OGH 1Ob153/20m

OGH1Ob153/20m24.9.2020

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M* W*, vertreten durch Dr. Herbert Hubinger, Rechtsanwalt in Kirchdorf an der Krems, gegen die beklagte Partei K* GmbH, *, vertreten durch Dr. Gerhard W. Huber, LL.M., Rechtsanwalt in Linz, und die Nebenintervenientin auf Seite der beklagten Partei Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 30.000 EUR sA, über den Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 12. März 2020, GZ 4 R 14/20m‑16, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Wels vom 16. Dezember 2019, GZ 3 Cg 6/19w‑8, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E129704

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.883,16 EUR (darin 313,86 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Der Lebensgefährte der Klägerin kam durch Selbstmord ums Leben. Er befand sich zunächst wegen Depressionen und verschiedener Schmerzzustände von Anfang August 2017 bis 10. 9. 2017 in stationärer Behandlung an der psychiatrischen Abteilung der von der beklagten GmbH betriebenen Krankenanstalt. Am 10. 9. 2017 wurde er auf eigenen Wunsch entlassen. Bereits am 12. 9. 2017 wurde er nach Überweisung seines Hausarztes neuerlich an der psychiatrischen Abteilung der Beklagten vorstellig und stationär aufgenommen. Gegen Mittag des 15. 9. 2017 verließ er das Krankenhaus und verübte anschließend außerhalb des Krankenhausgeländes Suizid.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Zahlung von 30.000 EUR (davon 15.000 EUR an Trauerschmerzengeld und 15.000 EUR an noch nicht näher konkretisierten Kosten für die Wohnraumschaffung). Am 12. 9. 2017 seien eindeutige Anzeichen einer akuten Selbstmordgefährdung ihres Lebensgefährten und damit die Voraussetzungen einer Einweisung nach § 3 UbG vorgelegen. Diese Voraussetzungen seien in Anbetracht einer Verschlechterung des Zustands nie weggefallen. Durch jede Art der räumlichen Beschränkung hätte sich ihr Lebensgefährte nicht unbeobachtet aus der Klinik entfernen können und wäre der Selbstmord zu verhindern gewesen. Der Selbstmord sei auch auf eine offenbar familiär prädisponierte, Schilddrüsenproblematik, die enorme Schmerzen ausgelöst habe und von der Beklagten nicht behandelt worden sei, zurückzuführen. Trotz mehrmaliger Aufforderung und Intervention durch die Mutter des Verstorbenen, die jahrelang an denselben Symptomen gelitten habe und bei der Anfang 2017 eine Schilddrüsenerkrankung (Adenom) festgestellt und in der Folge erfolgreich behandelt worden sei, sei eine nähere Abklärung der Schilddrüsenproblematik (durch Ultraschall oder Szintigrafie) regelmäßig abgelehnt worden.

Die Beklagte wandte im Wesentlichen ein, sämtliche Behandlungsschritte seien maßvoll, zeitgerecht und lege artis erfolgt. Die Voraussetzungen für eine Unterbringung im geschlossenen Bereich der Psychiatrie seien weder bei der freiwilligen Aufnahme am 12. 9. 2017 noch am Tag seines Ablebens vorgelegen. Beim Lebensgefährten der Klägerin seien vier Mal das für die Schilddrüsenfunktion verantwortliche Hypophysenhormon, zwei Mal die gesamten Schilddrüsenhormone und ein Mal auch Schilddrüsenantikörper gemessen worden. In allen Fällen seien die Ergebnisse im Normbereich gelegen, sodass ein relevantes Adenom ausgeschlossen werden habe können, ein Ultraschall nicht sinnvoll und eine Szintigrafie nicht indiziert gewesen sei.

Die Nebenintervenientin trat nach Abschluss des Rekursverfahrens dem Verfahren auf Seite der Beklagten bei.

