durch die Klage nur dann unterbrochen, wenn das hierüber eingeleitete Verfahren gehörig fortgesetzt wird (§ 1497 ABGB). Eine nicht gehörige Fortsetzung des Verfahrens läßt die Unterbrechungswirkung der Klage nicht eintreten. Ob ein längeres Zuwarten mit der Verfolgung des Anspruchs noch hingenommen werden kann oder eine ungewöhnliche Untätigkeit vorliegt, ist nach den Umständen des Falles zu beurteilen. Beruft sich der Beklagte auf die Verjährung wegen nicht gehöriger Fortsetzung, so ist es Sache des Klägers, beachtliche Gründe für die Untätigkeit nachzuweisen. Für die Frage, ob eine ungebührliche Untätigkeit vorliegt, kommt es nicht allein auf die Dauer, sondern auch auf die Gründe der Untätigkeit an. Für die Unterlassung der zur Fortsetzung des Verfahrens notwendigen Schritte müssen stichhaltige (triftige) Gründe gegeben sein. Vermag der Kläger solche Gründe nicht darzutun, genügt, besonders wenn die Verjährungsfrist - abgesehen vom Verfahren - bereits verstrichen wäre, der Ablauf einer verhältnismäßig kurzen Zeit (ZVR 1997/63 mwN).

Auch bei der Unzustellbarkeit der Klage bleibt die Unterbrechungswirkung der Gerichtshängigkeit gewahrt, wenn nur der die Fortsetzung des Verfahrens bewirkende Antrag innerhalb der ursprünglichen Verjährungsfrist gestellt wird (SZ 60/35 mwN). Dies war hier nach dem oben dargestellten Zeitablauf nicht der Fall, nachdem die Klägerin den ersten Zustellantrag erst nahezu vier Jahre nach der von ihr in der Klage behaupteten Fälligkeit ihrer Kaufpreisforderung bzw mehr als drei Jahre nach der Benachrichtigung von einem Zustellanstand stellte.

Eine in Prüfung zu ziehende Alternative zu einem neuen Zustellantrag wäre ein Antrag der Klägerin auf Bestellung eines Kurators nach § 116 ZPO zufolge Unbekanntheit des Aufenthaltes der Beklagten gewesen. Der Antragsteller muß in diesem Fall nach ständiger Rechtsprechung die Abwesenheit des Prozeßgegners nicht beweisen, sondern lediglich bescheinigen. Dabei wird zwar verlangt, daß er verhältnismäßig einfache und naheliegende, insgesamt also zumutbare Nachforschungen anstellt; diese brauchen jedoch nicht sehr umfangreich sein (Fasching II 621; Knell, Die Kuratoren im österreichischen Recht 68; Rassi in RZ 1996, 215 [218]; SZ 25/10; SZ 38/45; JBl 1980, 267; RIS-Justiz RS0036476).

Um sohin durch eine gehörige Fortsetzung der Klage die Verjährung (weiter) zu unterbrechen, muß daher der Kläger entweder innerhalb der Verjährungszeit einen Zustellantrag stellen oder die Bestellung eines Kurators nach § 116 ZPO beantragen (Rassi aaO 220). Außergerichtliche Erhebungen zur Ermittlung des tatsächlichen Aufenthaltes, die mehr als drei Jahre ab Benachrichtigung vom Zustellanstand in Anspruch nehmen, sind (sofern sie überhaupt ernsthaft betrieben wurden) nach dem Vorgesagten weder notwendig, noch kann in einem derartigen Fall - bei gleichzeitiger prozessualer Untätigkeit - von einer gehörigen Fortsetzung des Verfahrens im Sinne des § 1497 ABGB gesprochen werden.

Die Entscheidung des Berufungsgerichtes entspricht sohin der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, weshalb die Revision der Klägerin wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO unzulässig ist.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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