European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E130166
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die mit 688,92 EUR bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens (darin enthalten 114,82 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Die Kläger begehren vom Beklagten, ihnen das Eigentum an jeweils 2/35stel‑Anteilen der Liegenschaft EZ *, KG *, bestehend aus den Grundstücken * (in der Folge: Alpe) durch dessen grundbücherliche Einverleibung einzuräumen.
[2] Sie brachten dazu in der Klage vor, dass diese Alpe eines von mehreren Grundstücken sei, die zur Liegenschaft EZ *, KG *, einer sogenannten „Stammsitzliegenschaft“ gehöre. Mit Übergabevertrag vom 24. 2. 1995 hätten C* und J* die Stammsitzliegenschaft – dies mit Ausnahme mehrerer Grundstücke und Liegenschaftsanteile – den Klägern je zur Hälfte als Eigentum übergeben. Ausdrücklich nicht mit übergeben worden seien die je 8/140‑Anteile von C* und J* an der Alpe. Bei diesen Anteilen handle es sich jedoch nach einem Erkenntnis der Agrarlandesbehörde aus dem Jahr 1923 um gebundene Anteilsrechte, die mit dem Eigentum an einer Stammsitzliegenschaft verbunden seien. Derartige Anteile hätten daher nicht mehr abgesondert werden dürfen. Es handle sich dabei um dingliche Rechte im weiteren Sinn, die selbst im Fall des Eigentümerwechsels der Stammsitzliegenschaft bei dieser verblieben.
[3] C* sei am 18. 9. 1995 verstorben. Seine 8/140‑Anteilsrechte seien an die Witwe J* übertragen worden, wodurch diese Eigentümerin von 16/140‑Anteilen an der Alpe geworden sei. J* sei am 20. 2. 2018 verstorben. Ihre 16/140‑Anteile seien dem Beklagten als Alleinerben übertragen und zu 4/35‑Anteilen zusammengezogen worden. Die ursprüngliche Zurückbehaltung dieser Anteile an der Alpe im Übergabevertrag vom 24. 2. 1995 sei rechtsirrtümlich erfolgt. In der Folge sei der mit dem Übergabevertrag vom 24. 2. 1995 erzeugte Rechtsmangel nicht saniert worden. Da die Kläger Eigentümer der Stammsitzliegenschaft seien, seien die 4/35‑Anteile an der Alpe zur Sanierung dieses Mangels an sie zu übertragen, weil das Anteilsrecht bei der Stammsitzliegenschaft verbleiben müsse.
[4] Der Beklagte wandte insbesondere die Unzulässigkeit des Rechtswegs ein, weil der Übergabevertrag aus dem Jahr 1995 sowohl grundverkehrsbehördlich als auch agrarbehördlich genehmigt worden sei. Die Beurteilung der Zulässigkeit der Übertragung von land‑ und forstwirtschaftlichen Flächen sei grundsätzlich eine Verwaltungsangelegenheit.
[5] Das Erstgericht wies die Klage nach Durchführung einer Verhandlung wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurück. Bei der Agrargemeinschaft *alpe handle es sich um eine nicht regulierte Agrargemeinschaft im Sinn des Salzburger Flurverfassungs‑Landesgesetzes 1973, Sbg LGBl 1973/1 (FLG 1973). Streitigkeiten über den Bestand von Nutzungsrechten im Sinn agrarrechtlicher Bestimmungen seien an die Agrarbehörden verwiesen. Auch die Frage, ob die Zurückbehaltung der Miteigentumsanteile an der Alpe im Zuge der Übergabe der Stammsitzliegenschaft an die Kläger zulässig gewesen sei, sei von der zuständigen Verwaltungsbehörde zu entscheiden.
[6] Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Kläger nicht Folge. Die Agrarbehörde sei auch zur Prüfung der Eigentumsverhältnisse in der Vergangenheit berufen. Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der Revisionsrekurs zulässig sei. Der Beklagte habe die Miteigentumsanteile an der Alpe im Erbweg erlangt, wozu eine agrarbehördliche Bewilligung nach der Rechtsprechung nicht erforderlich sei. Es stelle sich daher die Frage, ob auch in einem solchen Fall von der Agrarbehörde zu entscheiden sei, ob die Verstorbene (Erblasserin) zu einem früheren Zeitpunkt überhaupt rechtswirksam Eigentum an den Anteilen durch „Zurückbehaltung“ erhalten habe.
Rechtliche Beurteilung
[7] Dagegen richtet sich der vom Beklagten beantwortete Revisionsrekurs der Kläger, mit dem diese die Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen und die Einleitung des Verfahrens über ihr Klagebegehren begehren.
[8] Der Revisionsrekurs ist im Hinblick ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruchs nicht zulässig.
[9] 1.1 Ob die Zivilgerichte zur Entscheidung berufen sind, also der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten zulässig ist, hängt in erster Linie davon ab, ob ein bürgerlich‑rechtlicher Anspruch im Sinne des § 1 JN erhoben wird (RIS‑Justiz RS0045584 [T32]; RS0045644 [T12]).