Das Erstgericht wies die Klage unter Nichtigerklärung des Verfahrens ab Anordnung der Klagszustellung unter Bezugnahme auf § 9 Abs 5 AHG wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurück. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, dessen Auffassung der Oberste Gerichtshof gebilligt habe (2 Ob 25/97h; 1 Ob 247/98z), sei eine in eine Anstalt eingelieferte Person in die Anstalt „aufgenommen“, sobald sie durch Anstaltspersonal Einschränkungen ihrer Bewegungsfreiheit unterworfen werde. Wenn die Klägerin der Beklagten vorwerfe, sie hätte die Freiheit des Patienten wegen Suizidgefahr beschränken müssen, werfe sie dieser unterlassenes hoheitliches Handeln vor.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Klägerin Folge, hob den angefochtenen Beschluss auf und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund auf. Rechtlich führte es aus, die Unterbringung nach dem Unterbringungsgesetz sei der Hoheitsverwaltung des Bundes zuzuordnen. Die Entscheidungsträger und das mit der Durchführung beauftragte Pflegepersonal handelten als Organe des Bundes. Für die durch ihre Fehlentscheidungen oder ihr Fehlverhalten verursachten Schäden hafte der Bund im Rahmen der Amtshaftung. Davon umfasst sei der gesamte Prozess der Unterbringung, also sowohl die sicherheitspolizeilichen Zwangsakte im Vorfeld der Unterbringung einschließlich der ärztlichen Bescheinigung gemäß § 8 UbG, die Durchführung der Aufnahmeuntersuchung in der Anstalt, Entscheidungen der Anstaltsorgane über die Aufhebung bzw Unterlassung der Unterbringung sowie der Vollzug der Unterbringung. Nach den Sachverhalten der vom Erstgericht zitierten höchstgerichtlichen Entscheidungen seien dort vor der Aufnahme bereits sicherheitspolizeiliche Zwangsakte vorgelegen. Hier sei nach dem Klagevorbringen aber eine freiwillige Aufnahme und Behandlung an der psychiatrischen Abteilung erfolgt. Unterliege ein „psychiatrischer Patient“ keinen Beschränkungen der Bewegungsfreiheit im Sinn des § 2 UbG, sei er auch nicht „untergebracht“. Gemäß § 11 Z 1 UbG sei § 10 UbG sinngemäß anzuwenden, wenn bei einem sonst in die psychiatrische Abteilung aufgenommenen, in seiner Bewegungsfreiheit nicht beschränkten Kranken Grund für die Annahme besteht, dass die Voraussetzungen für die Unterbringung vorliegen. § 11 Z 1 UbG betreffe daher Patienten, die freiwillig und ohne Beschränkung der Bewegungsfreiheit in der psychiatrischen Abteilung stationär behandelt werden, „bei denen die Freiwilligkeit des Aufenthalts oder der Behandlung wegfällt“ und Grund für die Annahme besteht, dass die Unterbringungsvoraussetzungen im Sinn des § 3 UbG vorliegen. Nach dem Vorbringen der Klägerin habe ihr Lebensgefährte freiwillig die psychiatrische Abteilung aufgesucht und um stationäre Aufnahme gebeten. Diese Freiwilligkeit sei zu keinem Zeitpunkt des Aufenthalts weggefallen. Es seien weder eine Anhaltung in der geschlossenen psychiatrischen Abteilung noch sonstige Maßnahmen zur Beschränkung der Bewegungsfreiheit des Patienten angeordnet worden. Aufgrund des Umstands, dass beim Lebensgefährten der Klägerin „die Freiwilligkeit während seines stationären Aufenthalts nicht weggefallen“ sei „und somit eine Behandlungsalternative“ bestanden habe, sei kein Fall des § 11 UbG vorgelegen. Der gegenständliche Fall bewege sich außerhalb der Grenze des Unterbringungsgesetzes, sodass eine Amtshaftung wegen hoheitlichen Unterlassens zu verneinen sein.

