OGH 1Ob2/52

OGH1Ob2/5216.1.1952

SZ 25/10

Normen

ZPO §115
ZPO §116
ZPO §115
ZPO §116

 

Spruch:

Nach §§ 115, 116 ZPO. muß der Antragsteller die Vergeblichkeit seines Versuches, den Aufenthalt des anderen Teiles zu ermitteln, also seine unverschuldete Unkenntnis des Aufenthaltes dem Gericht bescheinigen.

Kann mit einem positiven Ergebnis einer Anfrage an das polizeiliche Meldeamt nicht gerechnet werden, so muß er hiezu leicht erreichbare Personen, denen der Aufenthalt des Gegners vermutlich bekannt ist, befragen.

Entscheidung vom 16. Jänner 1952, 1 Ob 2/52.

I. Instanz: Bezirksgericht Döbling; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Das Erstgericht hat bei Erledigung der Aufkündigung mit Beschluß vom 27. Oktober 1950 auf Antrag des Klägers den Rechtsanwalt Doktor Raimund M. gemäß § 116 ZPO. zum Kurator für den Beklagten bestellt. Der Kurator hat schon in seinen Einwendungen vorgebracht, daß der Aufenthalt des Beklagten nicht unbekannt sei, Beklagter vielmehr seinen ständigen Aufenthalt in Wien habe, seit 23. 9. 1950 wieder von einer Geschäftsreise zurückgekehrt sei und sogar wiederholt in der gekundigten Wohnung genächtigt habe. Der Kurator sei daher zu Unrecht bestellt worden, weshalb das bisherige Verfahren nichtig sei. Auch der dem Verfahren als Nebenintervenient beigetretene Dr. Karlhans K. brachte vor, der Aufenthalt des Beklagten sei zur Zeit der gerichtlichen Erledigung nicht unbekannt gewesen, vielmehr habe sich der Beklagte in Wien aufgehalten. Auch in der Verhandlung vom 9. Feber 1951 behauptete der Kurator und der Nebenintervenient, daß sich der Beklagte auch schon zur Zeit der Kündigung bzw. auch der Zustellung in Wien befunden habe.

Das Erstgericht hat mit Beschluß vom 9. Feber 1951 die Prozeßeinrede der mangelnden Vertretung der beklagten Partei verworfen (richtig den Antrag auf Nichtigerklärung des Verfahrens abgewiesen).

Das Rekursgericht hat mit Beschluß vom 4. April 1951 u. a. den Rekursen der beklagten Partei und des Nebenintervenienten Folge gegeben, den erstgerichtlichen Beschluß aufgehoben und ausgesprochen, daß der Beschluß vom 27. Oktober 1950 über die Bestellung des Kurators Dr. Raimund M. und das gesamte mit diesem durchgeführte Verfahren einschließlich des Enthebungsbeschlusses, jedoch ausschließlich des Beschlusses über die Bestimmung der Kuratorskosten als nichtig aufgehoben wurde, da nicht bescheinigt worden sei, daß der Aufenthalt des Beklagten unbekannt sei.

