European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E127204
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Die Antragstellerin (Mieterin) errichtete mit Zustimmung der Antragsgegnerin (Vermieterin) auf eigene Kosten einen rund 40 m² großen Zubau zu ihrem Mietobjekt. Mit der diesen Zubau regelnden Ergänzung zum Mietvertrag vereinbarten die Streitteile (ua) auch eine der Nutzflächenvergrößerung entsprechende Erhöhung des Hauptmietzinses.
2. Gegenstand dieses Verfahrens sind die – auf § 27 Abs 1 Z 5 MRG (1.) und § 16 MRG (2.) gestützten – Anträge der Antragstellerin auf 1. Rückzahlung der gemäß § 27 MRG zu viel bezahlten Mietzinsbeträge und 2. Feststellung, um welchen Betrag die Antragsgegnerin durch die Mietzinsvorschreibung das gesetzliche Zinsausmaß überschritten hat.
3.1. § 27 Abs 1 Z 5 MRG verbietet Vereinbarungen, in denen der Vermieter oder der frühere Mieter sich oder einem anderen gegen die guten Sitten Leistungen versprechen lässt, die mit dem Mietvertrag in keinem unmittelbaren Zusammenhang stehen. Diese Verbotsnorm ist als Generalklausel zu den in Z 1 bis 4 des § 27 Abs 1 MRG erfassten Sonderfällen gesetzlich verpönter Vereinbarungen konzipiert. Ob eine Vereinbarung, in der sich der Vermieter eine mit dem Mietvertrag in keinem unmittelbaren Zusammenhang stehende Leistung versprechen lässt, im Sinn der genannten Verbotsnorm sittenwidrig ist, kann immer nur unter Bedachtnahme auf den mit dem Verbot bestimmter Vereinbarungen insgesamt verfolgten Zweck des § 27 MRG beurteilt werden (RS0079716). Es geht typischerweise etwa darum, dass der Vermieter die Zwangssituation des Mieters zu seinen Gunsten nutzt (vgl 5 Ob 44/19k [Zustimmung zum Mieterwechsel]).
3.2. Ob eine Vereinbarung im Sinn der Verbotsnorm des § 27 Abs 1 Z 5 MRG sittenwidrig ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Eine solche Einzelfallentscheidung ist vom Obersten Gerichtshof nur dann überprüfbar, wenn im Interesse der Rechtssicherheit eine auffallende Fehlbeurteilung des Rekursgerichts korrigiert werden müsste (RS0044088; RS0042405).
3.3. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, die zwischen den Parteien getroffene Vereinbarung der Zahlung eines zusätzlichen Mietzinses für den Zubau, den die Antragstellerin mit Zustimmung der Antragsgegnerin auf eigenen Wunsch und auf eigene Kosten errichtet hat, stehe im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Mietvertrag und sei auch nicht sittenwidrig und daher nicht nach § 27 Abs 1 Z 5 MRG verboten, ist keine solche aufzugreifende Fehlbeurteilung (vgl etwa auch 5 Ob 213/15g [gesondertes Entgelt nach § 25 MRG für eine vom Mieter errichtete Terrasse]). Zwar hatte sich die Antragstellerin zu einer umfassenden Schad- und Klagloshaltung der Antragsgegnerin zu verpflichten und auf Ersatzansprüche zu verzichten. Aber weder ist hier von einer Zwangssituation des Mieters auszugehen, noch mangelt es an einer Gegenleistung der Antragsgegnerin. Nicht nur, dass sie die Inanspruchnahme ihrer Liegenschaft und deren bauliche Veränderung gestattete, es treffen sie auch in Bezug auf den Zubau die unabdingbaren Pflichten der Erhaltung nach § 3 MRG und des Investitionsersatzes nach § 10 MRG.
4.1. Den Antrag auf Überprüfung der Angemessenheit des Hauptmietzinses nach § 37 Abs 1 Z 8 MRG iVm § 16 MRG wiesen die Vorinstanzen wegen Verfristung der Anfechtung ab.