Darüber hinaus sei eine Haftung des Bundes aber auch insofern zu verneinen, als der Beklagten nach dem Klagsvorbringen ein sorgfaltswidriges Verhalten dahin vorgeworfen werde, dass diese die Schilddrüsenproblematik des Verstorbenen nicht behandelt habe. Der Selbstmord sei demnach auch durch die enormen Schmerzen, die auf eine Schilddrüsenerkrankung zurückzuführen seien, hervorgerufen worden. Die Beklagte habe trotz mehrmaliger Aufforderung und Intervention durch die Mutter des Verstorbenen eine nähere Abklärung regelmäßig abgelehnt. Wenn die Beklagte den Hinweisen der Mutter des Verstorbenen pflichtgemäß nachgegangen wäre, hätte mit hoher Wahrscheinlichkeit eine ähnliche Grunderkrankung wie bei der Mutter diagnostiziert und in der Folge behandelt werden können. Damit werfe die Klägerin der Beklagten einen Behandlungsfehler, der für die Schäden ursächlich sei, vor. Dabei handle es sich um einen klar vom Unterbringungsgesetz und somit einen von hoheitlichem Handeln bzw Unterlassen abzugrenzenden Fall, weil sich das Rechtsverhältnis auf einen zivilrechtlichen Behandlungsvertrag gründe. Schon alleine deshalb komme eine Zurückweisung der Klage nicht in Betracht.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil zur Frage des hoheitlichen Handelns bzw Unterlassens im Zusammenhang mit einem Patienten, der sich freiwillig in die psychiatrische Abteilung begeben habe und sich dort behandeln lasse (§ 11 UbG), höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.

Rechtliche Beurteilung

Der – nach Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung des Rechtsmittels – rechtzeitige Revisionsrekurs der Beklagten, der von der Klägerin beantwortet wurde, ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig. Er ist im Ergebnis jedoch nicht berechtigt.

1.1. Die Klägerin war die Lebensgefährtin des Mitte September 2017 durch Selbstmord Verstorbenen. Sie macht gegenüber der Beklagten zwei Anspruchsgrundlagen geltend:

Einerseits behauptet sie ein sorgfaltswidriges Verhalten der beklagten Krankenanstalt, weil die Schilddrüsenproblematik des Verstorbenen nicht behandelt worden sei. Der Selbstmord sei durch die enormen Schmerzen, die auf eine Schilddrüsenerkrankung zurückzuführen seien, hervorgerufen worden. Die extremen Schmerzen und depressiven Zustände ihres Lebensgefährten seien auch Folge dieser Fehlbehandlung gewesen.

Andererseits macht sie geltend, ihr Lebensgefährte habe beim zweiten Klinkaufenthalt ab 12. 9. 2017 an extremen Schmerzen gelitten, sei zittrig und weiß im Gesicht gewesen, habe neben sich gestanden und sei völlig getrieben gewesen. Er habe wiederholt geäußert, Suizid begehen zu wollen. Ihr Lebensgefährte habe in einem massiv verschlechterten Zustand – zwei Tage nach seiner Entlassung – zum eigenen Schutz wiederum die psychiatrische Abteilung der Beklagten aufgesucht. Zu dieser Zeit hätten die Voraussetzungen für seine Unterbringung im geschlossenen Bereich der Psychiatrie vorgelegen. Seine Krankheitseinsichtigkeit sei nicht gegeben gewesen, weil im Vordergrund die zu diesem Zeitpunkt nicht abgeklärten Symptome der Grunderkrankung gestanden seien. Bei vorschriftsmäßiger Unterbringung in der geschlossenen Abteilung, jedenfalls auch bei ordnungsgemäßer Überwachung, hätte es nicht dazu kommen können, dass sich ihr Lebensgefährte unbeobachtet aus dem Krankenanstaltenareal entferne und außerhalb das Leben nehme. Von dieser Möglichkeit habe die Beklagte pflichtwidrig keinen Gebrauch gemacht, obwohl die Voraussetzungen der Unterbringung vorgelegen seien und durch einfache Maßnahmen der Einschränkung der Bewegungsfreiheit der Suizid verhindert hätte werden können.

1.2. Beide Anspruchsgrundlagen sind getrennt zu beurteilen. Die Klägerin macht unterschiedliche Klagegründe – also unterschiedliche rechtserzeugende Tatsachen – geltend, wobei jeder dieser Klagegründe für sich dem Urteilsbegehren zum Erfolg verhelfen könnte.

1.3. Damit liegt aber kein einheitlicher Sachverhalt vor, sondern die Klägerin bringt unterschiedliche rechtserzeugende Tatsachen zu verschiedenen Rechtsgründen vor, die zum Zuspruch des Urteilsbegehrens führen sollen. Sie macht damit in einer einzigen Klage mehrere Ansprüche geltend, die alle auf ein und dasselbe Ziel gerichtet sind (Anspruchs‑ oder Realkonkurrenz, auch „kumulierte Klagenhäufung“; RIS‑Justiz RS0037814 [T1]; 4 Ob 154/12v mwN = SZ 2012/106).