Der Oberste Gerichtshof hat diesen Teil der zweitinstanzlichen Entscheidung mit Beschluß vom 20. Juni 1951 aufgehoben und dem Rekursgerichte die neuerliche Entscheidung mit der Begründung aufgetragen, es komme nicht darauf an, ob das Vorliegen der Voraussetzungen für die Bestellung des Kurators bescheinigt worden sei, sondern ob die gesetzlichen Voraussetzungen, nämlich Abwesenheit der Partei und Unkenntnis ihres Aufenthaltes, tatsächlich im Zeitpunkt der Kuratorbestellung erfüllt gewesen seien. Das Rekursgericht hat daraufhin nach Durchführung von Erhebungen mit dem angefochtenen Beschluß wieder den Rekursen Folge gegeben, den erstgerichtlichen Beschluß aufgehoben und das Verfahren im obbezeichneten Umfange für nichtig erklärt und hat in der Begründung ausgeführt, der Beklagte sei allerdings im Zeitpunkt der Kuratorbestellung in Wien anwesend, aber nicht polizeilich gemeldet gewesen, der Kläger hätte aber seine Anschrift durch Befragen des Dr. Karlhans K. erheben können, als er ihn wegen der Postvollmacht befragt habe; da der Beklagte weder abwesend noch sein Aufenthalt wegen der leichten Feststellbarkeit unbekannt gewesen sei, seien die Voraussetzungen für die Bestellung eines Kurators nicht vorgelegen.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Voraussetzung für die Bestellung eines Kurators im Sinne der §§ 115 und 116 ZPO. ist, daß der Aufenthalt der Partei dem Gegner unbekannt ist. Wie sich schon aus der im § 115 ZPO. normierten Bescheinigungspflicht ergibt, genügt es nicht, daß dem Gegner der Aufenthalt der Partei einfach deshalb unbekannt ist, weil er überhaupt nichts unternommen hat, um den Aufenthalt zu ermitteln. Käme es nur auf subjektive Unkenntnis des Gegners an, so wäre dem Mißbrauch der Einrichtung der Zustellung zu Handen eines zu bestellenden Kurators Tür und Tor geöffnet, weil dadurch dem, der gegen einen anderen ein Verfahren einleiten und durchführen lassen will, bei jedem Aufenthaltswechsel, sei es auch nur eine Reise, des Gegners, die Möglichkeit gegeben wäre, einfach für ihn einen Kurator bestellen zu lassen, um ihn auf diese Weise zu verhindern, nur ihm bekannte Einwendungen zu erheben und Beweismittel anzuführen. Daher muß dem Antragsteller im Sinne der §§ 115, 116 ZPO. zugemutet werden, daß er vorerst versucht, den Aufenthalt des anderen Teiles zu ermitteln, und die Vergeblichkeit dieses Versuches, also seine unverschuldete Unkenntnis des Aufenthaltes dem Gericht zu bescheinigen. Eine Verpflichtung, umfangreichere Erhebungen anzustellen, kann dabei allerdings nicht in Frage kommen. In der Regel wird daher eine Anfrage an das polizeiliche Meldeamt des früheren bekannten Aufenthaltsortes genügen. Eine solche kann jedoch insbesondere dann nicht als ausreichend angesehen werden, wenn dem Antragsteller bekannt ist, daß sein Gegner ins Ausland gereist ist, wie dies im vorliegenden Falle nach dem eigenen Vorbringen des Klägers schon in der Kündigung zutrifft. Denn in einem solchen Fall kann mit einem positiven Ergebnis der Anfrage an das Meldeamt von vornherein nicht gerechnet werden. Sind nun Personen, von denen angenommen werden kann, daß ihnen der Aufenthalt des anderen Teiles bekannt ist, z. B. Angehörige, Wohnungsgenossen, Angestellte und dergleichen leicht erreichbar, so kann und muß dem, der die Einleitung und Durchführung eines Verfahrens gegen den anderen in die Wege leiten will, zugemutet werden, vorerst diese Personen zu befragen. Mit Recht ist daher das Rekursgericht der Meinung, daß Kläger den Untermieter des Beklagten, den Dr. Karlhans K., nach dem Aufenthalt des Beklagten hätte fragen sollen, zumal sich der Beklagte zur Zeit der Einbringung und Zustellung der Kündigung in Wien befunden hat und Dr. Karlhans K., dessen Anschrift bekannt war, der Kläger auch wußte, daß zwischen K. und dem Beklagten immerhin ein solches Verhältnis bestanden hat, daß der Beklagte dem Dr. Karlhans K. sogar eine Postvollmacht erteilt hatte. Da der Kläger dies nach den Feststellungen im angefochtenen Beschluß nicht getan hat, also schuldlose Unkenntnis des Aufenthaltes des Beklagten zur Zeit der Kündigung, der sich damals in Wien aufgehalten hat, nicht vorliegt, sind die Voraussetzungen für die Bestellung eines Kurators zur Zeit der Einbringung der Aufkündigung und des Bestellungsantrages, übrigens auch der Entscheidung darüber nicht erfüllt gewesen. Daher ist der angefochtene Beschluß zutreffend und mußte deshalb dem Revisionsrekurs ein Erfolg versagt bleiben.

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