4.2. Nach § 16 Abs 8 MRG sind Mietzinsvereinbarungen insoweit unwirksam, als der vereinbarte Hauptmietzins den nach Abs 1 bis 7 zulässigen Höchstbetrag überschreitet. Die Unwirksamkeit ist binnen drei Jahren gerichtlich (bei der Gemeinde, § 39 MRG) geltend zu machen. Schon diesem Wortlaut des § 16 Abs 8 Satz 1 und 2 MRG nach sind nur bestimmte Einwendungen, nämlich Verstöße gegen die gesetzlichen Zinsbildungsvorschriften der Präklusion unterstellt. Die Präklusionsregelung verfolgt demnach nicht das Ziel, zivilrechtlich gänzlich unwirksame Vereinbarungen Wirksamkeit zu verleihen oder dem Grunde nach unberechtigte Mietzinsanhebungsbegehren zu sanieren (Lovrek/Stabentheiner in GeKo Wohnrecht I § 16 MRG Rz 99; Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Wohnrecht³ § 16 MRG Rz 84a ff; 5 Ob 166/10p = RS0126754).
4.3. Für die Revisionsrekurswerberin ist mit dieser Beschränkung der inhaltlichen Reichweite der Präklusionsregelung des § 16 Abs 8 MRG aber nichts gewonnen. Gegenstand des Verfahrens nach § 37 Abs 1 Z 8 MRG ist die Frage, ob der vereinbarte oder begehrte Hauptmietzins den gesetzlichen Zinsbildungsvorschriften entspricht (RS0069523 [T7, T9, T11]). In diesem Sinn beantragte die Antragstellerin hier auch die Feststellung, in welchem Ausmaß der vorgeschriebene Mietzins das gesetzlich zulässige Zinsausmaß überschritten habe, und nicht die – dem streitigen Rechtsweg vorbehaltene – Feststellung der Rechtsunwirksamkeit der Mietzinsvereinbarung. Die von der Antragstellerin in ihrem Revisionsrekurs (und nach ihren Angaben auch in einem parallel geführten streitigen Verfahren) geltend gemachte zivilrechtliche Unwirksamkeit des Zustandekommens der Mietzinsvereinbarung ist im vorliegenden Verfahren nach § 37 Abs 1 Z 8 MRG allenfalls als Vorfrage zu prüfen (RS0069523; RS0070694; RS0070552). Die hier zu entscheidende Hauptfrage unterliegt daher der Präklusion nach § 16 Abs 8 MRG.
4.4. Die in § 16 Abs 8 MRG normierte Präklusivfrist für die Geltendmachung der Unwirksamkeit einer Mietzinsvereinbarung beginnt nach ständiger Rechtsprechung mit dem Abschluss der Vereinbarung zu laufen und nicht ab der ersten Mietzinszahlung oder ab Beginn des Mietverhältnisses (RS0112326). Dies gilt auch bei der Vereinbarung eines Staffelmietzinses, bei der im Zeitpunkt der Vereinbarung der zukünftige Mietzins schon der Höhe nach bestimmt festgelegt wird (5 Ob 182/06k). Wenn der Mietzins schon in der Vereinbarung der Höhe nach bestimmt festgelegt wird und nicht erst später festzulegen ist, hindert es den Beginn des Fristenlaufs auch nicht, wenn dieser Mietzins erst zu einem späteren Zeitpunkt zu leisten ist; mag dieser Zeitpunkt auch noch nicht datumsmäßig feststehen, sondern von einer bestimmten aufschiebenden Bedingung abhängig sein. Dies hat insbesondere dann zu gelten, wenn der Bedingungseintritt – wie hier im Falle der Vereinbarung der Fälligkeit mit der Bezugsfertigstellung des Zubaus – vom Willen des betroffenen Mieters abhängig ist.
4.5. Allein das Fehlen höchstgerichtlicher Rechtsprechung zu der hier zu beurteilenden Fallgestaltung begründet für sich noch nicht eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG (RS0102181, RS0110702, RS0107773). Das gilt insbesondere dann, wenn – wie hier – die für vergleichbare Sachverhalte entwickelten Grundsätze der Rechtsprechung auf den konkreten Sachverhalt anwendbar sind (RS0107773 [T3]), der Streitfall daher bereits mit Hilfe vorhandener Leitlinien höchstgerichtlicher Rechtsprechung gelöst werden kann und gelöst wurde (RS0042656 [T48], RS0042742 [T13]; vgl auch RS0118640).
5. Der Revisionsrekurs war daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht.
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