2.1. Der Lebensgefährte der Klägerin wurde am 12. 9. 2017 nach Überweisung seines Hausarztes auf der psychiatrischen Abteilung des Krankenhauses der Beklagten stationär aufgenommen. Aneiner psychiatrischen Abteilung ist grundsätzlich das UbG anwendbar (näher dazu Kopetzki, Grundriss des Unterbringungsrechts3 [2012] Rz 35 [3.]; vgl § 2 UbG). Unterliegt ein psychiatrischer Patient keinen Beschränkungen der Bewegungsfreiheit im Sinn des § 2 UbG, dann ist er auch nicht „untergebracht“. Das UbG spricht in diesem Zusammenhang von einem „sonst in die psychiatrische Abteilung aufgenommenen, in seiner Bewegungsfreiheit nicht beschränkten“ Patienten (§ 11 Z 1 UbG). Seine Rechtstellung ist nicht nach UbG, sondern nach den für alle anderen Anstaltspatienten geltenden Rechtsgrundlagen (Krankenanstalten‑ und Kuranstaltengesetz, Zivilrecht) zu beurteilen. Das Rechtsverhältnis gründet sich in diesem Fall regelmäßig auf einen zivilrechtlichen Behandlungsvertrag mit dem Anstaltsträger. Der Eintritt muss – was von der Klägerin behauptet wird – dabei freiwillig sein; Zwangsbefugnisse bestehen nicht (Kopetzki aaO Rz 27; für die Geltung der „zivilrechtlichen Regeln der Krankenhausaufnahme“ und des Behandlungsvertrags auch Halmich, Unterbringungsgesetz [2014] § 11 Anm 1).

2.2. Wenn die Klägerin der Beklagten als sorgfaltswidriges Verhalten vorwirft, dass diese die Schilddrüsenproblematik ihres Lebensgefährten nicht behandelt habe, beruft sie sich auf einen Behandlungsfehler. Sie stützt sich damit auf die Verletzung des Behandlungsvertrags zwischen ihrem Lebensgefährten und der Beklagten, der – worauf das Rekursgericht zutreffend hinweist – keinen relevanten Zusammenhang mit der ebenfalls behaupteten (pflichtwidrigen) Unterlassung einer Unterbringung aufweist. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine Lebensgefährtin des Patienten, wenn die Lebensgemeinschaft aufrecht ist und keine Hinweise auf eine bereits eingetretene Entfremdung bestehen, zum Kreis der von einem Behandlungsvertrag geschützten Dritten zählt (8 Ob 127/02p = SZ 2002/110; 4 Ob 176/19i [2.2]). Soweit sie ihr Schadenersatzbegehren gegen den Träger der Krankenanstalt auf die unterbliebene Abklärung und Behandlung der Schilddrüsenproblematik gründet, ist der Rechtsweg daher zulässig.

3.1. Der Amtshaftung unterliegen die mit dem Vollzug einer Unterbringung zusammenhängenden Beschränkungen und Behandlungen (zuletzt 1 Ob 220/19p mwN). Ein passives Organverhalten (Unterlassung) ist rechtswidrig, wenn und soweit eine (hoheitliche) Handlungspflicht bestand und pflichtgemäßes Handeln den Schaden verhindert hätte (RS0081378 [T3]). Voraussetzung für die Haftung ist, dass eine von Amts wegen zu treffende Maßnahme schuldhaft nicht gesetzt wurde (vgl RS0081378 [T12]). Die Unterbringung suizidgefährdeter Personen hat den Erfordernissen einer nach medizinischen Kenntnissen fachgerechten Überwachung bzw den Standards der Suizidprävention zu entsprechen, wobei entscheidend ist, ob die Gefahr für ein fachkundiges (§ 1299 ABGB; vgl RS0026514) Krankenhauspersonal naheliegend und vorhersehbar ist (1 Ob 220/19p mwN).

