European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0070OB00166.19S.1127.000
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei und der Nebenintervenientin die jeweils mit 2.288,70 EUR (darin enthalten 381,45 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Der Kläger schloss mit der Beklagten einen Unfallversicherungsvertrag. In der Versicherungspolizze findet sich zum Versicherungsumfang der Passus: „Dauernde Invalidität Fix – Ab einem festgestellten Invaliditätsgrad von 50 % wird die vereinbarte Versicherungssumme geleistet“. Weiters lautet die Polizze auszugsweise wie folgt:
„ Besondere Vertragsbeilage Nr 301303
Vertragsvereinbarung für dauernde Invalidität Fix
1. Voraussetzung für die Leistung:
Die versicherte Person ist als Folge eines einzelnen Unfallereignisses auf Lebenszeit in ihrer körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt, wobei der Grad der festgestellten Gesamtinvalidität mindestens 50 % erreichen muss.
...
2. Art und Höhe der Leistung:
Die Invaliditätsleistung zahlen wir als Kapitalbetrag.
Bleibt als Folge eines einzelnen Unfallereignisses eine dauernde Invalidität im Gesamtausmaß von 50 % oder darüber zurück, so gelangt die in der Polizze angeführte Versicherungssumme in voller Höhe zur Auszahlung. Liegt der Grad der festgestellten Gesamtinvalidität unter 50 %, wird keine Leistung erbracht.
Die Bemessung des Invaliditätsgrades erfolgt ausschließlich nach Art 7 der AUVB 2010.
Löst ein Unfall die Leistung 'Dauernde Invalidität Fix' aus, endet diese Leistungsvereinbarung rückwirkend ab dem dem Unfall folgenden Tag….“
Rechtliche Beurteilung
1. Die Revision ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Die Zurückweisung eines ordentlichen Rechtsmittels wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).
2.1. Nach ständiger Rechtsprechung ist der Versicherungsmakler zwar regelmäßig ein Doppelmakler, wird aber trotzdem als Hilfsperson des Versicherungsnehmers dessen Sphäre zugerechnet und hat primär als „Bundesgenosse“ des Versicherten dessen Interessen zu wahren (RS0114041). Das Bestehen einer Rahmenprovisionsvereinbarung schließt die Annahme eines unabhängigen Versicherungsmaklers nicht aus (RS0114041 [T4]). Vom unabhängigen Versicherungsmakler zu unterscheiden ist der Versicherungsagent im Sinn des § 43 VersVG, der vom Versicherer ständig betraut ist, Versicherungsverträge zu vermitteln oder zu schließen, damit zum Versicherer ein Naheverhältnis hat und dessen Sphäre zugerechnet wird (RS0114041). Letzteres gilt auch für den sogenannten „Pseudomakler“ – ein Vermittler, der zum Versicherer in einem solchen wirtschaftlichen Naheverhältnis steht, das es zweifelhaft erscheinen lässt, ob er in der Lage ist, überwiegende Interessen des Versicherungsnehmers zu wahren (vgl nunmehr § 44 VersVG; RS0114041) – und den sogenannten „Anscheinsagenten“; darunter ist ein Vermittler zu verstehen, der mit nach den Umständen anzunehmender Billigung des Versicherers als Versicherungsagent auftritt (vgl § 43 VersVG). Ob der Versicherungsnehmer zu dieser Annahme berechtigt ist, beurteilt sich nach denselben Kriterien, wie sie für die Duldungs‑ und Anscheinsvollmacht entwickelt worden sind. Voraussetzung für die Zurechnung ist, dass der Versicherer einen äußeren Tatbestand schafft, aus dem auch der sorgfältige Versicherungsnehmer schließen kann, es müsse eine Betrauung der als Versicherungsagent auftretenden Person vorliegen. Eine tatsächliche Billigung des Versicherers, also die Betrauung des Agenten, muss hingegen nicht gegeben sein (7 Ob 161/15z mwN). Ob ein derartiger Tatbestand vorliegt, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, entzieht sich daher einer generalisierenden Beantwortung, schließt eine beispielhafte Entscheidung aus und ist daher in der Regel keine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO. Es kann sein, dass der Versicherungsmakler nicht nur Vertreter des Versicherungsnehmers, sondern auch Versicherungsagent im Sinn des § 43 Abs 1 VersVG aF ist (RS0080382). Daraus allein folgt aber noch nicht, dass dessen Wissen (jedenfalls) dem Versicherer zuzurechnen ist. Entscheidend ist, in welcher Funktion der Versicherungsmakler aufgetreten ist. Die Kenntnisse des Versicherungsmaklers sind nämlich dann nicht dem Versicherer zuzurechnen, wenn der Versicherungsmakler gerade in seiner Funktion als Vertreter des Versicherungsnehmers auftritt, also gleichsam im Lager des Antragstellers und nicht in dem des Versicherers steht. (RS0080382 [T2]).