[10] 1.2 Die Kläger begehren die Übertragung des Eigentums an Anteilen einer Liegenschaft. Fragen nach dem (Mit‑)Eigentum an einer Liegenschaft betreffen zweifellos das Privatrecht (3 Ob 185/14y; 8 Ob 58/11d; vgl allgemein zur Charakterisierung privatrechtlicher Ansprüche: RS0045438).
[11] 1.3 Wird wie hier ein bürgerlich‑rechtlicher Anspruch geltend gemacht, ist zu prüfen, ob dieser nicht durch Gesetz ausdrücklich vor eine andere Behörde verwiesen wird (§ 1 JN; RS0045584 [T32]; RS0005896 [T28]). Soll von der Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte eine Ausnahme geschaffen werden, muss sie in dem dafür erforderlichen „besonderen Gesetz“ klar und unzweideutig zum Ausdruck gebracht werden (RS0045474). Im Zweifel müssen bürgerliche Rechtssachen gemäß § 1 JN mangels ausdrücklicher anderer Anordnung durch die ordentlichen Gerichte entschieden werden (RS0045456).
[12] 1.4 Bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs sind der Anspruch, der im Klagebegehren geltend gemacht wird, und der Klagesachverhalt (die Klagsbehauptungen) maßgebend (vgl RS0045584 [T71]; RS0045718 [T30]). Nicht entscheidend ist, ob das Begehren auch berechtigt ist und was der Beklagte dagegen inhaltlich einwendet. Darüber ist erst in der Sachentscheidung abzusprechen (RS0045491).
[13] 2. Die Kläger berufen sich in der Klage darauf, dass die im Übergabevertrag vom 24. 2. 1995 ausdrücklich nicht mit übergebenen und nunmehr im bücherlichen Eigentum des Beklagten befindlichen Liegenschaftsanteile aufgrund eines Erkenntnisses der Agrarbehörde aus dem Jahr 1923 nicht von der jeweils zur Hälfte in ihrem Eigentum stehenden „Stammsitzliegenschaft“ abgesondert hätten werden dürfen. Dieser mit dem Übergabevertrag erzeugte Rechtsmangel sei nicht saniert worden. Im Revisionsrekurs führen die Kläger weiters aus, dass die Übertragung im Erbweg einer Überprüfung durch die Agrarbehörde im Sinne des § 38 FLG 1973 entzogen sei, woraus sich die Zulässigkeit des Rechtswegs im vorliegenden Fall ergebe.
[14] Dem kommt nach dem Vorbringen der Kläger in der Klage und im Hinblick auf die klare Regelung des § 106 Abs 1 FLG 1973 keine Berechtigung zu:
[15] 3.1 Neben der allgemeinen Zuständigkeit der Agrarbehörde (§ 89 FLG 1973) und ihrer Zuständigkeit im Zusammenlegungs‑, Flurbereinigungs‑, Teilungs‑ oder Regulierungsverfahrens (§ 90 FLG 1973) normiert § 106 FLG 1973 weitere Zuständigkeiten der Agrarbehörde. § 106 Abs 1 FLG 1973 lautet:
„(1) Der Agrarbehörde steht auch außerhalb eines Verfahrens nach § 90 die Entscheidung über die Frage zu, ob in einem gegebenen Falle eine Agrargemeinschaft im Sinne dieses Gesetzes vorhanden ist, auf welches Gebiet sie sich erstreckt, wer Eigentümer der agrargemeinschaftlichen Grundstücke ist, ferner die Entscheidung über den Bestand oder Nichtbestand sowie den Umfang von Anteilsrechten an agrargemeinschaftlichen Grundstücken und über die Frage, ob Gemeindegut oder Gemeindevermögen vorliegt.“
[16] 3.2 § 106 Abs 1 FLG 1973 normiert daher auch die Kompetenz der Agrarbehörde zur Klärung der Frage nach dem Eigentümer agrargemeinschaftlicher Grundstücke als selbständige Hauptfrage. Die Übertragung der Entscheidung der Frage des Eigentums an die Agrarbehörde besteht ohne jede zeitliche Einschränkung, daher auch für die Vergangenheit (3 Ob 185/14y, 1 Ob 101/15g, beide jeweils zur vergleichbaren Bestimmung des § 73 lit c Tiroler Flurverfassungslandesgesetz 1996, TFLG 1996). Dies entspricht der Intention des Gesetzesgebers zur Bodenreform, alle agrargemeinschaftlichen Angelegenheiten weitestgehend aus der gerichtlichen Kompetenz herauszuhalten (RS0013174 [T2]).
[17] 3.3 Die Kläger sprechen mit ihrem Begehren– ungeachtet der behaupteten späteren Übertragung der hier strittigen Liegenschaftsanteile auf den Beklagten im Erbweg – die Entscheidung über das Eigentum an agrargemeinschaftlichen Grundstücken an, die ausschließlich der Agrarbehörde obliegt. Im Ergebnis streben die Kläger mit ihrer Klage die Korrektur des Übergabevorgangs nach dem Übergabevertrag aus dem Jahr 1995 an (vgl 1 Ob 101/15g). Die Vorinstanzen haben daher zutreffend die Zulässigkeit des Rechtswegs im konkreten Fall verneint.
[18] Der Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen.
[19] Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Der Beklagte hat auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen.
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