In Abkehr von älterer Rechtsprechung (RS0115014) judiziert der Fachsenat seit der Entscheidung zu 1 Ob 176/08a (= SZ 2009/30), dass auch für Klagen gegen juristische Personen des Privatrechts, die für hoheitliches Handeln in Pflicht genommen oder beliehen wurden – ebenso wie für Klagen gegen physische Personen als Organe – der Rechtsweg gemäß § 9 Abs 5 AHG unzulässig ist (RS0124590).

3.2. Die Klägerin behauptet eine rechtswidrige Unterlassung der zuständigen Ärzte der Beklagten, weil sich ihr Lebensgefährte – ohne in seiner Bewegungsfreiheit beschränkt zu sein – bereits in stationärer psychiatrischer Anstaltspflege befunden hat und in der Folge rechtswidrig, trotz Erfüllung der Voraussetzungen für eine Unterbringung nicht in einem „geschlossenen Bereich“ untergebracht worden sei und er daher Suizid begehen habe können. Wie bereits dargelegt, handelt es sich bei der psychiatrischen Abteilung, auf der der Lebensgefährte der Klägerin behandelt wurde, um eine Abteilung für Psychiatrie im Sinn des § 2 UbG.

Nach § 11 Z 1 UbG ist § 10 UbG (ua Untersuchung durch den Abteilungsleiter; Erstellung eines ärztlichen Zeugnisses über die Voraussetzungen der Unterbringung) sinngemäß anzuwenden, wenn bei einem sonst in die psychiatrische Abteilung aufgenommenen, in seiner Bewegungsfreiheit nicht beschränkten Kranken Grund für die Annahme besteht, dass die Voraussetzungen der Unterbringung vorliegen. § 11 UbG regelt die zwangsweise Aufnahme von Patienten, die sich bereits in der psychiatrischen Abteilung befinden, ohne dorthin unter Mitwirkung bestimmter Ärzte und der Sicherheitsbehörden (§§ 8 und 9 UbG) gebracht worden zu sein. Z 1 leg cit betrifft diejenigen Kranken, die sich freiwillig – ohne allerdings ein Verlangen auf Unterbringung gestellt zu haben – in eine Anstalt begeben haben und daher bisher keinen Einschränkungen ihrer Bewegungsfreiheit unterworfen worden sind. Ergeben sich bei einem solchen Kranken im Verlauf des Anstaltsaufenthalts Hinweise auf die Notwendigkeit einer Unterbringung, so ist, wenn der Kranke kein Verlangen auf Unterbringung (§§ 4 ff UbG) stellt, eine Aufnahmeuntersuchung nach § 10 UbG vorzunehmen (JAB 1202 BlgNR 17. GP 6).

Entgegen der Ansicht des Rekursgerichts ist der Umstand, dass beim Lebensgefährten der Klägerin „die Freiwilligkeit während seines stationären Aufenthalts nicht weggefallen ist“ keine Tatbestandsvoraussetzung des § 11 Z 1 UbG. Dass eine Behandlungsalternative bestanden hätte (so das Rekursgericht weiter), brachte die Klägerin im Zusammenhang mit der behaupteten pflichtwidrigen Unterlassung der Unterbringung gerade nicht vor. Nach § 3 UbG darf in einer psychiatrischen Abteilung nur untergebracht werden, wer an einer psychiatrischen Krankheit leidet und im Zusammenhang damit sein Leben oder seine Gesundheit oder das Leben oder die Gesundheit anderer ernstlich und erheblich gefährdet (Z 1) und nicht in anderer Weise, insbesondere außerhalb einer psychiatrischen Abteilung, ausreichend ärztlich behandelt oder betreut werden kann (Z 2). Der Wegfall der Freiwilligkeit während des stationären Aufenthalts wird auch hier nicht erwähnt. Dieser ist nur die Konsequenz aus dem pflichtgemäßen Handeln der Ärzte der psychiatrischen Abteilung nach § 11 Z 1 UbG, hat doch bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 11 Z 1 UbG die „Umwandlung“ in die zwangsweise Unterbringung zu erfolgen. Dieser Fall betrifft jene Kranken, die sich freiwillig – ohne ein Verlangen auf Unterbringung gestellt zu haben (wie nach den Behauptungen der Klägerin ihr Lebensgefährte) – in einer psychiatrischen Anstalt bzw Abteilung aufhalten und daher bisher keinen Beschränkungen unterliegen, in der Folge jedoch Beschränkungen unterworfen werden sollen (Kopetzki aaO Rz 284).