2.2. Die Voraussetzungen für die Beurteilung als „Pseudomakler“ wurden vom Berufungsgericht nicht korrekturbedürftig verneint, steht doch ein besonderes wirtschaftliches Naheverhältnis zwischen der Nebenintervenientin und der Beklagten (weniger als 1% sämtlicher Versicherungsverträge wurde an die Beklagte vermittelt) nicht fest.
2.3. Die weitere Rechtsansicht des Berufungsgerichts, aus den Feststellungen lasse sich nicht ableiten, die Beklagte habe bei der Antragstellung den Anschein eines besonderen Naheverhältnisses der Nebenintervenientin zur Beklagten erweckt, hält sich ebenfalls im Rahmen der Judikatur. Unabhängig davon, ob ein Makler auch Versicherungsagent sein könnte, sind die Kenntnisse des Versicherungsmaklers jedenfalls dann nicht dem Versicherer zuzurechnen, wenn der Versicherungsmakler gerade in seiner Funktion als Vertreter des Versicherungsnehmers auftritt.
Der Kläger wandte sich an einen selbständigen Makler mit dem Auftrag ein auf dem Versicherungsmarkt erhältliches seinen Vorstellungen entsprechendes Produkt auszuwählen. Dass der Makler dem Kläger letztlich ein Offert mit dem Logo der Beklagten vorlegte, ist geradezu typische Aufgabe (auch) eines Versicherungsmaklers (7 Ob 130/18w). Im Antrag sind nur die Daten der Beklagten genannt, der Makler setzte lediglich seine Paraphe auf die letzte Seite des Antrags über dem Hinweis „Unterschrift des Betreuers“. Es gab keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Makler bei der Antragstellung nicht als solcher tätig wurde. Es ist im Einzelfall nicht zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht das Wissen des Maklers über das Produkt „Dauernde Invalidität Fix“ und der besonderen Vertragsbeilage Nr 301303 bei der Antragstellung dem Kläger zurechnete und nicht allein daraus, dass die Nebenintervenientin später in der Polizze als „Betreuerin“ angeführt wurde, ableitete, die Nebenintervenientin sei als Anscheinsagentin bei der Antragstellung zu beurteilen.
3.1. Allgemeine Versicherungsbedingungen (AVB) werden als Allgemeine Geschäftsbedingungen Vertragsbestandteil, wenn sie vertraglich vereinbart wurden (vgl RS0117649; RS0062323 [T5]). Für deren Einbeziehung in das Vertragsverhältnis reicht etwa die Anführung der maßgeblichen AVB auf dem vom Kunden unterfertigten Antragsformular aus, ohne dass es auf die Aushändigung der AVB an den Versicherungsnehmer ankäme (RS0117648 [T1, T3]).
3.2. Für den Kläger war ein unabhängiger Makler tätig, dem bekannt ist, dass Versicherer zu ihren AVB abschließen. Bei dieser Sachlage reicht – entgegen der Ansicht des Klägers – der Hinweis auf die Allgemeinen sowie Ergänzenden Versicherungsbedingungen und die allfälligen Besonderen Versicherungsbedingungen im Versicherungs-antrag zur Einbeziehung auch der besonderen Vertragsbeilage Nr 301303 aus (vgl 7 Ob 25/19f).
4. Eine dauernde Invalidität im Gesamtausmaß von 50 % steht nicht fest, sodass nach den insoweit völlig klaren Versicherungsbedingungen, kein Anspruch auf die Versicherungsleistung besteht.
5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte und die Nebenintervenientin haben auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.
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