Die von der Klägerin behauptete Unterlassung des Abteilungsleiters der Beklagten in der psychiatrischen Abteilung, der entgegen den Voraussetzungen des § 11 Z 1 UbG keine Veranlassung gesehen hätte, das dort vorgesehene Verfahren auf der eigenen Station einzuleiten (vgl § 10 UbG), betrifft bereits den hoheitlichen Aufgabenbereich. Sowohl die Durchführung des ersten Schritts in Verfahren nach § 11 Z 1 UbG als auch die pflichtwidrige Entscheidung, trotz Vorliegens der Voraussetzungen für eine Unterbringung davon abzusehen, gehören bereits zum Unterbringungsverfahren. Ab dem Zeitpunkt, ab dem es objektiv geboten wäre, einen nicht in seiner Bewegungsfreiheit beschränkten Patienten dahin zu untersuchen, ob die Voraussetzungen für die Unterbringung vorliegen und darüber ein ärztliches Zeugnis auszustellen (§ 10 Abs 1 UbG), tritt der Abteilungsleiter, worunter das UbG ganz allgemein den „mit der Führung der Abteilung betrauten Arzt bzw seinen Vertreter“ versteht (§ 4 Abs 2 leg cit; 7 Ob 237/11w mwN = RS0127984), in eine hoheitliche Funktion. In dieser Funktion ist er dazu berufen, die gesetzlich vorgesehenen Schritte im Verfahren zur Unterbringungzu setzen.

3.3. Die beklagte GmbH als Betreiberin der Krankenanstalt ist aber im Zusammenhang mit der Durchführung der Aufnahmeuntersuchung und der Entscheidung über die Unterbringung eines Patienten nach den Normen des UbG, deren pflichtwidrige Unterlassung die Klägerin behauptet, nicht selbst Organ. Entscheidungsträger und damit Organ des Bundes (Art 10 Abs 1 Z 12 B‑VG) ist nach dem klaren Gesetzeswortlaut vielmehr der Abteilungsleiter bzw sein Stellvertreter (§ 4 Abs 2 UbG; vgl auch Ganner in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG II Vor §§ 1 ff UbG Rz 44 f; 1 Ob 4/94). Der Abteilungsleiter hat die betroffene Person unverzüglich zu untersuchen und darf sie nur aufnehmen, wenn nach seinem ärztlichen Zeugnis die Voraussetzungen der Unterbringung vorliegen (§ 10 Abs 1 UbG). Er hat den aufgenommenen Kranken auch ehestens über die Gründe der Unterbringung zu unterrichten (§ 10 Abs 2 UbG). Die Betreiberin des Krankenhauses ist bei Einleitung des Unterbringungsverfahrens kein Organ im weiten Sinn, auch wenn der Kranke bei einer (tatsächlich stattfindenden) Unterbringung in keinem privatrechtlichen Verhältnis zu ihr steht (1 Ob 4/94; Schragel, AHG3 Rz 110; vgl Ganner aaO Rz 46). Ist die Beklagte aber im Zusammenhang mit der ihr von der Klägerin angelasteten pflichtwidrigen Unterlassung der Unterbringung ihres Lebensgefährten keine – gesetzlich – in die Pflicht genommene juristische Person und hat sie nicht die Stellung eines Organs im Sinn des § 1 Abs 2 AHG, ist der Rechtsweg für die Schadenersatzklage zulässig.

Im Ergebnis hat daher das Rekursgericht auch insoweit dem Erstgericht zutreffend die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

4. Dem Revisionsrekurs kommt demnach keine Berechtigung zu.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 und 50 ZPO. Der Klägerin gebührt Kostenersatz gemäß TP 3C RATG zuzüglich 50 % Einheitssatz (§ 23 Abs 3 RATG), aber kein Streitgenossenzuschlag (vgl § 15 RATG), steht sie doch im Revisionsrekursverfahren nur der Beklagten gegenüber.

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